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Donnerstag, 12. Mai 2011

Ehe der Papst twittert, kommt das Ende - VI


Notizen zum Internationalen Bloggertreffen am 2. Mai 2011 im Vatikan


Teil VI) VERSUCH EINES FAZITS



Wer in Wien vom Westbahnhof kommend den Gürtel Richtung Süden fährt, kommt an einer Kirche vorbei, die - mir scheint: immer noch - viele Jahre schon ein weißes Transparent auf seine der vielbefahrenen Straße zugewandten Seite aufgehangen hat, auf dem steht "Jesus liebt Dich!" Es gibt kaum etwas Abstoßenderes, als dieses Plakat, und ich gehe jede Wette ein, daß sich durch dieses Plakat weit mehr Menschen von der Kirche tatsächlich abgestoßen fühlen, als "von Jesus geliebt". Ein alter Kommunikationsgrundsatz ist, daß Kommunikation von zwei Seiten ausgehen muß: einmal von der Art des Mitgeteilten, und dann von der Art des Aufnehmens.

Die Mitteilung dieser Hoffnung erzeugen sollenden Botschaft scheitert an beiden Kriterien: zum einen entspricht die Mitteilung selbst bestenfalls einer Internet-Information. Sie stellt aber selbst geradezu das Gegenteil dessen dar, was sie behauptet. Denn sie macht diese zutiefst in die Existenz eingreifende - geistige - Wahrheit zu einer lächerlichen Banalität, macht sie zu einer lächerlich präsentierten Information, nicht zu einem Ereignis - und letztlch kann Erkenntnis nur so passieren. Diese Wahrheit aber ist so präsentiert für keinen Rezipienten nachvollziehbar, der sie nicht längst hat, und deshalb in seiner realen Fülle rekonstruieren kann, GEGEN die Banalisierung.

Eine Erkenntnis läßt sich nicht von ihrem Erkenntnisträger, dem Erkenntnisobjekt also, trennen. Ihre Ablösung erfolgt über die Sinne, ist im Nacherleiden, im Nachgeformtsein, von der Seele abgelöst, als Inhalt präsent, und damit "erkannt", eins geworden. Das ist der Sinn der Schöpfung, die ja kein umständlicher Weg Gottes ist, sondern DER Weg der Einheit mit ihm. Deshalb ist das Internet als Instrument der Kirche eine emminent theologische Frage, und keine der Technik, oder des "na seind mer net so" eines Papstes. "Wir können doch den Papst nicht von Tür zu Tür schicken," meinte Pater Ruiz, und genau das ist damit gemeint.

Der Vatikan KANN nicht so einfach einen Blog einrichten, und von dort aus seine Botschaften verkünden. Die Art, der Erkenntnisträger, sind selbst Teil der Botschaft. Und weil niemand in der Kirche personal Gott gleich ist, können wir uns auch nicht einfach auf unser Menschsein berufen, und meinen, wir könnten das zu Kommunizierende einfach der Information überlassen, einer rein rationalen Größe nämlich. Der Geist ist das, was im Fleisch abzulösen ist - so funktioniert (Anführungsstriche) Erkenntnis, und so ist die Schöpfung aufgebaut, als ineinaner einer gigantischen Ordnung, wo eines aus dem anderen heraus lebt, im Erkennen - im Geist. Denn Gott, reiner Geist, ist Leben. Aber Gott ist auch Dreifaltigkeit. Im Logos, von Anfang an vorgesehen, ist die Schöpfung indirekt in dieses Leben der Dreifaltigkeit hineingenommen, in Jesus Christus, dem Gottmensch, an dem der Mensch über die Sinne in der Erkenntnis teilhat.

Glauben zu vermitteln kann niemals nur eine Sache der "information" sein. Das Internet ist aber ein Informationsmedium, und vor allem: ein technischer Apparat. Wer einen Hammer benutzt, denkt wie ein Hammer. Ist die technische Art des Internet also die Struktur des Heiligen Geistes? 

So fern ist dieser Gedanke gar nicht, denn Erik Davis zeigt in "Techgnosis", wie maßgebend das Internet von metaphysischen, spirituellen, allesamt aber gnostischen Vorstellungen geprägt war und ist - praktisch sämtliche Gründer (so nebenebei: auch sämtliche Pioniere des Personal Computer) kamen aus dem spirituellen Dunstkreis der Hippie-Bewegung in California. Jedes Werk ist nun aber vom Geist seines Hervorbringers voll, DEN repräsentiert es, und an DEM nimmt der Nutznießer eines Werks teil. Wer also das Internet bedient - so die einfache Schlußfolgerung - nimmt an einem gnostischen Weltkonzept teil, führt es fort. Oder verbirgt sich darin denn doch auch Gottes Geist? Das behaupten sie ja, die Gnostiker, die auch die Kirche "integrieren", die dem Gnostiker ja gar nicht mehr nötig ist. Denn er hat ihn ja, den persönlichen Anschluß an den Geist, nun auch übers Internet.

Nehmen wir nun die mittlere Position her, das Informationsmedium selbst, den Text, das Bild. Wer sich ein wenig mit dem Wesen von Photographie, von Bildnis auseiandersetzt wird bald erkennen, daß diese technische Form der Abbildung tatsächlich nur ein Zeichen ist, das auf ein Reales hinführen muß. Ohne Reales gibt es dieses Abbild nicht. Das Internet erzählt also nur von Realem, es vermittelt dieses Reale abe rnciht ab initium. Nun ist zwar gott in allem Seiende, das ja nur ist, weil es Anteil am Sein hat, aber diese Erfahrbarkeit engt sich im Internet auf einen schon sehr winzigen Spalt ein, den das Internet als Ding der Wirklichkeit noch hat. Denn das Internet HAT sehr wenig Reales. Es ist eine Maske, die nur mit dieser Maskenhaftigkeit funktioniert und transportiert.

Aber auch von der Seite des Benutzers her fehlt eine fundamentale Voraussetzung - die der Autorität, die notwendig ist, damit sich ein Erkenntisobjekt im Erkennenden nicht nur abbildet, sondern von diesem auch "im Gehorsam" (Sinne liefern Reize, die im Nachleben zur Erkenntnis werden, also braucht es "Gehorsam" ihnen gegenüber) nachgelebt und damit erkannt wird. Es geht in seinen Besitz über, wenn er es geistig integriert, in der Erkenntnis. Aber das tut es eben nur in der Autorität des Außen. Es gibt dazu keine Alternative, man kann dasselbe nicht mit "Informationskonzepten" erreichen. 

Die Art speziell des Internet 2.0 aber ist die der Beteiligung. Diese Beteiligung nun ist es, die das Gesehene nicht nur dem Urteil des Betrachters unterwirft (BEVOR er es "erkannt" hat! er muß schon im Anwählen urteilen), sondern seiner Verfügungsgewalt. Und damit stellt es sich UNTER den Benutzer. Das ist keine Grille eines verrückten Bloggers - namentlich des Verfassers dieser Zeilen - sondern diese Gedanken sind gleichfalls Fazit von Denkern, deren Namen hier anzuführen den Artikel auf jeden Fall sprengen würde.

Aber schon daß der Verfasser sich genötigt sieht, seine Worte solcherart - durch andere, reale Bezüge - in ihrer Autorität zu stärken, auf daß sie etwas bewirkten, macht das Gesagte selbst deutlich. Gerade das als "positiven Fortschritt" verkaufte Internet 2.0 ist in Wahrheit eine Entwicklung zu dieser Abwertung aller Inhalte im Netz. Seit Jahren beobachte ich die "Posting"-Funktionen, als Beispiel, in Zeitungen, auf Blogs, egal wo. Überall wird man mittlerweile aufgefordert, sich zu äußern. Die Folgen sind dramatisch: es ist offensichtlich, wie die Poster nicht nur mittlerweile jeden Respekt vor den Inhalten der Artikel verloren haben, sondern sich sogar die Poster in "ihren" Medien gerieren, als gehörte das Medium ihnen, als seien sie Teil davon, als seien sie verfügungsberechtigt.

(Ich habe aus diesem Grund schon vor geraumer Zeit die Kommentarfunktion hier deaktiviert, fürchte aber, daß es das Problem nicht wirklich gelöst hat, schwanke deshalb immer wieder, wieweit ein totaler Rückzug aus diesem Medium, zumindest aus den derzeitigen Formen, nicht sinnvoll wäre, was derzeit nur scheinbare berufliche Unverzichtbarkeiten verhindern, vieles ist eben nun bereits übers Internet organisiert, selbst wenn das auch anders gienge, ja darunter leidet.)

Jetzt davon zu sprechen, daß auch Jesus sich erniedrigt hätte, etc. - das sind Sophistereien, das ist Quatsch, paßt aber in seiner Thematik zur Diskussion über Handkommunion, oder Volksaltar etc. die auch für sich genommen kein explizierbares Problem sind, die es aber in viel größerem Zusammenhang sehr wohl sind.

Hier handelt es sich um etwas völlig anderes. Ein Blogger, ein Mensch, ist nicht Gott oder gottgleich, und selbst Gottähnlichkeit in diesen Hinsichten zu behaupten wäre unsagbar anmaßend, denn nicht einmal größte Heilige taten das, so sehr sie davon "wußten." Er kann von Gott erzählen, aber er tut es auch durch seine Haltung Gott selbst gegenüber, um darzustellen, wie, was dieser Gott denn sei. Das kann man nicht mit Information lösen. Die Botschaft IST die Information selbst, und sie kann nur personal geschehen, von Angesicht zu Angesicht.

Wahrheit ist, wie Spaemann schreibt, eben keine Sache einer simplen Addition, die kein anderes Ergebnis möglich mache. Sie hat mit zahlreichen ungemein persönlichen Akten, Haltungen und Umständen zu tun, mit persönlicher Reaktion und Reaktionsfähigkeit (!). Je höher der vermittelte Inhalt, desto höher muß die Haltung des Rezipienten sein!

Das macht das Internet so problematisch. Weil es kein Äquivalent zur Wirklichkeit ist, sondern nur Information, die immer "Teil" ist, zu dieser enthält. Wirklichkeit, wirkliche Wirklichkeit ist gar nicht abschätzbar umfangreicher, weil das Ganze mehr als die Summe ihrer Teile ist, und weiter, als es das Internet je sein kann! Es läßt sich im Netz vielleicht Information "über" den Glaubern verbreiten, soweit es sich um Information handelt, und hier eher unter Insidern, die es als Information bewerten können. Aber Glaube und Glaubensinhalt selbst läßt sich so gut wie nicht - und schon gar nicht in einer "Neuevangelisation" - übers Netz transportieren! 

Wer das glaubt, muß sich gefallen lassen daß man ihm vorwirft, mit dem Netz den bequemeren Weg zu gehen, sonst aber nichts. Weil dann Glaubensvermittlung - und man spricht ja von weit mehr, man spricht von Wahrheit, von Schönheit ... - zur simplen Information abgewertet wird, und nicht zur lebendigen Begegnung des anderen mit ... einem selbst, dem Träger der Botschaft, dessen Antlitz, als Darstellung der Wahrheit selbst, als Form in der Gestalt, ihm von Gott erzählt, wodurch er Gott - der Form selbst - begegnet, die als Form das Fleisch durchdringt und erlöst, aber nicht als addierte Information, sondern ALS Fleisch.

All diese Tatsachen werden sich noch lange nicht deutlich ablesbar machen, wenn überhaupt. Aber es wird zu Veränderungen kommen, und zwar: zu gravierenden Veränderungen, und nicht zum besten! Es ist absehbar, daß das Internet alles, worüber es berichtet, auf eine Ebene zieht, die es entwertet, die es als Erkenntnisobjekt "an sich" nicht nur untauglich macht, sondern die beschädigt, worüber es informiert, weil es sie als Gestalt auflöst. Das ist nicht mit ein paar pädagogischen Maßnahmen - "man muß schon lieb sein zueinander" etc. - behebbar, sondern es liegt im Wesen des Mediums, es liegt im Wesen der Technik.

Aus diesen Gründen muß jede Information im internet sehr vorsichtig agieren. Und mehr als Information ist auch kaum möglich, weil die Möglichkeiten, einen - Lombardi war es glaube ich, der das Wort verwendete - ethischen Code (der zur Kommunikation prinzipiell dazugehört) zu beherrschen, den es zweifellos auch hat, der aber noch kaum bekannt ist, auf jeden Fall sehr begrenzt sind. Wieweit das aber mit dem ethischen Code überhaupt vereinbar ist, den das Internet als Medium selbst bereits verkündet, das wird an dieser Stelle eben bezweifelt.

Etwas zu betreiben, und zwar über einen Rahmen hinaus, der bereits bekannt ist, ist im Grunde Aberglaube, ist mythisierter Technizismus, und ganz sicher nicht verantwortliches Handeln. P. Ruiz wiederholte es, ich tue es ihm nach, und werde damit wieder chronologisch: Erst müssen wir wissen, worum es sich da überhaupt handelt, dann können wir entscheiden, was wir damit tun.

Was wir damit tun - das ruft auch Eva Janosikova aus, die Slowakin, Sie erinnern sich, die für die Kommunikation zum Weltjugendtag zuständig ist, als sie zum Abschluß des Treffens, die Zeit drängt bereits, sie hechelt ihre Präsentationsgraphiken im Eiltempo durch, vom "Erfolg" (und es kann aus besagten Gründen nur ein Erfolg technischen Ablaufs sein, seine ethische Dimension ist ja gar nicht ablesbar) berichtet. Weil es  mit dem Facebook-Auftritt gelungen sei, für den kommendne Weltjugendtag binnen weniger Tage 260.000 "Friends" weltweit zu generieren, daß die Seite in 31 oder 78 Sprachen - wen kümmert's, es ist irrelevant - übersetzt wurde, von den Benützern selbst. Wo nun eine Art Vernetzung zum kommenden Jugendtreffen stattfindet, wo es ein Leichtes ist, binnen Sekunden Informationen weiterzugeben. "But," sagt sie dann, "what shall we do with them afterwards? Please, tell us, if you have an idea: what shall we do with these 260.000 contacts?! We don't know!"

Evangelisieren? Auffordern, über Twitter "Jesus liebt Dich - lol" an ihre hunderten Facebook-Friends zu verbreiten?

Es geht doch darum, was es denn überhaupt ist, das Glauben weitergibt, was bei einer Neuevangelisation doch nur heißen kann: den Willen zur Umkehr bewirkt, die Öffnung für jenen Geist, der Abba, Vater sagen läßt, der Jesus als Sohn Gottes begreifen läßt. Was ist es, das überhaupt weitergegeben werden kann? Und wodurch? Ist dafür das Wesen des Internet überhaupt geeignet? DAS nämlich bezweifelt der Autor dieser Artikel nicht nur, sondern das sieht er möglicherweise sogar genau damit konterkariert. Denn das Wesen der Schöpfung - und sie ist so sehr die Predigt Gottes, daß er seinen Sohn Fleisch werden ließ - ist Fleischlichkeit.  Das Wesen des Internet aber ist Virtualität, Entfleischlichung. Damit liegt es in einer Linie des Verfalls jeder Kultur als Kontur aller Lebendigkeit, den es weiter beschleunigt. Und damit vertieft es das, was mit dem Protestantismus selber nur Gestalt wurde: Die Nichtung der Welt, die nur konkrete Gestalt sein kann. Der Buchstabe tötet, nur der Geist macht lebendig. Welchen Geist aber verbreitet weil repräsentiert das Internet?




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