Freitag, 28. November 2014
PAPST FRANZISKUS (2) IN DER TÜRKEI: ... Geschrieben von Padre Alex / Dr. Alexander Pytlik
in News Kommentare, Türkei und Zypern um
23:00
Kommentare (0) Trackbacks (6) PAPST FRANZISKUS (2) IN DER TÜRKEI: ANSPRACHEN BEI SÄKULARER UND RELIGIÖSER AUTORITÄT (DİYANET)
Nach dem Besuch ım Atatürk-Mausoleum hatte sich Seine Heiligkeit noch zwei offizielle Begegnungen vorgenommen, den offiziellen Höflichkeitsbesuch beim einladenden Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan und die Begegnung mit der von Prof. Mehmet Görmez geleiteten obersten Religionsbehörde der Türkei, die unter anderem für eine gültige Auslegung des sunnitischen Islam zuständig ist. Acht Jahre zuvor hatte auch Benedikt XVI. dasselbe Religionsamt besucht und sich dann danach mit dem bei der Türkischen Republik akkreditierten Diplomatischen Korps getroffen. Ich übernehme nun die beiden heutigen Ansprachen Seiner Heiligkeit Papst Franziskus von seinen Internetseiten, und zwar jeweils die angebotene deutsche und türkische Übersetzung. Der Papst selbst entschied sich für die Verwendung der italienischen Sprache:
APOSTOLISCHE REISE VON PAPST FRANZISKUS IN DIE TÜRKEI: A) ANSPRACHE BEI DER BEGEGNUNG MIT DEN BEHÖRDENVERTRETERN Freitag, 28. November 2014 Herr Präsident, verehrte Vertreter der Regierung und des öffentlichen Lebens, sehr geehrte Damen und Herren, ich freue mich, Ihr Land zu besuchen, das reich an Naturschönheiten und an Geschichte ist und von den Zeugnissen antiker Kulturen überströmt. Ihr Land ist natürliche Brücke zwischen zwei Kontinenten und zwischen unterschiedlichen kulturellen Ausdrucksformen. Diese Erde ist jedem Christen teuer, weil sich auf ihr die Geburt des heiligen Paulus zugetragen und weil Paulus hier verschiedene christliche Gemeinden gegründet hat; weil sie die ersten sieben Konzilien der Kirche beherbergt hat und weil hier nahe bei Ephesus, einer ehrwürdigen Tradition gemäß, das "Haus Marias" steht, der Ort, wo die Mutter Jesu für einige Jahre lebte, Ziel der Verehrung vieler Pilger von allen Enden der Welt, nicht nur Christen, sondern auch Muslime. Die Gründe für die Achtung und die Wertschätzung der Türkei sind jedoch nicht einzig und allein in seiner Vergangenheit zu suchen, in seinen antiken Denkmälern, sondern sie finden sich in der Lebendigkeit seiner Gegenwart, im Fleiß und in der Großzügigkeit seines Volkes, in seiner Rolle im Konzert der Nationen. Es ist für mich ein Grund zur Freude, die Gelegenheit zu haben, mit Ihnen einen freundschaftlichen, respektvollen und wertschätzenden Dialog fortzusetzen, der auf der Spur verläuft, den meine Vorgänger, der selige Paul VI., der heilige Johannes Paul II. und Papst Benedikt XVI. eingeschlagen haben; ein Dialog, der seinerzeit durch den damaligen Apostolischen Delegaten Monsignor Angelo Giuseppe Roncalli, der spätere heilige Johannes XXIII., und vom Zweiten Vatikanischen Konzil vorbereitet und gefördert worden ist. Wir haben einen Dialog nötig, der die Kenntnis der vielen Dinge vertieft, die uns verbinden, und sie abwägend zur Geltung bringt, der uns zugleich auch erlaubt, mit weisem und gelassenem Gemüt die Unterschiede zu bedenken, um auch aus ihnen Lehren zu ziehen. Es ist erforderlich, dass der Einsatz zum Aufbau eines dauerhaften Friedens, der auf der Achtung der grundlegenden Rechte und Pflichten in Bezug auf die Menschenwürde beruht, mit Geduld weitergeführt wird. Auf diese Weise lassen sich die Vorurteile und falschen Ängste überwinden; stattdessen ergibt sich Raum für die Wertschätzung, für die Begegnung und für die Entwicklung von besseren Energien zum Vorteil für alle. Dazu ist es grundlegend, dass die muslimischen, jüdischen und christlichen Bürger – sowohl in den gesetzlichen Bestimmungen, wie auch in ihrer tatsächlichen Durchführung – die gleichen Rechte genießen und die gleichen Pflichten übernehmen. Auf diese Weise erkennen sie sich leichter als Geschwister und Weggefährten an, legen immer mehr das Unverständnis ab und fördern die Zusammenarbeit und das Einvernehmen. Die Religions- und die Meinungsfreiheit, die allen effektiv garantiert ist, regen das Aufblühen der Freundschaft an und sind ein beredtes Zeichen des Friedens. Der Nahe Osten, Europa und die Welt warten auf diese Blüte. Besonders der Nahe Osten ist seit zu vielen Jahren Schauplatz von Bruderkriegen, die wechselseitig auszubrechen scheinen, als ob die einzige mögliche Antwort auf Krieg und Gewalt immer ein neuer Krieg und eine weitere Gewalt sein müssten. Für wie lange Zeit muss der Nahe Osten noch auf Grund des fehlenden Friedens leiden? Wir dürfen uns nicht mit einer Fortsetzung der Konflikte abfinden, als ob nicht eine Änderung zum Besseren dieser Situation möglich wäre! Mit der Hilfe Gottes können und sollen wir den Mut zum Frieden immer wieder erneuern! Diese Haltung führt dazu, mit Aufrichtigkeit, Geduld und Bestimmtheit alle Mittel der Verhandlung zu gebrauchen und so konkrete Zielsetzungen hinsichtlich des Friedens und der nachhaltigen Entwicklung zu erlangen. Herr Präsident, um ein so hohes und dringendes Ziel zu erreichen, kann ein wichtiger Beitrag aus dem interreligiösen und interkulturellen Dialog erwachsen. Auf diese Weise wird jede Form von Fundamentalismus und Terrorismus gebannt, welche die Würde aller Menschen erniedrigt und die Religion instrumentalisiert. Es ist erforderlich, dem Fanatismus und dem Fundamentalismus, den irrationalen Abneigungen, die Unverständnis und Diskriminierungen wecken, die Solidarität aller Glaubenden entgegenzusetzen, die als Grundpfeiler den Respekt für das menschliche Leben und für die Religionsfreiheit hat, die Freiheit des Kultes und Freiheit der Lebensführung nach einer religiösen Ethik bedeutet. Ein weiterer Pfeiler besteht in der Anstrengung, allen das Nötige für ein würdiges Leben zu gewährleisten, und schließlich in der Sorge für die natürliche Umwelt. Das haben in besonderer Dringlichkeit die Völker und die Staaten des Nahen Ostens nötig, um endlich „die Tendenz umzukehren“ und mit positivem Ergebnis einen Friedensprozess voranzubringen und dies mit der Ächtung des Krieges und der Gewalt sowie mit der Verfolgung des Dialogs, des Rechts und der Gerechtigkeit. Bis heute sind wir in der Tat leider immer noch Zeugen schwerer Konflikte. Insbesondere in Syrien und im Irak macht die terroristische Gewalt keine Anstalten nachzulassen. Man erlebt die Verletzung der elementarsten humanitären Gesetze, was Gefangene und ganze ethnische Gruppen betrifft. Schwere Verfolgungen haben sich ereignet und geschehen noch immer zum Schaden von Minderheiten, besonders – aber nicht nur – der Christen und Jesiden. Hunderttausende Menschen wurden gezwungen, ihre Häuser und ihre Heimat zu verlassen, um das eigene Leben zu retten und ihrem eigenen Glauben treu zu bleiben. Die Türkei, die eine große Zahl von Flüchtlingen hochherzig aufgenommen hat, ist damit direkt von den Wirkungen dieser dramatischen Situation an ihren Grenzen berührt. Die internationale Gemeinschaft hat die moralische Pflicht, ihr bei der Sorge um die Flüchtlinge zu helfen. Neben der notwendigen humanitären Hilfe kann man vor dem, was diese Tragödien hervorgerufen hat, nicht gleichgültig bleiben. Wenn auch zu unterstreichen ist, dass es erlaubt ist, einen ungerechten Angreifer aufzuhalten, immer allerdings im Einklang mit dem Völkerrecht, so will ich auch daran erinnern, dass man eine Lösung des Problems nicht allein einer militärischen Antwort überlassen kann. Es ist ein starker gemeinsamer Einsatz nötig, der auf gegenseitigem Vertrauen gründet, um einen dauerhaften Frieden zu ermöglichen und zu gestatten, die Mittel endlich nicht mehr der Rüstung sondern den wahren „Kämpfen“, die des Menschen würdig sind, zu widmen: dem Kampf gegen den Hunger und gegen die Krankheiten, dem Kampf für eine nachhaltige Entwicklung und die Wahrung der Schöpfung, durch den Beistand bei den vielfältigen Formen der Armut und Ausgrenzung, die selbst in der modernen Welt nicht fehlen. Die Türkei hat durch ihre Geschichte, aufgrund ihrer geographischen Lage und wegen der Bedeutung, die sie in der Region einnimmt, eine große Verantwortung: ihre Entscheidungen und ihr Beispiel besitzen ein besonderes Gewicht und können eine beachtliche Hilfe bei der Förderung einer Begegnung unter den Kulturen und beim Finden gangbarer Wege für den Frieden und für einen echten Fortschritt sein. Möge der Allmächtige die Türkei segnen und behüten; er möge ihr beistehen, ein tüchtiger und überzeugter Baumeister des Friedens zu werden. Danke! [TÜRKISCHE ÜBERSETZUNG DES HEILIGEN STUHLES: ERSTE ANSPRACHE VON FRANZISKUS:] Sayın Cumhurbaşkanı, Resmi ve Sivil Yetkililer, Bayanlar ve Baylar, Doğal güzellikler ve tarihi açıdan zengin, antik medeniyetlerin izleri ile dolu; iki kıta ve farklı kültürel ifadeler arasında köprü vazifesi gören ülkenizi ziyaret etmekten dolayı çok mutluyum. Bu topraklar her bir Hristiyan için çok değerlidir çünkü, Aziz Pavlus burada doğmuş ve çeşitli Hristiyan toplulukları burada kurmuştur; burası ilk yedi Kilise Konsili’ne ev sahipliği yapmıştır, ayrıca halen Efes yakınlarında bulunan ve kilise geleneğinin "Meryem Ana Evi" olarak kabul ettiği İsa'nın annesinin birkaç yıl yaşadığına inanılan yere, dünyanın her yerinden inançlı insanlar hac görevlerini ifa etmek üzere ziyarette bulunuyor. Bu ziyarete sadece Hristiyan kardeşlerimiz değil, Müslüman kardeşlerimiz de katılıyor. Bütün bunların yanında, Türkiye'nin önemi ve takdir edilmesinin sebepleri, sadece geçmişinde ve sahip olduğu antik anıtlarda aranmamalı. Şu anda mevcut olan canlılığı, çalışkanlığı, halkının cömertliği ve bütün milletler içindeki rolünde aranmalıdır. Sizinle birlikte bu dostluk, karşılıklı değer verme ve saygı diyaloğu fırsatını değerlendirmek, benim içi bir sevinç kaynağıdır; aynen, seleflerim Kutlu Papa 6. Pavlus Hazretleri, Aziz Papa 2. Yuhanna Pavlus Hazretleri ve Papa 16. Benedikt Hazretlerinin yaptığı gibi. Bu diyalog, döneminde Papalık Temsilciliği yapan, sonrasında Aziz olan Papa Yuhanna XXIII yani Monsenyör Angelo Guiseppe Roncalli ve İkinci Vatikan Konsili tarafından hazırlanmış ve ilerletilmiştir. Bizi birleştiren birçok unsuru derinlemesine öğrenmemiz ve bu unsurların değerini ortaya çıkarabilmek için bir diyaloğa ihtiyacımız vardır. Aynı zamanda bu diyalog, hikmetli bir ruh ve sakinlikle farklılıklara değer vermek ve onlardan ders çıkarmaya da yardımcı olmalıdır. Sağlam bir barışı inşa etme çabasını sabırla ileri götürmek gerekir. Bu barış, insanlığın onuruna bağlı olan ödevler ve temel haklara saygı üzerine kurulmuş olmalıdır. Bu yolda ancak önyargılar ve yanlış korkular aşılabilir ve herkesin yararına olan olumlu çabalara, saygıya ve diyaloga yer açılabilir. Bunu gerçekleştirmek için Müslüman, Yahudi ve Hristiyan vatandaşların yasalara uygun olarak ve bu yasaların uygulandığı ölçülerde aynı haklara sahip olmaları ve aynı ödevleri yerine getirmeleri gerekir. Bu vatandaşlar, böylece birbirlerini daha kolay bir şekilde kardeş ve yoldaş olarak kabul edecekler, her seferinde yanlış anlamalardan uzaklaşarak işbirliğini ve anlayışı destekleyeceklerdir. Herkese açıkça garanti edilmiş olan din özgürlüğü ve ifade özgürlüğü, barışın anlamlı bir işareti olurken dostluğu yeşertecektir. Ortadoğu, Avrupa ve tüm dünya bu yeşermeyi bekliyor. Özellikle Ortadoğu çok uzun yıllardır, kardeş katlinin yaşandığı savaşlara sahne oluyor. Bir savaş, sanki başka bir savaşı doğuruyor. Sanki savaşa ve şiddete verilebilecek yegâne cevap, yeni bir savaş veya başka bir şiddet eylemine başvurmaymış gibi bu durum devam ediyor. Ortadoğu barış noksanlığı nedeniyle daha ne kadar acı çekmek zorunda kalacak? Durumun sanki daha iyiye gidebilmesi mümkün değilmiş gibi, bu çatışmaların devam etmesine göz yumamayız. Tanrı’nın yardımıyla, barışı sağlamak için çabalama cesaretini her zaman içimizde hissedebiliriz ve hissetmeliyiz. Bu yaklaşım sadakat, sabır ve kararlılıkla tüm müzakere yollarını kullanmaya ve barış ile sürdürülebilir kalkınmanın somut hedeflerine varmak için yol açar. Sayın Cumhurbaşkanı, böylesi yüce ve acil bir amaca ulaşmak için, dinler arası ve kültürler arası diyalog büyük katkıda bulunabilir. Bununla birlikte, bütün insanlık onurunu ciddi derecede aşağılayan ve amacı için dini araç olarak kullanan her çeşit köktenci yönelim ve terörizm bertaraf edilmiş olur. Anlaşmazlıkları ve ayrımcılığı körükleyen fanatizme, köktenciliğe ve mantık dışı korkulara karşı gelinmelidir. Tüm inananların dayanışması, insan hayatına saygının, ibadet özgürlüğü ve dini ahlak kurallarına göre yaşama anlamına gelen dini özgürlüğün bir taşıyıcı sütunu gibidir. Bu çaba, herkes için gerekli olan onurlu bir yaşam ve doğal ortamın korunması içindir. Özellikle Ortadoğu’da bulunan halk ve devletler, – eğilimi değiştirmek için – savaşa ve şiddete karşı çıkarak, diyaloğu, hukuku ve adaleti izleyerek bu barış sürecini olumlu bir sonuca götürecek şekilde ilerletmeye acilen ihtiyaç duymaktadırlar. Bugüne kadar ne yazık ki çatışmalara tanık olduk. Özellikle Suriye ve Irak’ta, terör eylemleri halen aralıksız devam etmektedir. Tutuklular ve farklı etnik gruplara karşı en basit insani kurallar dahi çiğneniyor; azınlıklık gruplarına yönelik büyük zulümler hala gerçekleşiyor. Sadece Hristiyanlar ve Ezidiler değil: yüz binlerce insan evlerini ve vatanlarını, hayatlarını kurtarmak ve inançlarına bağlı kalabilmek için terk ettiler. Türkiye, büyük bir cömertlik sergileyerek birçok göçmeni kabul etti ve sınırlarında meydana gelen bu dramatik durumdan doğrudan etkilendi. Uluslararası camianın, bu göçmenlere yardım etmesi ahlaki bir mecburiyettir. Gerekli olan insani yardımın yanında, bu trajediyi ortaya çıkaran sebeplere de kayıtsız kalınmamalıdır. Şunu da hatırlatmak isterim ki her zaman uluslararası hukuka saygılı olmak şartiyle, haksız saldırya karşı mücadele meşru ise de, sorunun çözümü için sadece askeri cevap yeterli olmayacaktır. Karşılıklı güvene dayalı, ortak ve güçlü bir çaba gereklidir. Bu çaba, kalıcı bir barışı mümkün kılacak ve kaynaklarımızı silahlara değil, insan onuruna layık gerçek savaşlara yönlendirecek: açlık ve hastalıklara karşı savaş, sürdürülebilir kalkınma, yaratılmış olanın korunması, modern dünyamızda dahi eksik kalmayan ve farklı yüzlerle karşımıza çıkan fakirlik ve uç eğilimlerle mücadele gibi. Türkiye, tarihi, bölgedeki coğrafi konumu ve önemi nedeniyle büyük bir sorumluluğa haizdir. Türkiye'nin yaptığı seçimler ve verdiği örnek özel bir değere sahiptir. Ayrıca, medeniyetlerin bir araya gelebilmesine katkı sağlayabilir, izlenebilir barış ve kalkınma yollarını çizebilir. Her şeye kadir yüce Tanrı, Türkiye’yi kutsasın ve korusun; ve onu etkin, kabul görür bir barış inşacısı yapsın. Teşekkürler! B) ANSPRACHE BEIM BESUCH DES AMTES FÜR RELIGIÖSE ANGELEGENHEITEN (DİYANET) Freitag, 28. November 2014 Herr Präsident, verehrte Verantwortungsträger des religiösen und zivilen Lebens, sehr geehrte Damen und Herren, es ist für mich ein Grund zur Freude, Ihnen im Verlauf meines Besuches in Ihrem Land heute zu begegnen. Ich danke dem Herrn Präsidenten dieses bedeutenden Amtes für die freundliche Einladung, die mir die Gelegenheit bietet, mich mit den politischen und religiösen Verantwortlichen, Muslimen wie Christen, zu unterhalten. Es ist Tradition, dass die Päpste, wenn sie als Teil ihrer Sendung in verschiedene Länder reisen, sich auch mit den Verantwortlichen und den Gemeinschaften anderer Religionen treffen. Ohne diese Offenheit für die Begegnung und den Dialog entspräche ein Papstbesuch nicht vollkommen seinen Zielsetzungen, so wie auch ich sie in der Nachfolge meiner verehrten Vorgänger verstehe. In dieser Perspektive erinnere ich gerne in besonderer Weise an die Begegnung, die Papst Benedikt XVI. im November 2006 an diesem Ort hier hatte. Die guten Beziehungen und der Dialog unter den religiösen Führern sind in der Tat von großer Bedeutung. Sie stellen eine klare Botschaft an die jeweiligen Gemeinschaften dar, um auszudrücken, dass gegenseitige Achtung und Freundschaft möglich sind, trotz der Unterschiede. Diese Freundschaft ist bereits in sich ein Wert, darüber hinaus aber gewinnt sie eine besondere Bedeutung und wird noch wichtiger in Krisenzeiten wie der unseren – Krisen, die in einigen Regionen der Welt wahre Tragödien für ganze Bevölkerungen werden. Tatsächlich gibt es Kriege, die Menschenopfer fordern und Zerstörung verbreiten, Spannungen und Konflikte zwischen ethnischen und religiösen Gruppen; Hunger und Armut, die Hunderte von Millionen Menschen quälen; Schäden an der natürlichen Umwelt, an Luft, Wasser und Erde. Wirklich tragisch ist die Situation im Nahen Osten, besonders im Irak und in Syrien. Alle leiden unter den Folgen der Konflikte, und die humanitäre Situation ist beängstigend. Ich denke an so viele Kinder, an die Leiden der vielen Mütter, an die alten Menschen, an die Evakuierten und an die Flüchtlinge, an die Gewalt aller Art. Besondere Sorge erweckt die Tatsache, dass, vor allem aufgrund einer extremistischen und fundamentalistischen Gruppe, ganze Gemeinschaften, besonders – aber nicht allein – die Christen und die Jesiden wegen ihrer ethnischen und religiösen Identität unmenschliche Gewalt erlitten haben und noch erleiden. Gewaltsam sind sie aus ihren Häusern vertrieben worden, haben alles verlassen müssen, um ihr Leben zu retten und ihren Glauben nicht zu verraten. Die Gewalt hat auch sakrale Gebäude, Denkmäler, religiöse Symbole und das kulturelle Erbe getroffen, als wolle man jede Spur, jede Erinnerung des anderen auslöschen. Als religiöse Führer haben wir die Pflicht, alle diese Verletzungen der Menschenwürde und der Menschenrechte öffentlich anzuklagen. Das menschliche Leben, ein Geschenk des Schöpfergottes, besitzt einen sakralen Charakter. Darum verdient die Gewalt, die eine religiöse Rechtfertigung sucht, die stärkste Verurteilung, denn der Allmächtige ist Gott des Lebens und des Friedens. Von allen, die behaupten, ihn anzubeten, erwartet die Welt, dass sie Männer und Frauen des Friedens sind, fähig, als Brüder und Schwestern zu leben, trotz der ethnischen, religiösen, kulturellen oder ideologischen Unterschiede. Der öffentlichen Anklage muss man die gemeinsame Arbeit folgen lassen, um geeignete Lösungen zu finden. Das erfordert die Zusammenarbeit aller Teile: politischer und religiöser Führer, Verantwortlicher der Zivilgesellschaft und aller Männer und Frauen guten Willens. Besonders die Verantwortlichen der religiösen Gemeinschaften können mit den Werten, die in ihren jeweiligen Traditionen vorhanden sind, einen kostbaren Beitrag leisten. Wir, Muslime und Christen, sind Träger unschätzbarer spiritueller Reichtümer, unter denen wir Elemente erkennen, die wir gemeinsam haben, auch wenn sie entsprechend der je eigenen Traditionen gelebt werden: die Anbetung des barmherzigen Gottes, der Bezug auf den Patriarchen Abraham, das Gebet, die Almosen, das Fasten… Elemente, die, wenn sie aufrichtig gelebt werden, das Leben verwandeln und einen sicheren Grund für die Würde und die Brüderlichkeit der Menschen legen können. Diese spirituelle Gemeinsamkeit durch den interreligiösen Dialog zu erkennen und weiterzuentwickeln, hilft uns auch, in der Gesellschaft die moralischen Werte, den Frieden und die Freiheit zu fördern (vgl. Johannes Paul II., Ansprache an die katholische Gemeinde von Ankara, 29. November 1979). Die gemeinsame Anerkennung der Heiligkeit der menschlichen Person stärkt das gemeinsame Mitleid, die Solidarität und die tätige Hilfe gegenüber denen, die am meisten leiden. In diesem Zusammenhang möchte ich meine Anerkennung für all das ausdrücken, was das ganze türkische Volk – die Muslime und die Christen – für die Hunderttausende von Menschen tut, die aufgrund der Konflikte aus ihren Ländern fliehen. Es sind im Ganzen zwei Millionen… Das ist ein konkretes Beispiel dafür, wie man gemeinsam arbeiten kann, um den anderen zu dienen – ein Beispiel, das zu ermutigen und zu unterstützen ist. Mit Befriedigung habe ich von den guten Beziehungen und der Zusammenarbeit zwischen dem Diyanet und dem Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog erfahren. Ich wünsche mir, dass sie fortschreiten und sich festigen zum Wohl aller, denn jede Initiative zu einem echten Dialog ist ein Zeichen der Hoffnung für eine Welt, die den Frieden, die Sicherheit und den Aufschwung so sehr nötig hat. Und nach dem Gespräch mit dem Herrn Präsidenten wünsche ich mir auch, dass dieser interreligiöse Dialog kreativ wird für neue Formen. Herr Präsident, Ihnen und Ihren Mitarbeitern möchte ich noch einmal meinen Dank aussprechen für diese Begegnung, die mein Herz mit Freude erfüllt. Dankbar bin ich außerdem Ihnen allen für Ihre Anwesenheit und für Ihre Gebete, die Sie freundlicherweise für meinen Dienst darbringen werden. Ich versichere Ihnen meinerseits, dass ich ebenso für Sie beten werde. Der Herr segne uns alle. [TÜRKISCHE ÜBERSETZUNG DES HEILIGEN STUHLES: ZWEITE ANSPRACHE VON FRANZISKUS:] Sayın Diyanet İşleri Başkanı, Dini ve sivil yetkililer, Bayanlar ve Baylar, Ülkenize yapmış olduğum ziyaret çerçevesinde, bugün burada sizinle buluşmuş olmak benim için bir sevinç nedeni olmaktadır. Bu önemli Makam’ın Sayın Başkanı’na bana, Müslüman ve Hıristiyan, politik ve dini önderlerle bir arada olma fırsatı verdiğinden dolayı, bu dostane daveti vesilesiyle teşekkür ediyorum. Papaların görevlerinin bir gereği olarak farklı ülkelere gittiklerinde, diğer dinlerin yetkilileri ve cemaatleriyle bir araya gelmeleri bir gelenektir. Bir araya gelmek ve diyalog kurmak için böyle bir açılım olmazsa, Papa’nın seyahatinin amacı tam olarak gerçekleşmemiş olur. Selefim olan Papalar gibi ben de bunu amaçlıyorum. Bu açıdan, özellikle 2006 yılının Kasım ayında Papa 16. Benedikt Hazretleri’nin bu aynı yerde gerçekleştirdiği buluşmayı hatırlatmaktan memnuniyet duyuyorum. Dinî önderler arasındaki ilişkiler ve diyalog son derece önem arzederler. Bunlar ilgili cemaatlere açık bir mesaj ifade eder, farklılıklara rağmen karşılıklı saygı ve dostluğun mümkün olduğunu gösterirler. Bu dostluk, kendi içinde bir değer taşımasının ötesinde, bugün olduğu gibi kriz dönemlerinde özel bir anlam ve büyük bir önem kazanır. Bu krizler dünyanın belli bir kısmında olmasına rağmen bütün halklar tarafından gerçek bir ıstırap olarak hissedilmektedir. İşte kurbanlar ve yıkım, milletler ve dinler arası gerilim ve çatışma, açlık ve yoksulluk yaratan savaşlarla karşı karşıyayız; milyonlarca insan bunlardan etkileniyor; doğayı, havayı, suyu ve toprağı mahvediyorlar. Ortadoğu’daki durum, özellikle Irak ve Suriye’de oldukça trajiktir. Çatışmalardan dolayı herkes acı çekiyor ve insanî durum dehşet veriyor. Bebekleri, acılar içindeki anneleri, yaşlıları, göçmek zorunda olanları, sığınmacıları ve her tür şiddeti düşünüyorum. Bunların yanısıra, aşırı ve köktenci bir grup sebebiyle, etnik ve dinsel kimliklerinden dolayı insanlık dışı şiddete bütünüyle maruz kalmış ve hâlâ bu şiddetin içinde acı çeken toplulukların durumu da özel bir kaygı kaynağıdır. Bu topluluklar, özellikle Hıristiyan ve Ezidi olduğu halde, yalnız bunlardan ibaret de değildir. Evlerinden zorla kovuldular, hayatlarını kurtarmak ve imanlarını inkâr etmemek için her şeylerini terk ettiler. Şiddet, kutsal binaları, anıtları, dinsel simgeleri ve kültürel mirası yok etti, diğerine ait her bir hatırayı ve izi neredeyse silmek istiyor. Bizler en üst düzey dinî otoriteler olarak insan onuruna ve haklarına karşı yapılan her tür şiddeti kınamak zorundayız. İnsan hayatı, Yaradan Allah’ın armağanıdır, kutsal bir niteliği vardır. Oysa, dinî dayanak arayan şiddet, daha büyük bir yargıyı hak etmektedir, çünkü Her şeye Kadir Olan sadece hayatın ve barışın Tanrısı’dır. Dünya, O’na tapınan herkesten, aralarında etnik, dinî, kültürel ya da ideolojik farklılıklar olsa da, kardeşler olarak yaşama becerisini beklemektedir. Uygun çözümler bulmak üzere ortak çalışmalar izlenmesi gereklidir. Bunun herkesin işbirliğini gerektirdiği kaçınılmazdır: hükümet kanadı, politik ve dinî önderler, sivil toplum temsilcileri ve iyi niyetli bütün baylar ve bayanlar. Özellikle, dinî cemaat sorumluları kendi ilgili geleneklerinde varolan değerlerle eşsiz bir katkı sunabilirler. Bizler, Müslümanlar ve Hıristiyanlar olarak paha biçilmez ruhsal hazinelerin emanetçileriyiz, kendi geleneklerimize göre yaşasak da, bunlar arasındaki ortak ögelerimizi biliyoruz: Merhametli Tanrı’ya ibadet, Atamız İbrahim’e uymak, dua, sadaka, oruç… içtenlikle yaşanan bu öğeler, hayatı değiştirebilir ve insanlar arasındaki kardeşlik ve onur için bir temel oluşturabilirler. Bu ruhsal ortaklığı tanımak ve geliştirmek –dinler arası diyalog aracılığıyla aynı zamanda bize toplum hayatında ahlaki değerleri, barışı ve özgürlüğü savunmaya ve teşvik etmeye yardım eder. (bkz. Yuhanna Pavlus II, Ankara Katolik cemaatine sesleniş, 29 Kasım 1979). İnsan varlığının kutsallığının her iki tarafça da tanınması, en çok acı çekenler nezdinde ortak bir merhamet, dayanışma ve somut yardımlaşmayı destekler. Bu bağlamda çatışmaların etkisindeki ülkelerinden kaçan yüzbinlerce insana yönelik yaptıklarından dolayı Müslüman ve Hıristiyan, bütün Türk halkına duyduğum takdiri ifade etmek isterim. Sayıları iki milyona ulaşmıştır. İşte bu başkalarına hizmet etmek için birlikte nasıl çalışılacağına dair somut bir örnektir, cesaret ve destek için bir örnek. Diyanet İşleri Başkanlığı ile Papalık Dinlerarası Diyalog Komisyonu arasındaki iyi ilişkileri ve işbirliğini memnuniyetle öğrenmiş bulunuyorum. Umut ediyorum ki herkesin iyiliği için çalışmalarına devam ederler ve daha da pekiştirirler, çünkü gerçek diyalog için her bir girişim, barış, güvenlik ve refah ihtiyacı içinde olan dünya için bir umut olmaktadır. Sayın Başkan ile gerçekleştirdiğimiz görüşme sonrası dinlerarası bu diyalogun yenilerinin öncüsü olmasını umuyoruz. Sayın Başkan, yüreğimi sevinçle dolduran bu görüşme için Size ve çalışma arkadaşlarınıza bir kez daha şükranlarımı ifade etmek istiyorum. Her birinize burada birlikte bulunmanızdan dolayı ve yüklenmiş bulunduğum hizmet için sunma iyiliğini göstereceğiniz dualarınız nedeniyle minnettarım. Ben de kendi adıma sizin için fazlasıyla dua edeceğime söz veriyorum. Tanrı hepinizi kutsasın. [ENDE DER BEIDEN ERSTEN ANSPRACHEN SEINER HEILIGKEIT PAPST FRANZISKUS IN DER TÜRKEI 2014.] Nun sollen noch Videos und weitere Seiten verlinkt werden, welche die abgedruckten Übersetzungen des Heiligen Stuhles bzw. die damit im Zusammenhang stehenden Begegnungen aufgenommen haben bzw. auch die Texte beider Vortragenden wiedergeben: 1. Video mit den Ansprachen des Staatspräsidenten und Seiner Heiligkeit Papst Franziskus; man beachte auch besonders zu Beginn die Minute 04:58: an dieser Stelle sagt der Papst wie vorgesehen zu den Soldaten im Präsidentenpalast "Merhaba, asker!" und ist über die rasche Antwort der Soldaten erfreut, sodass er dies noch ein paar Sekunden lächelnd mit dem Präsidenten bespricht ;-) Achtung, die Ansprachen folgen aufgrund der längeren privaten Begegnung erst ab 1:21:00! Außerdem sind auf den Internetseiten des türkischen Staatspräsidenten zwei (türkischsprachige) Seiten (inkl. Videos) dem Papstbesuch gewidmet, nämlich zur Begrüßung und mit der Ansprache des Staatspräsidenten, wobei dieser aus seinem Blickwinkel viele Gemeinsamkeiten betonte. Zu hoffen ist auf Basis dessen, dass die tödliche Christianophobie im Nahen Osten und in Afrika vollständig aufhöre und im sogenannten "Westen" eine diskriminierende Islamophobie abgelegt werde. 2. Video (erst ab Minute 42:00!) mit den Ansprachen von Prof. Görmez und von Papst Franziskus: Außerdem sind auf den Internetseiten des türkischen Religionsamtes zwei Seiten (inkl. Videos) dem Papstbesuch gewidmet, nämlich zur ersten Begegnung/Begrüßung ( türkisch / englisch / deutsch) und mit den Ansprachen beider religiöser Persönlichkeiten ( türkisch / englisch / deutsch ). Bisher sind somit in meinem Blogbuch zur Apostolischen Reise Seiner Heiligkeit Papst Franziskus erschienen: 1. Franziskus-Türkei-Eintrag für den 28. 11. 2014: Anerkennung für humanitäre Flüchtlingspolitik und Besuch bei Atatürk 2. Franziskus-Türkei-Eintrag für denselben 28. 11. 2014 (siehe oben): Ansprachen bei säkularer und religiöser Autorität (Diyanet) Freitag, 28. November 2014
PAPST FRANZISKUS (1) IN DER TÜRKEI: ... Geschrieben von Padre Alex / Dr. Alexander Pytlik
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14:30
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Am 21. Oktober 2014 hatte der Direktor des vatikanischen Pressesaales, Pater Federico Lombardi (Jesuit so wie Papst Franziskus), erklärt: "Nach Annahme der Einladung des Präsidenten der Republik, Seiner Heiligkeit Bartholomäus I. und des Präsidenten der Bischofskonferenz wird Seine Heiligkeit Franziskus vom 28. bis 30. November 2014 eine Apostolische Reise in die Türkei absolvieren, wobei er Ankara und Istanbul aufsuchen wird." Das erstmals bekanntgegebene Programm dieser wichtigen Reise wurde dann nur noch durch zwei wichtige Punkte ergänzt, nämlich durch eine Audienz für einen amtlichen Vertreter des Judentums in der Türkei und durch ein - insbesondere vom einladenden Vorsitzenden der türkischen Bischofskonferenz, Metropolit Erzbischof Dr. Dr. Ruggero Franceschini OFMCap, gewünschtes - Treffen mit Flüchtlingen, die sich aus Kriegs- und Krisenregionen in den sicheren Hafen der rechtsstaatlichen Türkei flüchten konnten. Leider war es bei diesem Papstbesuch nicht mehr möglich, einen Besuch beim viel besuchten und verehrten "Haus der Mutter Maria" bei Ephesus (Efes) einzuplanen, wie Pater Lombardi bei der diesbezüglichen Pressekonferenz am 17. November 2014 informierte. Am selben 17. November 2014 trat auch der neue Botschafter der Türkei beim Heiligen Stuhl seinen Dienst an, nämlich Seine Exzellenz Mehmet Paçaci, der bei den offiziellen Stationen des Papstbesuches in der Türkei immer dabei sein wird. Statistische Daten zur Katholischen Kirche (mit allen dort anwesenden Riten) hatte der Heilige Stuhl bereits am 29. Oktober 2014 bekanntgegeben. Ebenso wurde für drei Gottesdienste, nämlich für zwei Heilige Messen und eine ökumenische Zelebration, ein mehrsprachiges Zelebrationsheft bzw. Messbuch hergestellt (im Vergleich dazu die liturgische Hinführung zum Papstbesuch 2006).
Der einladende Vorsitzende der katholischen Türkischen Bischofskonferenz, der seit 30 Jahren in der Türkei wirkende Kapuziner-Erzbischof und Metropolit von Smyrna (Izmir), Dr. Dr. Ruggero Franceschini OFMCap, gab gestern noch ein Interview zum Papstbesuch, was heute im Osservatore Roman erschienen ist. Ich habe den gesamten Text des Journalisten Gaetano Vallini aus dem Italienischen ins Deutsche gebracht. Der Titel lautet: "Am Vorabend der Reise des Papstes in die Türkei: Ökumene des Volkes". "Mir scheint, dass der Dialog mit dem Patriarchat von Konstantinopel momentan seinen Höhepunkt erreicht. Es besteht eine tiefe und echte Gemeinschaft zwischen Papst Franziskus und Patriarch Bartholomäus, und ich glaube, wenn es (nur) von ihnen abhinge, wäre die volle Gemeinschaft zwischen den beiden Kirchen in Griffweite. Leider spricht die sehr vielfältige orthodoxe Welt nicht mit einer einzigen Stimme, und das erleuchtete Denken von Patriarch Bartholomäus trifft nicht überall auf Zustimmung". Am Vorabend der Reise von Papst Franziskus in die Türkei - von Freitag bis Sonntag - scheint Dr. Dr. Ruggero Franceschini, Erzbischof von Izmir (Smyrna), Apostolischer Administrator des Vikariates von Anatolien und Präsident der türkischen Bischofskonferenz, keine Zweifel zu haben, wenn es um die brüderliche Freundschaft geht, welche den Bischof von Rom und den Patriarchen von Konstantinopel verbindet, dem der Papst zum Patrozinium des heiligen Andreas einen Besuch abstatten wird. "Von unserer Seite", fügt der leitende Kapuziner hinzu, "müssen wir sowohl den Papst als auch den Patriarchen auf diesem mutigen Weg der Versöhnung und der gegenseitigen Aufnahme unterstützen, indem wir uns konkret und geduldig dafür einsetzen, freundschaftliche Beziehungen zum gegenseitigen Kennenlernen zwischen den katholischen und orthodoxen Gläubigen aufzubauen. Motiviert von einem 'Ökumenismus des Volkes' werden sich die Hierarchien ermutigt fühlen, den Weg zur vollen Kommunion zu durchlaufen. Eine große Hoffnung ist das panorthodoxe Konzil im Jahr 2016. Wir müssen den Heiligen Geist anflehen für diese Versammlung, die ein Wendepunkt auf dem ökumenischen Weg werden könnte". Gaetano Vallini: Wie sind die Beziehungen zwischen der Katholischen Kirche und dem Ökumenischen Patriarchat in der Türkei? Metropolit Franceschini: In einem Ambiente, in dem die Christen eine Minderheit in Bedrängnis bilden, sind die Beziehungen zu den anderen christlichen Bekenntnissen und besonders zu den Orthodoxen von einer positiven Zusammenarbeit und einer gegenseitigen Unterstützung getragen. Hervorzuheben ist Smyrna (Izmir), wo wir [im September 2013] die Wiedereröffnung der orthodoxen Kirche Aghia Fothini [Agia Fotini = die heilige Photini, samaritische Frau bei Joh 4,5 - 41] für den Gottesdienst freudig begrüßt haben, in leitender Verantwortung von Pater Kyrillos Sikis, dem ersten seit 1922 wieder in Smyrna sesshaften Archimandriten, mit dem sich eine Beziehung der brüderlichen Freundschaft gebildet hat. Und in den Gemeinschaften des Apostolischen Vikariates von Anatolien gibt es zwischen Katholiken und Orthodoxen praktisch keine Distanz, und man geht in die orthodoxe Kirche so, als ob es sich um eine katholische Pfarrei handelte. Vor allem feiert die katholische Gemeinde in Antiochia schon seit langem Ostern zum selben Datum wie jene orthodoxe, so wie es heute im Heiligen Land Normalität geworden ist. Der Ökumenismus entsteht noch vor den lehrmäßigen Fragen auf Basis brüderlicher Beziehungen, welche die Vorurteile besiegen und die Unterschiedlichkeit als Reichtum begreifen helfen. Gaetano Vallini: Die ganz überwiegende Mehrheit der Einwohner des Landes sind muslimischer Konfession. Wie verlaufen die Beziehungen mit ihnen? Metropolit Franceschini: Der Islam ist eine wesentlich abwechslungsreichere und komplexere Realität als er im Westen präsentiert wird. Die Versuchung hin zum Integralismus stellt auch in der Türkei eine Bedrohung dar, und in jüngerer Zeit hat die Kirche ihre Märtyrer beklagt: den Priester Andrea Santoro, Bischof Luigi Padovese, die protestantischen Katechisten von Malatya. Dennoch wäre es ein Fehler zu denken, dass nur dieser "Islam" existiere. Die Türkei zeigt auch das Gesicht einer offenen und dialogbereiten muslimischen Religion, von Milde getragen durch die erleuchteten Lehren des einflussreichen Mystikers Mevlana (= Maulana, 1207 - 1273 [= Dschalal ad-Din Muhammad Rumi]), der außergewöhnliche Kontakte zum Evangelium hatte. Im täglichen Leben machen wir Erfahrungen mit Muslimen, die das Christentum nicht als eine Gefahr ansehen und die einen erstaunlichen Respekt zeigen, der sogar im Westen in bestimmter Hinsicht verschwunden ist. Leider kann nicht verschwiegen werden, dass manch eine Kirche von intoleranten Gruppen vandalisiert worden ist, aber solche Vorkommnisse werden von den Behörden einhellig verurteilt, die sich auch um die Garantierung einer größeren Sicherheit bemühen. Viele Muslime besuchen unsere Kirchen mit Respekt, und sie zeigen sich gegenüber dem Christentum aufmerksam und interessiert. In diesen Tagen sah ich die Bilder der Entweihung der Kathedrale in Straßburg durch Aktivisten der Bewegung "Femen". In Europa wird die Verunglimpfung der Religion als Ausdruck von Zivilisation begrüßt. In der Türkei wird eine ähnliche Geste wenigstens als Dummheit angesehen, was sie ist. Die türkische Identität ist im Innersten religiös, und auf der Basis des Respektes gegenüber der Religion können ein fruchtbarer Dialog und eine aufrichtige Freundschaft entstehen. Gaetano Vallini: Wie bereitet sich die Türkei im Moment auf den Papstbesuch vor, und wieviel Aufmerksamkeit gibt es von Seiten der öffentlichen Meinung? Metropolit Franceschini: Die moralische Autorität von Franziskus hat auch dieses Land erreicht, und ganz allgemein wird ein ziemliches Interesse für seine Person und seine Lehre registriert. Normalerweise heben die Medien fast nie Entwicklungen in der Kirche hervor, und wenn sie es tun, dann um Skandale oder schlüpfrige Nachrichten herauszustellen, welche sie betreffen. Dieser (Papst)besuch wird jedoch als eine großartige Möglichkeit präsentiert, das moderne und offene Gesicht der Türkei zu zeigen. Letzte Woche habe ich vor etwa 200 muslimischen Studenten über den Besuch des Papstes gesprochen, die mit Enthusiasmus und Interesse zuhörten. Sie sehen es als Ehre für ihre Nation an, den Papst empfangen zu dürfen. Natürlich trifft man in bestimmten Umfeldern auch auf eine gewisse Indifferenz und manchmal auf ein unverhohlenes Misstrauen. Säkulare Vorurteile schieben sich hier zwischen das Christentum und die türkische Identität. Der Besuch ist eben gerade darauf ausgerichtet, die Mauern des Vorurteils niederzureißen, um Brücken gegenseitiger Kenntnis und Gastfreundschaft zu schaffen. Gaetano Vallini: Die Türkei grenzt an ein Gebiet des Nahen Ostens, das vom Vormarsch des sogenannten IS bedroht ist. Welche Bedeutung hat in einem derart heiklen Moment die Anwesenheit des Papstes für die Region? Metropolit Franceschini: Der Dialog mit dem moderaten Islam ist der einzige Weg, um das Abdriften in den religiösen Integralismus zu verhindern. Angesichts dessen, was sich in Syrien und im Irak abspielt, entsteht das Risiko, der Versuchung nachzugeben, einen Religionskrieg auszurufen, der so zerstörerisch wäre wie kein anderer. Der Besuch des Papstes in einem moderaten Umfeld trägt dazu bei zu zeigen, dass das Christentum nicht Feind des Islam ist und dass die Muslime nichts befürchten müssen. Die Botschaft von Franziskus wird sicherlich dazu dienen, aufzuzeigen, dass die Religion nie für politische und ökonomische Zwecke instrumentalisiert werden kann und darf. Seine Stimme zusammen mit jener der anderen Religionsverantwortlichen muss weiterhin hinausrufen, dass man im Namen Gottes niemals das Böse tun darf. Leider scheint von islamischer Seite die Verurteilung der antichristlichen Verfolgungen manchmal nicht so explizit und wirksam zu sein. Allerdings beinhaltet das islamische Universum extrem viele Teile, und es gibt auch keine anerkannte maßgebende Stimme. Das Wort und das Beispiel des Papstes haben somit eine unverzichtbare Funktion zur Vermeidung eines extrem gefährlichen Religionskrieges. Gaetano Vallini: Was erwartet sich die Kirche in der Türkei vom Franziskus-Besuch, jene zwar "kleine Herde", jedoch ältesten Ursprungs und, woran Sie erinnert haben, auch in jüngerer Zeit gekennzeichnet vom Martyrium? Metropolit Franceschini: Die christliche Gemeinschaft hier fühlt sich oft an den Rand gedrängt, aber nicht nur bezogen auf die muslimische Mehrheit, sondern auch im Inneren der Kirche selbst. Der Besuch des Papstes zeigt die Sorge des Petrusnachfolgers für eine kleine, aber gleichzeitig lebendige und mutige Diaspora-Gemeinschaft. [ENDE DES INTERVIEWS MIT METROPOLIT ERZBISCHOF RUGGERO FRANESCHINI, VORSITZENDER DER BISCHOFSKONFERENZ DER TÜRKEI.] Schon am 5. Juli 2014 hatte Seine Heiligkeit Papst Franziskus im Rahmen seines Pastoralbesuches in Molise nach der Begegnung mit den Kranken in der Kathedrale von Isernia eine Statue des heiligen Evangelisten Johannes gesegnet, welche die Diözese Isernia-Venafro anlässlich der Wiedereröffnung der Kathedralkirche in İzmir (Smyrna) als Geschenk für das Erzbistum Izmir vorsah. Und wenn wir heute auf den 28. November 2006 zurückblicken, so hatte damals Benedikt XVI. bei seiner Türkeireise noch am Flughafen Rom-Fiumicino selbst eine kurze Pressekonferenz gegeben. Am heutigen 28. November grüßte Papst Franziskus die in der Alitalia-Maschine mitfliegenden Journalisten, und Pater Lombardi sprach dabei von 65 Reisenden, darunter auch zwei türkische Journalistinnen. Vor der Ankunft sagte der Heilige Vater dann folgendes, was ich aus dem vom Heiligen Stuhl angebotenen italienischen Text ins Deutsche übersetze: "Guten Tag. Ich heiße Euch willkommen und danke Euch für Eure Gesellschaft bei dieser Reise, denn Eure Arbeit ist eine Unterstützung, eine Hilfe und auch ein Dienst für die Welt: ein Dienst für die Welt, um diese religiöse und humanitäre Aktivität bekanntzumachen, weil die Türkei augenblicklich Zeugin ist und auch zahlreichen Flüchtlingen aus den Konfliktgebieten Hilfe bietet. Ich danke für diesen Dienst. Wir werden uns bei der Rückkehr wieder zur Pressekonferenz zusammenfinden. Vielen Dank und guten Aufenthalt." Das Ganze gibt es auch als Kurzvideo. Aus den schon zuvor gesendeten Telegrammen an die Staatsoberhäupter der überflogenen Länder übersetze ich eine Passage an den italienischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano, worin Seine Heiligkeit Papst Franziskus davon sprach, seine "Reise in die Türkei zu absolvieren, um die Begegnung und den Dialog zwischen unterschiedlichen Kulturen zu fördern, um den Weg der Einheit der Christen zu bestärken und um Gebetsmomente mit den Brüdern und Schwestern im Glauben zu teilen". Bei seiner offiziellen Ankunft am Internationalen Flughafen Esemboğa von Ankara wurde der Papst unter anderem vom türkischen Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu empfangen. Er ist dann sogleich zum Mausoleum von Atatürk (Anıtkabir) aufgebrochen. Dort hat er einen Blumenkranz mit der Aufschrift "POPE FRANCIS" niedergelegt und ist still vor dem Grab des Gründers der Republik Türkei verharrt. Im Saal "Nationalpakt-Turm" des dortigen Museums hat sich dann Seine Heiligkeit Papst Franziskus in das Goldene Buch mit der folgenden Widmung eingetragen, die ich aus dem Italienischen übersetze: "Ich drücke hiermit meine innigsten Wünsche aus, damit die Türkei als natürliche Brücke zwischen zwei Kontinenten nicht nur eine Wegkreuzung sei, sondern auch ein Platz der Begegnung, des Dialoges und des friedlichen Zusammenlebens zwischen den Männern und Frauen guten Willens aus jeder Kultur, Ethnie und Religion." Nach Güler Kömürcü heißt dies auf Türkisch: "Dileğim odur ki iki kıta arasındaki doğal bir köprü olan Türkiye, sadece yolların kesişme noktası değil Türkiye, aynı zamanda tüm kültür, etnisite ve dinlere mensup kadın ve erkekler için diyalog ve birlikte yaşadıkları bir nokta olur." Zuletzt hatte der Heilige Stuhl ja am 12. August 2014 in einem offiziellen Dokument zur radikalen Verurteilung des IS-Terrors auf Atatürk und dessen rechtskräftige Abschaffung eines Kalifats verwiesen. Abschließend verlinke ich zum offiziellen Vatikanvideo des soeben geschilderten Besuches Seiner Heiligkeit bei Atatürk: Und mit diesem Wunsch Seiner Heiligkeit für die Türkei schließe ich den ersten Blogeintrag zur Apostolischen Reise in die Türkei ab und verbleibe mit der Bitte um das begleitende Gebet Euer Padre Alex - Dr. Alexander Pytlik Dienstag, 21. Oktober 2014
CHRISTLICHE POLITIKER IN DER TÜRKEI: ... Geschrieben von Padre Alex / Dr. Alexander Pytlik
in News Kommentare, Türkei und Zypern um
21:43
Kommentare (0) Trackbacks (0) CHRISTLICHE POLITIKER IN DER TÜRKEI: INTERVIEW MIT SYRISCH-ORTHODOXER BÜRGERMEISTERIN VON MARDIN
Am 6. Oktober 2014 erschien in dem von der italienischen Tageszeitung "La Stampa" verantworteten Projekt "Vatican Insider" ein von Roberta Leone geführtes Interview mit der syrisch-orthodoxen Christin und Bürgermeisterin von Mardin, Februniye Akyol Akay. Dieses wurde unter Zuhilfenahme eines Übersetzers in der Muttersprache der jungen christlichen Politikerin geführt, also im Grunde in der Sprache unseres Herrn Jesus Christus, nämlich in syrischem Aramäisch, und dann jeweils ins Italienische übertragen. Wenn ich es richtig notiert habe, heißt Bürgermeisterin Akyol-Akay in ihrer Muttersprache Fabronia Benno. Sie hatte bereits vor etwa einem halben Jahr in manchen deutschen Medien anlässlich der türkischen Kommunalwahlen für einzelne Schlagzeilen gesorgt. Eingeladen nach Neapel (Italien) hatte sie nun Ernesto Olivera, um Zeugnis zu geben im Rahmen von SERMIG (= Servizio Missionario Giovani), einer von demselben 1964 gegründeten und missionarisch ausgerichteten Vereinigung von christlichen Familien und Ordensleuten, vor allem im Sinne der Solidarität mit den Ärmsten und der Friedenserziehung heutiger Jugendlicher.
Während des Interviews vernahm die 26jährige Februniye Akyol Akay Nachrichten von den Angriffen der Terrorgruppe ISIS auf das von ihrer Heimat nicht weit entfernte Kobani (Ain al-Arab oder Kobanê) in Syrien. Vor dem Gespräch in Rom hatte die junge Bürgermeisterin noch am Grab des heiligen Apostelfürsten Petrus im Petersdom gebetet, und angesichts dieser Meldungen betonte sie, dass sie bei ihrem Volk bleiben werde, egal was passiere. Gemäß Gesamtartikel von "Vatican Insider" ist sie die erste gewählte Christin als Bürgermeisterin einer türkischen Stadt. Im Türkischen werden die Assyrer bzw. Aramäer oder syrischen Christen "süryani(ler)" genannt, wie die Journalistin Leone korrekt informiert. Vom ganzen (kirchlichen) Ritus her gehören sie so wie die katholischen Maroniten zur antiochenischen Tradition, wobei es seit 1783 auch einen uniert-katholischen Teil als syrische Patriarchalkirche gibt: eine der 23 eigenrechtlichen Rituskirchen innerhalb der Katholischen Kirche. Sowohl der katholische (durch ihren Patriarchen Ignatius Joseph III. Younan) als auch der nicht-katholische Teil derselben Syrer (durch den Metropoliten und Patriarchalvikar Mor Filiksinos Yusuf Çetin) werden am Papstbesuch in der Türkei teilnehmen. (As)syrer und Maroniten haben von ihrem Rituserbe her durch das Aramäisch somit eine hohe Verwandtschaft, was die Nähe zur verwendeten Alltagssprache unseres Herrn Jesus Christus betrifft. Als Assyrer im engeren Sinne können auch die Christen der chaldäisch-katholischen Patriarchatskirche bzw. der (noch nicht mit Rom unierten, autokephalen) Assyrischen Kirche des Ostens bezeichnet werden, deren Katholikos Patriarch Mar Dinkha IV. erst vor wenigen Tagen, am 2. Oktober 2014, von Papst Franziskus in Audienz empfangen worden ist. Der größere Teil der syrisch-orthodoxen Christen lebt in der Türkei historisch gesehen in der Region von Tur Abdin rund um das berühmte Kloster Mor Gabriel. In den letzten 100 Jahren haben die bis heute noch nicht völkerrechtlich aufgearbeiteten Verfolgungen ihre Anzahl von 500.000 auf wenige Tausend schrumpfen lassen. Unter den etwa 80.000 Einwohnern von Mardin sind heute nur noch einige hundert aramäische (syrisch-orthodoxe) Christen übriggeblieben, und in der gesamten Region von Tur Abdin etwa 3.000, wiewohl einige der ausgewanderten Christen aufgrund der verbesserten politischen Lage der Türkei an eine Rückkehr in ihre Heimat denken. Vom großen Gedenkjahr 2015 (1915!) sind die Assyrer bzw. Aramäer also direkt betroffen. Rein konfessionell gesehen hat somit eine muslimische Bevölkerungsmehrheit der Stadt Mardin dem gleichberechtigten Bürgermeister-Tandem des routinierten kurdischen Politikers Ahmet Turk und der jungen syrisch-orthodoxen Christin Februniye Akyol in den letzten Kommunalwahlen am 30. März 2014 ihr überwältigendes Vertrauen ausgesprochen. Auch in anderen Regionen der Türkei kandidierten Christen, zum Beispiel im Großraum von Antalya, sowohl bei der Regierungspartei als auch bei der größten Oppositionspartei. Die konkrete Geschichte der gewählten christlichen Bürgermeisterin von Mardin beginnt nun etwa 60 Kilometer von Mardin entfernt, in Midyat, einer ursprünglich syrisch-aramäischen Kleinstadt, ebenso im Südosten der Türkei: Februniye war die erste Aramäerin in der Region, welche die Chance erkannte, in Istanbul auf die Universität zu gehen. Hier also meine Übersetzung des Interviews von Roberta Leone mit Februniye Akyol Akay, welches auch zum Verstehen der aktuellen Gesamtlage in der Region äußerst hilfreich ist: Roberta: Februniye, Sie sind die erste Aramäerin Ihrer Region mit der Möglichkeit eines Studienabschlusses gewesen. Februniye: Viele Jahre, wenigstens bis zum Jahr 2000, ist es den aramäischen Mädchen nicht möglich gewesen, weit weg von ihren Wohnhäusern zu studieren. Man fürchtete - und es gab dafür Beweise -, dass sie von den Islamisten entführt würden. Um sie zu schützen, verboten die christlichen Familien ihren Töchtern zu studieren, bis dahin, dass sie daheim isoliert wurden. Unser Volk hat aufgrund des Glaubens viel gelitten. Wo wir leben, gibt es die Kurden, die Jesiden und die Christen. Von 1915 bis 2000 haben alle Minderheiten das Projekt der Assimilation durchmachen müssen, zuerst von Seiten des Osmanischen Reiches und dann von Seiten der türkischen Regierung, nämlich ihre Unterschiedlichkeiten aufgehen zu lassen in einer einzigen Sprache, in einer einzigen Flagge und in einem einzigen Staat. In diesen Jahren war es Absicht des Staates, die Kräfte des kurdischen Islam gegen die Christen zu benützen, um hernach auch der Identität der Kurden ein Ende zu bereiten. Es war "im Namen des Islam", dass die Kurden die Christen getötet haben. Aber nach der praktisch totalen Ausrottung der Armenier, der Christen im allgemeinen und unserer aramäischen Minderheit waren die Kurden selbst etwa 40 Jahre lang an der Reihe, um für ihre eigenen Rechte zu kämpfen. Auch in diesem Kampf waren die ganz wenigen Christen, welche überlebt hatten, eingekesselt, und es gibt ein paar von uns, die flohen. Die türkische Regierung beschuldigte (damals) die Christen, auf Seiten der Kurden zu stehen, während die Kurden in die Dörfer eindrangen und den Christen vorwarfen, beim Plan der Regierung mitzuspielen. Doch in Wirklichkeit hatte die Christen überhaupt keine Macht, sie haben gegen niemanden gekämpft. Sie haben nie zu den Waffen gegriffen, weil es das ist, was das Evangelium lehrt. Die christlichen Dörfer sind im buchstäblichen Sinne entleert worden. Im Jahre 1990 sind Dutzende aus ihren Häusern abgeholt worden, und immer noch weiß niemand, was ihnen zugestoßen sei. Unter ihnen waren Ärzte, Priester, Intellektuelle. Niemand weiß, wo sie sein könnten. Roberta: Was ist in Ihrem Fall anders gelaufen? Februniye: Nach dem Jahr 2000 hat sich die Beziehung zwischen der Regierung von Ankara und den Kurden verbessert. Die Besorgnis bliebt, aber seit den Gymnasialjahren habe ich diesen Prozess verfolgt und mir Mut gemacht. Ich wollte das Eis brechen, die Schwierigkeiten überwinden und meiner Gemeinschaft zeigen, dass ich studieren und nachher dorthin, von wo ich weggereist war, zurückkehren und mich für mein Volk einsetzen konnte. Ich wollte ein Modell für die anderen Mädchen sein, denn meiner Meinung nach konnte man es schaffen: eine Frau konnte ihr eigenes Dorf verlassen und studieren. Ich sprach mit meiner Familie und bin dann nach İstanbul umgezogen. Roberta: Sie haben ein Wirtschaftsstudium abgeschlossen, um dann heimzukehren. Von was träumten Sie? Februniye: Ich dachte nicht an die Politik, aber es gab in mir einen starken Wunsch, der Gemeinschaft zu helfen. Als ich nach Midyat zurückgekehrt war, folgten verschiedene Mädchen meinem Beispiel. Daraus ist dann eine Vereinigung junger Akademiker entstanden, in der wir diskutierten, wie wir allen anderen die Botschaft übermitteln könnten, zu studieren, um erfolgreich eine Veränderung für unsere Gemeinschaft zu erreichen. Ich habe zwei Jahre im Wirtschaftsbereich gearbeitet, und dann habe ich begonnen, auf der Universität die Ursprünge der aramäischen Kultur und Sprache zu studieren. Das war mein Traum: die aramäische Sprache an der Universität zu unterrichten. Ein Jahr später folgten in der Türkei die Kommunalwahlen. Eine Delegation der BDP fragte mich nach meiner Bereitschaft zur gemeinsamen Bürgermeister-Kandidatur in Mardin mit Ahmet Turk [71 Jahre], einem kurdischen Langzeitparlamentarier. Es war nicht mein Wunsch, Bürgermeister der Stadt zu werden, aber ich habe angenommen. Überzeugt hat mich die interne Frauenkommission der Partei. Während des Treffens mit ihnen wurden die Gründe für zwei Bürgermeister - einen Mann und eine Frau - diskutiert, zur Verteidigung der Frauenrechte und der Rechte aller Minderheiten, die auf unserem Territorium leben. Das allerdings war auch mein Wunsch, und so habe ich angenommen. Roberta: Wie schwer wiegt die Erinnerung an die erlittene Gewalt im Dialog mit den Kurden? Februniye: Natürlich ist es nicht leicht, zu vergessen, was meiner Gemeinschaft passiert ist. Aber es gibt keine Alternativen: wenn wir in der Türkei bleiben wollen, in unseren Städten, würde ich sagen, dass wir praktisch gezwungen sind, in die Politik zu gehen und an den Institutionen teilzuhaben. Wenn wir bleiben sollen, müssen wir zusammenarbeiten und es schaffen, unsere Denkweise gegenüber der Zukunft zu öffnen. Im Augenblick gibt die kurdische Partei den Christen diese Möglichkeit, was bei der aktuellen Regierung nicht der Fall ist. Roberta: Sie sind auch von vielen Muslimen gewählt worden: was ist geschehen? Februniye: Ja, ich bin von der Mehrheit der kurdischen Bevölkerung gewählt worden. Die Kurden sind sich bewusst geworden, was sie den Christen angetan hatten, und sie wissen, dass sie gefehlt haben. Um meine Kandidatur zu bitten, ist eine Form, auch eine symbolische, für das Geschehene um Entschuldigung zu bitten und uns ihre Nähe zuzusprechen. Offizielle und persönliche Entschuldigungen sind vor Jahren von Seiten des Herrn Bürgermeisters erfolgt, der heute mein Kollege ist. Im übrigen haben sie dann auch all das erlitten, was sie uns angetan hatten. Sie haben einer Christin die Möglichkeit gegeben, mit ihnen am politischen Leben teilzuhaben, und so können auch wir Christen versuchen, unserer Identität, unserer Kultur und unserer Sprache von neuem Bedeutung zu geben, auch wenn von uns mittlerweile fast niemand übrig ist. Roberta: Mit allen Vor- und Nachteilen: spielt das religiöse Element in der Kooperation eine Rolle? Februniye: Ich habe keine Schwierigkeiten bei der Kollaboration mit den Kurden, und es gibt keine "islamische Frage". Im Regelwerk der Partei, die ich repräsentiere, wird erklärt, dass wir uns alle für die Rechte aller Minderheiten einsetzen. Es gibt weder Christ noch Muslim, wir lassen nicht zu, dass uns die religiösen Zugehörigkeiten in der Arbeit spalten. Meine Benennung ist im übrigen von allen kurdischen Anführern abgesegnet worden. Ich persönlich habe mir noch ein weiteres Gewicht aufgeladen, nämlich mit den Rechten der Christen auch jene der Jesiden zu erreichen. Das ist nicht leicht: es handelt sich um eine lange und komplexe Diskussion, die in der Zukunft noch komplizierter werden könnte. Ich werde mich bemühen, auch ihre Rechte durchzusetzen: ich spüre, dass ich diese Aufgabe habe, und ich hoffe, dass ich mit der Hilfe Gottes wenigstens einen Teil dessen, was mir vorschwebt, erfolgreich verwirklichen kann. Ich wiederhole, es ist nicht einfach, aber es muss mir gelingen, damit die Jesiden nicht noch mehr diskriminiert werden als was jetzt schon der Fall ist. Roberta: Sie waren kürzlich in Erbil und haben viele evakuierte Christen getroffen. Was denken Sie über die Rolle des Westens in dieser Krise? Februniye: Wem es gelungen ist, in Erbil anzukommen, besitzt gar nichts mehr. Kleidung, Essen, und es fehlt auch das Wasser. Heute passiert im Irak das, was in der Türkei schon passiert war. Im Irak gibt es zahlreiche Minderheiten und einen großen Reichtum, und es gibt auch viele mächtige Staaten, die ihre Augen auf diesen Reichtum gerichtet haben. Vor dem Jahr 2003 kamen die irakischen Christen auf 1.500.000 Einwohner. Heute sind im Irak etwas mehr als 300.000 Christen. Was wir sehen, ist allgemein gesagt, dass der Westen überhaupt keinen Plan für die Christen im Nahen Osten hat und für ihre Lebensbedingungen praktisch kein Interesse zeigt. Am Ende sind wir es - wir Christen -, die jedes Mal verschluckt, vertrieben oder erdrückt werden. [ENDE MEINER ÜBERSETZUNG DES INTERVIEWS VON BÜRGERMEISTERIN FEBRUNIYE AKYOL AKAY.] Die somit auch von Februniye Akyol Akay vorgebrachten schweren Vorwürfe gegen den all zu lange uninteressierten "Westen" führen erst langsam zu einem Umdenken in unserem eigenen "politischen Raum". Das Interview trägt auch zum besseren Verständnis des wesentlich komplizierten innertürkischen Ringens zwischen der sogenannten "alten Türkei" und der sogenannten "neuen Türkei" bei. Faktum ist nämlich - wie das Interview zeigt -, dass die "neue Türkei" eine Öffnung hin zu den Minderheiten betrieben hat, wenn auch mit Rückschlägen, die sicherlich den jeweiligen Wahlen geschuldet sind, um auf nationalistische oder auch islamistische Wählergruppen Rücksicht zu nehmen, die jedoch keinesfalls mit der Mehrheit der Bevölkerung gleichgesetzt werden dürfen. Falsch wäre der Weg einer "neuen Türkei" allerdings dann, wenn dabei im weiteren die gesunde Säkularität des Staates aufgegeben und nicht die Partnerschaft mit allen gemeinwohlorientierten Religionsgruppen gesucht würde, oder anders gesagt: die Aufhebung religiöser Diskriminierungen darf zum Schluss nicht mit einer einzigen zulässigen (Staats)religion enden. Nicht nur von Regierungsseite hat sich die Lage für Angehörige von Minderheiten und Christen etwas verbessert, sondern vor allem auch in einigen Regionen und Städten der Türkei haben die kommunalen Behörden eine hohe Toleranz entwickelt, die auch auf das Konto der größeren Oppositionspartei geht. Christen werden von Kemalisten nicht mehr einfach mit Staatsfeinden gleichgesetzt. So werden in manchen Regionen den Kirchengebäuden dieselben Vergünstigungen oder Privilegien eingeräumt wie Moscheen. Im türkisch kontrollierten Nordzypern kann diese Toleranz noch deutlicher abgelesen werden, was die maronitisch-katholischen Ortschaften und die Bewegungsfreiheit betrifft. Seit den sogenannten Gezi-Vorfällen in der Türkei haben sich überhaupt einige Vorurteile und Bewertungen verschoben, und eine Hauptfrage ist die grundlegende Versöhnungspolitik der Regierung gegenüber den Kurden im allgemeinen. Manche werden der Jungpolitikerin Februniye Akyol durch ihr Mitwirken in der prokurdischen Partei womöglich sogar Kollaboration mit terroristischen Elementen vorwerfen, doch ich halte eine solche Sichtweise für ungerecht, und das oben abgedruckte Interview zeigt klar, wie sehr sie den authentischen christlichen Geist atmet, der keine Rache und Vergeltung kennt, sondern auf allen Gebieten des Lebens die Versöhnung sucht. Angesichts dieser manchmal nicht leicht durchschaubaren innenpolitischen Lage der Türkei und ihrer unterschiedlichen Regionen werden vielleicht auch manche Pauschalvorwürfe gegen die Regierung oder von der Regierung besser verstehbar. Natürlich bleiben aktuell Bedenken bestehen, dass die türkische Regierung beispielsweise die Peschmerga-Kämpfer aus der befreundeten autonomen kurdischen Region des Irak früher nach Kobane lassen hätte können als dann tatsächlich geschehen. Und angesichts einer derart schwierig zu meisternden Lage an der Grenze der Türkei blühen die wildesten Verschwörungs- und Sündenbockthesen, auch gerne aus dem arabischen Raum, nicht zuletzt wegen des weitläufigen Misslingens eines sogenannten arabischen Frühlings. Schuldlos sind nur wenige, und daher kann es immer nur darum gehen, den Blick nach vorne zu richten und dem Frieden jeweils eine neue Chance zu geben. So bleibt die türkische Politik in jeder Hinsicht eine der spannendsten "Minenfelder" in Europa und Asien, wiewohl meiner Überzeugung nach der EU-Vollbeitritt sowohl für das Land selbst, für alle seine Bevölkerungsgruppen, als auch vor allem für Europa große Vorteile bringen würde. Natürlich ist dabei die Zypernfrage von besonderer Bedeutung. Die Türkei nimmt nun schon länger für sich in Anspruch, gerade im Hinblick auf ihre offene humanitäre Flüchtlingspolitik jegliches konfessionelle bzw. sektoide Denken vermieden zu haben. Tatsächlich kann der Schutz der jeweiligen Zivilbevölkerung sich den Luxus einer inhumanen konfessionell-religiösen Unterscheidung nicht mehr leisten. Vergangenheitsorientierte Vorwürfe können daher auch keine Ausrede mehr bilden, einer Stadt wie Kobane nicht so professionell wie möglich zu helfen. (Wirkliche Sympathien für die IS-Terroristen gibt es innerhalb der türkischen Bevölkerung nur bei einer absoluten Minderheit, und selbst diese ist sich weitgehend im klaren, dass dieses Terrorregime mit Religion oder Islam nach der türkischen Tradition absolut nichts mehr zu tun hat.) Die aktuelle Regierung der Türkei wirft im übrigen demselben im Interview genannten "Westen" schon lange vor, bei der Situation in Syrien trotz unvorstellbarer Opferzahlen über Jahre zugeschaut zu haben. Zur Aufrüttelung des Westens und der ganzen Internationalen Gemeinschaft möchte auch der Heilige Stuhl durch seine wirklich zahlreichen internationalen Interventionen besonders beitragen, und zwar ganz im Sinne dessen, was die junge christliche Politikerin in ihrem obigen Interview nachvollziehbar zusammgefasst hat. Erst gestern hat Seine Heiligkeit Papst Franziskus die ihn beratenden Kardinäle zusammengerufen und damit ihre Anwesenheit bei der zu Ende gegangenen außerordentlichen Versammlung der Bischofssynode genützt, um ihnen in einem öffentlichen Konsistorium folgende Worte zu sagen, die ich ebenso aus dem Italienischen übersetze: [EIGENE ÜBERSETZUNG DER PAPSTWORTE AN DIE KARDINÄLE IM ORDENTLICHEN ÖFFENTLICHEN KONSISTORIUM:] Eminenzen, liebe Herren Patriarchen und Brüder im Bischofsamt, einen Tag nach dem Abschluss der dritten außerordentlichen Versammlung der Bischofssynode über die Familie wollte ich dieses Konsistorium neben einigen Heiligsprechungsfällen einer anderen Frage widmen, die mir sehr am Herzen liegt, nämlich dem Nahen Osten und insbesondere der Situation der Christen in der Region. Ich bin Euch für Eure Anwesenheit dankbar. Uns verbindet der Wunsch nach Frieden und Stabilität im Mittleren Osten und der Wille, die Konfliktlösung durch den Dialog, die Versöhnung und das politische Engagement zu fördern. Gleichzeitig wollen wir den christlichen Gemeinschaften die größtmögliche Hilfe geben, um ihre Präsenz in der Region zu unterstützen. Wie ich bei vielen Anlässen unterstreichen konnte, können wir uns nicht damit abfinden, an einen Nahen Osten ohne die Christen zu denken, die dort seit 2.000 Jahren den Namen Jesu bekennen. Die letzten Entwicklungen, vor allem im Irak und in Syrien, sind sehr besorgniserregend. Wir erleben ein Terrorismusphänomen früher unvorstellbaren Ausmaßes. Viele unserer Brüder werden verfolgt und mussten ihre Häuser auch auf brutale Art verlassen. Es scheint, dass das Bewusstsein des Wertes menschlichen Lebens verloren gegangen ist, es scheint, dass die Person nichts mehr zählt und man sie anderen Interessen opfern kann. Und das alles leider im Rahmen einer Gleichgültigkeit vieler. Diese ungerechte Situation verlangt abgesehen von unserem beständigen Gebet auch eine angemessene Antwort von Seiten der Internationalen Gemeinschaft. Ich bin sicher, dass aus dem heutigen Treffen mit der Hilfe des Herrn wertvolle Überlegungen und Vorschläge hervorgehen werden, um unseren leidenden Brüdern helfen zu können und um auch dem Drama der abnehmenden christlichen Präsenz auf dem Gebiet zu entgegnen, wo das Christentum seinen Ursprung nahm und wo es sich ausbreitete. [ENDE MEINER ÜBERSETZUNG DER PAPSTWORTE AN DIE KARDINÄLE VOM 20. OKTOBER 2014.] Damit hat der Heilige Vater Papst Franziskus in kurzen Worten das zusammengefasst, was er schon Anfang Oktober mit seinen offiziellen Repräsentanten im Nahen Osten besprechen ließ. Von 2. bis 4. Oktober 2014 fanden sich nämlich die Apostolischen Nuntien des Mittleren Ostens zu einem Treffen mit den Oberen der Römischen Kurie im Vatikan ein, wobei es um die "Präsenz der Christen im Nahen Osten" ging. Auf der Internetseite des Heiligen Stuhles hieß es dazu am 3. Oktober 2014: "Beim Verfolgen der politischen Situation im Nahen Osten und im allgemeinen bei der Beziehung zu den Ländern mit muslimischer Mehrheit hat der Heilige Stuhl als fundamentale Fragestellungen immer den Schutz und den Respekt der Christen und der anderen Minderheitsgruppen als Staatsbürger im vollen rechtlichen Sinn sowie der Menschenrechte vor Augen, insbesondere der Religionsfreiheit." Bei der Heiligen Messe mit den Nuntien predigte der Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin am Fest des heiligen Franziskus unter anderem: "Die verfolgten Christen und all jene, die ungerechtermaßen leiden, müssen in der Kirche die Institution erkennen können, die sie verteidigt, die für sie betet und agiert, die sich nicht fürchtet, die Wahrheit auszusprechen, um so Sprache zu werden für den, der keine Stimme hat, sowie Verteidigung und Unterstützung für den, der verlassen, vertrieben und diskriminiert ist." Am selben 4. Oktober 2014 wurde dann auch eine Abschlusserklärung herausgegeben, und zwar unter dem Titel "Es reicht mit dem Krieg und mit der Verletzung der Menschenrechte". Dabei wird vor einem Gewöhnungseffekt gewarnt und besonders der ungehinderte Waffen- und Menschenhandel angeprangert. Vor allem wird auf die Verletzung der fundamentalsten Rechte von Kindern und Frauen aufmerksam gemacht. Man dürfe sich nicht mit dem Gedanken an einen Nahen Osten ohne Christen anfreunden. Schon einige Tage zuvor, am 29. September 2014, konnte derselbe Staatssekretär Seiner Heiligkeit, Pietro Kardinal Parolin, eine ausführliche Grundsatzansprache bei der 69. Generalversammlung in New York gegen jeglichen Kampf der Kulturen halten, auch sehr gut abrufbar als Video bei den Vereinten Nationen. Dabei erinnerte der Kardinalstaatssekretär auch besonders an den Aufschrei des Papstes vom 9. August 2014. Nach Parolin gebe es eine Terrororganisation, die alle Staaten bedrohe und auflösen wolle, um sie durch eine "pseudoreligiöse Weltregierung" zu ersetzen. Dabei verwies der Kardinalstaatssekretär auch auf eine Meditation des Papstes vom 2. Mai 2014 über das "Töten im Namen Gottes" auf Kosten ganzer ethnischer Gruppen und antiker Kulturen. Es müsse in Erinnerung gerufen werden, dass solche Gewalt Ausdrucksform der Gottvergessenheit sei, wie Benedikt XVI. am 7. Januar 2013 gegenüber dem Diplomatischen Korps betont hatte: "Wie ich schon einmal gesagt habe, handelt es sich um eine Verzerrung der Religion selbst, da diese doch im Gegenteil danach strebt, den Menschen mit Gott zu versöhnen, die Gewissen zu erleuchten und zu reinigen und deutlich zu machen, daß jeder Mensch ein Abbild des Schöpfers ist." In diesem Zusammenhang fordert (auch) der Heilige Stuhl eine erneuerte Organisation der Vereinten Nationen und des Sicherheitsrates, die gemäß Internationalem Recht überhaupt besser auf nicht-staatliche Aggressoren reagieren müssen, welche eben gleichzeitig mehrere Völkerrechtssubjekte bedrohten. Hier bringt Kardinal Parolin die Enttäuschung des Heiligen Stuhles wörtlich so zum Ausdruck: "Es ist enttäuschend, dass die Internationale Gemeinschaft im Blick auf die Konflikte in Syrien, im Nahen Osten und in der Ukraine bis jetzt von widersprüchlichen Stimmen oder sogar vom Schweigen getragen ist." Weitere fünf Tage zuvor hatte Pietro Kardinal Parolin für den Heiligen Stuhl beim Sicherheitsrat Stellung genommen zum Thema der Bedrohungen von Friede und Sicherheit durch terroristische Handlungen auf internationaler Ebene. Dabei hatte er auch an wegweisende Worte von Papst Franziskus gegen den Missbrauch des Namens Gottes bei seiner Apostolischen Reise nach Albanien erinnert. Und schon am 9. September 2014 hatte in Genf ein weiterer Teilnehmer des oben geschilderten Nuntientreffens, Erzbischof Silvano M. Tomasi als ständiger Beobachter des Heiligen Stuhles, während der 27. Ordentlichen Sitzung des Menschenrechtsrates zur Bekämpfung heutiger Formen der Versklavung auf die exemplarischen Jugendversklavungen durch Boko Haram in Nigeria und durch die ISIS-Terroristen im Nordirak hingewiesen, aber ebenso auf 250.000 Kinder, die in bewaffneten Konflikten als Schutzschilder missbraucht würden. Hierher gehörten auch 5,7 Millionen Kinder, die Zwangsarbeit leisten müssen, als Haussklaven dienten oder in Zwangsehen gepfercht würden. Dabei verwies er auf die Ansprache Seiner Heiligkeit Papst Franziskus an die Internationale Konferenz zur Bekämpfung des Menschenhandels am 10. April 2014 und an das vom Heiligen Stuhl gewählte Thema der Sklaverei für den kommenden Weltfriedenstag. Und bei der 22. Sondersitzung desselben Menschenrechtsrates der UN zur Menschenrechtssituation im Irak hatte Erzbischof Tomasi am 1. September 2014 daran erinnert, dass ein ungerechter Angreifer gestoppt werden müsse. Mit diesen Hinweisen und Auszügen, welche das oben übersetzte Interview abrunden sollen, ist zweifellos die Gesamtlinie des Heiligen Stuhles zum Internationalen Recht und zur weltpolitischen Einschätzung klar geworden. Und in diesem Geist wird der Papst auch seine Apostolische Reise in die Türkei antreten, zu einem wichtigen Beitrittskandidaten für die Europäische Union. Mit Papst Franziskus reist nicht nur ein "Staatsoberhaupt", nein, es reist die einzige natürliche Person der Welt, die gleichzeitig Völkerrechtssubjekt ist. Denn der Papst ist der Heilige Stuhl, und von diesem hängt der Vatikanstaat ab, der präzise gesprochen kein Völkerrechtssubjekt ist. Und so möge uns dieser Eintrag im Gebet und im Einsatz für alle verfolgten Minderheiten vereinen! Euer Padre Alex - Dr. Alexander Pytlik Mittwoch, 24. September 2014
PAPST FRANZISKUS SIEHT IN ALBANIEN ... Geschrieben von Padre Alex / Dr. Alexander Pytlik
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22:31
Kommentare (0) Trackbacks (2) PAPST FRANZISKUS SIEHT IN ALBANIEN AUTHENTISCHES INTERRELIGIÖSES ZUSAMMENLEBEN
Die Albanienreise war für Seine Heiligkeit Papst Franziskus bei der heutigen Generalaudienz in Rom Anlass, in Dankbarkeit Rückschau zu halten: "Ich danke noch einmal dem Herrn, dass er mir durch diese Reise gewährt hat, einem mutigen und starken Volk zu begegnen, das sich vom Schmerz nicht hat beugen lassen. Ich lade die Brüder und Schwestern in Albanien erneut ein, Mut zu haben zum Guten, um die Gegenwart und die Zukunft ihres Landes und Europas aufzubauen. Ich vertraue die Früchte meines Besuchs Unserer Lieben Frau vom Guten Rat an, die im gleichnamigen Heiligtum in Scutari verehrt wird, auf dass sie den Weg dieses Märtyrervolkes auch weiterhin leiten möge." Bereits bei seinem abendlichen Rückflug hatte der Papst zum Ausdruck gebracht, Albanien bewusst als Land in Europa besucht zu haben. Das Motto des sonntäglichen Besuches am 21. September 2014 hatte gelautet: "Gemeinsam mit Gott zur Hoffnung, die nicht enttäuscht", und der Papst erinnerte heute:
"Auf meinem Weg die Hauptstraße von Tirana entlang, die vom Flughafen zum großen zentralen Platz führt, konnte ich die Porträts der 40 Priester sehen, die während der kommunistischen Diktatur ermordet wurden und für die der Seligsprechungsprozess eingeleitet wurde. Sie kommen hinzu zu den Hunderten christlicher Geistlicher und muslimischer Würdenträger, die ermordet, gefoltert, ins Gefängnis geworfen oder deportiert wurden, nur weil sie an Gott glaubten. Es waren dunkle Jahre, in denen die Religionsfreiheit dem Erdboden gleichgemacht und es verboten war, an Gott zu glauben. Tausende von Kirchen und Moscheen wurden zerstört oder in Lagerhallen und Kinos umgewandelt, die die marxistische Ideologie propagierten. Religiöse Bücher wurden verbrannt und den Eltern war es verboten, ihren Kindern die religiösen Namen der Vorfahren zu geben. Die Erinnerung an diese dramatischen Ereignisse ist wesentlich für die Zukunft eines Volkes. Das Gedenken an die Märtyrer, die im Glauben standgehalten haben, ist die Garantie für die Zukunft Albaniens. Denn ihr Blut ist nicht umsonst vergossen worden, sondern es ist ein Same, der Früchte des Friedens und der brüderlichen Zusammenarbeit tragen wird. Heute ist Albanien nicht nur ein Beispiel für das Wiedererstehen der Kirche, sondern auch für das friedliche Miteinander der Religionen. Daher sind die Märtyrer keine Besiegten, sondern Sieger: In ihrem heroischen Zeugnis erstrahlt die Allmacht Gottes, der stets sein Volk tröstet und neue Wege und Horizonte der Hoffnung öffnet." Und der Bischof von Rom betonte auch noch: "Im Mittelpunkt der Reise stand daher eine interreligiöse Begegnung, in der ich mit aufrichtiger Freude feststellen konnte, dass das friedliche und fruchtbare Miteinander von Menschen und Gemeinschaften, die verschiedenen Religionen angehören, nicht nur wünschenswert, sondern konkret möglich und praktizierbar ist. Sie praktizieren es! Es handelt sich um einen echten und fruchtbaren Dialog, der sich nicht dem Relativismus beugt und der Identität eines jeden Rechnung trägt. Denn was die verschiedenen religiösen Ausdrucksformen miteinander verbindet, ist der Weg des Lebens, der gute Wille, dem Nächsten Gutes zu tun, ohne die jeweilige Identität zu leugnen oder zu schmälern." Bei der Begegnung mit den Behördenvertretern im Präsidentenpalast von Tirana hatte Franziskus unter anderem gesagt: "Die Achtung der Menschenrechte – die Achtung ist ein wesentliches Wort bei Ihnen –, unter denen die Religionsfreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung herausragen, ist ja die Vorbedingung für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung eines Landes. Wenn die Würde des Menschen geachtet wird und seine Rechte anerkannt und gewährleistet werden, erblühen auch Kreativität und Unternehmungsgeist, und die menschliche Persönlichkeit kann ihre vielfältigen Initiativen zugunsten des Gemeinwohls entfalten. In besonderer Weise freue ich mich über eine glückliche Eigenschaft Albaniens, die mit aller Sorgfalt und Aufmerksamkeit zu bewahren ist – ich beziehe mich auf das friedliche Zusammenleben und die Zusammenarbeit von Angehörigen verschiedener Religionen. Das Klima gegenseitigen Respekts und Vertrauens zwischen Katholiken, Orthodoxen und Muslimen ist ein kostbares Gut für das Land und gewinnt eine besondere Bedeutung in dieser unserer Zeit, in der von extremistischen Gruppen das echte religiöse Empfinden verfälscht wird und die Unterschiede zwischen den verschiedenen Bekenntnissen verzerrt und instrumentalisiert werden, indem man sie zu einem gefährlichen Anlass für Auseinandersetzungen und Gewalt macht, anstatt zu einer Gelegenheit für den offenen und achtungsvollen Dialog und für ein gemeinsames Nachsinnen über das, was es eigentlich bedeutet, an Gott zu glauben und sein Gesetz zu befolgen. Niemand soll meinen, er könne sich hinter Gott verstecken, während er Gewalttaten und Übergriffe plant und ausführt! Niemand nehme die Religion zum Vorwand für seine Taten, die der Würde des Menschen und seinen Grundrechten entgegen stehen, an erster Stelle dem Recht auf Leben und auf Religionsfreiheit aller! Was in Albanien geschieht, beweist hingegen, dass das friedliche und fruchtbare Zusammenleben von Menschen und Gemeinschaften, die unterschiedlichen Religionen angehören, nicht nur wünschenswert, sondern konkret möglich und machbar ist. Das friedliche Zusammenleben zwischen den verschiedenen Religionsgemeinschaften ist tatsächlich ein unschätzbares Gut für den Frieden und die harmonische Entwicklung eines Volkes. Es ist ein Wert, der Tag für Tag gehütet und gefördert werden muss durch die Erziehung zur Achtung der Verschiedenheiten und der spezifischen Identitäten, die offen sind für den Dialog und die Zusammenarbeit zum Wohl aller, sowie dadurch, dass man einander immer besser kennen und schätzen lernt. Es ist ein Geschenk, das stets im Gebet vom Herrn erfleht werden muss. Möge Albanien immer auf diesem Weg voranschreiten und so für viele Länder zu einem Vorbild werden, an dem sie sich orientieren können!" Die Ansprache Seiner Heiligkeit bei der Begegnung mit den Führern anderer Religionen und anderer christlichen Konfessionen auf der Katholischen Universität Unserer Lieben Frau vom Guten Rat (Nostra Signora del Buon Consiglio) in Tirana übernehme ich aufgrund der Hinweise Seiner Heiligkeit und aufgrund ihrer somit gegebenen hohen Bedeutung als ganze von der Seite des Heiligen Stuhles: "Liebe Freunde, ich bin wirklich froh über diese Begegnung, welche die Verantwortlichen der bedeutendsten in Albanien gegenwärtigen religiösen Bekenntnisse zusammenführt. Mit großer Achtung begrüße ich einen jeden von Ihnen und die Gemeinschaften, die Sie vertreten; und herzlich danke ich Erzbischof Massafra für seine einführenden Worte, mit denen er Sie vorgestellt hat. Es ist wichtig, dass Sie hier beisammen sind: Es ist das Zeichen eines Dialogs, den Sie täglich leben in dem Bemühen, untereinander Beziehungen der Brüderlichkeit und der Zusammenarbeit aufzubauen, zum Wohl der ganzen Gesellschaft. Danke für das, was Sie tun! Albanien hat auf traurige Weise erleben müssen, welche Gewalttaten und welche Tragödien die erzwungene Ausschließung Gottes aus dem persönlichen und dem gemeinschaftlichen Leben verursachen kann. Wenn man im Namen einer Ideologie Gott aus der Gesellschaft ausstoßen will, betet man schließlich Götzen an, und sehr bald verliert der Mensch sich selber, wird seine Würde mit Füßen getreten und werden seine Rechte verletzt. Ihr wisst genau, zu welchen Brutalitäten der Entzug der Gewissens- und der Religionsfreiheit führen kann und wie aus dieser Wunde eine von Grund auf erschöpfte Menschheit hervorgeht, weil sie keine Hoffnung und keine geistigen Anhaltspunkte hat. Eine positive Folge der Veränderungen, die seit den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts geschehen sind, bestand auch darin, dass die Bedingungen für eine wirkliche Religionsfreiheit geschaffen wurden. Das hat jeder Gemeinschaft die Möglichkeit gegeben, Traditionen neu zu beleben, die trotz der grausamen Verfolgung nie erloschen waren, und hat allen erlaubt, auch von der eigenen religiösen Überzeugung her einen positiven Beitrag in erster Linie zum moralischen und dann auch zum wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes zu geben. Tatsächlich ist die Religionsfreiheit – wie der heilige Johannes Paul II. bei seinem historischen Besuch in Albanien 1993 bekräftigte – »nicht nur ein kostbares Geschenk des Herrn für alle, die die Gnade des Glaubens besitzen: Sie ist ein Geschenk für alle, denn sie ist die grundlegende Garantie für jeden anderen Ausdruck von Freiheit […] Nichts erinnert uns so wie der Glaube daran, dass wir, wenn wir einen einzigen Schöpfer haben, auch alle Geschwister sind! Die Religionsfreiheit ist ein Bollwerk gegen alle Totalitarismen und ein entscheidender Beitrag zur menschlichen Brüderlichkeit« (Botschaft an die albanische Nation, 25. April 1993). Doch man muss sofort hinzufügen: »Die wahre Religionsfreiheit schreckt vor den Versuchungen zu Intoleranz und Sektierertum zurück und fördert Haltungen eines achtungsvollen und konstruktiven Dialogs« (ebd.) Wir können nicht umhin anzuerkennen, dass die Intoleranz dem gegenüber, der andere religiöse Überzeugungen als die eigenen hat, ein besonders heimtückischer Feind ist, der sich heute leider in verschiedenen Gegenden der Welt zeigt. Als Glaubende müssen wir besonders wachsam sein, dass die Religiosität und die Ethik, die wir mit Überzeugung leben und die wir leidenschaftlich bezeugen, sich immer in einem Verhalten ausdrücken, das jenes Geheimnisses würdig ist, das sie zu ehren beabsichtigen. Darum müssen wir all jene Formen, die einen verkehrten Gebrauch der Religion darstellen, mit Entschiedenheit als nicht recht zurückweisen, weil sie weder Gottes noch des Menschen würdig sind. Die echte Religion ist eine Quelle des Friedens und nicht der Gewalt! Niemand darf den Namen Gottes gebrauchen, um Gewalt auszuüben! Im Namen Gottes zu töten, ist ein schweres Sakrileg! Im Namen Gottes zu diskriminieren, ist unmenschlich. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Religionsfreiheit nicht ein Recht, das einzig vom geltenden gesetzgebenden System garantiert werden kann, das dennoch notwendig ist: Sie ist ein gemeinsamer Raum, ein Bereich der Achtung und der Zusammenarbeit, der mit der Beteiligung aller aufgebaut werden muss, auch derer, die keine religiöse Überzeugung besitzen. Ich erlaube mir, auf zwei Haltungen hinzuweisen, die besonders nützlich sein können bei der Förderung dieser Grundfreiheit. Die erste besteht darin, in jedem Mann und jeder Frau – auch in denen, die nicht der eigenen religiösen Tradition angehören – nicht Rivalen und noch weniger Feinde zu sehen, sondern Brüder und Schwestern. Wer sich seiner eigenen Überzeugungen sicher ist, hat es nicht nötig, sich durchzusetzen und Druck auf den anderen auszuüben: Er weiß, dass die Wahrheit ihre eigene Strahlkraft besitzt. Im Grunde sind wir alle Pilger auf dieser Erde, und auf dieser unserer Reise leben wir in unserer Sehnsucht nach Wahrheit und Ewigkeit nicht als autonome Wesen, die sich selbst genügen – weder als Einzelne noch als nationale, kulturelle oder religiöse Gruppen –, sondern hängen voneinander ab, sind gegenseitig der Sorge der anderen anvertraut. Jeder religiösen Tradition muss es von innen her gelingen, dem Dasein des anderen Achtung zu zollen. Eine zweite Haltung ist das Engagement zugunsten des Gemeinwohls. Jedes Mal, wenn die Zugehörigkeit zur eigenen religiösen Tradition einen überzeugteren, großzügigeren und selbstloseren Dienst an der gesamten Gesellschaft hervorbringt, ist das eine authentische Ausübung und Entwicklung der Religionsfreiheit. Dann erscheint diese nicht nur als ein rechtmäßig eingeforderter Raum der Unabhängigkeit, sondern als eine Möglichkeit, die mit ihrer fortschreitenden Ausübung die Menschheitsfamilie bereichert. Je mehr man den anderen zu Diensten ist, umso freier ist man! Schauen wir uns um: Wie viel Not besteht unter den Armen, wie sehr müssen unsere Gesellschaften noch Wege zu einer weiter verbreiteten sozialen Gerechtigkeit, zu einer inklusiven Wirtschaftsentwicklung finden! Wie notwendig ist es für den menschlichen Geist, den tiefen Sinn der Erfahrungen des Lebens nicht aus den Augen zu verlieren und Hoffnung wiederzugewinnen! In diesen Wirkungsbereichen können von den Werten der eigenen religiösen Traditionen inspirierte Männer und Frauen einen wichtigen, ja unersetzlichen Beitrag liefern. Das ist auch für den interreligiösen Dialog ein besonders fruchtbares Feld. Und dann möchte ich etwas ansprechen, das immer ein Phantom ist: der Relativismus, „alles ist relativ“. In diesem Zusammenhang müssen wir einen klaren Grundsatz berücksichtigen: Man kann keinen Dialog führen, wenn man nicht von der eigenen Identität ausgeht. Ohne Identität kann es keinen Dialog geben. Das wäre ein Scheindialog, ein Dialog in den Wolken – er ist nutzlos. Jeder von uns hat seine religiöse Identität und ist ihr treu. Aber der Herr weiß, wie die Geschichte voranzubringen ist. Gehen wir ein jeder von seiner eigenen Identität aus, und tun wir nicht so, als hätten wir eine andere, denn das nützt nichts und ist nicht hilfreich, das ist Relativismus. Was uns verbindet, ist der Weg des Lebens, ist der gute Wille, von der eigenen Identität auszugehen, um den Brüdern und Schwestern Gutes zu tu. Gutes tun! Und so gehen wir miteinander als Geschwister. Jeder von uns bietet dem anderen das Zeugnis der eigenen Identität an und kommt mit dem anderen ins Gespräch. Dann kann der Dialog über theologische Fragen weitergeführt werden, aber wichtiger und schöner ist, miteinander zu gehen, ohne die eigene Identität zu verraten, ohne sie zu verschleiern, ohne Heuchelei. Mir tut es gut, so zu denken. Liebe Freunde, ich ermuntere Sie, die in Albanien bestehende Tradition der guten Beziehungen zwischen den Religionsgemeinschaften zu erhalten und auszubauen und sich im Dienst an Ihrem geschätzten Heimatland vereint zu fühlen. Mit ein bisschen Sinn für Humor kann man sagen, dass dies hier wie eine Fußballmannschaft aussieht: die Katholiken gegen alle anderen… Aber alle gemeinsam, zum Wohl der Heimat und der Menschheit! Bleiben Sie – für Ihr Land und darüber hinaus – weiterhin ein Zeichen dafür, dass herzliche Beziehungen und fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Menschen verschiedener Religionen möglich sind. Und ich bitte Sie um einen Gefallen: für mich zu beten. Auch ich habe es nötig, sehr nötig. Danke." Und nach diesem Albanientag Seiner Heiligkeit blicken wir optimistisch auf die nächsten Kurzbesuche des Papstes, vor allem auf die von ihm bei der Pressekonferenz auf dem Rückflug angesprochene Reise in die Türkei, auf Basis der Einladung des erstmals direkt gewählten türkischen Staatspräsidenten, Recep Tayyip Erdoğan, vom 10. September 2014, der damit die Einladung seines Vorgängers im Amt, Abdullah Gül, an Seine Heiligkeit erneuert hat. Mit diesen Einladungen des amtierenden Staatsoberhauptes der demokratisch verfassten Türkei kann Papst Franziskus nun auch gleichzeitig die Einladungen des Ökumenischen Patriarchen Bartholomäus und des lateinischen Metropolitanerzbischofs von İzmir (Smyrna), Dr. Dr. Ruggero Franceschini OFMCap, des Vorsitzenden der katholischen Türkischen Bischofskonferenz, annehmen. Mittlerweile gibt es auch schon ein Vorbereitungsgebet der Antoniuskirche (İstanbul) - einige Teile daraus übersetze ich gerne, um so auch dem Aufruf desselben Papstes zu entsprechen, für ihn zu beten: "Wir danken Dir, Gott Vater, für unseren Papst Franziskus, welcher den Besuch der Türkei auf seinem Programm hat. Wir bitten Dich, Herr Jesus Christus, den göttlichen Schutzmantel über jede Etappe seiner Pilgerreise auszubreiten, damit wir in ihm einen gläubigen Pilger, einen weisen Lehrer und einen demütigen Hirten erkennen können. Du hast Petrus und seinen Bruder Andreas, der entlang des Meeres von Galiläa wandelte, zu Menschenfischern werden lassen und hast durch ihren Dienst den Völkern das Licht des Evangeliums gebracht, und so bitten wir Dich: mache das Treffen des Papstes und des Ökumenischen Patriarchen zu einem klaren Zeichen Deiner Gegenwart unter uns, damit die Angst ausgelöscht, die Umkehr angeregt und Wunderbares hervorgebracht werde. Heiligster Herr, so wie Du für die Einheit Deiner Kirche gebetet hast, "dass alle eins sein sollen", mache dieses Treffen zu einem entscheidenden Schritt auf dem Weg zur sichtbaren Einheit unter Deinen Kindern. Bewirke in uns, dass diese Begegnung das Bewusstsein unserer christlichen Identität vertiefe; einige uns alle als Deine wahren Jünger, damit wir in unseren Gemeinschaften und in unserer Gesellschaft für Dich Zeugnis ablegen können. Gewähre dem Treffen des Papstes mit den politischen Autoritäten Fruchtbarkeit für die Gerechtigkeit und den Frieden. Beschütze die Einwohner dieses Landes vor der Gewalt, vor dem Hass und vor jeder Form des Bösen. Schenke allen leitenden Verantwortlichen Weisheit, damit wir in Harmonie und im Dialog zusammenleben und vollständig mitarbeiten können für das Gemeinwohl, insbesondere durch den Dienst an den Kranken, an den Armen und an den vielen Flüchtlingen, die jetzt in diesem Land Zuflucht suchen." AMEN. |
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