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Die Grundlagen der Lehre der Kirche bezüglich der Prinzipien des Ehelebens
Memorandum einer Gruppe von Moraltheologen aus Krakau (1968)

Hinweis/Quelle: Les fondements de la Doctrine de l‘Église concernant les principes de la vie conjugale (Memoriał grupy teologów krakowskich wręczony przez kard. Wojtyłę Papieżowi Pawłowi VI w 1967 r), in: Analecta Cracoviensia, Polskie Towarzystwo Teologiczne, Kraków, t.I, 1969, ss. 194–230
Die hier vorliegende deutsche Fassung stützt sich auf eine nicht gezeichnete informelle Übersetzung in Form eines ungedruckten Manuskripts. Sie wurde aber in entscheidenden Passagen teilweise neu erstellt. Verantwortlich: Dr. theol. Josef Spindelböck. Irrtum vorbehalten. Im HTML-Format auf www.stjosef.at online zugänglich gemacht am 18.03.2003. Den historischen Hintergrund dieses Krakauer Dokuments zur Geburtenregelung sowie zur Ehe- und Familienpastoral beleuchtet George Weigel, Witness to Hope. The Biography of Pope John Paul II, New York 1999, 207–209; dt.: Zeuge der Hoffnung. Johannes Paul II. Eine Biographie, Paderborn 2002, 217–219. Download auch als Word-Dokument

Auf Veranlassung des Metropoliten und Erzbischofs von Krakau, Karol Kardinal Wojtyła, übernahm es 1966 eine Gruppe Krakauer Moraltheologen, das Problem der theologischen Grundlagen der christlich-ethischen Normen des ehelichen Lebens zu untersuchen. Es handelte sich um Stanisław Smoleński, Tadeusz Tomasz Ślipko SJ, Jerzy Turowicz, Theologieprofessoren am Großen Seminar in Krakau, Jerzy Bajda, Professor am Seminar in Tarnów, und den Arzt Karol Meissner OSB. Kardinal Wojtyla selbst leitete diese Untersuchungen, nahm sehr aktiv an den Diskussionen teil und steuerte viele Ideen bei. Die hier vorliegende Fassung, die Adam Kubiś für den Druck vorbereitet hat, stellt ihr endgültiges Ergebnis dar.

I. Das Gesetz der Natur als Grundlage für die Verwerfung der Empfängnisverhütung durch das Lehramt der Kirche

A. Die derzeitigen Meinungen

1. Drei Vorfragen

Das Lehramt verwirft die Empfängnisverhütung aufgrund der natürlichen Moral. Die Berichte der Päpstlichen Kommission erwähnen die Verlautbarungen des Lehramtes, weisen aber zugleich auf weitere Probleme in diesem Bereich hin – auf Probleme, die von einer allgemeineren Bedeutung sind. Folgende Fragen ergeben sich:

  1. Hat die Kirche das Recht, sich autoritativ zu Fragen der Moral und des natürlichen Sittengesetzes zu äußern?
  2. Ist ihre Lehre in diesem Bereich unfehlbar?
  3. Ist es möglich, daß diese Lehre sich entwickelt?

Die Beantwortung dieser Fragen fügt sich in einen Lehrzusammenhang ein, der es erlaubt, den genauen Platz aufzuweisen, den das natürliche Sittengesetz in der Lehrverkündigung der Kirche einnimmt.

2. Morallehrer, welche die Empfängnisverhütung befürworten

In ihrem der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Memorandum erklären sich die Anhänger der Empfängnisverhütung nicht deutlich zur ersten dieser Fragen. Man kann hingegen aus dem Bericht ihrer Gegner schließen, daß zumindest einige unter den Befürwortern der Empfängnisverhütung der Kirche das Recht absprechen, Normen bezüglich des natürlichen Sittengesetzes zu definieren. Ihre Argumentation besagt, die Kirche sei nur innerhalb des Bereichs des Offenbarungsgesetzes zuständig. Oder genauer: Sie schränken die Zuständigkeit der Kirche auf die „Beziehung der Menschen zu Gott und untereinander“ ein[1], ganz allgemein gefaßt. Das läuft darauf hinaus, der Kirche das Recht abzusprechen, im Bereich des natürlichen Sittengesetzes detaillierte Normen aufzustellen.

Negativ ist die Antwort der Anhänger der Empfängnisverhütung auf die zweite Frage. Zur Stützung ihrer These führen sie an, daß die einstimmige Lehre der Kirche und der Päpste im Laufe der Jahrhunderte dahingehend lautete, daß der Gebrauch der Ehe nur im Hinblick auf die Fortpflanzung erlaubt sei oder höchstens gestattet sei als Heilmittel der Begierde; dies seien aber Auffassungen, von denen die Kirche und die Theologen sich heute zurückzögen.[2] Die gleiche historische Tatsache dient ihnen als Argument, die dritte Frage positiv zu beantworten.

Hinsichtlich der moralischen Beurteilung der Empfängnisverhütung weisen die Befürworter ihrer Erlaubtheit darauf hin, daß die Begriffe „Natur“ und „natürliches Sittengesetz“ heute eine geänderte Bedeutung haben. Die Lehrverkündigung der Kirche ist sich dessen bewußt; folglich entwickelt sie sich.[3]

3. Morallehrer, welche die traditionellen Positionen vertreten

Die Gegner der Empfängnisverhütung gehen in ihrem Memorandum auf alle diese Argumente ein und legen ihre Kritik vor. Mit Hilfe einer umfangreichen Dokumentation legen sie dar, daß sich die Lehre der Kirche über die Empfängnisverhütung niemals geändert hat und daß sie ablehnend bleibt.[4] Die zum Nachweis herangezogenen Zitate, vor allem die lehramtlichen Verkündigungen, unterstreichen die Tatsache, daß sich die Kirche in diesem Bereich des Ehe- und Familienlebens wie auch in bezug auf die Mittel der Empfängnisverhütung und deren Gebrauch vor allem auf das natürliche Sittengesetz stützt; aus diesem leitet sie ihre ethischen Normen ab.

Um nun zum Problem selbst zu kommen, nämlich ob die Kirche das Recht hat, das natürliche Sittengesetz zu interpretieren und spezifische Normen aufzustellen, die im Gewissen verpflichten, so muß gesagt werden, daß die Gegner der Empfängnisverhütung ihren Standpunkt nicht weiter präzisieren. Man hat den Eindruck, für sie sei die Sache klar. Deswegen begnügen sie sich damit, die von Pius XII., Johannes XXIII. und dem Zweiten Vatikanischen Konzil[5] abgegebenen Erklärungen, in denen dieses Recht eindeutig bejaht wird, anzuführen.[6]

Die Gegner der Empfängnisverhütung verteidigen mit Entschiedenheit die Unfehlbarkeit der Kirche bezüglich der Moral, insbesondere im Hinblick auf das zur Diskussion stehende Problem. Immer wieder weisen sie darauf hin, daß eine mögliche Änderung in der Lehraussage über diesen Punkt auf eine Selbstaufgabe des Lehramtes hinauslaufen würde; das aber würde eine ganze Reihe von katastrophalen Folgen für die Kirche nach sich ziehen.[7]

Die Frage der Entwicklung der Lehrverkündigung der Kirche ist von diesen Autoren gleichfalls behandelt worden, aber ausschließlich hinsichtlich der Ehemoral. Sie geben zwar zu, daß es eine Bereicherung der Lehrverkündigung gibt, aber nicht im Hinblick auf die Empfängnisverhütung. In dieser Frage sei die Lehrverkündigung von einer erstaunlichen Einmütigkeit und Kontinuität trotz mancher Verschiedenheiten im Vokabular und trotz Variationen in der Begründung.[8]

Schließlich weisen die Gegner der Empfängnisverhütung auf naturalistische Akzente hin, die sie bei den Befürwortern feststellen, wenn es um die Begriffe „natürliches Sittengesetz“ und „menschliche Natur“ geht; dem stellen sie entgegen: Es gibt eine objektive Grundlage für die Unveränderlichkeit der menschlichen Natur.[9]

4. Einige Schlußfolgerungen

Falls diese kurze Darlegung zutreffend ist, so erweist sich, daß jene Morallehrer, welche die Empfängnisverhütung verwerfen, ziemlich eingehend die Frage behandelt haben, inwieweit das natürliche Sittengesetz Grundlage ist für die Zurückweisung der Empfängnisverhütung durch die offizielle Lehre der Kirche. Unser Memorandum führt also den Begriff des natürlichen Sittengesetzes nicht als etwas Neues in die Diskussion ein, als ein Element, das den gegen die Empfängnisverhütung argumentierenden Morallehrern unbekannt gewesen sei. Wir wollen einfach nur die Frage gründlicher wieder aufgreifen und einige Ergänzungen vorschlagen, die nach unserem Dafürhalten der Argumentation mehr Gewicht geben könnten.

Nach dem, was unter I, E, 3 ihres Memorandums[10] gesagt ist, könnte es so aussehen, als sei nach Auffassung der Morallehrer, die sich für die traditionelle Position einsetzen, das ganze Problem der Zuständigkeit und der Unfehlbarkeit des Lehramtes der Kirche hinsichtlich des natürlichen Sittengesetzes die Angelegenheit einer rein akademischen Debatte. Sie lenke nur die Aufmerksamkeit vom eigentlichen Gegenstand der Kontroverse ab. Unserer Ansicht nach ist das ein völlig falscher Standpunkt. Gewiß, wenn man vom Streitgegenstand selber absieht, könnte die Frage als eindeutig erledigt erscheinen; hält man sich aber die Mentalität der Gegner vor Augen, erweist sich die Frage als überaus bedeutsam in dem Streit, in den die beiden Parteien verwickelt sind. Dementsprechend muß sie mit aller gebührenden Deutlichkeit behandelt werden. Der beste Beweis für diese Notwendigkeit ist die Tatsache, daß die Verteidiger der traditionellen Positionen sich immerhin veranlaßt sahen, im Zuge ihrer Argumentation diese Gegebenheiten aufzugreifen und auf die zugrundeliegenden Prinzipien hinzuweisen.

Außerdem scheint es bei der Argumentation für die Ablehnung der Empfängnisverhütung unerläßlich, dem Recht der Kirche auf unfehlbare Lehrkompetenz in Sachen des natürlichen Sittengesetzes (unter Einschluß der Ehemoral) denselben Platz zuzugestehen, der ihr in der Frage der objektiven Hierarchie der Normen zukommt, nämlich den der Grundprämisse. Diese Prämisse weist die Richtung, in der unsere Untersuchungen sich bewegen müssen, um die Problemlösung mit soliden theologischen Gründen abzustützen. Der Bericht der Verteidiger der traditionellen Positionen scheint diesen Gesichtspunkt als zweitrangig zu betrachten; jedenfalls behandelt er ihn lediglich als etwas Zusätzliches. Er wird nur aus Anlaß der Polemik gegen die Anhänger der Empfängnisverhütung erwähnt.

All das legt eine sorgfältigere Entwicklung der traditionellen Argumentation nahe. An verschiedenen Stellen wird die Lehre der Kirche bezüglich des natürlichen Sittengesetzes, sofern es die Grundlage der Ablehnung der Empfängnisverhütung ist, herangezogen; sie sollte aber als ein in sich geschlossenes Ganzes in ihren Zusammenhängen klar und logisch dargelegt werden. Dann würde sich nämlich das natürliche Sittengesetz eindeutig nicht nur als eine philosophische, sondern auch als eine theologische Kategorie erweisen; neben den philosophischen und sogar vorphilosophischen Gehalten würde man auch Elemente entdecken, die eindeutig theologisch sind und sogar unter die Autorität des Lehramts der Kirche fallen. Wir sind der Auffassung, daß auf diese Weise der Begriff „natürliches Sittengesetz“ klarer hervortreten würde; das gleiche gilt auch für den Begriff der „menschlichen Natur“, auf welcher dieses Gesetz gründet. Gerade diese Begriffe sind es ja, deren Bedeutung, wie die Anhänger der Empfängnisverhütung sie auffassen, erheblich abweicht von der authentischen und traditionellen Verwendung in Philosophie und Theologie.

B. Prinzipien, die für die Ausarbeitung der theologischen These über die Probleme der Empfängnisverhütung maßgebend sind

Die negative Beurteilung der Empfängnisverhütung durch die Lehre der Kirche stellt die Anwendung einiger allgemeiner Prinzipien auf diesen besonderen Fall dar. Sie sollen hier erörtert werden unter dem Gesichtspunkt, daß sie ein aus dem Ganzen der kirchlichen Lehre nicht herauslösbarer Bestandteil dieser Lehre sind.

  1. Die Kirche hat das Recht und die Pflicht, sich zur Moral und zum natürlichen Sittengesetz zu äußern, die entsprechenden Normen zu definieren, sie zu interpretieren und sie auf die verschiedenen Lebensverhältnisse anzuwenden. Die Beobachtung der Vorschriften des natürlichen Sittengesetzes ist ein integrierender Bestandteil des Moralgesetzes; sie ist ein Element des „Lebens im Glauben“, durch das der Mensch auf sein ewiges Ziel hinstrebt. Die Heilige Schrift, die beständige Lehrtradition und die Praxis der Kirche im letzten Jahrhundert seit Pius IX. liefern dafür besonders zahlreiche Beweise.[11]
  2. Die Lehre der Kirche hinsichtlich des natürlichen Sittengesetzes, wie sie in den einschlägigen Dokumenten dargelegt ist, erblickt im natürlichen Sittengesetz die objektive Sittenordnung, wie sie in die Vernunftnatur des Menschen eingeschrieben ist. Hier liegt der Grund, warum diese Ordnung vom positiven Gesetz, wie es der Staat anordnet, unabhängig ist. Sie ist beständig und unveränderlich und betrifft alle Menschen, denn alle haben teil an der selben Menschennatur; alle sind berufen, die ethischen Ziele zu verwirklichen. Sie enthält nicht nur die ethischen Begriffe und Prinzipien von ganz allgemeiner Weite der Anwendung, sondern darüber hinaus einen ganzen in sich zusammenhängenden Bereich detaillierter moralischer Normen. Es handelt sich also im vollen Sinne des Wortes um das moralische Gesetz, das man genau unterscheiden muß vom „Naturgesetz“, wie es heute in den Naturwissenschaften gebraucht wird.
  3. Die Lehre der Kirche bezüglich des natürlichen Sittengesetzes und seiner einzelnen Normen hat – von wenigen Ausnahmen abgesehen – bisher noch nicht die Form feierlicher Verkündigung durch das außerordentliche Lehramt gefunden; man findet sie vom ordentlichen Lehramt der Kirche vorgelegt in Lehräußerungen vor allem der Päpste, aber auch von Bischöfen, die mit dem Römischen Stuhl in Einheit stehen. Die Lehre besitzt also einen autoritativen Charakter, und somit gebührt ihr Gehorsam und Respekt.
  1. Dementsprechend ist das ordentliche Lehramt der Kirche unfehlbar auch in dem, was die natürliche Moral betrifft. Man darf jedoch nicht vergessen, daß die Lehräußerungen dieses oder jenes Papstes noch nicht das ordentliche Lehramt darstellen. Es handelt sich dabei um einzelne Akte des ordentlichen Lehramtes der Kirche; die Gläubigen schulden ihnen Gehorsam in Anbetracht der Autorität der lehrenden Kirche, obgleich solche Akte in sich nicht unfehlbar sind, Irrtümer einschließen können und einen nur vorläufigen Charakter haben mögen. All das bezieht sich auch auf die Prinzipien der Moral.
    Das ordentliche Lehramt der Kirche ist hingegen nur dann unfehlbar, wenn es sich um Lehräußerungen über eine beträchtliche Zeitspanne hin handelt, wenn dabei eine ganze Reihe von Päpsten zu Wort kommt, und wenn es sich um eine Lehrtradition handelt, die hinreichend ausgereift ist und sich auf ein genau bestimmtes Lehrstück bezieht; in unserem Fall auf ein Moralprinzip.
  2. Die Entwicklung des ordentlichen Lehramts in diesem Bereich der Moral und des natürlichen Sittengesetzes besteht darin, bestimmte sittliche Normen zur Entfaltung zu bringen, ihrer auf eine tiefere Weise bewußt zu werden, aber auch darin, ihre Lehre auf Elemente der Moral, die dazu in Beziehung stehen, anzuwenden. Eine Änderung der Lehrverkündigung kann einzig dann stattfinden, wenn der Gegenstand einer Veränderung unterworfen ist, wie z.B. in der Frage der Leihzinsen, nicht aber wenn ihr Gegenstand aufgrund seiner Natur unveränderlich ist, da er bedingt ist durch die Grundbeziehungen der menschlichen Natur.
  3. Abschließende Bemerkungen: Die theologischen Aspekte der sittlichen Beurteilung der Empfängnisverhütung müssen im Lichte der eben dargestellten Prinzipien beurteilt werden. An erster Stelle handelt es sich darum, die offiziellen Erklärungen der Kirche zu berücksichtigen. Es sind folgende: die Enzyklika „Casti connubii“ Pius XI.[12], die Ansprache Pius XII. an die Hebammen[13] und eine ganze Reihe weiterer Dokumente, die sich auf das Problem beziehen; die Enzyklika „Mater et Magistra“ von Johannes XXIII.[14] sowie die Erklärungen mehrerer Bischöfe.[15]

Aus den angeführten Dokumenten lassen sich folgende Ergebnisse ableiten:

  • Die Kirche verwirft in ihrer offiziellen Lehrverkündigung die Empfängnisverhütung als sittlich schlecht und als unzulässig.

  • Die Lehrverkündigung über diese Frage kennt keinerlei Schwankungen von Pius XI. bis zu Paul VI.; dieser hat sie weder wiederrufen noch angezweifelt.

  • Die Verurteilung der Empfängnisverhütung wird unter moralischem Gesichtspunkt von der Kirche als eine Norm des natürlichen Sittengesetzes betrachtet, also als eine objektive Norm, die sich aus der Natur ergibt; sie ist unveränderlich und somit für alle verpflichtend, nicht nur für die Katholiken.

Muß nun diese Lehrverkündigung über die Empfängnisverhütung als Ausdruck des ordentlichen Lehramtes im oben entwickelten Sinn verstanden werden, oder ist dies nicht der Fall?

Es hat zunächst den Anschein, daß dies nicht der Fall sei, vor allem wenn man die Tatsache in Betracht zieht, daß Paul VI. eine Sonderkommission ernannt hat, um das Problem neuerlich zu studieren. Trotzdem läßt sich nicht leugnen, daß die konstante Lehre der Kirche in diesem Bereich, die Paul VI. durch die wohlbekannten Erklärungen zu dieser Frage bestätigt hat, sich einem Stadium der Entwicklung und des Reifens nähert, wo sie als zum ordentlichen Magisterium der Kirche gehörend anzuerkennen ist. Eine mögliche offizielle lehramtliche Erklärung Pauls VI., die sich an die ganze Kirche wenden und verpflichtenden Charakter haben würde, wäre hier von einer unvergleichlichen Bedeutung.*

Aber davon unabhängig stellt die Lehrverkündigung der Kirche bezüglich der Empfängnisverhütung auch jetzt schon eine verpflichtende Lehrnorm dar, sowohl für den Moraltheologen in seinen Forschungen, wie auch vor allem für den Seelsorger im Beichtstuhl und in seinem priesterlichen Amt. Unter theologischem Gesichtspunkt ist diese Lehre objektiv sicher aufgrund der Autorität der lehrenden Kirche, trotz der Opposition gewisser Moraltheologen und trotz gewisser Praktiken, wie sie in einigen katholischen und erst recht in nichtkatholischen Kreisen geübt werden. Auf der anderen Seite stellt die Begründung der Lehre ein Problem für sich dar, wenn man sich die axiologischen Aspekte der Empfängnisverhütung vor Augen hält. Unter diesem Gesichtspunkt kann man auf einen Gesamtzusammenhang verweisen, dessen Elemente zum Teil philosophischer Natur sind; er soll im folgenden Teil dieses Memorandums untersucht werden. Vorweg sei nur dies angemerkt, daß vom Standpunkt einer christlichen Philosophie aus alle Auffassungen zurückzuweisen sind, in denen Keime eines Relativismus enthalten sind oder die der Situationsethik nahestehen, denn damit werden die objektiven, unwandelbaren Grundlagen der Moral untergraben. Sie führen letzten Endes zum Subjektivismus und zur Anarchie, und zwar sowohl in der Auffassung der Prinzipien als auch in der Praxis des Verhaltens. An die Stelle einer Moral, die dieses Namens würdig ist, tritt die Leugnung jeglichen moralischen Gehalts menschlichen Handelns und eine Negierung der sittlichen Würde des Menschen.

II. Die Rechtfertigung der Ablehnung der Empfängnis­verhütung durch die Kirche

1. Die menschliche Person, ihre Würde und ihre Entfaltung

a) Die menschliche Person, ihr Wert und die Gesetze ihrer Entwicklung können als die Grundlage, auf der die Prinzipien der Moral aufruhen, betrachtet werden. Um aber von der Person zu sprechen, muß man zunächst von ihr einen präzisen Begriff haben. Ein Personbegriff, wie ihn die Psychologie aufstellt, nämlich rein subjektiv, als Subjekt verstanden oder als Substrat von Erlebnissen, bildet keineswegs eine hinreichende Grundlage für eine objektive Moralnorm und ist offen für die Gefahr der Situationsethik.

Man muß vom ontologischen Begriff der Person ausgehen und daher die Person als substantielles Subjekt bewußter und freier Akte auffassen. Zur Beantwortung der Frage „Was ist der Mensch?“ verweist die Konzilskonstitution „Gaudium et spes[16] auf das Buch Genesis 1,26, wo gesagt wird, daß der Mensch nach dem Bilde Gottes geschaffen ist. Deshalb muß die ontologische Definition des Menschen auf seine Beziehung zu Gott und zur Welt Bezug nehmen. Der Mensch ist kein Absolutum; er ist nicht der höchste Wert, sondern ein Geschöpf Gottes. Daraus ergibt sich: Die Beziehung zu Gott schließt nicht nur die Abhängigkeit des Geschöpfes gegenüber Gott ein, sondern auch die Befähigung von seiten des Menschen, diese Abhängigkeit bewußt anzuerkennen und mit Gott in einer verantwortlichen Weise mitzuarbeiten.

Diese Struktur der Person umfaßt auch ihre Beziehung zur Welt. Der Mensch gehört der Welt an; aber er unterscheidet sich von anderen Geschöpfen dadurch, daß er die Fähigkeit besitzt, mit vollem Bewußtsein dem erkannten Wahren und Guten zu folgen, d.h. ein sittliches Leben zu führen.[17] Der Mensch kann in der Welt die Ordnung der Natur und die Finalität lesen, die dieser eigen ist in Bezug zum Menschen und seinem Gut. Der Mensch ist in diese Ordnung der Dinge eingepflanzt; er kann die in dieser Ordnung grundgelegte normative Kraft erkennen.[18] Andererseits ist die Welt auf den Menschen hingeordnet; gemäß „Gaudium et spes“ ist er „zum Herrn über alle irdischen Geschöpfe gesetzt, um sie in Verherrlichung Gottes zu beherrschen und zu nutzen.“[19] Mit seinen Geistesgaben soll der Mensch in voller Verantwortung mitwirken am Schöpfungs- und Heilsplan Gottes. Dies bedeutet unter anderem die Anerkennung und Achtung der Grenzen seiner Herrschaft über die Welt. Diese aber sind durch den Charakter der Gaben selbst festgelegt, die der Mensch aus der Hand seines Schöpfers empfangen hat.

b) Das Vermögen der Weitergabe des Lebens ist ein Geschenk Gottes. Es gehört zum Ganzen der menschlichen Person. Gerade im Namen seiner Natur – verstanden als eine Ganzheit – muß sich der Mensch Rechenschaft geben über dieses Vermögen und über dessen spezifische Struktur.

Seine Vernunft entdeckt hier ein biologisches Gesetz, das sich allerdings auf die menschliche Person bezieht, also auf die Einheit von Leib und Seele. Man kann dieses Gesetz nicht einfach auf die Natur bezogen ansehen, wie sie in einem ganz weiten Sinn aufgefaßt wird. Daraus ergibt sich: Es ist eine Sache, auf unsere Umwelt (mit Einschluß der animalischen Welt) einzuwirken, um sie zu verändern, aber eine andere, in die biologischen Gesetze der menschlichen Person einzugreifen.[20]

Die Anwendung von Verhütungsmitteln stellt ein aktives Eingreifen in die Struktur des geschlechtlichen Aktes dar, also ein Eingreifen in das Handeln der Person; er ist somit eine Verletzung der Person, insofern sie mit Sexualität ausgestattet ist, und ihrer biologischen Gesetze. Es handelt sich hier also nicht um den Gebrauch eines in sich indifferenten Mittels (wie es z.B. eine Waffe ist), dessen man sich je nach der Intention des handelnden Subjektes auf gute oder schlechte Weise bedienen kann.

c) Die Struktur der Person beinhaltet unter anderem auch ihre Beziehung zu den anderen. Es handelt sich um Beziehungen zwischen Personen und um Beziehungen zwischen Individuum und Gesellschaft.[21] In all diesen Beziehungen gibt es eine Verpflichtung, die Rechte und die Würde der Person zu achten.[22]

Wenn von der Würde der menschlichen Person die Rede ist, muß sorgfältig unterschieden werden zwischen der empirischen oder psychologischen Bedeutung des Terminus „Würde“, seiner philosophischen Bedeutung und erst recht der Bedeutung, die auf der Offenbarung gegründet ist. Nur jene philosophische Bedeutung, welche die spezifischen Eigenschaften der Person – Vernunft und Freiheit – berücksichtigt, kann normativen Charakter haben; nur sie kann zugleich Grundlage und Rechtfertigung der Forderungen und Leistungen sein, deren Gegenstand die Person ist. Dies betrifft vor allem die Leistungen zugunsten eines anderen oder anderer Personen. Ausgeschlossen bleiben muß jegliche Behandlung einer Person als Sache, deren man sich für seine persönlichen Zwecke bedient. Im Gegenteil: Man ist verpflichtet, dem anderen wohlwollende Liebe zu erweisen, die Sorge trägt für das wahre Wohl (auch das sittliche) der Person und für die Erfüllung jener Berufung, die ihr zu eigen ist.

Die Würde der Person bringt auch gewisse Verpflichtungen sich selbst gegenüber mit sich, vor allem die eines vernunftgemäßen, freien und verantwortlichen Handelns. „Die Würde des Menschen verlangt daher, daß er in bewußter und freier Wahl handle, das heißt personal, von innen her bewegt und geführt und nicht unter blindem innerem Drang oder unter bloßem äußerem Zwang.“[23]

d) Die Person ist berufen, sich zu entfalten und zu vervollkommnen. Diese Entfaltung besteht unter anderem in der Vervollkommnung des Handelns. Immer mehr muß es mit der Einsicht gleichförmig werden, und es muß immer mehr freies Handeln werden. Alle Strebungen sollen fortschreitend und bewußt in die verantwortliche Verwirklichung der eigenen Berufung integriert werden. Im Bereich der sinnlichen Triebe besteht darum das Aufwärtsstreben und die Selbstvervollkommnung nicht darin, die Antriebe vollständig zu befriedigen, sondern sie in aller Klarheit zu lenken und sie in das Ganze des moralischen Lebens zu integrieren. Auf diese Weise stellt der Christ die Harmonie seines inneren Seins mit Hilfe der Gnade wieder her und festigt sie – die Harmonie, die durch die Sünde gestört ist.[24] Das fortschreitend wiedergewonnene Gleichgewicht macht es möglich, die egoistischen Tendenzen wirksam zu überwinden und sich in der wahren Liebe zu festigen.

2. Die eheliche Liebe und das Wohl der Familie

Die Beziehungen zwischen Personen stehen unter der Herrschaft der Tugenden der Gerechtigkeit und der Liebe; noch mehr liegt im Neuen Bund die Hauptbetonung auf der Liebe. Sie ist das neue Gebot; sie ist Teilnahme am göttlichen Leben, Teilnahme an der Liebe, mit der die Personen der göttlichen Dreifaltigkeit sich lieben.[25] Wenn also die Liebe alle Beziehungen zwischen Personen lenkt, dann muß sie – das ist eindeutig – auch für das Leben der Ehepartner normativ sein, wo es eine so tiefe Einheit und Verbundenheit gibt. Gleicherweise ist es nicht weniger klar, daß es einzig und allein die Liebe als Tugend – die „caritas“ – ist, die als moralische Norm dienen kann. Die Liebe der menschlichen Person ist eine fleischgewordene Liebe. Sie äußert sich ebenso in gütigem Wohlwollen, im Zuvorkommen, im Dialog, ebenso in gemeinsamer Zielsetzung wie in wechselseitiger Zuneigung und genauso im Sexualakt – unter der Voraussetzung, daß er so vollzogen wird, wie es der wahren Würde der menschlichen Person entspricht[26] und auch den objektiven Kriterien, die durch ihre Natur und ihre Tätigkeiten bestimmt sind. Diese Kriterien gewährleisten den vollen Sinn der gegenseitigen Selbsthingabe der Ehegatten und der Weitergabe des Lebens, vollzogen auf eine des Menschen würdige Weise; dies aber verlangt die Pflege der Tugend der Keuschheit.[27]

Deshalb kann sich die eheliche Liebe ebenso in einem ehelichen Akt, der fruchtbar ist, bekunden wie in einem normal vollzogenen, aber aufgrund natürlicher Bedingungen nicht fruchtbaren Akt, und auch im Verzicht auf den ehelichen Akt, wenn die Klugheit rät, sich der Fortpflanzung zu enthalten. Die eheliche Liebe kann sich dagegen nicht bekunden in einem aus freiem Handeln der Fruchtbarkeit beraubten Akt. Denn aktiv in den Sexualakt einzugreifen beziehungsweise in die organischen Funktionen der menschlichen Person in einem ihrer Bestimmung widersprechenden Sinn nur um der Lust oder der rein sinnlichen Liebe willen, läuft darauf hinaus, sich seines Partners um der eigenen Zwecke willen zu bedienen. Dies steht im Widerspruch zu dessen Würde als Person[28], zur ehelichen Keuschheit (indem man auf irrationale Weise sexuelle Befriedigung sucht), und es ist sicher nicht im Einklang mit dem Bild der fruchtbaren Vereinigung Christi mit seiner Kirche und der Vereinigung – jenseits aller Selbstbezogenheit – der göttlichen Personen im Schoße der Trinität. Es handelt sich im Gegenteil um Egoismus, um die Suche seiner selbst von seiten eines der Ehepartner, manchmal auch beider gemeinsam. Aber gleichviel: Es ist und bleibt Egoismus. Die wesentlichen Elemente jeder Tugend – die Selbstbeherrschung und die Hingabe seiner selbst, die Selbstlosigkeit – sind ausgeschlossen um des Lusterlebnisses willen, um der sinnlichen Befriedigung oder um des Gefühles willen.[29] Derartige Akte sind nicht nur keine Akte echter Liebe, sie führen auch, wenn sie wiederholt stattfinden, mit Notwendigkeit zur Zerstörung der Liebe, weil sie zu ihr im Widerspruch stehen.

Derartiges trägt ferner keineswegs dazu bei, eine Atmosphäre häuslicher Liebesverbundenheit zu schaffen – jenes Klima, das unerläßlich ist für die Erziehung der Kinder in Übereinstimmung mit Gott und zugleich für eine vollkommen menschliche Erziehung. Eltern, die keine Selbstbeherrschung kennen, die nicht imstande sind, um des Partners willen ihren Egoismus zu opfern, werden auch nicht Großmut, Geduld, Heiterkeit und Gelassenheit in den Beziehungen zu ihren Kindern aufbringen, jene vertrauengebende Ruhe, welche die Kinder brauchen. Nur in dem Maß werden sie die Kinder lieben, wie diese ihnen Freude bringen, das heißt aber: auf egoistische Weise und nicht um ihrer selbst willen. Sie werden sie verwöhnen, ihnen Weichlichkeit und Besitzgier beibringen. Anstelle des Friedens, den die Selbstbeherrschung verleiht, wird in der Familie Unruhe und Unfrieden herrschen, denn der Spannungszustand, den ein Sexualakt schafft, der von Vorsichtsmaßnahmen umgeben ist und der keine vorbehaltlose Selbsthingabe darstellt, muß sich auf Dauer auf die Kinder übertragen. Es hat durchaus den Anschein, daß die wachsende Nervosität und sogar gewisse Neurosen zu einem erheblichen Teil auf empfängnisverhütende Praktiken zurückzuführen sind. Das Wohl der Familie fordert also wahre Liebe; eine Liebe, die um des Wohles der geliebten Person willen auch Selbstbeherrschung zu üben weiß. Das aber bedeutet nichts anderes als Gott in der Person des Ehepartners zu lieben.

3. Die Gleichheit von Mann und Frau in der Ehe

a) Als von allen zugestandene Voraussetzung darf folgendes gelten:

Mann und Frau sind in ihrer metaphysischen Natur, in ihrer personalen Würde und in ihrer letzten Berufung gleich.[30]

Gleich sind sie auch hinsichtlich des Rechts, eine Ehe einzugehen, den Ehepartner zu wählen sowie aufgrund der Ehepartnerschaft in der Betätigung all dessen, was das Wesen der Ehe betrifft.

Ihre Gleichheit als Menschen und in ihrem ehelichen Leben ist indessen gekennzeichnet durch die Verschiedenheit der Geschlechter.

b) Beide, Mann und Frau, haben ein gleiches Recht auf Erfüllung ihrer (individuellen und einzigartigen) eigenen Berufung; dabei muß der Verschiedenheit der Geschlechter Rechnung getragen werden. Die sexuelle Bestimmtheit allein entscheidet noch nicht über die Berufung der Person, denn diese Berufung geht wesensmäßig über die Sexualität als solche hinaus. Diese bestimmt nur die Art und Weise, in der diese Berufung sich verwirklicht. Die menschliche Person ist geschlechtlich, aber die Sexualität als solche macht nicht die Person aus. Die personale Berufung verwirklicht sich nicht mittels der Geschlechtlichkeit, sondern muß sich übersetzen in die Begegnung zwischen Personen verschiedenen Geschlechts (hier ist nur von der Berufung zur Ehe die Rede). Eine Beziehung von Person zu Person erfolgt niemals ohne weiteres auf der ausschließlich sexuellen Ebene. Im Gegenteil: Die sexuelle Beziehung verwirklicht sich bei einem vernunftbegabten Wesen angemessen nur auf der personalen Ebene.

c) Das Geschlecht differenziert Mann und Frau, aber diese Verschiedenheit steht nicht nur im Dienste des persönlichen und ausschließlichen Gutes des Individuums. Aus der Verschiedenheit der Geschlechter ergibt sich ferner in keiner Weise, daß einer der beiden Partner mit einer viel größeren Verantwortung zu belasten wäre als der andere. Die Ehe besteht in einer Gemeinschaft und nicht nur in einem Wechselverhältnis; nur im Hinblick auf die gemeinsame Zielgerichtetheit, die objektiver Natur ist und jenseits der beiden einzelnen liegt, läßt sich der Platz bestimmen, der dem Mann und der Frau zukommt, die zusammen ein Paar bilden; auch nur von dort her lassen sich die angemessenen wechselseitigen Beziehungen im Handeln der Ehegatten bestimmen. Das Eherecht ist keineswegs die „Summe der Individualrechte“ und besteht auch nicht ausschließlich im „wechselseitigen Geben“. Die „Wechselseitigkeit“ der Ehe verwirklicht sich in Wahrheit nur dann, wenn sie sich objektiv und wesenhaft auf das gründet, was wirklich gemeinsam und über das Individuelle hinausgehend ist, nicht nur der rein subjektiven „Intention“ nach. Die echte Gemeinschaft zu zweit existiert einzig durch eine Beziehung zu einem Dritten („Tertium“); sie ist eine gemeinsame, innerliche und transzendierende Beziehung.

d) Mann und Frau sind gleich in bezug auf die menschliche Würde, doch dem Geschlecht nach unterschieden; dies ist eine dem menschlichen Leib und daher der menschlichen Person anhaftende Eigentümlichkeit. Die Geschlechtlichkeit stellt eine biologische Gegebenheit dar; sie ist bezogen auf das Vermögen, das Leben weiterzugeben, und steht in dessen Dienst. Nun ist aber die biologische Teilhabe am geschlechtlichen Akt sowie an den Mühen der Elternschaft für Mann und Frau überhaupt nicht gleich. Der sexuelle Akt vollzieht sich im Leib der Frau, die – im Gegensatz zum Mann – vergewaltigt werden kann. Ebenso fallen Schwangerschaft und Kindeserziehung in einzigartiger Weise der Frau zu. Im übrigen ist der Mann unter normalen Bedingungen immer zeugungsfähig, während die Frau nur periodisch fruchtbar ist, und zwar in verhältnismäßig kurzen, wenn auch häufig wiederkehrenden Zeiträumen. Außerdem ist es im allgemeinen der Mann, der beim Suchen der sexuellen Begegnung die Initiative ergreift.

All diese Ungleichheiten in der biologischen Konstitution des Mannes und der Frau, im geschlechtlichen Akt und in den Mühen der Elternschaft, die Belastungen, die sich aus der sexuellen Betätigung für die Frau ergeben (und unvergleichlich schwerer sind als für den Mann) – all das legt dem Mann eine noch größere Verantwortung auf. Wenn sich der Mann seiner Verantwortlichkeiten entzieht, kann man nicht mehr von Respekt für die Gleichheit der Frau in ihrer menschlichen Würde sprechen. Ihre elementaren Menschenrechte sind dann nicht mehr gewahrt.[31]

e) Die Empfängnisverhütung trägt nichts bei zu den persönlichen Rechten der Frau. Als ein Verfahren, das erlaubt, die „Bedürfnisse des Sexualtriebes“ zu befriedigen, ohne die Verantwortung für die Folgen der geschlechtlichen Betätigung auf sich zu nehmen, begünstigt es vor allem den Mann. Darum würde es, einmal zugelassen, sein erotisch-hedonistisches Verhalten sanktionieren. Aus dieser Situation würde der Mann zwangsläufig zum Schaden der Frau einen Vorteil ziehen. Er würde dann aufhören, die Frau im Kontext der Weitergabe des Lebens anzusehen. Sie würde für ihn einfach eine Gelegenheit zum Genuß des Lebens darstellen. Nimmt man die Tatsache dazu, daß die Initiative des Mannes im sexuellen Bereich in die Struktur der Sexualität selber eingeschrieben und grundsätzlich die Frau von der Gefahr der Vergewaltigung bedroht ist, dann muß man zugeben, daß die sittliche Situation der Frau in einem sehr pessimistischen Licht erscheint. Unter der Hypothese der Zulassung der Empfängnisverhütung ist es nicht nur die Ungleichheit, welche die Frau betrifft, sondern noch mehr ganz einfach die Sklaverei des Sex.[32]

4. Die Folgen der Erbsünde

Die Erklärungen gewisser Befürworter einer praktisch unbegrenzten Freiheit in der Geburtenregelung scheinen sich auf eine tiefe Überzeugung von der angeborenen Gutheit des Menschen und der absoluten Integrität seiner Natur zu stützen. Ein solcher Optimismus findet leider keinerlei Bestätigung, weder in der Heiligen Schrift, noch in der Lehrtradition und Praxis der Kirche, und schließlich auch nicht in der Geschichte und der täglichen Erfahrung der Menschheit.

Der Mensch, wie wir ihm begegnen, ist nicht nur weit entfernt von jenem Ideal, sein Bild ist in bestimmter Hinsicht derart tragisch, daß sogar Beobachter, welche die Lehre von der Erbsünde verwerfen, geneigt sind, eine unerklärliche Verderbtheit der menschlichen Natur anzuerkennen, die für seine tatsächliche Disharmonie und seine Hinneigung zum Bösen verantwortlich ist. Die Störung der inneren Ordnung kennzeichnet die ganze Person des Menschen; im Bereich des Geschlechtstriebes – sicher einem der stärksten unter den menschlichen Triebneigungen – ist sie von unausweichlicher Evidenz.

Das Alte und Neue Testament stimmen darin überein, daß die Neigung zur Sünde dem Menschen angeboren und daß die Sünde eine Tatsache ist.[33] Während aber das Alte Testament hier in Ratlosigkeit verbleibt und höchstens göttliche Hilfe erwartet, deren es sich aber nicht sicher ist, zeigt uns das Neue Testament die machtvollen Quellen der Kraft, die von Christus und seinem Erlösungswerk ausgehen. Sie sind imstande, die Sünde in uns zu vernichten, denn sie sind unendlich mächtiger als die Sünde.

Das bedeutet allerdings nicht, daß die Erlösung die menschliche Natur radikal zum Guten verändert oder das Feuer der Sünde in ihr gänzlich ausgelöscht hätte. Dieses Feuer schwelt weiter, und wir müssen immer mit seiner Zerstörungskraft rechnen. Man muß wachsam bleiben, vor allem dort, wo Begierlichkeit und Sünde vom „Fleisch“ (der „sarx“) als dem Feind des Geistes ihre Nahrung beziehen. Wachsamkeit ist hier eines der wesentlichen Elemente der Bekehrung des Menschen zu Gott.

III. Die verantwortliche Elternschaft

1. Ein Ehepaar erfüllt seine Pflicht, das Leben weiterzugeben und Kinder aufzuziehen unter den sehr konkreten Umständen, in denen es sich befindet. Um diesen Pflichten in angemessener Weise und in Übereinstimmung mit dem göttlichen Plan zu entsprechen, müssen die Eheleute mit Klugheit und im Bewußtsein ihrer Verantwortung all diese Umstände erwägen und sich Rechenschaft ablegen über die Anforderungen, die diese ihnen auferlegen.[34] Deswegen kann die Zahl der Kinder, die ins Dasein gerufen werden, nicht dem Zufall überlassen werden. Im Gegenteil: Um all der menschlichen Werte willen, um die es hier geht, muß die Zahl der Kinder von den Eheleuten sehr gewissenhaft entschieden werden. Es handelt sich also um ein Werk, bei dem sie sich als Personen einsetzen. Dennoch muß die Entscheidung als solche ein Akt menschlicher Verantwortung sein.

All dies wurde von den Bischöfen, die am Zweiten Vatikanischen Konzil[35] teilnahmen, anerkannt; ebenso von Paul VI. in seiner Enzyklika Populorum progressio[36]. Daraus ergibt sich, daß bei den Erwägungen der Ehegatten bezüglich der Zahl der Kinder, die sie zu haben und zu erziehen auf sich nehmen, und bei der davon abhängigen Entscheidung über die verantwortliche Regelung der Geburten folgende Faktoren eine Rolle spielen:

freudige Großmut und die Bereitschaft zu Verzicht und Opfer[38];

  • eine Haltung des Glaubens und des Vertrauens auf Gott[37];

  • das Bewußtsein von ihrer Gemeinschaft als Frucht des ehelichen Lebens: diese Entscheidung der Geburtenregelung muß in einem Dialog der Liebe zwischen Mann und Frau getroffen werden[39];

  • das Vorliegen berechtigter Gründe[40];

  • das Verhalten der Ehegatten bei der von ihnen unternommenen Regelung der Geburten muß in Übereinstimmung stehen mit dem göttlichen Gesetz, wie es vom Lehramt der Kirche dargelegt wird.[41]

Die beiden letzten Faktoren bedürfen einer tiefergehenden Analyse.

2. Die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils und Pauls VI. legen eine viel tiefere und weitergreifende Lehre über die Motivation verantwortlicher Elternschaft vor, als es Pius XII. getan hat. Was die Ehegatten bedenken müssen, ist:

  • die Berufung, zur der Gott sie in seinem Schöpfungs- und Heilsplan aufgerufen hat;

  • das eigene Wohl und die Verantwortung, die sie für sich selber haben (hier wäre anzufügen die Sorge für die eigene Gesundheit, d.h. Motive, die Pius XII. als „medizinische Indikation“ der Geburtenregelung bezeichnet hat);

  • das Wohl der schon geborenen und der künftigen Kinder und die Verantwortung ihnen gegenüber (zu dieser Gruppe von Motiven gehören nach Pius XII. die „eugenischen Indikationen“);

  • das Wohl der Gemeinschaften, denen die Ehegatten angehören: Familie, zeitliche Gesellschaft, Kirche;

  • die Umstände der Zeit;

  • die materiellen wie geistigen Bedingungen (hierunter muß man die „ökonomischen und sozialen Indikationen“ einordnen, von denen Pius XII. spricht).[42]

Die heutige Katechese unterstreicht die Sorgfalt, die man aufwenden muß, um auf die Verantwortung der Christen für ihr Leben und ihren Weg zu Gott hinzuweisen. Die gerade aufgezählten verschiedenen Motive, die bei einer im Leben der Ehegatten so wichtigen Entscheidung berücksichtigt werden müssen, können nicht nur zu der Überzeugung führen, die Ehegatten sollten von der Zeugung Abstand nehmen, sondern auch zur gegenteiligen Entscheidung, daß sie nämlich auf eine bewußte und in Freiheit gewollte Weise einem Kind das Leben schenken sollten.

3. Es ist eindeutig, daß die Intention, die unserem Handeln zugrunde liegt, ihren moralischen Wert besitzt. Aber um sittlich gut zu sein, muß eine Handlung auch noch anderen Bedingungen genügen. „Wir geben zu, daß Gott vor allem und immer die rechte Absicht verlangt; aber diese genügt nicht. Er will auch das gute Werk.“[43] Die Handlung der Person muß auch in sich selber betrachtet dem Plan Gottes entsprechen, wie er in die Struktur des menschlichen Seins eingeschrieben ist, so wie es tatsächlich existiert, und im Handeln, das ihm eigentümlich ist. Das Zweite Vatikanische Konzil hat die unveränderliche Lehre der Kirche in dieser Sache lediglich wiederholt.

Es müssen also die sittlichen Grunderfordernisse formuliert werden, denen die Mittel entsprechen müssen, deren sich die Ehegatten beim Werk der Geburtenregelung bedienen, damit es sich um ein mit der Würde der menschlichen Person übereinstimmendes Verhalten handelt – ein Verhalten, das auch dem inneren Sinn des menschlichen Geschlechtslebens gerecht wird. Das ist es ja, was der Gegenstand des göttlichen Gesetzes in diesem Bereich ist.

a) Das erste dieser Erfordernisse muß aus der Gleichheit, die zwischen Mann und Frau als menschlichen Personen besteht, erschlossen werden.[44] Sein Inhalt ist dieser: Bei der Durchführung der Geburtenregelung muß im Beitrag von Mann und Frau Gleichheit und ein gleicher Maßstab herrschen. Diesem Prinzip muß Rechnung getragen werden bei der Prüfung der Moralität des Gebrauchs kontrazeptiver Mittel (Ovulationshemmer), die oral eingenommen werden, und solcher, bei denen intra-uterine Pessare (IUD) durch die Frau verwendet werden. Was im Organismus der Frau Veränderungen herbeiführt, welche die Befruchtung unmöglich machen, wodurch sich gleichzeitig der Mann seiner Verantwortlichkeit beim Geschlechtsakt entzieht, stellt eine Mißachtung der Person der Frau dar und ist ein Verstoß gegen die Gerechtigkeit.[45]

b) Der Platz, welcher der Geschlechtlichkeit in der Struktur der Person und in ihrem Verhalten zukommt, ist die Grundlage weiterer Forderungen.

Im Leben der menschlichen Person erfüllt die Sexualität mehrere Funktionen:

  • die biologische Funktion der Fortpflanzung;

  • eine transindividuelle Funktion: interpersonal und sozial

  • die Zeichenfunktion als Element der Kommunikation zwischen den Menschen bei der Ausbildung sozialer Beziehungen.

Unter biologischem Gesichtspunkt ist die Sexualität wesensmäßig mit der Fortpflanzung verbunden. Es wurde schon betont, daß der Leib an der Würde der Person teilhat, da er mit der Seele zusammen das eine menschliche Sein ausmacht.[46] Deshalb ist die Geschlechtlichkeit als Eigenschaft des Leibes eine Eigenschaft der Person, und die sexuelle Aktivität, die wesensmäßig eine leibliche ist, partizipiert somit an der menschlichen Aktivität.

Nun aber ist der Mensch ein soziales Wesen.[47] Das Genitalsystem ist aber das einzige unter den organischen Systemen, das in seiner normalen Funktionsausübung das Zusammenwirken zweier Personen verlangt. Der Geschlechtsakt bezieht sich auf den menschlichen Leib, aber durch das Medium des Leibes betrifft er die Person, welche durch diesen leiblichen Verbindungsgestus (der wesentlich eine Funktion der Zeugungskraft, der vis generativa ist) in eine besondere personale Verbundenheit mit einer anderen Person tritt.

Der Geschlechtstrieb ist demnach jener wesentliche Faktor, dank dessen sich fundamentale interpersonale Verbindungen und Gemeinschaften bilden: diejenigen von Ehe und Familie. Somit ist der Geschlechtstrieb, der das Subjekt zur Vereinigung im Fleisch mit einem Individuum des anderen Geschlechts antreibt, eine Art von instrumentellem Dynamismus im Dienst der Gemeinschaftserfordernisse der Person.

Die über das Individuum hinausgehende Funktion der Sexualität beschränkt sich nicht auf die Formung einer Verbindung zwischen Personen. Das Geschlechtsleben, das zuinnerst mit der Zeugungskraft zusammenhängt, ist mithin auch ein wesentlicher Faktor für die Existenz der menschlichen Gesellschaft.[48] Das Eigentliche der interpersonalen geschlechtlichen Liebe ist das reife Verlangen nach dem Kind.[49] In den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils finden sich Formulierungen bezüglich der präzisen elterlichen Einstellung der Ehegatten – und nicht nur die Bestätigung, daß die Ehe als Institution auf die Fortpflanzung hingeordnet ist.[50]

Ein Zeichen verleiht die Möglichkeit, mit den Mitmenschen in Verbindung zu treten. Es ist daher nicht nur ein Bedürfnis des Menschen als Gemeinschaftswesen („ens sociale“), sondern zugleich eine unverzichtbare Bedingung („conditio sine qua non“) für das Bestehen menschlicher Gemeinschaft überhaupt. Nun trifft man aber auch das Geschlechtsleben des Menschen in dieser Ordnung der Zeichen an, durch die ein Mensch einem anderen etwas zum Ausdruck bringt und diesem den Bereich des Geistes bewußt macht, der sich einer direkten Wahrnehmung entzieht. Das Geschlechtliche bedeutet wechselseitige Anziehung von Individuen. Deswegen sind seine Bezeugungen ein überaus angemessenes Mittel, um das zum Ausdruck zu bringen, was die Menschen untereinander vereint, um sich klar zu werden über die Annahme eines Wertes im anderen, den man vor sich hat, wenn man voranschreitet mit dem Ziel, sich zusammen zu verbinden gemäß den menschlichen Personen eigentümlichen Zielen. Eben darin besteht die Liebe. Das Geschlechtsleben in seinen Ausdrucksformen ist also ein Medium, das überaus geeignet ist, die Liebe zu zeigen.[51] Und weil nun auf diesem Weg die Zwei-Einheit von Seele und Leib die ungeteilte Einheit der Person konstituiert, ist die durch die Sexualität – also mit Hilfe der Genitalorgane – ausgedrückte Liebe in ihrer Art eindeutig bestimmt aufgrund der Geschlechtlichkeit des Leibes. Infolge der Einheit der Person, die zu gleicher Zeit Leib und Geist ist, stellt die Sexualität des Leibes und somit die Sexualität der Person ganz präzise Forderungen an die durch die Geschlechtlichkeit gekennzeichnete personale Liebe.

Jede sexuelle Beziehung der Ehegatten sollte also „wechselseitige Hingabe“[52], leiblicher Ausdruck ihrer gegenseitigen Liebe sein. Und weil nun diese Liebe „aufgrund der ihr eigenen Natur auf Zeugung und Erziehung hingeordnet“ ist[53], sollte sie darüber hinaus auch Ausdruck ihrer elterlichen Gesinnung sein.

Die vielfachen Funktionen des menschlichen Geschlechtsaktes sind nur dann gewahrt, wenn der Akt die ihm eigene Beziehung zur Zeugung bewahrt. Das aber ist nur dort gegeben, wo seine sexuelle Struktur als Akt der Zeugungskraft („vis generativa“) willentlich gewahrt ist. Da die Fortpflanzung durch den Menschen gelenkt werden kann und gelenkt werden muß und da dieser Akt auch noch andere Funktionen besitzt als die rein biologischen, ergibt sich, daß der Mensch Akte setzen kann, die nicht zur Befruchtung führen[54] – unter der Voraussetzung, daß die biologische Struktur des Aktes in ihrer Bestimmung und Bedeutung unangetastet bleibt. Dieses Erfordernis ergibt sich aus der Tatsache, daß der Geschlechtsakt der Person einer ist, auch wenn er eine Bedeutungsvielfalt aufweist und strukturiert ist. Er ist ein biologischer Akt der Person: Alle personalen Werte sind in ihm von Bedeutung, eben aufgrund seiner biologischen Orientierung. Ein aktives Eingreifen in die Struktur des Aktes macht ihn zu einem verstümmelten Akt, was seinem Wert als Zeichen Gewalt antut. Er ist gezeichnet durch ein Auseinanderfallen von Trieb und Liebe. Unter solchen Bedingungen ist der Akt eher von einem Antrieb der Autoerotik ausgelöst und nicht mehr voll und ganz Offenbarung der Liebe, die das Ganze von Zuneigung und Trieb umfaßt.

Wo ein vollständiger Geschlechtsakt vorliegt, dem ein Eingriff in die Funktionen des Organismus der Frau mit dem Ziel der Befruchtungsverhinderung vorangegangen ist („Pille“, IUD), dort ist die gleiche Ordnungsstörung gegeben wie bei einem Eingriff in den Akt selber, unabhängig vom Angriff auf die Rechte der Person.

Diese Analyse des Stellenwerts, den das Geschlechtsleben in der Struktur der Person und in ihrem Handeln einnimmt, macht es möglich, folgende Postulate einer Moral, die einer verantwortlichen Regelung der Fruchtbarkeit entspricht, aufzustellen:

  • Immer muß das Geschlechtsleben die wechselseitige Selbsthingabe der Ehegatten und ihre auf das Gut der Person bedachte Liebe in ganzer Wahrheit bezeichnen und zum Ausdruck bringen.

  • Jeder Geschlechtsakt muß den „elterlichen“ Charakter der ehelichen Liebe und des Lebens in der Ehe zum Ausdruck bringen.

  • Die sexuelle Unversehrtheit der ehelichen Beziehungen muß gewahrt bleiben.

Im Lichte dieser Grundsätze sind bei der sexuellen Aktivität alle empfängnisverhütenden Verfahren auszuschließen, die ein „elternfeindliches“ Verhalten verraten. Eine empfängnisfeindliche Beziehung kann nicht Ausdruck einer elterlichen Einstellung sein, denn sie ist keine uneingeschränkte Selbsthingabe, keine totale Vereinigung mit dem anderen – dies unbeschadet eines undurchlässigen Schleiers möglicher Illusionen.

All das verlangt von uns einen großen aszetischen Einsatz, Selbstbeherrschung und ein voll bewußtes Verhalten.[55]

c) Andere von der Moral auferlegte Normen, mit denen die Art und Weise der Geburtenregelung in Einklang gebracht werden muß, ergeben sich aus der Berufung jedes Menschen zu seiner Entfaltung und Vollendung.[56]

Diese persönliche Entwicklung besteht unter anderem in der Vervollkommnung des Handelns, das fortschreitend immer vernunftgemäßer und freier werden muß. Das Hindernis wird hier die Tendenz zur Unordnung sein, eine Folge der Erbsünde. Diese Tendenz zeigt sich auch im Bereich des Geschlechtlichen, während die Notwendigkeit für die Person, sich zu entwickeln und zu vervollkommnen, in diesem Lebensbereich nicht geringer ist als in den anderen.[57] In den aktuellen Diskussionen hinsichtlich der Ehemoral nehmen die Teilnehmer gegenwärtig die Tatsache nicht ausreichend wahr, die für jeden Seelsorger evident ist, daß die Tatsache des Eingehens einer Ehe als solche in keiner Weise die Tendenz zur moralischen Unordnung heilt.[58] Die Lehre des Konzils läßt hier ein starkes Bemühen erkennen, die positive Seite der Ehe und ihrer Würde zu unterstreichen. Aber wir finden dort auch eine sehr klare Beurteilung der gefallenen menschlichen Natur: „Um die Pflichten dieser christlichen Berufung beständig zu erfüllen, ist ungewöhnliche Tugend erforderlich. Von daher müssen die Gatten, durch die Gnade zu heiligem Leben gestärkt, Festigkeit in der Liebe, Seelengröße und Opfergeist pflegen und im Gebet erbitten.“[59]

Die Konzilskonstitution Lumen gentium verweist mit Nachdruck auf die Offenbarungslehre, daß alle zur Vollkommenheit und zur Nachahmung Gottes berufen sind.[60]

Wir können nicht umhin, uns Rechenschaft zu geben über die Tendenz zur sexuellen Ungeordnetheit und darüber, daß „die Pforte eng ist und der Weg schmal, der zum Leben führt.“ (Mt 7,14)[61] Die Meinungen, die dahin gehen, die schwierige moralische Situation der Ehepaare in der Gegenwart (besteht sie nur in der Gegenwart?) habe ihren Grund ausschließlich darin, daß die Morallehre der Kirche nicht angemessen in ihren Forderungen sei, sind ganz einfach naiv. Auf der einen Seite bekunden sie einen durch nichts gerechtfertigten Optimismus: sie erklären, jegliches Verlangen nach dem sexuellen Akt sei ausschließlich ein Streben aus Liebe[62]; auf der anderen Seite sind solche Auffassungen auf einem theologischen Pessimismus gegründet, demzufolge der Mensch, der ungeordneten Neigungen unterworfen ist, praktisch keine Ordnung in seinem Handeln herstellen kann. Schließlich sind solche Meinungen auch Ausdruck eines moralischen Legalismus. Dieser Legalismus zeigt sich in der kaum verborgen gehaltenen Überzeugung, daß das, was moralische Ordnung oder Unordnung in der Ehe ist, für die Vernunft nicht evident ist[63], und darum könne man die Forderungen des natürlichen Sittengesetzes nicht erkennen oder definieren; in der Folge genüge es, das „Gesetz“ – nämlich die von der Kirche proklamierten Grundsätze – zu ändern, damit die Menschen aufhörten zu sündigen.

In diesem Bereich des sexuellen Lebens gibt es einen Spannungszustand zwischen dem, was der Mensch beim sexuellen Akt empfindet, und diesen interpersonalen und sozialen Werten. Die Sexualaktivität verwandelt sich in moralische Ungeordnetheit, wann immer diese interpersonalen Werte der sinnlichen Seite der geschlechtlichen Gemeinschaft untergeordnet werden. Ein vernunftgemäßes sexuelles Verhalten verlangt demgemäß aufgrund der Natur der Dinge jedesmal die Enthaltung vom Akt, wann immer die Liebe es fordert. Eine solche freiwillige Enthaltung vom Geschlechtsakt kann eine größere Liebe in sich tragen als der Akt selber.[64] Das Streben nach Vollkommenheit erfordert also in bezug auf das eheliche Leben einerseits ein Wissen um die eigene Liebe in der Enthaltung vom ehelichen Akt und andererseits bei der sexuellen Betätigung eine Unterordnung der eigenen Lust unter die interpersonalen und sozialen Werte des Aktes.

Man muß im übrigen darauf hinweisen, daß ein wesentlicher Unterschied besteht zwischen vernünftigem Handeln, das sich seiner Folgen bewußt ist, und den Vorsichtsmaßnahmen, die man klugerweise setzt, um den Folgen nicht gemeisterten Handelns zu entgehen. Das Streben nach Vollkommenheit erfordert, die Tätigkeit mehr und mehr vernunftgemäß werden zu lassen, denn darin manifestiert sich die Integration der Person. Die Strebungen des Triebverlangens müssen sich daher einfügen in das der Vernunft unterworfene Handeln. Darin besteht der Weg der wahren Entwicklung der Person. Hingegen kann man doch wohl nicht die Tatsache eines bewußten Voraussehens der unerwünschten Folgen eines unüberlegten und nicht integrierten Verhaltens als wahre Entwicklung der Person ansehen.

Diese Bemerkungen ermöglichen es uns, die beiden letzten Erfordernisse der Sittlichkeit, denen die Geburtenregelung zu entsprechen hat, zu formulieren:

  • Sie muß Ausdruck eines Wachstums in christlicher Vollkommenheit und in der vollen Entfaltung der Person sein.

  • Die sinnliche Seite des sexuellen Lebens muß immer den interpersonalen Seiten jenes Lebens untergeordnet werden: Jeder müßte imstande sein, seine Liebe auch durch die Enthaltung vom Geschlechtsakt zum Ausdruck zu bringen.

Im Lichte dieser Prinzipien kann kein empfängnisverhinderndes Verfahren in Einklang gebracht werden mit der Berufung des Menschen zu seiner Entfaltung durch ein immer vollkommeneres Verhalten. Alle diese Verfahren sind meist auf die ganz subjektiven Schwierigkeiten zurückzuführen, die ein Mensch im Bereich des Geschlechtstriebes erfährt.

IV. Verantwortliche Elternschaft. Skizze einer Lösung

Die Zurückweisung empfängnisverhütender Mittel als Methode der Geburtenregelung läßt das heutige Ehepaar keineswegs hilflos angesichts dieses Problems zurück; es kann auf eine wirksame und zugleich sittlich einwandfreie Weise gelöst werden. Außer der völligen Enthaltsamkeit – sie wird aufgrund bestimmter Umstände von mehr als einem Ehepaar geübt, das sich tief liebt, und jeder Mensch muß dazu imstande sein (absolut verpflichtend ist sie für Ehelose und als Garant der ehelichen Treue, wenn einer der Ehegatten abwesend ist) – gibt es einen von der heutigen Wissenschaft gewiesenen Weg. Die Geburtenregelung ist in der Tat möglich durch die Enthaltung von fruchtbaren ehelichen Akten.

1. Medizinischer Überblick

Beim Menschen bringt der männliche Organismus unter normalen Bedingungen die Gameten ohne Pause und in großer Zahl hervor. Die Frau hingegen ist nur in Abständen fruchtbar. Die Eierstöcke setzen die Eier grundsätzlich nur eines nach dem anderen frei, und zwar in verhältnismäßig festen Zeitabständen.[65] Somit ist die Frau nur dann fruchtbar, wenn sich ein freigesetztes Ei in ihrem Organismus befindet. Unter diesen Umständen ist eine wirksame Geburtenregelung durch die Enthaltung von geschlechtlichen Beziehungen möglich unter der Bedingung, daß der jeweilige Funktionszustand des Genitalsystems der Frau mit hinreichender Sicherheit bekannt ist. Die seit mehr als sechzig Jahren von zahlreichen Medizinern durchgeführten Beobachtungen haben es ermöglicht, die funktionellen Veränderungen zu erfassen, die die entsprechenden Phasen des Menstruationszyklus im Körper der Frau begleiten. Unter allen Verfahren, die mit Genauigkeit und Methode den Funktionszustand des weiblichen Genitalsystems systematisch erforschen, ist die Methode der im Ruhezustand gemessenen Körpertemperatur die einfachste. Sie ist praktisch allen zugänglich und ist in ganz genau durchgeführten Untersuchungen verschiedener Forscher verifiziert worden.[66] Die Wärmekurve ermöglicht eine genaue Bestimmung der Perioden der physiologischen Fruchtbarkeit und Unfruchtbarkeit der Frau. Die Interpretation dieser Kurve ist recht einfach, und jede Interessierte, die angemessen unterrichtet ist, kann sie durchführen.[67] Interpretationsschwierigkeiten sind selten.[68] Die Anwendung der Methode ist praktisch irrtumsfrei. Der Prozentsatz der Fehler schwankt zwischen 0,8 und 1,3 % unerwünschten Schwangerschaften bei Anwendung dieser Methode.[69] Ein seriöser und wohlinformierter Sachverständiger stellt fest: „Bei genau durchgeführter Einhaltung der thermischen Methode gibt es keine negativen Resultate, die der Methode als solcher zuzuschreiben wären. Vom 3. Tag der hyperthermischen Phase an bis zum Einsetzen der nächsten Regel hat man niemals eine Befruchtung festgestellt. Die wenigen Schwangerschaften, die trotz der Anwendung der Methode eingetreten sind, gehen fast alle auf Irrtümer seitens der Beteiligten zurück.“[70]

Schlußfolgerung: Wir verfügen also tatsächlich über eine Methode der Geburtenregelung, die „völlig unbedenklich und leicht anwendbar“ ist.[71] Sie ist hinreichend zuverlässig, einfach, wenig kostspielig: jede Familie, die guten Willens und hinreichend unterrichtet ist, kann sich ihrer bedienen. Sie besteht darin, sich der ehelichen Beziehungen während der Fruchtbarkeitsphase des Menstruationssystems der Frau zu enthalten. Diese Phase ist dank einer experimentellen Methode erkennbar. Es bedarf allerdings einer angemessenen individuellen Unterweisung, um sie allen zugänglich zu machen – Publizität allein genügt also nicht.[72] Es ist daher unerläßlich, Instruktoren und Instruktorinnen in dieser Methode auszubilden, die denen zu Hilfe kommen können, die ihrer bedürfen.

2. Einige Anmerkungen hinsichtlich der moralischen Analyse des Problems

a) Bestimmte Leute bringen die Meinung vor, die Methode periodischer Enthaltsamkeit sei eine Art und Weise unter anderen, um die Empfängnisverhütung zu praktizieren. Der Unterschied, so sagen sie, bestehe nur darin, sich auf eine verschiedene Weise der sekundären Faktoren zu bedienen, welche sind: entweder die Zeit (für jene, welche die periodische Enthaltsamkeit befolgen) oder der Ort (bei denen, die sich empfängnisverhütender Mittel bedienen) bei gleichem Ziel, nämlich die geschlechtliche Beziehung unfruchtbar zu machen. Für diese Autoren besteht die Methode der periodischen Enthaltsamkeit in der Auswahl der unfruchtbaren Tage für die geschlechtliche Beziehung; das sehen sie gleich an wie eine aktive Unfruchtbarmachung (Sterilisierung) der Beziehung oder der Frau.[73]

1º Diese Auffassung hätte vielleicht eine gewisse Basis, wenn es so wäre, daß die Ehegatten vor die Alternative gestellt wären, die geschlechtlichen Beziehungen entweder ausschließlich während der unfruchtbaren Tage aufzunehmen oder ausschließlich während der fruchtbaren Tage. Man könnte dann von der Wahl der nicht fruchtbaren Periode für die geschlechtlichen Beziehungen sprechen. Aber das ist nicht der Fall.[74] Die Geburtenregelung mittels periodischer Enthaltsamkeit besteht nämlich ihrem Wesen nach darin, sich der Geschlechtsbeziehungen während der Fruchtbarkeitsphase zu enthalten; zu anderen Zeiten werden diese Beziehungen aber gemäß den Normen des ehelichen Lebens realisiert. Es handelt sich also um das Verzichten auf ein Handeln, dessen Folgen unerwünscht sind. Beim Gebrauch von Verhütungsmitteln zeigt dagegen der Betreffende, daß er auf dieses Handeln nicht verzichten will. Aus diesem Grunde greift er aktiv ein, um die mit dem Akt verbundenen Folgen zu verhindern. Uns scheint, daß das ein wesentlicher Unterschied ist.

2º Der Geschlechtsverkehr während der unfruchtbaren Tage bleibt unangetastet in seiner Beziehung zum Respekt, welcher der Hierarchie der Werte und dem vollen Sinn des Geschlechtslebens gebührt, denn er ist normal und als solcher gewollt. So kann er denn auch angemessener Ausdruck des „elterlichen“ Charakters des ehelichen Lebens und der die Gatten vereinenden Liebe sein. Das ist genau das Gegenteil einer bewußten Sterilisierung der Beziehung; wenn diese aktiv der ihr eigenen Rolle beraubt wird, kann sie auf der sexuellen Ebene nicht Ausdruck der die Personen vereinenden Liebe sein.[75]

Ein Verhalten, das der Sexualität der Frau – und mithin ihrer personalen Würde – Rechnung trägt, wie es bei der Praxis der periodischen Enthaltsamkeit der Fall ist, ist das genaue Gegenteil eines verhindernden Eingreifens – etwa durch oral eingenommene Empfängnisverhütungsmittel – in die biologische Sexualfunktion; dies ist ein anmaßendes Eindringen in den der Person vorbehaltenen Bereich. Es muß nachdrücklich daran erinnert werden, daß der Leib nicht etwas von der Person Verschiedenes ist und auch nicht ihr „unterworfen“ ist, sondern zusammen mit der Seele die eine und einzige Person konstituiert und teilhat an ihren Rechten und an ihrer Würde.[76]

b) Bei der Untersuchung der moralischen Aspekte des Problems muß folgendes beachtet werden: Es besteht ein Wesensunterschied zwischen dem, was zu wollen erlaubt ist – was man wollen darf (volitum) – und dem, was anzustreben man die Freiheit hat (voluntarium).[77] Es gibt keine Meinungsverschiedenheit darüber, daß man in bestimmten Fällen den Willen haben darf, kein Leben weiterzugeben. Das muß nicht notwendigerweise völlige Enthaltsamkeit vom Geschlechtsakt mit sich bringen; er ist ja beim Menschen nicht einzig und allein auf die Fortpflanzungsfunktion beschränkt.[78] Daraus darf man aber nicht den Schluß ziehen, es sei moralisch erlaubt, den Geschlechtsverkehr aktiv seiner Zeugungsfunktion zu berauben, und dies könne deswegen bewußt praktiziert werden. Im Lichte all dessen, was gesagt worden ist, sehen wir keinerlei Möglichkeit, rational und noch weniger theologisch eine derartige Schlußfolgerung zu rechtfertigen.

c) Die Enthaltung vom Geschlechtsverkehr während der Fruchtbarkeitsperiode bei gleichzeitiger Beibehaltung des sexuellen Charakters der Beziehung außerhalb dieser Phase kann durchaus ein Zeugnis für die Achtung der Hierarchie der Werte sein. Sie kann es sein, aber sie ist es nicht in notwendiger Weise. Eine Praxis periodischer Enthaltsamkeit mit dem Ziel, keine Weitergabe des Lebens zu bewirken, ohne hinreichende rationale Motive – die z.B. aus Abneigung gegen ein Kind, aus reiner Lustbefriedigung, aus ästhetischen Gründen und dergleichen geübt wird –, bezeugt eine Ungeordnetheit im psychosexuellen Verhalten. Aber diese Möglichkeit ändert nichts an der Tatsache, daß die periodische Enthaltsamkeit, die aus guten Gründen geübt wird, das einzige moralisch gute Mittel der Geburtenregelung ist.

d) Fast jedes Ehepaar beobachtet in seinem sexuellen Leben Perioden der Enthaltung. Verschiedene Faktoren kommen dabei zur Geltung.[79]

Es gibt Tage, an denen die Ehegatten aus Gründen, die in der Natur der Sache liegen, auf sexuelle Annäherung verzichten müssen, z.B. in Krankheitsfällen oder in den Wochen vor oder nach einer Geburt. Es ist etwas völlig Normales und Gewöhnliches, einen zusätzlichen Faktor zu berücksichtigen, und zwar einen von großer Bedeutung.[80]

e) Die willentliche Enthaltung vom Geschlechtsakt ist offensichtlich ein gemeinsames Werk der beiden Gatten.[81] Die Gefahr, den Ehepartner dem eigenen sexuellen Lustverlangen unterzuordnen, besteht in diesem Falle nicht. Im Gegenteil: Die Enthaltung kann angemessener Ausdruck der Ehrfurcht sein, die der Person als geschlechtlichem Wesen geschuldet ist.

Auf den Einwand, daß damit der Mann mehr getroffen ist, da es für ihn schwieriger sei, seine Triebverlangen zu beherrschen und da im allgemeinen sein Verlangen nach sexuellen Beziehungen lebhafter sei als bei der Frau, ist zu antworten, daß gerade wegen seines beständigen Vermögens der aktiven Befruchtung sich der Mann umso mehr seiner Verantwortung bewußt sein muß.[82] Im Bereich des Sexuallebens gibt es zwischen Mann und Frau keine biologische Parität. Die gerechte Verteilung ihres gemeinsamen Beitrags bei der Geburtenregelung besteht also nur dann, wenn der Mann imstande ist, die Dynamik seines Triebverlangens dem Gesamten seines von der Vernunft bestimmten Lebens einzufügen und seiner Liebe durch den Sexualakt Ausdruck zu geben auf eine überlegte Weise. Anderenfalls wird die Frau durch das Sexualleben und seine Folgen ungebührlich überfordert oder wird – wenigstens bis zu einem gewissen Grade – einfach Objekt, dessen der Mann sich bedient, um seine Begierde zu befriedigen.

Ferner: Die Schwierigkeiten, die der Mann im Bereich des Sexualtriebes erfahren kann, kommen meistens (außer es handelt sich um pathologische Fälle) aus mangelndem Bemühen um Selbstbeherrschung.

Man hat des öfteren den Einwand erhoben, die Frau erlebe ein besonders starkes Verlangen nach sexueller Annäherung in den Fruchtbarkeitsphasen. Die darüber angestellten Untersuchungen zeigen, daß dies nicht der Fall ist.[83]

f) Das Geschlechtsleben ist beim Menschen aufgrund der Natur der Dinge bis zu einem gewissen Punkt das Zeichen der Liebe.[84] Man mag sich also fragen, ob die Enthaltung von sexuellen Beziehungen nicht diese Liebe schwächen könnte.

Darauf ist zu antworten, daß nicht nur der bewußt gewollte Geschlechtsakt, sondern auch die Enthaltung von ihm Zeichen der Liebe sein kann.[85] In der Zeit der Verlobung ist das völlig natürlich, da die Verlobten sich sexueller Beziehungen enthalten müssen. Das ist für sie Zeichen der gegenseitigen Liebe. Diese Notwendigkeit ergibt sich in ähnlicher Weise mehr als einmal für das verheiratete Paar, und da dieses Verhalten der Ehrfurcht vor noch höheren Werten entspringt, kann es auch eine noch höhere Liebe manifestieren als der Geschlechtsakt selbst.[86] Sich des Geschlechtsaktes zu enthalten, kann den Ehegatten helfen, diesen Akt noch tiefer zu erleben, und zwar gerade insofern er ein Akt der Liebe ist. Solche Enthaltung ist oft unfruchtbaren Ehegatten angeraten als ein Mittel, ihre gegenseitige Liebe zu vertiefen.[87]

g) Der Rückgriff auf empfängnisverhütende Verfahrensweisen ist oft darauf zurückzuführen, daß der Mann mit seinem Triebverlangen nicht fertig zu werden vermag.[88] Er hat nicht die Kraft, ihm zu widerstehen; andererseits möchte er mögliche Folgen seines ungeordneten Verhaltens ausschließen. Das ist eine Konfliktsituation. In der Literatur über diesen Bereich ist sogar vom psychopathologischen Charakter der Empfängnisverhütung die Rede.[89] „Kinderangst“ – eine wichtige Quelle von Neurosen – ist wohlbekannt bei Patienten, die empfängnisverhütende Mittel anwenden. Ernstzunehmende medizinische und pastorale Untersuchungen zeigen, daß Ehegatten, die zunächst für eine mehr oder weniger lange Zeit Empfängnisverhütung praktiziert haben, dann aber zur periodischen Enthaltsamkeit als Mittel der Geburtenregelung übergegangen sind, eine Vertiefung ihrer Verbundenheit erleben; sie stellen fest, daß Neurosen und Kinderangst verschwinden. Ja oft erwacht in ihnen der Wunsch nach einem Kind, selbst wenn die Lebensumstände sie dann doch daran hindern, ein Kind zu haben. Den Ehepaaren, die ihre Geschlechtsbeziehung freiwillig unfruchtbar machen, sind diese Manifestationen unbekannt.

Es gibt sicherlich kein Ehepaar, das sich nicht wünschen würde, normale geschlechtliche Beziehungen zu haben. Daher kommt es, daß jede sexuelle Beziehung, bei der ein empfängnisverhütendes Element dazwischentritt, eine gewisse Frustration mit sich trägt, die sich auf das psychische Befinden der Gatten drückend auswirkt.

h) Aus dem oben Gesagten ergibt sich eindeutig[90], daß die mit Hilfe periodischer Enthaltsamkeit durchgeführte Geburtenregelung dem christlichen Ruf, nach Vollkommenheit zu streben, völlig entspricht.

i) Es scheint ein innerer Zusammenhang zu bestehen zwischen dem Ungenügen in der theologischen Bewertung des Zölibats und der Verteidigung der Empfängnisverhütung. Man muß sich darüber ganz im klaren sein, daß die Geburtenregelung mittels periodischer Enthaltsamkeit zwei Dinge zur Voraussetzung hat:

1º daß eine solche Enthaltsamkeit nicht nur möglich ist, sondern eine Bedingung psychosexueller Reife darstellt;

2º daß die Enthaltung vom Geschlechtsakt geradezu ein Zeichen wahrhaft reifer Liebe sein kann.

Wer den Sinn periodischer Enthaltsamkeit im Leben des Ehepaares nicht versteht, der wird auch keinen Zugang haben zum Sinn des Zölibates, in dem ja die beiden genannten Voraussetzungen ihren vollen Ausdruck finden.[91]

V. Probleme der Pastoral

1. Die Erziehung

Die neuen Verpflichtungen, denen sich die Familie in unserer Zeit stellen muß, verlangen eine angemessene Vorbereitung der Gläubigen auf das eheliche Leben. Deswegen muß sich die Erziehung vollziehen in der Ehrfurcht vor dem anderen Menschen, in der Ehrfurcht vor dem Leib und vor den Realitäten des Geschlechtlichen. Es muß zur Jugend gerade heraus über das Familienleben, seine Bindungen und seine Gesetze gesprochen werden, über das eheliche Leben, seine Werte und Eigenschaften, seine Freuden, seine Pflichten und seine Leiden. Die Gleichheit des Rechts zwischen Mann und Frau muß ihr aufgezeigt werden, zugleich aber auch die Unterschiede in der psychischen und biologischen Ordnung, die ungemein große Erfordernisse wechselseitiger Verantwortung mit sich bringen. Es muß weiterhin der Eigenwert des Lebens einsichtig gemacht werden, das seinen Ursprung dem Leib der Eltern verdankt, während das menschliche Personsein allein durch einen Schöpfungsakt Gottes ins Dasein gerufen ist.

Die auf das Familienleben ausgerichtete Erziehung ist gleichzeitig Erziehung zur Wahl des Zölibats, wenn jemand seine Berufung zu diesem Stand feststellt. Diese Wahlentscheidung erfordert sowohl beim Mann wie auch bei der Frau eine gleiche Reife für die beiden unterschiedlichen Rufe. Dieser Aspekt der christlichen Berufung zur Vollkommenheit darf in der Erziehung nicht übergangen werden.

Alle Probleme, denen die Jugend auf ihrem Weg begegnet und die sie quälen können, müssen in einem brüderlichen Dialog und mit viel Verständnis behandelt und gelöst werden. Es ist ratsam, außerhalb der eigentlichen Katechese Kurse für die Jugend zu organisieren, in denen Familien- und Eheprobleme behandelt werden und die eine psychosexuelle Bildung vermitteln. Dort muß das Problem der Geburtenregelung behandelt werden. Eine verantwortliche Einstellung zu diesem Problem verlangt eine lange Vorbereitung von seiten der jungen Burschen und Mädchen.

Vorbereitungskurse für die Ehe, wie sie von einer Reihe von Seelsorgern eingerichtet wurden, haben große Bedeutung. Ärzte, Psychologen, Pädagogen, Eheleute und Eltern sollten hier zur Mitarbeit herangezogen werden.

Schließlich muß nachdrücklich daran erinnert werden, daß den Seelsorgern die Pflicht zufällt, Verlobten eine unmittelbare Ehevorbereitung zu geben. Gleichfalls ist eine entsprechende Katechese, die der Eheschließung selbst vorausgeht, notwendig.

2. Die Pastoral

Es ist entscheidend wichtig für das Problem, das uns beschäftigt, daß überall in der Welt alle, die Verantwortung für die Seelen haben, einhellig die Moralprinzipien vortragen, wie die Kirche sie lehrt, und auf dieselbe Weise die Richtlinien des kirchlichen Lehramtes anwenden. Die Diener der Kirche sollen den Gläubigen nicht nur die Moralprinzipien zur Kenntnis bringen, sondern ihnen auch alles, was ihr sittliches Verhalten im Leben erleichtert, zugänglich machen. Die Vernachlässigungen auf diesem Gebiet sind leider erheblich. Bei unseren Zeitgenossen herrscht eine große Geistesverwirrung hinsichtlich der Moralprinzipien, die bei der Geburtenregelung zum Tragen kommen. Das liegt unter anderem daran, daß man sich nicht mit hinreichender Energie und Festigkeit dafür einsetzt, daß die Menschen aus den Ergebnissen der Wissenschaft Nutzen ziehen, die eine mit dem göttlichen Gesetz konforme Geburtenregelung ermöglichen. Deswegen sollten die Pfarrer dort, wo es angezeigt ist, eine pfarrliche Organisation einrichten, an der Laien teilnehmen als jene, die in den verschiedenen Bereichen fachkundig sind, und die die Ehepaare und die Familien beraten können, und zwar nicht nur in Problemen, welche die verantwortliche Elternschaft betreffen, sondern auch in anderen Bereichen des familiären Lebens, wie Erziehung, Konfliktlösung und dergleichen. Den Gläubigen sollte eine kostenlose, fachkundige, verantwortliche und mit der christlichen Lehre übereinstimmende Beratung zur Verfügung stehen. Ohne eine solche Bemühung wäre es umsonst, von Gewissensbildung zu reden. Ein Seelsorger, der die Organisation einer solchen Hilfe zum Wohle seiner Herde vernachlässigt, würde sich schwer schuldig machen. Er wäre mitverantwortlich für die moralische Unordnung, die das häusliche und religiöse Leben der Familie in unserer Zeit zerstört.

3. Die Laien

Den Laien kommt eine hervorragende und unersetzbare Rolle zu bei der Erziehung zur Ehe und auch bezüglich der Hilfe für christliche Ehepaare, um sie in eine Geburtenregelung einzuführen, die der menschlichen Person würdig ist. Niemand kann den Ehepaaren besser in diesen ihren Problemen Hilfe leisten als ausgebildete christliche Ehepaare, die mit den Weisungen der Kirche übereinstimmen.

Eine besondere Rolle kommt hier den Ärzten, den Krankenpflegern und Hebammen zu. Die Leute haben ein Anrecht auf angemessene Hilfe in allem, was die Geburtenregelung im Einklang mit den Geboten der Moral betrifft. Die verantwortliche Elternschaft ist eine ernste Pflicht; sie ist aber auch eine schwere Bürde für die Ehepaare in der gegenwärtigen Zeit. Alleingelassen mit sich selbst bleiben die Eheleute ausweglos in ihren Schwierigkeiten stecken. Ohne kompetente Hilfe laufen sie Gefahr, sich von Gott abzuwenden und Gefangene auswegloser, verzweifelter moralischer Konflikte zu werden und zu bleiben.

Ärzte, Pfleger und Hebammen sollten also aufmerksam den Fortschritt der Medizin auf diesem Gebiet verfolgen und ihre Kenntnisse aus sicheren Quellen beziehen. Schon Pius XII. hat sich 1951 mahnend in diesem Sinne geäußert.[92] Einen ähnlichen Appell hat das Konzil an alle jene gerichtet, die in dieser Sache Kompetenz besitzen: „Über die wissenschaftlichen Fortschritte in der Erforschung von sicheren und moralisch einwandfreien Methoden, die den Eheleuten bei der Regelung der Kinderzahl helfen können, sollen die Menschen in kluger Weise unterrichtet werden.“[93]

 

 


 

 

[1] Status ..., II, B, I (p. 174). Es handelt sich um die Dokumente, die Papst Paul VI. von den Mitgliedern der päpstlichen Kommission für Bevölkerungs-, Familien- und Geburtenprobleme unter dem Titel DOCUMENTUM SYNTHETICUM DE MORALITATE REGULATIONIS NATIVITATUM; STATUS QUAESTIONIS; SCHEMA DOCUMENTI DE RESPONSABILI PATERNITATE übergeben wurden. Wir zitieren nach dem lateinischen Text, der in dem Werk „Contrôle des naissances et théologie. Le Dossier de Rome”. Traduction, présentation et notes de Jean-Marie Paupert, Paris 1967, veröffentlicht wurde. Die Seitenzahlen beziehen sich ebenfalls auf diese Ausgabe.

[2] Documentum …, I, 5 (p. 158).

[3] Ebd., I, 3 (p. 157).

[4] Status …, I, B (pp. 163–166).

[5] Ebd., I, F, 2 (p. 170).

[6] Ebd., II, B, 1 (p. 174); II, B, 4 a und c (pp. 174–176).

[7] Ebd., III (pp. 176–178).

[8] Ebd., I, B, 3 (p. 165).

[9] Ebd., II, B, 2 et 3 (p. 174).

[10] Ebd. (p. 169).

[11] Pius IX., Qui pluribus: Pii IX Pontificis Acta, Romae 1854, pars prima, I, 4–24; Quanto conficiamur moerore: Pii IX Pontificis Maximi Acta, Romae 1865, pars prima, III, 609–621. – Leo XIII., Arcanum divinae sapientiae: Leonis XIII Pontificis maximi Acta, Romae 1882, II, 10–40; Diuturnum illud: ASS 14 (1881/1882) 3–14; Immortale Dei: ASS 18 (1885/1886) 161–180; Libertas praestantissimum: ASS 20 (1887/1888) 593–613; Pastoralis officii: ASS 24 (1891/1892) 203–207; Quod apostolici muneris: ASS 11 (1877/1878) 369–376; Rerum Novarum: ASS 23 (1890/1891) 641–670. – Pius X., Singulari quadam: AAS 4 (1912) 657–662. – Pius XI., Casti connubii: AAS 22 (1930) 539–592; Divini illius Magistri: AAS 22 (1930) 49–86; Divini Redemptoris: AAS 29 (1937) 65–106; Mit brennender Sorge: AAS 29 (1937) 145–167; Quadragesimo anno: AAS 23 (1931) 177–228. – Pius XII., Ansprache vor dem Tribunal der Rota, 3. Oktober 1941: AAS 33 (1941) 421–426; Ansprache an die Mitglieder des Kongresses der italienischen katholischen Union der Hebammen, 29. Oktober 1951: AAS 43 (1951) 835–854; Ansprache an die Mitglieder des IV. Internationalen Kongresses der katholischen Ärzte, 29. September 1949: AAS 41 (1949) 557–561; Ansprache an die Mitglieder des VII. Internationalen Hämatologenkongresses, 12. September 1958: AAS 50 (1958) 732–740; Ansprache an die Mitglieder des II. Weltkongresses über Fruchtbarkeit und Unfruchtbarkeit, 19. Mai 1956: AAS 48 (1956) 467–474. – Johannes XXIII., Mater et Magistra: AAS 53 (1961) 401–464; Pacem in terris: AAS 55 (1963) 257–304. – Paul VI., Populorum progressio: AAS 59 (1967) 257–299. – Vgl. Favara Fidelis, De iure naturali in doctrina Pii Papae XII, Roma 1966.

[12] Siehe Anm. 11.

[13] Siehe Anm. 11.

[14] Siehe Anm. 11.

[15] Siehe Status …, I, B, 2 (p. 165).

* Anmerkung für die hier vorgestellte deutsche Übersetzung: Mit der Enzyklika “Humanae vitae” vom 25. Juli 1968 ist jene offizielle kirchliche Erklärung nach Fertigstellung dieses Memorandums tatsächlich erfolgt.

[16] GS 12. Die Konstitution findet sich auf Latein in: AAS 58 (1966) 1025–1115.

[17] GS 14.

[18] Vgl. Status …., I, B, 2 (pp. 165–166).

[19] GS 12.

[20] Es scheint, daß gewisse Theologen dem grundsätzlichen Irrtum verfallen, den menschlichen Leib als etwas der “Natur” Zugehöriges zu betrachten, wobei sie unter “Natur” die infra-humanen Wesen verstehen, mit denen der Mensch nach seinem Gutdünken umgehen kann, und als ein Seiendes, das der Person untergeordnet ist und von ihr abhängt. Es ist jedoch so, daß die Seele und der Leib zusammen die Einheit der Person bilden. Mit dem Leib umgehen heißt mit sich selbst Umgang haben, sich selbst lenken. Der menschliche Leib hat Anteil an der Würde und den Rechten der Person. Nach unserem Dafürhalten geben die entsprechenden Abschnitte des Documentum ..., I, 1 (p. 156); I, 4 (p. 157); II, 1 (pp. 158–159); II, II (p. 159) das Beispiel einer Verkennung des Zusammenhangs zwischen menschlichem Leib und Person, während man gleichzeitig in derselben Schrift liest: „Processus biologicus ... personalitatem hominis“ (II,3 [p.153]); ein Text, aus dem man die notwendigen Schlußfolgerungen nicht zieht. Die gleiche Verkennung dieses Zusammenhangs finden wir im Schema ..., I, II, 2 (p. 182); I, III (pp. 183 und 184).

[21] GS 12.

[22] Vgl. Anm. 31.

[23] GS 17.

[24] Vgl. GS 13.

[25] „Der Herr Jesus „legt ... eine gewisse Ähnlichkeit nahe zwischen der Einheit der göttlichen Personen und der Einheit der Kinder Gottes in der Wahrheit und der Liebe.” – GS 24.

[26] GS 49.

[27] GS 51. Siehe Anm. 41.

[28] Siehe oben, II, 1, 2 (im französischen Original dieses Artikels auf pp. 201–205).

[29] “Eine solche Liebe .... verwirklicht sich und wächst gerade durch ihre Selbstlosigkeit in Leben und Tun. Sie ist viel mehr als bloß eine erotische Anziehung, die, egoistisch gewollt, nur zu schnell wieder erbärmlich vergeht.“ – GS 49. „In ihrem ganzen Verhalten seien sich die christlichen Gatten bewußt, daß sie nicht nach eigener Willkür vorgehen können ... So verherrlichen christliche Eheleute in Vertrauen auf die göttliche Vorsehung und Opfergesinnung den Schöpfer und streben zur Vollkommenheit in Christus, indem sie in hochherziger menschlicher und christlicher Verantwortlichkeit Kindern das Leben schenken.” – GS 50.

[30] „Da alle Menschen eine geistige Seele haben und nach Gottes Bild geschaffen sind, da sie dieselbe Natur und denselben Ursprung haben, da sie, als von Christus Erlöste, sich derselben göttlichen Berufung und Bestimmung erfreuen, darum muß die grundlegende Gleichheit aller Menschen immer mehr zur Anerkennung gebracht werden.” – GS 29. „Jedem menschlichen Zusammenleben, das gut geordnet und fruchtbar sein soll, muß das Prinzip zugrunde liegen, daß jeder Mensch seinem Wesen nach Person ist. Er hat eine Natur, die mit Vernunft und Willensfreiheit ausgestattet ist; er hat daher aus sich Rechte und Pflichten, die unmittelbar und gleichzeitig aus sein er Natur hervorgehen. Wie sie allgemein gültig und unverletzlich sind, können sie auch in keiner Weise veräußert warden.” – Johannes XXIII., Pacem in terris, Nr. 9.
Die Gleichheit der Menschen in ihrer menschlichen Würde ist nach der Lehre des 2. Vatikanischen Konzils die Quelle der Einheit der Ehe: „Wenn wirklich durch die gegenseitige und bedingungslose Liebe die gleiche personale Würde sowohl der Frau wie des Mannes anerkannt wird, wird auch die vom Herrn bestätigte Einheit der Ehe deutlich.“ – GS 49.

[31] „Daraus folgt auch, daß in der menschlichen Gemeinschaft dem natürlichen Recht des einen eine Pflicht der anderen entspricht: die Pflicht nämlich, jenes Recht anzuerkennen und zu achten. Denn jedes Grundrecht des Menschen leitet seine Kraft und Autorität aus dem natürlichen Sittengesetz her; dieses verleiht jenes Recht und legt die entsprechende Pflicht auf. Diejenigen also, die zwar ihre Rechte in Anspruch nehmen, aber ihre Pflichten ganz vergessen oder nicht entsprechend erfüllen, sind denen zu vergleichen, die ein Gebäude mit einer Hand aufbauen und es mit der anderen wieder zerstören. ... Das bürgerliche Zusammenleben ist deshalb dann als gut geordnet, fruchtbar und der menschlichen Würde entsprechend anzusehen, wenn es auf der Wahrheit gründet, wie der Apostel Paulus mahnt: ‚Darum leget ab die Lüge, ein jeder rede die Wahrheit mit seinem Nächsten; denn wir sind Glieder untereinander’ (Eph 4,25). Das wird dann sicher der Fall sein, wenn jeder seine Rechte und besonders seine Pflichten gegenüber den anderen anerkennt.“– Johannes XXIII., Enzyklika Pacem in terris, Nr. 30 und 35.

[32] “Das Einverständnis von Partnern, die in zu ungleicher Situation sind, genügt nicht, um die Gerechtigkeit eines Vertrages zu garantieren. Die Regel, wonach Verträge durch das freie Einverständnis der Partner zustandekommen, ist den Forderungen des Naturrechts untergeordnet.“ – Paul VI., Enzyklika Populorum progressio, Nr. 59.

[33] Vgl. Sir 25,24; Weish 2,23–24; Jak 1,14–15; 4,1; 1 Joh 2,16; Röm 1,24–32; 7,18–24; 8,6–12; Gal 5,16–26 u.a.

[34] Die Empfängnis und die Geburt eines Kindes haben einen beträchtlichen Einfluß auf die Funktionen des mütterlichen Organismus. Deshalb muß man seiner Gesundheit große Bedeutung beimessen. Auch die Erziehung des Kindes verlangt von den Eltern viele Jahre hindurch große Anstrengungen. Andererseits hat das Kind ein Recht auf Gesundheit und auf Leben: Vom Augenblick seiner Empfängnis an wird es Träger jener Rechte, die der Person zukommen. Zur Welt gekommen, hat es das Recht, unter solchen Bedingungen aufgezogen zu werden, wie sie seiner Würde als menschlicher Person entsprechen. Darüber hinaus muß man auch noch andere Umstände berücksichtigen. Das Kind wird Mitglied der Gesellschaft. Diese besteht aber aus anderen Personen, die ebenfalls ihre eigenen Rechte besitzen. Kurz: Die Weitergabe des Lebens ist ein Akt von weitreichender Bedeutung nicht nur für jene, die dieses Ereignis unmittelbar betrifft, sondern auch für die Gesellschaft; notwendigerweise erfordert er daher einen starken Sinn für Verantwortung. Es ist sicher, daß den Eltern die Pflicht obliegt, Kinder zu haben und sie zu erziehen – was man früher als die Pflicht bezeichnete, die „Erhaltung des Menschengeschlechts“ oder einfach seinen Fortbestand zu sichern. Jedoch „läßt sich der allgemeine Grundsatz anwenden, daß eine positive Leistung unterlassen werden kann, wenn unabhängig vom guten Willen der Verpflichteten schwerwiegende Gründe zeigen, daß jene Leistung unzweckmäßig ist, oder beweisen, daß sie vom Berechtigten – in diesem Fall dem Menschengeschlecht – billigerweise nicht verlangt werden kann.“ – Pius XII., Ansprache an die Mitglieder des Kongresses der italienischen katholischen Union der Hebammen, 29. Oktober 1951, dt. in: A.F. Utz/J.F. Groner, Aufbau und Entfaltung des gesellschaftlichen Lebens. Soziale Summe Pius’ XII. (im folgenden abgekürzt mit UG und Angabe der Randnummer), Freiburg/Schweiz 1954 ff, Bd 1, 522, Nr. 1071.

[35] “In ihrer Aufgabe, menschliches Leben weiterzugeben und zu erziehen, die als die nur ihnen zukommende Sendung zu betrachten ist, wissen sich die Eheleute als mitwirkend mit der Liebe Gottes des Schöpfers und gleichsam als Interpreten dieser Liebe. Daher müssen sie in menschlicher und christlicher Verantwortlichkeit ihre Aufgabe erfüllen und in einer auf Gott hinhörenden Ehrfurcht durch gemeinsame Überlegung versuchen, sich ein sachgerechtes Urteil zu bilden. Hierbei müssen sie auf ihr eigenes Wohl wie auf das ihrer Kinder – der schon geborenen oder zu erwartenden – achten; sie müssen die materiellen und geistigen Verhältnisse der Zeit und ihres Lebens zu erkennen suchen und schließlich auch das Wohl der Gesamtfamilie, der weltlichen Gesellschaft und der Kirche berücksichtigen. Dieses Urteil müssen im Angesicht Gottes die Eheleute letztlich selbst fällen. ... So verherrlichen christliche Eheleute in Vertrauen auf die göttliche Vorsehung und Opfergesinnung den Schöpfer und streben zur Vollkommenheit in Christus, indem sie in hochherziger menschlicher und christlicher Verantwortlichkeit Kindern das Leben schenken.“ – GS 50. „Nach dem unveräußerlichen Menschenrecht auf Ehe und Kinderzeugung hängt die Entscheidung über die Zahl der Kinder vom rechten Urteil der Eltern ab und kann keinesfalls dem Urteil der staatlichen Autorität überlassen werden. Da aber das Urteil der Eltern ein richtig gebildetes Gewissen voraussetzt, ist es von großer Bedeutung, daß allen die Möglichkeit geboten wird, in sich die rechte und wahrhaft menschliche Verantwortlichkeit zu bilden, die sich am göttlichen Gesetz orientiert und die jeweiligen Verhältnisse berücksichtigt.” – GS 87.

[36] “Die letzte Entscheidung über die Kinderzahl liegt bei den Eltern. Sie haben es reiflich zu überlegen. Sie nehmen die Verantwortung auf sich vor Gott, vor sich selbst, vor den Kindern, die sie bereits haben, vor der Gemeinschaft, zu der sie gehören, nach ihrem gemäß dem authentisch interpretierten Gesetz Gottes gebildeten und durch ihr Gottvertrauen gestärkten Gewissen.“ – Populorum progressio, Nr. 37.

[37] Indem sie eine Ehe schließen, erhalten die christlichen Eheleute von Gott eine ganz bestimmte Aufgabe in seinem Schöpfungs- und Heilsplan. Das eheliche Leben ist eine Berufung. Darum ist die erste Frage, die sich jeder Christ stellen muß, um in ihrem Licht Antwort auf andere Probleme seines Lebens finden zu können: „Wie sieht Gott die Erfüllung meiner Pflichten in dieser konkreten Situation meines Lebens?“ Als Christen glauben wir an die Liebe Gottes zu uns. Das ist der Grund für das unerschütterliche Vertrauen auf die göttliche Hilfe bei der Erfüllung der Aufgaben, die uns das Gewissen aufträgt. Außerdem müssen die Eltern daran denken, daß „das menschliche Leben und die Aufgabe, es weiterzuvermitteln, nicht nur eine Bedeutung für diese Zeit haben und deshalb auch nicht von daher allein bemessen und verstanden werden können, sondern immer eine Beziehung haben zu der ewigen Bestimmung des Menschen.“ – GS 51.

[38] Kinder zu erziehen ist sicherlich eine Quelle vieler Freuden. Dennoch bringt die Erfüllung dieser Aufgabe mehr als einmal viele Mühen, Enttäuschungen und Leiden mit sich. Dies ist ja auch bei anderen Verpflichtungen der Fall, die uns das Leben stellt. Es ist aber unter anderem gerade die Haltung gegenüber den Leiden und Schmerzen des Lebens, die jene Menschen von anderen wesentlich unterscheidet, die an den Sohn Gottes, den Menschen Jesus Christus glauben, der durch sein Leiden und Kreuz die Welt erlöst hat und alle Menschen zum Heil beruft. Als Christen müssen wir uns bewußt sein, daß es der Sohn Gottes ist, der in seinem Leib, der Kirche – dem Gottesvolk des Neuen Bundes –, lebt, gegenwärtig ist und handelt. Die Leiden dieses Volkes und eines jeden seiner Glieder nehmen am Heilswerk teil. Christus selbst sagt es: „Wenn jemand mir nachfolgen will, verleugne er sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir ...“ (Lk 9,23), und: „Wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, kann nicht mein Jünger sein.“ (Lk 14,27). Im übrigen sind wir uns dessen bewußt, daß Christus uns in den Leiden eines jeden Tages begleitet: „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, ich werde euch erquicken. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und demütig von Herzen, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist süß und meine Bürde ist leicht.“ (Mt 11,28–30). Vgl. Abschnitt V der Konstitution Lumen gentium (= LG) des 2. Vatikanischen Konzils, in: AAS 56 (1964) 125–128. Es wäre gut, wenn die Eltern bei der Entscheidung über die Zahl der Kinder jene Szene des Evangeliums bedenken würden, die sich zwischen Christus und den Aposteln abspielt: „Und er nahm ein Kind, stellte es mitten unter sie, schloß es in seine Arme und sprach zu ihnen: Wer ein solches Kind in meinem Namen aufnimmt, der nimmt mich auf; und wer mich aufnimmt, der nimmt nicht mich auf, sondern den, der mich gesandt hat.“ (Mk 9,36–37). Das Lehramt der Kirche begegnet der Großherzigkeit der Eltern mit Hochachtung: „Da also die erste Aufgabe der Ehe im Dienst am Leben besteht, gilt Unser besonderes Wohlgefallen und Unser väterlicher Dank jenen Ehegatten, die aus Liebe zu Gott und im Vertrauen auf ihn mutig eine zahlreiche Familie gründen und aufziehen.“ – Pius XII., Ansprache an die Teilnehmer des Kongresses der „Front der Familie“ und des Verbandes der kinderreichen Familien, 26. November 1951, dt. in: UG 1118. „Unter den Eheleuten, die diese ihnen von Gott aufgetragene Aufgabe erfüllen, sind besonders jene zu erwähnen, die in gemeinsamer kluger Beratung eine größere Zahl von Kindern, wenn diese entsprechend erzogen werden können, hochherzig auf sich nehmen.“ – GS 50.

[39] Die Gleichheit von Mann und Frau in ihrer Würde als Personen, der Charakter des Ehevertrages, der ihnen dementsprechend die Verpflichtung auferlegt, beiderseits die Person des Gefährten zu achten, und der Anspruch auf gegenseitige Achtung sowie die gemeinsamen Aufgaben, die eine gemeinsame Verantwortung nach sich ziehen, alles das bewirkt, daß sich die Eheleute „in gemeinsamer Übereinstimmung und gemeinsamer Bemühung“ ein wohlabgewogenes Urteil über die Geburtenregelung bilden müssen. Die Eltern tragen eine gemeinsame Verantwortung für das Kind: ebenso muß auch die Geburtenregelung die Frucht gemeinsamer Unterscheidung im Hinblick auf gemeinsam getragene Pflichten sein.

[40] Der erste, der die sittlichen Forderungen auf diesem Gebiet behandelt hat, war Pius XII. Er hat „medizinische, eugenische, wirtschaftliche und soziale Indikationen“ als Motive für eine sittlich gerechtfertigte Geburtenregelung aufgezählt. – Siehe die in Anm. 35 und 36 angeführte Ansprache an die Hebammen, dt. in: UG 1073.

[41] „In ihrem ganzen Verhalten seien sich die christlichen Gatten bewußt, daß sie nicht nach eigener Willkür vorgehen können; sie müssen sich vielmehr leiten lassen von einem Gewissen, das sich auszurichten hat am göttlichen Gesetz; sie müssen hören auf das Lehramt der Kirche, das dieses göttliche Gesetz im Licht des Evangeliums authentisch auslegt. Dieses göttliche Gesetz zeigt die ganze Bedeutung der ehelichen Liebe, schützt sie und drängt zu ihrer wahrhaft menschlichen Vollendung.“ – GS 50. „Die geschlechtliche Anlage des Menschen und seine menschliche Zeugungsfähigkeit überragen in wunderbarer Weise all das, was es Entsprechendes auf niedrigeren Stufen des Lebens gibt. Deshalb sind auch die dem ehelichen Leben eigenen Akte, die entsprechend der wahren menschlichen Würde gestaltet sind, zu achten und zu ehren. Wo es sich um den Ausgleich zwischen ehelicher Liebe und verantwortlicher Weitergabe des Lebens handelt, hängt die sittliche Qualität der Handlungsweise nicht allein von der guten Absicht und Bewertung der Motive ab, sondern auch von objektiven Kriterien, die sich aus dem Wesen der menschlichen Person und ihrer Akte ergeben und die sowohl den vollen Sinn gegenseitiger Hingabe als auch den einer wirklich humanen Zeugung in wirklicher Liebe wahren. Das ist nicht möglich ohne aufrichtigen Willen zur Übung der Tugend ehelicher Keuschheit. Von diesen Prinzipien her ist es den Kindern der Kirche nicht erlaubt, in der Geburtenregelung Wege zu beschreiten, die das Lehramt in Auslegung des göttlichen Gesetzes verwirft.“ – GS 51.

[42] Die Wertung dieser Motive muß in aller Redlichkeit geschehen. Die Eheleute müssen ein „recht gebildetes Gewissen“ haben. Manchmal hört man zum Beispiel sagen, je weniger Kinder man habe, desto besser könne man sie erziehen. Die Praxis lehrt, daß diese Behauptung – jedenfalls in solcher Verallgemeinerung und ohne Einschränkung – jeder Grundlage entbehrt. Die normale Erziehung eines Einzelkindes ist schwierig. Jemand, der ohne die Gesellschaft von Brüdern und Schwestern erzogen wurde, wird im Leben oft unglücklich; er hat Schwierigkeiten in der Entwicklung seiner Persönlichkeit und eine verminderte Anpassungsfähigkeit an andere (vgl. Ch. Combalusier, L’enfant seul, Paris 1954). Ein Kind hat aber ein Recht darauf, unter normalen Bedingungen aufzuwachsen, wie dies in einer familiären Umgebung der Fall ist, die noch andere Kinder einschließt. Dem Kind diesen Umgang vorzuenthalten ist ein Entschluß, der es für sein ganzes zukünftiges Leben zeichnen kann und der deshalb wirklich ernste Beweggründe verlangt. Das gilt ebenso für die Beurteilung der konkreten Lage, in der man sich befindet. Es kommt sicherlich vor, daß das Einkommen der Eheleute bescheiden ist und daß die Wohnung nicht so ist, wie sie sein sollte. Es geschieht jedoch nicht selten, daß der Egoismus diese Schwierigkeiten übertreibt, und was als wirtschaftliche Voraussetzungen ins Feld geführt wird, ist oft nur der versteckte Wunsch nach einem leichteren Leben. Das alles führt zu ernsten Erziehungsproblemen. Der materielle Wohlstand, nach dem die Eltern während eines Großteils ihres Lebens gestrebt haben, wird dann von den Kindern für selbstverständlich genommen, als etwas, das ihnen zusteht. Als Folge davon gehen sie mit den Dingen, die man ihnen zur Verfügung stellt, nicht sorgfältig um; sie schätzen die Mühen der Eltern nicht, achten ihre Arbeit nicht und haben schließlich für die weniger Besitzenden nur Geringschätzung und Verachtung. Der Wunsch nach einem leichteren Leben ist der Grund für die Verbürgerlichung des Menschen unserer Zeit.

[43] Pius XII., Ansprache an die Teilnehmerinnen des Kongresses des Weltverbandes der katholischen Frauenjugend, 18. April 1952, in: Discorsi e radiomessaggi di Sua Santità Pio XII, Tipografia Poliglotta Vaticana, vol. XII, pp. 69–78, hier dt. in: UG 157.

[44] Siehe oben, II, 2 und 3 (im französischen Original dieses Artikels auf pp. 203–207).

[45] Vgl. Anm. 32.

[46] Ohne Zweifel sind sich alle Theologen dessen bewußt, doch nicht alle ziehen die Konsequenzen, die sich logischerweise daraus ergeben. Vgl. Schema ..., I, II, 2 (p. 182) und Documentum ...., II, 3 (p. 159); IV, 2 , b (p. 161).

[47] Die menschliche Person „bedarf ja von ihrem Wesen selbst her des gesellschaftlichen Lebens durchaus. Da also das gesellschaftliche Leben für den Menschen nicht etwas äußerlich Hinzukommendes ist, wächst der Mensch nach allen seinen Anlagen und kann seiner Berufung entsprechen durch Begegnung mit anderen, durch gegenseitige Dienstbarkeit und durch den Dialog mit den Brüdern. Unter den gesellschaftlichen Bindungen, die für die Entwicklung des Menschen notwendig sind, hängen die einen, wie die Familie und die politische Gemeinschaft, unmittelbarer mit seinem innersten Wesen zusammen; andere hingegen gehen eher aus seiner freien Entscheidung hervor.“ – GS 25.

[48] Für eine genaue moralphilosophische Analyse des Problems vgl. Exz. Karol Wojtyła, Liebe und Verantwortung. Eine ethische Studie, München 1979 (im Originalartikel wird auf die französische Fassung des Buches verweisen: Amour et responsabilité, Paris 1965, pp. 211–224). Siehe auch H. Schelskys Beitrag über die sozialen Formen der sexuellen Beziehungen, in: H. Giese (Hg.), Die Sexualität des Menschen, Stuttgart 1955.

[49] Das Konzil trennt in seiner Lehre niemals die Zwecke der Ehe als Institution von der Liebe der Personen, die sie bilden. In Wirklichkeit gibt es und kann es keinen Gegensatz zwischen diesen beiden Realitäten geben. Siehe GS 50: „Ehe und eheliche Liebe sind ihrem Wesen nach auf die Zeugung und Erziehung von Nachkommenschaft ausgerichtet. Kinder sind gewiß die vorzüglichste Gabe für die Ehe und tragen zum Wohl der Eltern selbst sehr viel bei. ... Ohne Hintansetzung der übrigen Eheziele sind deshalb die echte Gestaltung der ehelichen Liebe und die ganze sich daraus ergebende Natur des Familienlebens dahin ausgerichtet, daß die Gatten von sich aus entschlossen bereit sind zur Mitwirkung mit der Liebe des Schöpfers und Erlösers, der durch sie seine eigene Familie immer mehr vergrößert und bereichert. In ihrer Aufgabe, menschliches Leben weiterzugeben und zu erziehen, die als die nur ihnen zukommende Sendung zu betrachten ist, wissen sich die Eheleute als mitwirkend mit der Liebe Gottes des Schöpfers und gleichsam als Interpreten dieser Liebe.” – GS 48: „Durch ihre natürliche Eigenart sind die Institutionen der Ehe und die eheliche Liebe auf die Zeugung und Erziehung von Nachkommenschaft hingeordnet und finden darin gleichsam ihre Krönung.“

[50] Unter anderen Texten, die oben schon zitiert wurden, liest man in der Konstitution Lumen gentium, Nr. 11: „Die christlichen Gatten ... fördern sich kraft des Sakramentes der Ehe gegenseitig zur Heiligung durch das eheliche Leben sowie in der Annahme und Erziehung der Kinder und haben so in ihrem Lebensstand und in ihrer Ordnung ihre eigene Gabe im Gottesvolk (vgl. 1 Kor 7,7). Aus diesem Ehebund nämlich geht die Familie hervor, in der die neuen Bürger der menschlichen Gesellschaft geboren werden, die durch die Gnade des Heiligen Geistes in der Taufe zu Söhnen Gottes gemacht werden, um dem Volke Gottes im Fluß der Zeiten Dauer zu verleihen.“

[51] “Darum gewähren sich Mann und Frau, die im Ehebund nicht mehr zwei sind, sondern ein Fleisch (Mt 19,6), in inniger Verbundenheit der Personen und ihres Tuns gegenseitige Hilfe und gegenseitigen Dienst und erfahren und vollziehen dadurch immer mehr und voller das eigentliche Wesen ihrer Einheit. Diese innige Vereinigung als gegenseitiges Sichschenken zweier Personen wie auch das Wohl der Kinder verlangen die unbedingte Treue der Gatten und fordern ihre unauflösliche Einheit.“ – GS 48. „Diese eigentümlich menschliche Liebe geht in frei bejahter Neigung von Person zu Person, umgreift das Wohl der ganzen Person, vermag so den leib-seelischen Ausdrucksmöglichkeiten eine eigene Würde zu verleihen und sie als Elemente und besondere Zeichen der ehelichen Freundschaft zu adeln. ... Diese Liebe wird durch den eigentlichen Vollzug der Ehe in besonderer Weise ausgedrückt und verwirklicht. Jene Akte also, durch die die Eheleute innigst und lauter eins werden, sind von sittlicher Würde; sie bringen, wenn sie human vollzogen werden, jenes gegenseitige Übereignetsein zum Ausdruck und vertiefen es, durch das sich die Gatten gegenseitig in Freude und Dankbarkeit reich machen.” – GS 49. „Die Ehe ist aber nicht nur zur Zeugung von Kindern eingesetzt, sondern die Eigenart des unauflöslichen personalen Bundes und das Wohl der Kinder fordern, daß auch die gegenseitige Liebe der Ehegatten ihren gebührenden Platz behalte, wachse und reife.” – GS 50. Neben dem zitierten Text, worin von „Akten, die wahrhaft human vollzogen werden“, die Rede war, bedient sich das Konzil an anderer Stelle des folgenden Ausdrucks: „Deshalb sind auch die dem ehelichen Leben eigenen Akte, die entsprechend der wahren menschlichen Würde gestaltet sind, zu achten und zu ehren.“ – GS 51. Die ganze Stelle wird in Anm. 41 zitiert. Vgl. auch die überaus wichtige Stelle, die in Anm. 53 zitiert wird.

[52] GS 48. Vgl. auch den folgenden Text aus GS 49: „Eine solche Liebe, die Menschliches und Göttliches in sich eint, führt die Gatten zur freien gegenseitigen Übereignung ihrer selbst, die sich in zarter Zuneigung und in der Tat bewährt, und durchdringt ihr ganzes Leben; ja gerade durch ihre Selbstlosigkeit in Leben und Tun verwirklicht sie sich und wächst.“

[53] GS 48. Vgl. auch folgende Ausdrucksweise in GS 51: “Wo es sich um den Ausgleich zwischen ehelicher Liebe und verantwortlicher Weitergabe des Lebens handelt, hängt die sittliche Qualität der Handlungsweise nicht allein von der guten Absicht und der Bewertung der Motive ab, sondern auch von objektiven Kriterien, die sich aus dem Wesen der menschlichen Person und ihrer Akte ergeben und die sowohl den vollen Sinn gegenseitiger Hingabe als auch den einer wirklich humanen Zeugung in wirklicher Liebe wahren.“

[54] „Die Ehe ist aber nicht nur zur Zeugung von Kindern eingesetzt ...“ – GS 50. Das war übrigens immer schon die Überzeugung der Kirche. Niemals wurde die Ausübung des ehelichen Rechtes durch unfruchtbare Ehegatten oder im vorgerückten Alter als unerlaubt angesehen. Im Memorandum Schema documenti de responsabili paternitate findet sich folgende Stelle: „Moralitas ergo actuum sexualium inter coniuges imprimis et specifice significationem sumit ab ordinatione eorum actuum in vita coniugali fecunda ... et non pendet proinde a fecundidate directa uniuscuiusque actus particularis.“ – I, II, 2 (pp. 182–183). Der gleiche Gedanke wird von den Verfassern des Documentum syntheticum zum Ausdruck gebracht: „Actus coniugales quae ex intentione infoecundi sunt (seu infoecundi redduntur) ordinantur ad expressionem unionis amoris; ille amor autem suum culmen attingit in ipsa foecundidate cum responsabilitate accepta et propterea alii actus unionis quodammodo incompleti sunt et eorum plenam moralitatem cum ordinatione ad actum foecundum recipiunt ... Actus coniugales infoecundi cum actu foecundo unam totalitatem constituunt et unicam specificationem moralem accipiunt.“ – III (p. 160). Es ist schwer, sich dieser Meinung anzuschließen. Danach wären die sexuellen Beziehungen von unfruchtbaren Eheleuten oder von solchen, die aus schwerwiegenden Gründen von der Zeugungspflicht entbunden sind, als ihres positiven moralischen Wertes beraubt anzusehen, was auf einen Rigorismus hinausliefe und der Lehre der Kirche nicht mehr entspräche. Andererseits verlangt eine Teilnahme oder eine moralische Einheit des unfruchtbaren Aktes mit den fruchtbaren Akten notwendigerweise eine Grundlage. Jedoch gerade diese Grundlage findet sich einzig und allein in dem biologischen Zusammenhang des Geschlechtsaktes mit der Zeugung, also in der Struktur dieses Aktes, der seinem Wesen nach prokreativ (ein „actus potentiae generativae“), eben sexuell ist.

[55] Diese sittlichen Forderungen machen zugleich die Notwendigkeit einer gründlichen Bildung der Jugend deutlich.

[56] „Nach dem Plan Gottes ist jeder Mensch gerufen, sich zu entwickeln, weil das Leben eines jeden Menschen von Gott zu irgendeiner Aufgabe bestimmt ist. Von Geburt an ist allen keimhaft eine Fülle von Fähigkeiten und Eigenschaften gegeben, die Frucht tragen sollen. Ihre Entfaltung, Ergebnis der Erziehung durch die Umwelt und persönlicher Anstrengung, gibt jedem die Möglichkeit, sich auf das Ziel auszurichten, das ihm sein Schöpfer gesetzt hat. Mit Verstand und freiem Willen begabt, ist der Mensch für seinen Fortschritt ebenso verantwortlich wie für sein Heil. Unterstützt, manchmal auch behindert durch seine Erzieher und seine Umwelt, ist jeder seines Glückes Schmied, seines Versagens Ursache, wie immer auch die Einflüsse sind, die auf ihn wirken. Jeder Mensch kann durch die Kräfte seines Geistes und seines Willens als Mensch wachsen, mehr wert sein, sich vervollkommnen.“ – Paul VI., Populorum progressio, Nr. 15.

[57] Vgl. GS 8 und GS 13.

[58] Vgl. Documentum …, II (p. 159); III (p. 160), und vor allem den folgenden Satz: “Copula etiam cum interventu est oblativa …”, IV, 4, d (p. 162). Obwohl gewisse Theologen sich auf die „Fortschritte der Sexologie“ berufen – vgl. Documentum ... I, 4 (p. 157); Schema ..., I, III (p. 183) – scheinen sie die Existenz eines psychosexuellen Infantilismus nicht zu bemerken, den man häufig antrifft, besonders bei Männern (vgl. A.C. Kinsey u.a., Sexual Behaviour in the Human Male, Philadelphia 1948). Man muß mit der Möglichkeit der Fixierung einer Autoerotik rechnen, die sich unter anderem gerade in der Entscheidung für die Empfängnisverhütung zeigt (siehe u.a.: M. Oraison, Vie chrétienne et problèmes de la sexualité, Paris 1952; Mertens de Wilmars, Psychopathologie de l’anticonception, Paris 1955).

[59] GS 49.

[60] Die Worte Christi: “Ihr aber seid vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist” (Mt 5,48), vom Apostel Paulus so oft wiederholt, z.B.: „Ja, suchet Gott nachzuahmen als seine vielgeliebten Kinder ...“ (Eph 5,1), werden weiterentwickelt in Kapitel V der Konstitution Lumen gentium, Nr. 40: „Jedem ist also klar, daß alle Christgläubigen jeglichen Standes oder Ranges zur Fülle des christlichen Lebens und zur vollkommenen Liebe berufen sind.“ – LG 41: „In den verschiedenen Verhältnissen und Aufgaben des Lebens wird die eine Heiligkeit von allen entfaltet, die sich vom Geist Gottes leiten lassen und, der Stimme des Vaters gehorsam, Gott den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten und dem armen, demütigen, das Kreuz tragenden Christus folgen und so der Teilnahme an seiner Herrlichkeit würdig werden.“ – LG 42: „Alle Christgläubigen sind also zum Streben nach Heiligkeit und ihrem Stand entsprechender Vollkommenheit eingeladen und verpflichtet. Alle sollen deshalb ihre Willensantriebe richtig leiten, um nicht im Umgang mit Dingen der Welt und durch die Anhänglichkeit an die Reichtümer wider den Geist der evangelischen Armut im Streben nach vollkommener Liebe gehindert zu werden. Mahnt doch der Apostel: Die mit dieser Welt umgehen, sollen sich in ihr nicht festsetzen; denn die Gestalt dieser Welt vergeht (vgl. 1 Kor 7,31 griech.).”

[61] Vgl. Mt 19,8–9; Mk 10,5; Röm 1,24.26–27; 7,14–25; 1 Kor 5,1; 6,9; 6,13–20 und viele andere.

[62] Deshalb begegnet man der vereinfachenden Behauptung, daß Eheleute empfängnisverhütende Mittel aus dem einzigen Grund benützen, um ihre Liebe zu festigen. Vgl. die Anm. 58 und Documentum ..., I, 3 (p. 157); II, 4 (p. 159). Die Texte Schema ... und Documentum ..., enthalten Feststellungen, die darauf schließen lassen, daß ihre Verfasser mit der sexuellen Unordnung in der Ehe rechnen. Aber sie schreiben sie einzig der inneren Haltung und nicht den äußeren Manifestationen des geschlechtlichen Lebens in der Ehe zu. Siehe Schema ..., I, II, 2 (p. 183), und Documentum ..., III (p. 160).

[63] Vgl. Documentum …, I, 1 (p. 156); I, 2 (p. 157); II, 1 (p. 158); Status …, I, D (p. 167). Diese Schrift enthält aber auch eine sehr tiefschürfende Kritik der These, die die Relativität der Gegebenheiten des Verstandes in bezug auf den behandelten Gegenstand vertritt (der ganze zweite Teil). Das Schema ... beruft sich sehr oft auf das Naturrecht, das die Verfasser in gewisser Weise als evident betrachten: „Ceterum vero, ipsa naturalis lex, atque ratio fide christiana illuminata, dictant ut coniuges in eligendis mediis non pro arbitrio, sed secundum criteria obiectiva procedant.“ Das erste dieser Kriterien ist nach diesen Autoren, „ut actio correspondeat naturae personae eiusdemque actuum, ita ut integer sensus mutuae donationis ac humanae procreationis in contextu veri amoris observetur.“ Unglücklicherweise sagen die Autoren nichts über die Bedingungen, denen der Geschlechtsakt entsprechen muß, um diesem fundamentalen Erfordernis gerecht zu werden. – Schema ..., I, IV, 2 (p. 185). Wir finden auch einen anderen Vorschlag: „Non ergo arbitrarie, sed, – lege naturae et Die sic iubente, – coniuges omnibus criteriis simul consideratis iudicium obiective fundatum sibi formant.“ – Ebd., p. 186.

[64] Die Verfasser des Schema …, I, II, 1 (p. 182) sehen das wohl; die Autoren des Status ..., II, B, 5 (p. 176 gegen Ende) drücken den gleichen Gedanken mit mehr Behutsamkeit aus.

[65] Im Jahre 1827 veröffentlichte K.E. Baer seine Forschungsergebnisse über die weiblichen Keimzellen der Säugetiere und des Menschen (Epistola de ovi mammalium et hominis genesi, Leipzig 1827), und sogleich schlug die Wissenschaft von der Fortpflanzung neue Wege ein. Sehr rasch erkannte man den offensichtlichen Zusammenhang zwischen dem sexuellen Zyklus der Frau und der Vorbereitung eines zur Abstoßung bereiten Eies in deren Organismus. Bald darauf tauchten Theorien über die periodische Fruchtbarkeit der Frau auf. 1853 wird der Heilige Stuhl zum erstenmal über die sittliche Erlaubtheit eines ehelichen Verkehrs befragt, der in dem Bewußtsein vollzogen wird, daß er unfruchtbar bleibt, weil bei der Frau physiologische Unfruchtbarkeit gegeben ist.
Während einer Reihe von Jahren waren die Meinungen der Ärzte über die periodische Unfruchtbarkeit der Frau widersprüchlich, was mit der Unvollkommenheit der Forschungsmethoden zusammenhing. 1924 veröffentlicht Kyusaku Ogino in Japan die Ergebnisse seiner Arbeiten über die Fruchtbarkeit der Frau, die sich auf eine beachtliche Zahl von Unterlagen stützen. Seine Arbeit wurde in deutscher Sprache publiziert (Ovulationstermin und Konzeptionstermin, in: Zentralblatt für Gynäkologie 54 [1930] 464), und zwar in der gleichen Zeitschrift und fast gleichzeitig mit dem Artikel von Hermann Knaus (Eine neue Methode zur Bestimmung des Ovulationstermines, in: ebd. 53 [1929] 193), der unabhängig von Ogino zu den gleichen Ergebnissen wie dieser gelangt war. Die Ergebnisse ihrer Forschungen können wie folgt zusammengefaßt werden: Die Gameten werden im Organismus der Frau in zyklischen Perioden in einer bestimmten Phase des sexuellen Zyklus ausgestoßen. Die Frau kann nur dann befruchtet werden, wenn sich das Ei vom Eierstock gelöst hat. Deshalb kann man, indem man die begrenzte Lebensdauer des Eies und die Variationen in der Dauer des sexuellen Zyklus berücksichtigt, mit Hilfe statistischer Methoden die Periode der Fruchtbarkeit der Frau feststellen, indem man von jener Periode ausgeht, in der sie nicht befruchtet werden kann. Die Untersuchungen, die Ogino und jene, die Knaus angestellt haben, führten zu zwei unterschiedlichen Methoden der Berechnung der fruchtbaren und unfruchtbaren Perioden der Frau (die sogenannten Kalendermethoden). Nebenbei bemerkt stellt man also die Namen dieser beiden Gelehrten zu Unrecht nebeneinander, so als ob es nur eine einzige Methode gäbe. Die oben erwähnten Methoden stützen sich auf statistische Unterlagen, was ihren Gebrauch in der Praxis eher weniger leicht macht.
In Europa hat H. Stieve versucht, die Thesen von Knaus in Zweifel zu ziehen, indem er behauptete, es gäbe eine parazyklische Ovulation (Der Einfluß des Nervensystems auf Bau und Tätigkeit der weiblichen Geschlechtsorgane, Stuttgart 1952, pp. 85–111). Dies würde bedeuten, daß entgegen den Behauptungen von Ogino und Knaus eine Frau in jedem Augenblick schwanger werden könnte, da mehrere Anreize (stimuli) die Loslösung eines zweiten Eies im Verlauf des gleichen Zyklus bewirken könnten.
Die Meinung der Ärzte hat sich dann allzu schnell den Schlußfolgerungen Stieves angeschlossen, und man begegnete deshalb denen von Ogino und Knaus mit Vorbehalt. Schließlich hat dann 1963 H. Rauscher gezeigt, daß die Thesen von Stieve nicht richtig waren (Ovulation [Morphologie], in: Archiv für Gynäkologie 202 [1965] 121–131. Siehe auch W. Fijałkowski, Zagadnienie paracyklikcznej owulacji w świelte obserwacji własnych [= Das Problem der parazyklischen Ovulation im Lichte eigener Beobachtungen], in: Ginekologia Polska 38 (1967) 501 [Zusammenfassung auf Englisch]). Die medizinische Wissenschaft nimmt heute an, daß
– die Abstoßung des Eies (der Eier) bei der Frau in einem bestimmten Zeitabschnitt des weiblichen Zyklus stattfindet;
– wenn es, was selten vorkommt, mehr als ein Ei ist, alle zur gleichen Zeit abgestoßen werden;
– der Abstoßung des Eies eine Phase der Vorbereitung des Genitalsystems vorausgeht und das System danach für die Einnistung eines eventuell befruchteten Eies offen bleibt;
– nach der Abstoßung des Eies im Genitalsystem Veränderungen vor sich gehen, die eine Abstoßung des nachfolgenden Eies verhindern;
– da die Lebenskraft des abgestoßenen Eies nur kurze Zeit anhält, bei der Frau nach der Ovulation eine Phase der physiologischen Unfruchtbarkeit beginnt;
– die Abstoßung der Eier und die Umwandlungen, die mit dem weiblichen Zyklus verbunden sind, von endokrinen Veränderungen abhängig bleiben, welche verschiedene Symptome hervorrufen, die es erlauben, sich über den funktionellen Zustand des Genitalsystems der Frau Rechenschaft zu geben;
– der Zeitpunkt der Ovulation Schwankungen unterliegen kann (diese physiologischen Abweichungen gehen aber nicht über 5 Tage hinaus), was von verschiedenen Faktoren abhängt und anhand der ihn begleitenden Symptome festgestellt werden kann. Zwei oder mehrere Ovulationen während eines einzigen Zyklus gibt es nicht.
Alle diese Feststellungen erlauben den Schluß, daß vom medizinischen Standpunkt aus ein Verzicht auf sexuelle Beziehungen während des fruchtbaren Zyklus (d.h. während der Phase der Ovulation unter Berücksichtigung der Vitalität des Eies und eventuell der Spermatozoiden im Organismus der Frau) ein sicheres Verfahren zur Geburtenregelung ist.

[66] Th. H. Van der Welde, Über den Zusammenhang zwischen Ovarialfunktion, Wellenbewegung und Menstrualblutung, Harlem 1904; Basal Body Temperature in Disorders of Ovarial Function and Pregnancy, in: Surgery, Gynaecology and Obstretrics 75 (1924) 768; 1904. – R. Palmer, Basal Body Temperature of the Women, in: American Journal of Obstetrics and Gynaecology 1950, 551, 155 ss. – M. Chartier, Fécondité et continence périodique, in: Cahiers Laennec 14/4 (1954) 2–34; Interprétation de la courbe thérmique pour le diagnostic de l’ovulation et des périodes dites fécondes du cycle menstrual, in: Journal des sciences de Lille 83 (1965) 515–532. – J.G. Holt, Het getij. Het verband tussen vruchtbaarheit en temperatuur bij de vrouw, Bilthoven 1956. – K.G. Döring, Die Bestimmung der fruchtbaren und unfruchtbaren Tage der Frau mit Hilfe der Körpertemperatur, Stuttgart 1957; Empfängnisverhütung, ein Leitfaden für Ärzte und Studenten, Stuttgart 21966 (mit ausführlicher Bibliographie); Über die Zuverlässigkeit der Temperaturmethode zur Empfängnisverhütung, in: Deutsche medizinische Wochenschrift 92 (1967) 23, 1055–1061. – S. Geller, La courbe thérmique, guide de la femme, Paris 1960; La courbe thérmique, guide du practicien en endocrinologie féminine, Paris 1961. – J. Marshall, The Infertile Period, London 1962; Planning for a Family. An Atlas of Temperature Charts, London 1965. – G. van der Stappen, Précis de la méthode des temperatures, Paris 1961. – Ch. Rendau, La regulation des naissances dans le cadre familial et chrétien, in: NRTh 87 (1965) 606–631. – C.G. Hartmann, Science and the Safe Period, Baltimore 1962. – J. Rötzer, Kinderzahl und Liebesehe, Wien 21966. – A. und B. Vincent, Valeur de l’abstention périodique comme méthode de regulation des naissances, in: Journal des sciences de Lille 83 (1965) 643–692. – C.S. Keefer u.a., Human ovulation, London 1965.
Beim Kongreß des Internationalen Verbandes für geplante Elternschaft (International Planned Parenthood Federation) im April 1967 wurde die periodische Enthaltsamkeit unter den erlaubten Methoden der Geburtenregelung als an erster Stelle stehend betrachtet (Rhythm Method – The Use of Basal Body Temperature). Vgl. International Planned Parenthood News 157 (März 1967).
Es ist erstaunlich, daß sich gewisse Autoren trotz einer in so reichem Maß zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Literatur, die auf exakten und langen experimentellen Forschungen beruht (bei Döring 19 Jahre), auf keine anderen wissenschaftlichen Quellen stützen als auf die Wochenzeitungen “Paris-Math” oder “Sélection” und sich dann für berechtigt halten, eine “Kritische Prüfung der Rhythmusmethode” zu unternehmen (siehe J.M. Paupert, in: Contrôle des naissances et théologie. Les dossier de Rome, pp. 14–28, besonders pp. 24–28. Diese Tatsache ist mehr als bedauerlich.

[67] Die Unterweisung soll nicht durch einen Arzt erfolgen. Die pastoralen Verwirklichungen in Polen zeigen, daß am geeignetsten gut ausgebildete Instruktorinnen sind; man wählt sie unter jungen Müttern aus, die das alles in ihrem Eheleben selbst erfahren haben.

[68] Siehe Chartier: Fécondité …, p. 24.

[69] Siehe Döring, Über die Zuverlässigkeit …, Tabelle II.

[70] Döring, ebd.

[71] Döring, ebd.

[72] Das ist die Erfahrung pfarrlicher Beratung in den Diözesen Polens.

[73] L. Janssens, Mariage et fécondité, Paris 1967.

[74] „Das aus dem Ehevertrag sich herleitende Recht ist ein dauerndes, ununterbrochenes, nicht aussetzendes Recht eines jeden der Gatten dem anderen gegenüber.” – Pius XII., Ansprache an die Mitglieder des Kongresses der italienischen katholischen Union der Hebammen, 29. Oktober 1951, dt. in: UG 1069.

[75] Siehe oben, III, 3, b (im Original auf pp. 213–217).

[76] Siehe oben, II, 1 (im Original auf pp. 201–203); III, 3, b (im Original auf pp. 213–217).

[77] Siehe F. Böckle, Pour un débat chrétien sur la régulation des naissances, in: Concilium [französisch] 5 (1965) 111.

[78] Siehe oben, III, 3, b (im Original auf pp. 213–217).

[79] Die Sexualwissenschaftler versuchen sogar die Häufigkeit der sexuellen Beziehungen zu definieren, was ein Beweis für ein Sexualleben wäre, das aus der Norm herausfällt. Siehe S. Liebhart – B.Trębicka-Kwiatkowska, Zagadnienia życia seksualnego kobiety (Die Probleme des Sexuallebens der Frau), Warszawa 1964, pp. 34–55; R. von Urban, Sex Perfection, London 81964, pp. 96–97.

[80] Eben darin besteht die „Humanisierung des Triebverlangens“. Der Mensch befriedigt kein Bedürfnis seiner Triebe „spontan“, und er darf sie nicht so befriedigen. Das würde nämlich bedeuten, daß er nicht als Mensch handelt. Bei dieser Gelegenheit sei daran erinnert, daß das Alte Testament Geschlechtsbeziehungen während der Regel und während der nachfolgenden Woche verbot (Lev 15,19–24.28; 18,19; 20,18; Ez 18,5–6; 22,10), ebenso wie nach der Geburt (Lev 12,1–5). Ebenso war es im Krieg den Soldaten verwehrt, sich einer Frau zu nähern, selbst wenn sie sich eine Zeitlang zu Hause aufhielten (1 Sam 21,6; 2 Sam 11,11). Auch wenn diese Verbote ritueller Art waren, so zeigen sie doch, daß eine Enthaltsamkeit in der Ehe möglich ist und daß sie die eheliche Liebe nicht wesentlich beeinträchtigt. Der hl. Paulus sieht sogar die Möglichkeit vor, sich der geschlechtlichen Beziehungen in der Ehe zu enthalten (1 Kor 7,5–6). Das Beispiel der Heiligen Familie führt ebenfalls zu dem Schluß, daß die geschlechtliche Enthaltsamkeit nicht von sich aus die Bande der Ehe schwächt.

[81] Siehe oben, II, 3 a (im Original auf pp. 205).

[82] Siehe oben, II, 3 (im Original auf pp. 205–207).

[83] Vgl. S. Liebhart – B. Trębicka-Kwiatkowska, Op. c. (Anm. 79), pp. 34–35, sowie die angeführte Bibliographie. R. von Urban, op. c. (Anm. 79), pp. 193–194.

[84] Vgl. GS 49 und oben II, 3, b (im Original auf p. 205).

[85] Siehe oben, II, 2 (im Original auf pp. 203–205); III, 3, c (im Original auf pp. 217–220).

[86] In Analogie zum Schweigen, das in gewissen Fällen beredter sein kann als das Wort.

[87] Vgl. den inhaltlichen Beitrag von Art. c.

[88] Siehe oben, II, 2 (im Original pp. 203–205); II,3 (im Original pp. 207–207); III, 3, c (im Original pp. 217–220).

[89] U.a. bei Mertens de Wilmars, Psychopathologie de l’anticonception, Paris 1955.

[90] Siehe oben III, 3, c (im Original auf pp. 217–220).

[91] Man hat den Eindruck, daß die intensive Propaganda für die Empfängnisverhütung andere Motive hat als die Suche nach der theologischen und moralischen Wahrheit und nach dem Wohl der Menschheit. In unserem Land setzen wir die Anstrengungen in Rechnung, die in dieser Richtung jene Organe unternehmen, denen an der Laisierung des Lebens und am Atheismus gelegen ist. In den kapitalistischen Ländern muß man zweifellos die Interessen des Kapitals berücksichtigen, für das die Herstellung von Empfängnisverhütungsmitteln, insbesondere von chemischen, eine beträchtliche Einnahmequelle bedeutet. Diese Herstellung ist tatsächlich gewinnträchtig, wenn jedes Ehepaar während des gesamten Zeitraums der Fruchtbarkeit, also mindestens zwanzig Jahre lang, Nutzen daraus ziehen sollte.

[92] In der Ansprache an die Mitglieder des Kongresses der italienischen katholischen Union der Hebammen, 29. Oktober 1951: „Eure Aufgabe ist es, nicht die des Priesters, die Eheleute in persönlicher Beratung oder durch ernste Veröffentlichungen über die biologische und technische Seite der Theorie zu unterrichten ... Man erwartet von Euch mit Recht, daß Ihr bezüglich der medizinischen Seite gut unterrichtet seid über die bekannte Theorie und die Fortschritte, die sich auf diesem Gebiet noch erwarten lassen, daß aber andererseits Euer Rat und Eure Hilfe sich nicht auf einfache populäre Veröffentlichungen stützen, sondern auf wissenschaftlicher Sachlichkeit und dem bewährten Urteil gewissenhafter Fachmänner in Medizin und Biologie beruhen.“ – UG 1067.

[93] In bezug auf die Probleme des Bevölkerungswachstums in jedem Land: „Da die Menschen heute von diesem Problem so stark bewegt werden, ist auch zu wünschen, daß katholische Fachleute, vor allem an den Universitäten, die Forschung und die Versuche auf diesem Gebiet planmäßig weiterverfolgen und entwickeln.“ – GS 87. “Die Fachleute in den Wissenschaften, besonders in Biologie, Medizin, Sozialwissenschaften und Psychologie, können dem Wohl von Ehe und Familie und dem Frieden des Gewissens sehr dienen, wenn sie durch ihre gemeinsame wissenschaftliche Arbeit die Voraussetzungen für eine sittlich einwandfreie Geburtenregelung genauer zu klären suchen.” – GS 52.