Das dritte Vatikanum - Wunsch- oder Alptraum?

Öffentlicher Vortrag im Sinne einer Einladung katholischer Mittelschüler und Studenten in Wien am 14. März 1994

Internationale Startseite - Deutsche Startseite - E-Mail
Wissenschaftliche Beiträge - Öffentliche Stellungnahmen
(Padre Alex)


Liebe Zuhörer!

Eine sehr interessante Frage habt Ihr mir zur Beantwortung bzw. Untersuchung aufgegeben. Das dritte Vatikanum - Wunsch- oder Alptraum? Es ist gemeint ein drittes Vatikanisches Konzil, es ist gemeint ein XXII. Ökumenisches Konzil der römisch-katholischen, der wahren Kirche unseres Erlösers Jesus Christus.

Das Matthäus-Evangelium endet mit dem Missionsauftrag des auferstandenen Jesus an die elf Jünger: "Geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie ... und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch gesagt habe. Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt." Die Apostelgeschichte, die uns das Leben der Urkirche aufgezeichnet hat, kennt eine lehramtliche Autorität der Apostel und derer, die sich die Zwölf nach und nach in ihrer Aufgabe, christliche Gemeinden zu gründen und zu leiten, hinzunahmen. Deshalb bezeichnet die Apostelgeschichte die Frohbotschaft, aus der die Gemeinden lebten, nicht als die Lehre der Gemeinde, sondern absichtlich als die "Lehre der Apostel" (Apg 2,42). Das Apostelkonzil von Jerusalem in Apg 15 ist ein weiteres Zeugnis dafür, daß den Aposteln eine eigene Autorität zuerkannt wurde, um die anstehenden Fragen von Lehre und Disziplin zu lösen. Von Anfang an ist also eine Lehrtätigkeit erkennbar, die als offizielle und daher normative Verkündigung der Offenbarungsbotschaft galt, und die von anderen Formen der Unterweisung, Ermahnung und Erbauung unterschieden wurde.

Was ist also ein Konzil, ein concilium? Natürlich eine Versammlung. Als Katholiken denken wir wohl an eine Versammlung von Bischöfen, also von echten Nachfolgern der Apostel. Nicht alle Konzilien sind auch ökumenische, d. h. allgemeine Konzilien gewesen oder geworden. Der Begriff "ökumenisch" wird hier nicht - wie heute gewohnt - in Hinblick auf eine Rückgewinnung der von der Kirche Christi weggegangenen christlichen Gemeinschaften verwendet, sondern für die Bezeichnung "ökumenisches" oder "allgemeines Konzil" war in der Regel erforderlich:

a) daß - soweit möglich - alle regierenden römisch-katholischen Bischöfe des Erdkeises eingeladen wurden;

b) daß die anwesenden Bischöfe als Vertretung des Gesamtepiskopates angesehen werden konnten;

c) daß der Papst das Konzil berief oder wenigstens mit seiner Autorität der Versammlung der Bischöfe beitrat, persönlich oder durch seine Vertreter den Vorsitz führte und die Beschlüsse bestätigte.

Die ersten acht vom Kaiser einberufenen Konzilien erlangten durch die nachträgliche Anerkennung ihrer Lehrdekrete durch die gesamte Kirche ökumenische Geltung. Das Vatikanum II sagt dazu: "Ein Ökumenisches Konzil gibt es niemals, wenn es vom Nachfolger des Petrus nicht als solches bestätigt oder wenigstens angenommen worden ist." Für den ökumenischen Charakter eines Konzils war über das erste Jahrtausend hinaus also nicht maßgebend die Absicht und der Wille der Einberufer, ein solches Konzil zu veranstalten. Die geschichtliche Wirklichkeit war so mannigfaltiger als die glasklare kirchliche Gesetzgebung, wie sie uns heute sehr schön im Codex des kanonischen Rechtes aus dem Jahre 1983 vorliegt: "Allein dem Papst steht es zu, ein Ökumenisches Konzil einzuberufen ... und dessen Dekrete zu genehmigen. - Sache des Papstes ist es auch, die Verhandlungsgegenstände des Konzil zu bestimmen (...) Alle und nur die Bischöfe, die Glieder des Bischofskollegiums sind, haben das Recht und die Pflicht, am Ökumenischen Konzil mit entscheidendem Stimmrecht teilzunehmen." Und ganz wichtig: "Dekrete des Ökumenischen Konzils haben Rechtsverbindlichkeit nur, wenn sie zusammen mit den Konzilsvätern vom Papst genehmigt, von diesem bestätigt und auf seine Anordnung hin promulgiert worden sind."

Christus der Herr hat ja der Kirche das Glaubensgut anvertraut, damit sie unter dem Beistand des Heiligen Geistes die geoffenbarte Wahrheit heilig bewahrt, tiefer erforscht und treu verkündigt und auslegt. Darum sind unter anderem die 21 Ökumenischen Konzilien so wichtig. Es handelt sich um eine außerordentliche Weise des Lehrens. Im Kirchengesetzbuch heißt es dazu: "Unfehlbarkeit im Lehramt besitzt auch das Bischofskollegium, wann immer die Bischöfe, auf einem Ökumenischen Konzil versammelt, ihr Lehramt ausüben, indem sie als Lehrer und Richter über Glaube und Sitte für die ganze Kirche eine Glaubens- oder Sittenlehre definitiv als verpflichtend erklären", natürlich nie ohne den Nachfolger des heiligen Petrus, den Papst. D. h., ein solches Konzil kann, muß aber nicht unfehlbar lehren. Fehlbar heißt übrigens nicht automatisch falsch! Urteile selber sind wahr oder falsch, sogar wir als fehlbare Subjekte können wahre Urteile fällen. Der Beistand des Hl. Geistes wird nun denjenigen gewährt, die in der Kirche die Stelle und die Aufgabe der Zwölf übernommen haben. Das Lehramt ist also ein Dienst an der Wahrheit kraft eines besonderen Beistandes des Hl. Geistes. Wichtig ist: Die Konzilsväter stimmen nicht über den Glauben selbst ab, sondern ob eine Definition oder Auslegung der Offenbarung, die ja mit dem Tod des letzten Apostels abgeschlossen ist, entspricht bzw. in derselben immer schon enthalten war!

Das Thema des heutigen Abends wurde - so nehme ich an - auch gewählt, weil die Forderung nach einem Vatikanum III dem Bischof der Diözese St. Pölten, Kurt Krenn, zugeschrieben worden war. Er selbst sagte dazu: Ich zitiere "Das ist ein mir zugeschriebenes Zitat. Ich sagte einfach, das II. Vatikanum ist nicht das Konzil gewesen, sondern das 21. ökumenische. Bei Gelegenheit fügte ich hinzu, daß es ja ein Vatikanum III geben könnte, rein als Möglichkeit. Gefordert aber, nein, gefordert habe ich ein solches nie. Ich würde das auch nie tun, weil das einzig Sache des Papstes ist. Ich sage so: Würde es ein Vatikanum III geben, ich wüßte genug Dinge, die dort zu tun und zu besprechen wären - in der Frage der Lehre und der Kirche, in der Frage der Einheit, in der Gottesfrage. Ganz wichtig wäre auf jeden Fall eine Klärung der undeutlich gewordenen Glaubenslehre und einiges andere, ich könnte da noch vieles aufzählen." Zitat Ende. Wir erkennen nebenbei, daß Konzilien vor allem durch Irrlehren und glaubensfeindliche Strömungen motiviert wurden. Und so sollten wir natürlich einen kleinen Blick in die Kirchengeschichte machen, begonnen mit dem ersten Ökumenischen Konzil von Nicaea im Jahre 325, auf dem das Eines-Wesens-Sein des Sohnes Gottes mit dem Vater gegen die Irrlehre Arius' für alle Zeiten verkündet wurde. Wir sollten also die acht Ökumenischen Konzilien des Altertums mit den entscheidenden ersten vier (also Nicaea, Konstantinopel, Ephesus, Chalcedon), die päpstlichen Generalkonzilien des Hochmittelalters oder das rettende Konzil von Trient (1545 - 1563) behandeln. Es fehlt die Zeit, aber ein drittes Vatikanum weist auf Vorgängerkonzilien mit demselben Veranstaltungsort hin, nämlich auf das I. Vatikanische Konzil (1869/1870) unter Papst Pius IX. mit der herrlichen Definition der Lehre vom katholischen Glauben sowie vom Primat und der unter genauen Bedingungen gegebenen Unfehlbarkeit des Papstes allein. Es war dies das XX. Ökumenische Konzil, ein dogmatisches Konzil, von der Verbindlichkeit also vorrangiger als das letzte und XXI. Ökumenische Konzil, das wenig zitierte, aber viel interpretierte II. Vatikanum (1962 - 1965) unter den Päpsten Johannes XXIII. und Paul VI., das in der Ausrichtung eben nur ein Pastoralkonzil, d. h. ein Konzil mit Seelsorgsausrichtung, sein wollte. Jedes Mißverständnis soll aber schon hier ausgeschlossen werden: Für einen römisch-katholischen Christen darf weder das II. Vatikanum unter den Tisch fallen noch die gesamte Fülle der vorausgehenden zwanzig Ökumenischen Konzilien. Die Dokumente aller Konzilien sind mit jener Autorität zu akzeptieren, die dem jeweiligen Dokument zukommt. Beim II. Vatikanum heißt das beispielsweise: Nach ihrem Verbindlichkeitsgrad sind zuerst die Dogmatischen Konstitutionen zu nennen (nur zwei von 16 Dokumenten), dann die Konstitutionen und Dekrete (elf) und schließlich die Erklärungen (drei), welche schon sehr zeitgebunden erscheinen. Verbindlich aber sind alle Dokumente auf ihre Weise. Das Vatikanum II kann und darf nur im Sinne der zwanzig vorhergehenden Konzilien interpretiert werden, nur im Zusammenhang mit der gesamten Überlieferung der Kirche. Kardinal Ratzinger hat daher gesagt: "Die Wahrheit ist, daß das (letzte) Konzil selbst kein Dogma definiert hat und sich bewußt in einem niedrigeren Rang als reines Pastoralkonzil ausdrücken wollte; trotzdem interpretieren es viele, als wäre es fast das Superdogma (...) Der einzige Weg, das Vaticanum II glaubwürdig zu machen, besteht darin, es klar als das darzustellen, was es ist: ein Teil der ganzen und einzigen Tradition der Kirche und ihres Glaubens." Zitat Ende. Die Kirche hat nicht mit dem Vatikanum II begonnen. Es gibt seit 1965 keine "Kirche des II. Vatikanischen Konzils", sondern es gab und gibt und wird nur die eine Katholische Kirche mit der vollen Wahrheit geben. Nach einem Konzil ist nicht alles anders. Der Titel der heutigen Veranstaltung hätte also auch lauten können "Sechstes Laterankonzil", "Zweites Trienter Konzil" oder "Drittes Konzil von Lyon - Wunsch- oder Alptraum?"

Das Vatikanum II darf den Anspruch erheben, dem Glaubensverständnis manchen neuen Impuls vermittelt, dabei aber doch nur die bleibende göttliche Wahrheit in neuer Weise ausgelegt zu haben. Der Glaube an die Führung der Kirche durch ihr unsichtbares Haupt Jesus Christus, der Glaube an den Beistand des Heiligen Geistes wird ein gefestigter sein, wenn wir betrachten, durch welche Intrigen und Widrigkeiten hindurch ein Irrtum in der Glaubenslehre nicht nur auf dem II. Vatikanum verhindert wurde, sondern auch auf anderen Konzilien. Das Problem des letzten Konzils schlechthin ist anerkanntermaßen - sowohl von sog. progressistischer als auch sog. konservativer Theologenseite - die latente Mehrdeutigkeit mancher Passagen. Dadurch, daß das Vatikanum II sich aber sehr häufig - was oft übersehen wird - auf die gesamte Überlieferung der Kirche stützt, allein in den Anmerkungen oft auch auf das Vatikanum I, ist die einzige und klar päpstliche Lösung der Annahme des Vatikanum II als XXI. Ökumenisches Konzil die Interpretation im Sinne der verbindlichen und unaufhebbaren Tradition der Kirche. Ein Konzil steht ebenso wie ein Papst nicht über dem Glauben, sondern dient ihm. Es handelt sich ja - wie bereits gesagt - um den Dienst an der Wahrheit kraft eines besonderen Beistandes des Hl. Geistes. Wir haben übrigens bereits ganz klar die weltkirchlich verbindliche Interpretation auch aller 21 Ökumenischen Konzilien, d. h. die volle Wahrheit der katholischen Glaubens- und Sittenlehre erneut auf dem Tisch liegen. Es ist der Katechismus der Katholischen Kirche (1993)! Den sog. Weltkatechismus sollte jeder interessierte Katholik besitzen, zum Selbststudium, zur Vertiefung des Glaubens, zur Betrachtung der Schönheit unseres Glaubens. - Jetzt gibt es übrigens ganz neu eine Taschenbuchausgabe, ich habe noch die größeren Exemplare mitgebracht. - Auch um das viele "Wunderbare, Schöne, Würdige, Tiefgründige und Zutreffende" des II. Vatikanums - das sind lobende Worte Bischof Krenns! - kennenzulernen, wäre der Besitz des Katechismus gut. Das hilft beim Erkennen, ob jemand, der vom letzten Konzil spricht, wirklich auf dem Boden des II. Vatikanums steht oder eher auf dem wackeligen Fundament eines selbstgebastelten Geistes des Konzils, besser eines Wunschkonzils. Ob mit oder ohne Vatikanum III, es wird in der katholischen Kirche (um nur einige Beispiele anzuführen) immer dabei bleiben, daß Jesus Christus in wahrem und realem Sinne der Gottmensch ist, daß seine Auferstehung als real-geschichtliches Ereignis geglaubt wird, daß die immerwährende Jungfräulichkeit Marias ungeschmälert gilt, daß die Kirche nicht befugt ist, das Priestertum der Frau einzuführen und daß es ein Gericht mit endgültiger Scheidung geben wird, ebenso daß die Ehe unauflöslich ist, daß es ein in sich Böses gibt, daß es ein irriges Gewissen gibt, welches der Mensch überwinden kann und muß, daß die Verhinderung der Fortpflanzung beim ehelichen Akt unerlaubt ist.

Der Wunschtraum eines Vatikanum III müßte nun nach der bescheidenen Auffassung des hier sprechenden Diakons beinhalten:

Als Vorbedingung für sämtliche Entscheidungen eine präzise Sprache, beizubehalten wäre vom Vatikanum II her die verpflichtende Konzilssprache Latein! Dann würde es kein Vatikanum III mehr geben, so die Meinung mancher. Leider werden wir den Primat des Italienischen und der Dolmetscher beim nächsten Konzil zur Kenntnis nehmen müssen.

Nun aber inhaltlich, 1. im Bereich Liturgie: Klare Ablehnung der gegen die Verfassung Christi gerichteten Verwischung des hierarchischen Unterschieds zwischen Priester und Laien, Überprüfung der zu großen und zur Willkür eher anregenden Wahlmöglichkeiten bei den universalen liturgischen Bestimmungen, Auftrag zur generellen Überarbeitung der deutschen Liturgiebücher, alles mit dem Generalziel der Übersetzungstreue und Ehrfurcht.

2. Im Bereich Glaubensverkündigung: Verweis auf den verpflichtenden Katechismus für sämtliche Bereiche der Verkündigung (Predigt, Religionsunterricht usw.), vernünftige innerkirchliche Maßnahmen gegen Medien, die unter dem Deckmantel "katholisch" in Wirklichkeit den Glauben untergraben; Abweisung eines falschen Verständnisses der sog. "Hierarchie der Wahrheiten" (als ob eine Glaubenswahrheit weniger wahr sei als eine andere - siehe Vatikanum I !).

3. Im Bereich des hierarchischen Aufbaus der Kirche: Erinnerung an die Identität des Klerus (z. B. Kleidungsvorschriften gegen das zunehmend laisierte Benehmen und Leben) - Besinnung auf das bleibende Wesen des Weihepriestertums!, Verurteilung der unkatholischen "Demokratisierung" der Kirche und der daraus folgenden Herrschaft mächtiger innerkirchlicher Lobbies anstelle der wirksamen legitimen Autorität der Hirten, Ermutigung der Bischöfe zur kräftigen Ausübung ihres Hirtenamtes.

Ja also zu einem III. Vatikanum, wenn es so bedeutend und eindeutig wie das Trienter Konzil wäre, ein klares Nein zu einem pastoral ausgerichteten Vatikanum III. Aber im festen Glauben an die Unzerstörbarkeit der katholischen Kirche, an ihre geistgewirkte Führung durch die Zeiten ist ein III. Vatikanum im Sinne eines Alptraums, im Sinne einer Zerstörung des Glaubens unmöglich. Eine solche Versammlung wird nie die Zustimmung des Stellvertreters Christi auf Erden finden, könnte daher nie XXII. Ökumenisches Konzil werden. Aber in der Disziplin, in der Seelsorge, in nicht-dogmatischen Bereichen könnten Fehlentscheidungen getroffen werden, die unsere Krise weiter verschärfen, wenn wir alleine die Auswirkung der Falschinterpretation möglicherweise zweideutig interpretierbarer Beschlüsse des Vatikanum II bedenken. Ein III. Vatikanum könnte ein sinnloser Aufwand sein, wenn nicht wirklich Verurteilungen moderner Irrlehren geschehen und wiederholt angezweifelte Bereiche der Offenbarung endgültig definiert würden. Zur Dogmatisierung könnten anstehen: Die auch durch den Katechismus erneut klargelegte Ungültigkeit der Weihe von Frauen, Inhalte der neuen Moralenzyklika "Glanz der Wahrheit" (= Veritatis splendor), auch die Frage der schon natürlich erkennbaren Unsittlichkeit einer künstlichen Verhütung in der Ehegemeinschaft.

Wir brauchen derzeit weniger ein teures III. Vatikanum, wir brauchen eher ein konsequentes Durchgreifen auf der Basis des Weltkatechismus und der letzten, hervorragenden Enzyklika "Glanz der Wahrheit" durch einen kräftig regierenden Papst, durch von ihm eingesetzte kräftig regierende Bischöfe, mit dem Bewußtsein, dem Heil der Seelen dadurch zu dienen! Der Papst will zumindest theoretisch diesen Weg gehen, wie wir in "Glanz der Wahrheit" (= Veritatis splendor Nr. 113 ff.) lesen dürfen: Ich zitiere "Der von kalkuliertem Protest und Polemik bestimmte, durch die Kommunikationsmittel herbeigeführte Dissens steht im Widerspruch zur kirchlichen Gemeinschaft und zum richtigen Verständnis der hierarchischen Verfassung des Volkes Gottes. Im Widerstand gegen die Lehre der Hirten ist weder eine legitime Ausdrucksform der christlichen Freiheit noch der Vielfalt der Gaben des Geistes zu erkennen. In diesem Fall haben die Hirten die Pflicht, ihrem apostolischen Auftrag gemäß zu handeln und zu verlangen, daß das Recht der Gläubigen, die katholische Lehre rein und unverkürzt zu empfangen, immer geachtet wird: 'Da er nie vergessen wird, daß auch er ein Glied des Volkes Gottes ist, muß der Theologe dieses achten und sich bemühen, ihm eine Lehre vorzutragen, die in keiner Weise der Glaubenslehre Schaden zufügt.' (...) - Wir haben als Bischöfe die Pflicht, darüber zu wachen, daß das Wort Gottes zuverlässig gelehrt wird. Meine Mitbrüder im Bischofsamt (...) Als Bischöfe haben wir die schwerwiegende Verpflichtung, persönlich darüber zu wachen, daß in unseren Diözesen die 'gesunde Lehre' (1 Tim 1,10) des Glaubens und der Moral gelehrt wird." Zitat Ende. Die Kirche hat Seelen zu retten, dieser Auftrag darf nicht verwischt werden durch Falschinterpretation insbesondere des letzten II. Vatikanischen Konzils. Auf der Basis der vollen Texte dieses letzten Konzils aber könnte trotz allem die schwere Krise innerhalb der katholischen Kirche bewältigt werden. Den richtigen Weg hat Prof. Dr. Leo Scheffczyk in seinem Buch "Aspekte der Kirche in der Krise. Um die Entscheidung für das authentische Konzil" gewiesen. Den falschen Weg geht beispielsweise die Pius-Bruderschaft (unter www.fsspx.de im Netz) mit ihrem populär gewordenen Schlagwort "Konzilskirche" für die "Kirche von heute". Denn wenn wir sogar in einem angeblich progressiven Dokument des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, nämlich im neuen Direktorium zur Ausführung der Prinzipien und Normen über den Ökumenismus vom 25. März 1993 lesen dürfen: "Die Katholiken halten an der Überzeugung fest, daß die eine Kirche Christi in der katholischen Kirche subsistiert, 'die vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird' (Vat. II). Sie bekennen, daß sich die Fülle der geoffenbarten Wahrheit, der Sakramente und des Amtes, die Christus für den Aufbau seiner Kirche und zur Ausübung ihrer Sendung gegeben hat, in der katholischen Gemeinschaft der Kirche findet (...) Wenn darum die Katholiken die Wörter ... 'andere Kirchen und kirchliche Gemeinschaften' usw. gebrauchen, um jene zu bezeichnen, die nicht in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen, muß dieser festen Überzeugung immer Rechnung getragen werden." "Gleichwohl, so sehr auch menschliche Schuld der Gemeinschaft hat schaden können, hat sie sie dennoch nicht zerstört. In der Tat ist die Fülle der Einheit der Kirche Christi in der katholischen Kirche bewahrt worden (...) Das Konzil stellt fest: 'Diese Einheit, so glauben wir, besteht in der Kirche als etwas, das sie nie verlieren kann'." , Zitat Ende, wenn wir also so lesen dürfen, besteht kein Zweifel, die Glaubenslehre liegt unversehrt vor, das können auch nicht falsche Propheten und untreue Lehrer ändern - durch ihr Wirken entsteht nur größere Mühe für den einzelnen, im bei Glaubensfragen unzulässigen pluralistischen Wirrwarr festzuhalten an der gesamten unverkürzten Offenbarung, was aber nun ohne Ausrede erleichtert ist durch das beste nachkonziliare Produkt, den sog. Weltkatechismus, für den ich nochmals Werbung machen darf. Träumen wir also lieber nicht von einem Vatikanum III, überlassen wir dies der gütigen Vorsehung Gottes, vertiefen wir jetzt unseren Glauben, unser Glaubenswissen mit dem Katechismus der wahren Kirche. Die Frage Wunsch- oder Alptraum könnte erst nach einem Vatikanum III wirklich beantwortet werden.

Für die Diskussion: kein Ausspielen von Laie und Amt

Leicht angedeutet habe ich bereits zuvor: es gibt keine sogenannte "Amtskirche", obwohl heute leider oft in protestantischem Geist kritisch davon die Rede ist. Die hl. Schrift, die gesamte Tradition der Kirche inklusive II. Vatikanisches Konzil kennen nur die Kirche Christi, die wir im Glaubensbekenntnis als die eine, heilige, katholische und apostolische bekennen. Das ist die Gesamtkirche, die universale Gemeinschaft der Jünger des Herrn. Ihrem Sein und ihrer Sendung hat Jesus Christus einen Kern göttlichen Rechts eingestiftet, indem er den Jüngern und Auferstehungszeugen bleibend gültige Aufträge erteilte. Die Begegnung mit Jesus Christus selbst wird also vermittelt durch das Zeugnis der Apostel und die Verkündigung der apostolischen Kirche auf dem Boden ihres Glaubensbekenntnisses und ihres Dogmas. Nur in der christologisch und apostolisch verfaßten Kirche, in dieser einen katholischen Kirche gibt es unfehlbare Garantiebereiche, gibt es die Fülle der Wahrheit. Kirche ohne apostolische Verfassung, ohne geweihte Hierarchie kann es nach dem Willen Jesu Christi nie geben. Das allgemeine Priestertum der Getauften sagt so wenig gegen besondere priesterliche Dienste aus, so wenig das gemeinsame Priestertum Israels dessen priesterlichen Ordnungen entgegenstand. Die apostolische Verfassung kann also nicht als "Amtskirche" gegen eine "Volkskirche" ausgespielt werden - das apostolische Dienstamt der Kirche ist eben so neu wie Christus selbst. Jesus Christus - und das ist für die folgenden Betrachtungen ebenso wichtig wie für die vorhergehenden - nahm ein dreifaches Amt voll in Anspruch: Er war erstens Priester der exklusiven und letztgültigen Vermittlung der Gottgemeinschaft der Menschen; er war zweitens Hirt, also König der verbindlichen Aufrichtung der Schöpfungsethik wie der Auslegung bzw. Erfüllung des alttestamentlichen Gesetzes, und er war drittens Lehrer, also Prophet des eschatologischen Heilswissens. Wir sehen also wieder klar Priesteramt, Hirtenamt und Lehramt, an denen in besonderer Weise die geweihten Amtsträger teilhaben, aber in eigener wesenhaft anderer Weise auch alle Laien. Jeder hat seine unvertretbare Aufgabe.

Verwendete Literatur und konkrete Verweise:

Vgl. Ott Ludwig, Grundriß der katholischen Dogmatik, Freiburg - Basel - Wien 1981 (10. Auflage), S. 362.

Vgl. Jedin Hubert, Kleine Konziliengeschichte. Mit einem Bericht über das Zweite Vatikanische Konzil, Freiburg - Basel - Wien 1990 (6. Auflage der Neuausgabe), S. 10.

Vgl. Codex Iuris Canonici 1983 (= CIC 1983), Cann. 338 - 341; 747, 749.

Vgl. Wachter Hubert, Kurt Krenn Gottes eherne Faust, Wien - München - Zürich 1993, S. 122.

Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben "ECCLESIA DEI" (2. Juli 1988), Nr. 5 b: "Die Breite und Tiefe der Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils machen nämlich neue und vertiefte Untersuchungen notwendig, in denen der stete Zusammenhang des Konzils mit der Tradition im ganzen beleuchtet wird".

Vgl. die Rede Sr. Eminenz Kard. Ratzingers am 13. Juli 1988 vor den chilenischen Bischöfen, übersetzt von Elke Zdarsky, S. 9 f.

Zu empfehlen ist: Wiltgen Ralph M., Der Rhein fließt in den Tiber. Eine Geschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils, Feldkirch 1988. Der Titel rührt vom vorherrschenden theologischen Einfluß aus den Ländern an den Ufern des Rheins, aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Frankreich, den Niederlanden und dem nahen Belgien.

Vgl. Krenn Kurt, in: Forum Kathol. Theol. H. 1/89, S. 56.

Vgl. Scheffczyk Leo, Der "Katechismus der katholischen Kirche" unter theologisch-zeitgeschichtlichem Aspekt, in: Forum Kathol. Theol. H. 2/93, S. 94.

Vgl. Wiltgen Ralph M., Der Rhein fließt in den Tiber, Feldkirch 1988, S. 297: Kosten des letzten Konzils für den Vatikan allein über sieben Millionen Dollar ...


Du verstehst etwas nicht, Du hast eine konkrete Frage oder Kritik? Dann nichts wie auf, direkt zum Padre, am besten gleich per eMail oder mittels Formular.

Internationale Startseite - Deutsche Startseite - Impressum
Wissenschaftliche Beiträge - Öffentliche Stellungnahmen
(Padre Alex)

< www.katholische.glaubenslehre.de >

< www.glaubensgeheimnis.de >

Zum Dokument "Dominus Jesus" von der Glaubenskongregation