Das Oberlandesgericht Wien hat am 24. Mai 2006 die Berufung des hochwürdigen Herrn Prälaten K. in dem von ihm angestrengten Medienverfahren gegen "profil" verworfen, sodaß nun ein rechtskräftiger Abschluß vorliegt. Das Berufungsurteil der zweiten Instanz wurde vom Senatsvorsitzenden Mag. Maurer verkündet. Im Kern sei der Artikel des "profil" vom 12. Juli 2004 wahr gewesen, die Beweiswürdigung des Erstgerichtes im Urteil vom 15. September 2005 sei bemüht und differenziert. Auch wenn der Wahrheitsbeweis für die Spende einer Art Ehesakrament an zwei Alumnen nicht erweisbar gewesen wäre, so sei das im Gesamtzusammenhang unerheblich. Das Erstgericht hatte zu den homosexuellen Beziehungen unter anderem festgehalten: "
Die genannten Aussagen und Beweise lassen in ihrer Gesamtheit entgegen den Aussagen der betroffenen Karl K. und des Antragstellers jedenfalls den Schluß zu, daß die beiden eine homosexuelle Beziehung hatten (...) Die Feststellung, daß auch der Priesterschüler H. mit dem Antragsteller zumindest eine gewisse Zeit lang ein homoerotisches Verhältnis unterhielt, beruht auf den Angaben des Zeugen R., der bestätigte, daß der Priesterschüler Josef S. ihm dies erzählt habe und auch dazu sagte, daß laut Aussage des Josef S., Gerhard H. diesem selbst darüber berichtet habe. Es besteht kein Grund, daran zu zweifeln, daß der Zeuge H. gegenüber S. in diesem Punkt die Wahrheit gesagt hat."
Offen ist nun in den von den beiden ehemaligen Seminarvorstehern angestrengten staatlichen Verfahren noch das Berufungsverfahren im Medienprozeß des ehemaligen Subregens sowie das zivilrechtliche Verfahren, daß Prälat K. unter Berufung auf Kreditschädigung und die Verletzung am eigenen Bild zusätzlich angestrengt hat, was jedoch an der Einschätzung der Faktenlage, die im Sommer 2004 eine Päpstliche Visitation der Diözese St. Pölten und ihres Priesterseminars nach sich zog,
nichts mehr ändern kann. In diesem zivilrechtlichen Verfahren wegen behaupteter Verletzung am eigenen Bild hatte zuletzt der Journalist des beklagten Artikels vom 12. Juli 2004 zum Beweis der Wahrnehmung der journalistischen Sorgfalt dargelegt, daß er seine Informationen auch aus hohen Kirchenkreisen gehabt hätte, denen an der Aufklärung des Sachverhaltes gelegen gewesen wäre. Die Informanten nannte der Journalist jedoch nicht.
Somit ist das Oberlandesgericht Wien der in Europa gängigen Rechtsprechung gefolgt, nach der das öffentliche Interesse beim Aufarbeiten berufsbedingter Lebenswidersprüche in der Kirche eine konkrete Berichterstattung über Personen und Vorfälle in den herkömmlichen Medien gestattet, soferne die journalistische Sorgfaltspflicht beachtet würde. Der damalige hochwürdigste Päpstliche Visitator Diözesanbischof Dr. Dr. Klaus Küng hatte
bereits am 12. August 2004 bei der Verkündung der Schließung des Priesterseminars festgehalten: "
Leider hat es auch schwerwiegende Fehlentwicklungen gegeben: dies wurde spätestens durch die pornographischen Bilder deutlich, die von einigen Seminaristen geradezu 'suchtartig' aus dem Internet geladen wurden. Sehr schmerzhaft war es für mich festzustellen, daß sich aktive homophile Beziehungen gebildet haben." Außerdem hatte er sich gegen die Führung der Medienprozesse im Fall der beiden ehemaligen Seminarvorsteher ausgesprochen.
In einem ganz anderen Prozeßfall, der mit der Diözese St. Pölten zu tun hat, berichtet heute abend der
ORF um 21:20 Uhr im zweiten Programm, mit Wiederholung in der Nacht um 01:30 Uhr. Als Vorankündigung ist zu lesen: "
Dem Ruf Gottes gefolgt ... Herr W. war einst ein erfolgreicher Manager in der Papierindustrie. Heute lebt der Vater von acht Kindern auf zehn Quadratmetern in einem heruntergekommenen Kammerl in einem Studentenheim. Dazu ist es gekommen, weil der streng gläubige Katholik 'dem Ruf Gottes' gefolgt ist und 1993 eine Stelle als Sekretär in der Diözese St. Pölten angenommen hat. Dort geriet er im Streit zwischen Bischof Kurt Krenn und liberalen Kirchenkreisen zwischen die Fronten. Weil er dem Bischof vorwarf, mit seinen Gegnern zu tolerant umzugehen, wäre er gemobbt und schließlich gekündigt worden. Herr W. hat die Diözese und den Bischof auf über 200.000 Euro Schadenersatz verklagt." Dem Vernehmen beurteilt der Kläger die kirchenpolitische und die Fakten-Lage
ein wenig anders als in dieser Kurzvorstellung. Das Verfahren ist bisher aufgrund der unterschiedlichen Einschätzung der Verjährung nicht erfolgreich gelaufen, weshalb die Sache nun in der zweiten Instanz landen wird. Der Bericht beim ORF steht insgesamt unter dem Motto: "
Mit dem Rücken zur Wand. In dieser Ausgabe von 'Schauplatz Gericht' geht es um dramatische Lebenssituationen, um Menschen, bei denen einiges schief gelaufen ist und deren Schicksal in dramatischer Weise von einem einzigen Urteil abhängt."
Beten wir betreffend alle diese außerkirchlich laufenden Verfahren um den jeweiligen Durchbruch der Wahrheit, sei es, daß Verantwortungsträger zu ihrer persönlichen Lebensgeschichte stehen, sei es, daß Verantwortungsträger für nachgewiesenes Mobbing entsprechende Entschädigungszahlungen anordnen. Euer
Padre Alex - Vizeoffizial Mag. Mag. Dr. Alexander Pytlik
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