Am 1. Adventsonntag, dem 28. November 2004, wird im St. Pöltner Dom um 15 Uhr ein festliches Pontifikalamt mit Seiner Exzellenz, dem neuen Diözesanbischof von St. Pölten, Dr. Dr. Klaus Küng, zelebriert werden, um Gott für den neuen Bischof zu bitten und für seine Einsetzung zu danken. In einem Interview antwortete Bischof Küng auf die Fragen der NÖN bzw. der Kirchenzeitung:
"Die Reaktionen auf Ihre Bestellung, zumindest die, die öffentlich zu lesen und zu hören waren, waren abwartend bis teilweise durchaus kritisch. Waren Sie enttäuscht?"
Eigentlich wäre ich überrascht, wenn alle so jubeln würden. Ich glaube sogar, daß Applaus für Bischöfe gefährlich sein kann. Im übrigen, mir scheint der Blick auf Christus, der Blick auf Gott wichtig zu sein. In unserer Zeit, in der der praktische Materialismus und der Hedonismus sehr stark dominieren, zum Teil auch in die Kirche eingedrungen sind, ist es nicht verwunderlich, wenn jeder, der jetzt versucht, dem Evangelium - ich würde es einmal so sagen - ohne Abstriche zu entsprechen, aneckt. Christus ist da auch angeeckt. Ich sehe da schon auch meine Aufgabe. Ich bin kein Politiker, sondern ich bin ein katholischer Bischof.
"Fast drei Monate lang haben Sie als Apostolischer Visitator die Diözese St. Pölten unter die Lupe genommen. Wo sehen Sie heute die größten Herausforderungen?"
Das allerdringlichste ist, einen Prozeß der Versöhnung und der Einigung auf den Weg zu bringen. Es ist erforderlich, die sicherlich vorhandenen sehr unterschiedlichen Kräfte soweit als möglich zu sammeln, damit wir als Kirche den Herausforderungen der Zeit, die sich in St. Pölten genauso wie überall stellen, gerecht werden und die Botschaft Jesu glaubwürdig verkünden und leben. Eine besonders schwierige, aber für die Diözese ganz wichtige Aufgabe sehe ich darin, im Priesterseminar einen guten Neubeginn zustande zu bringen.
"Wissen Sie schon, wie es mit dem Priesterseminar und der Hochschule weitergehen wird?"
Nach der Schließung des Seminars im Sommer wurde eine Kommission eingesetzt, die mit allen Priesteramtskandidaten Aufnahmegespräche geführt hat. Wir hatten ursprünglich die Absicht, mit den verbliebenen Seminaristen im Herbst einen provisorischen Betrieb aufzunehmen. Die römische Kongregation aber meinte, dass dies verfrüht wäre. So bleibt in diesem Studienjahr das Seminar geschlossen und wir werden uns bemühen, einen guten Neuanfang vorzubereiten und dafür auch ein entsprechendes Führungsteam zu finden. Die aufgenommenen Kandidaten werden auf Priesterseminare anderer Diözesen oder Klöster verteilt und die Ausbildung fortsetzen. Einige Kandidaten, die vorerst nicht aufgenommen wurden, weil bei ihnen noch wichtige Klärungs- und Reifungsschritte nötig sind, haben die Möglichkeit, sich nach einem Jahr noch einmal zu bewerben. Während dieser Zeit sollen sie mit einer guten geistlichen Begleitung ihren Weg klären. Die theologische Hochschule geht weiter. Aber auch hier wollen wir in Absprache mit Rom Reformschritte setzen, was die Struktur und das Profil angeht.
"Warum glauben Sie, ist diese Resignation in der Diözese St. Pölten entstanden?"
Das hat mehrere Gründe. Ein Grund ist die an sich nicht leichte Frage der Eingliederung von Priestern von außen, Gemeinschaften von außen. Das, was ich manchmal Transplantation nenne, Transplantation von einem Land in ein anderes, ist vor allem, wenn die Unterschiede in der Mentalität, in der Kultur, im Entwicklungsstand eines Landes groß sind. Wenn dann noch die sprachliche Barriere dazukommt, dann ist das nicht einfach. Da braucht es Zeit. Das ist ein Punkt, wo ich sehe, dass manche überhaupt nicht integriert sind.
"Der Pastoraltheologe Peter Hofer hat im Kirchenblatt Vorarlberg gemeint, es hat Einflüsterer und Zuträger in St. Pölten gegeben, die sich eine Generalkompetenz angemaßt haben, und es habe ein Klima der Angst und des Mißtrauens geherrscht, das ihn an die Schlußphase des DDR-Regimes erinnert hat. Wie haben Sie das empfunden?"
Das wage ich nicht zu beurteilen, aber diese Gefahr scheint mir gerade im kirchlichen Bereich des öfteren zu bestehen, dass man nicht Miteinander, sondern übereinander redet. Oder nicht direkt. Oft wäre es viel besser, wenn wir einander das, was man jetzt auch als schwierig, falsch oder unpassend sieht, einander sagen könnte. Und nicht nur über die Ecken. Das ist das eine. Und das andere. Wir müssen auch das Positive wahrnehmen.
"Exzellenz, Sie werden oft als konservativ bezeichnet."
Ich halte diese Einteilung und Abstempelung von konservativ und progressiv für falsch. Ich habe sie nie gemocht. Nicht nur, weil das manchmal Schlagwörter sind, um eben jemanden zu erledigen oder auf die Seite zu stellen und gar nicht zuzuhören, sondern weil es Bereiche gibt, in denen man den Mut haben muß, manchmal ganz etwas Neues zu versuchen und man das auch tun darf. Andere Bereiche dagegen unbedingt festzuhalten sind, weil es sich um Glaubensfragen handelt oder eben tatsächlich sittliche Gebote, die wir nicht ändern können. Darum gibt es Dinge, wo man unbedingt konservativ - wenn Sie diese Terminologie wollen - unbedingt bewahrend sein muß.
"Was glauben Sie, welche Erwartungshaltung haben die Menschen in der Diözese St. Pölten?"
Ich fürchte, daß sie eine im gewissen Sinne zu große haben oder vielleicht eine falsche. Denn, wenn man von einem Menschen erwarten würde, der wird jetzt alles lösen, oder, wenn ich meinen würde, jetzt komme ich und mache das und das und das - das ist von meiner Auffassung her falsch. Die Erwartungen, die müssen wir auf Gott, auf Christus legen. Und dann müssen wir gemeinsam versuchen, auf ihn hinzuschauen. Und auch gegenseitig zuhören. Wenn wir das tun, dann können die Erwartungen nicht hoch genug sein.
"Mit welchem Konzept gehen Sie jetzt in die Diözese St. Pölten? Welche Prioritäten werden Sie setzen?"
Ich meine, ich muß jetzt einmal mit dem 1 x 1 rangehen. Die logischen Schritte setzen, die man nicht überspringen kann. Ich brauche Mitarbeiter, einen Schreibtisch, ich brauche nicht viel, aber einiges ist notwendig. Dann, so glaube ich, gibt es eine ganze Reihe von Fragen, die schon auf eine Klärung warten. Ich habe mir eine ganze Evidenzliste - das ist jetzt vielleicht ein kleines Geheimnis, das ich verrate - zusammengeschrieben. Nicht, weil ich meinte, daß ich Bischof werde. Ich hatte gedacht, gut, wenn man den Bischof weiß, dann bekommt er die Liste. Jetzt muß ich damit arbeiten. Man soll nicht unbedingt nur über Bischof Krenn diskutieren oder über, ich weiß nicht welche Probleme, sondern, die Dinge angehen. Ich habe da kein Rezept, wo man sagt: Jetzt macht man das, das oder das. Das wäre eine Illusion.
Und in seinem ersten Hirtenbrief an die Christgläubigen der Diözese St. Pölten schreibt der hochwürdigste Oberhirte:
Liebe Gläubige!
Seit wenigen Tagen bin ich nun Bischof von St. Pölten. Ich war immer der Meinung, dass ein Apostolischer Visitator kommt und nach getaner Arbeit wieder weg geht. Der Heilige Vater hat anders entschieden. Ich muß gestehen, dass das für mich etwas plötzlich gekommen ist, dass mir der Abschied aus der Diözese Feldkirch, meiner Heimat, nicht leicht fällt und auch noch nicht vollzogen ist, jedenfalls nicht ganz. Da ich nun aber hier bin, bitte ich euch, mich anzunehmen.
Die Bestellung zum Diözesanbischof in St. Pölten bedeutet für mich, einen Neuanfang zu versuchen, und mit jedem Tag, den ich hier verbringe, stelle ich mich besser darauf ein und beginne, mich auf das richtige Kennenlernen meiner neuen Diözese und aller ihrer Gläubigen zu freuen. Schon jetzt habe ich bemerkt, dass viel Positives, viel guter Wille, viel Einsatz und vor allem viele liebe Menschen in diesem Land sind. Ich kann mir gut vorstellen, dass ich hier bald zu Hause sein werde.
Gleichzeitig kann ich nicht verbergen, dass mir auch ein wenig bange ums Herz ist. Viele Gläubige hegen jetzt große Erwartungen. Mit Respekt schaue ich auf die Bemühungen, auch auf die Schwierigkeiten meiner Vorgänger. Der Heilige Vater hat die Rücktritte von Bischof Kurt und Weihbischof Heinrich angenommen. Für alles, was sie an Gutem gewirkt haben, gebührt ihnen Dank und Anerkennung.
Die Diözese St. Pölten hat eine lange und bewegte Geschichte. Eine außerordentlich reiche religiöse Kultur ist hier entstanden und der Glaube ist trotz aller Umbrüche unserer Zeit noch immer tief im Volk verwurzelt. Es gibt aber auch einige Schwierigkeiten: viele sind dieselben wie in fast allen europäischen Ländern. Nur gemeinsam, mit dem Einsatz aller können sie überwunden werden.
Zunächst möchte ich allem anderen voran in Erinnerung rufen: Unsere Hilfe ist im Namen des Herrn. Es gibt in der Tat auch jetzt eine gut begründete Hoffnung, die tragen kann. Wenn alle den Heiligen Geist herabflehen und für seine Regungen offen sind, wenn sich alle Kräfte einen, die die Kirche lieben, wenn wir das Gespräch suchen und pflegen, auf Gott und aufeinander hören, wenn Versöhnung gelingt, dann kann eine erneuerte, junge Kirche entstehen, und es wird möglich werden zu erfahren, was ER versprochen hat: Seid gewiß, ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt!
Ich bitte euch alle inständig: Bedenkt, dass auch der Bischof ein Mensch und auf euer Beten, euer Mitdenken und Mittun angewiesen ist.
St. Pölten, im Oktober 2004
+ DDr. Klaus Küng, Bischof von St. Pölten und Apostolischer Administrator von Feldkirch