Friday, February 29. 2008
MEDIEN, MISSBRAUCH UND KIRCHE: NEIN ... Posted by Padre Alex / Dr. Alexander Pytlik
in News Kommentare, Skandal St. Pölten at
12:00
Comments (0) Trackbacks (3) MEDIEN, MISSBRAUCH UND KIRCHE: NEIN ZUM RÜCKFALL IN EINE MEDIEN-FEINDLICHKEIT
In den letzten Wochen sind in unterschiedlich beruflich gebundenen Gruppen Diskussionen über den Umgang der kirchenamtlich ungebundenen Medien mit der Darstellung bzw. Aufdeckung sexuellen Mißbrauches gegenüber Minderjährigen geführt worden, die von kirchlicher Seite teilweise den Eindruck erweckten, als ob frühere Zeiten zurückgewünscht oder es möglich sein könnte, die Entwicklung zur durch und durch medial durchformten Gesellschaft noch irgendwie "zurückzudrehen". Erfreulicherweise ist im Mediencommuniqué vom 27. Februar 2008 über die 279. Ordentliche Versammlung der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) nunmehr folgendes unter dem Titel "Sexuelle Übergriffe in der Seelsorge" nachlesbar: "Die geltenden Richtlinien der Schweizer Bischofskonferenz zur Frage der sexuellen Übergriffe in der Seelsorge gehen auf das Jahr 2002 zurück. Aus aktuellem Anlaß tauschten sich die Bischöfe und Territorialäbte eingehend über die Praxis der Umsetzung dieser Richtlinien in den Bistümern aus. Sie nahmen mit Befriedigung zur Kenntnis, daß die Richtlinien sich grundsätzlich bewährt haben. Das gilt namentlich auch für die präventiven Maßnahmen, die mit den Richtlinien eingeführt wurden. Die Pädophilie-Fälle, die in den vergangenen Wochen die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gewonnen haben, betreffen gravierende Verfehlungen, die mehrere Jahrzehnte zurückliegen. Der damals bei diesen Fällen beschrittene Weg, die pädophilen Täter ohne Aufsehen von ihren Posten zu entfernen und nach Vorkehrung einiger Maßnahmen wieder in der Seelsorge einzusetzen, war falsch gewählt. Die SBK bedauert dies. Anders als früher weiß man heute, daß im Gegensatz zu anderen Sexualstraftätern die Rückfallgefahr bei pädophilen Tätern selbst nach erfolgter professioneller Therapie erheblich bleibt. Im Bemühen um eine stetige Verbesserung der eigenen Handlungsgrundlagen hat die SBK ihr Expertengremium damit beauftragt, die Umsetzung der Richtlinien von 2002 in den Diözesen und Orden zu prüfen. Das Expertengremium wird auch untersuchen, ob einzelne Abschnitte der Richtlinien einer Ergänzung oder Überarbeitung bedürfen. Eine besondere Verantwortung haben im Zusammenhang mit Pädophilie-Vorwürfen nicht nur die Kirchenverantwortlichen, sondern auch die Medien. Ihre Berichterstattung sollte die Privatsphäre der Opfer respektieren und nicht einem Trauma ein anderes hinzufügen."
Wer sind die Medien? Angesprochen sind alle Menschen, die als Redakteure und Journalisten die Medien gestalten, ob im Fernsehen, ob im Radio, ob in den Zeitschriften und Zeitungen, ob im Internet auf welcher Ebene auch immer. Wenn sich Opfer bewußt und als letzten Schritt gegen ein unsolidarisches und mit keinerlei finanzieller Entschädigung verbundenes "Unter-den-Tisch-Kehren" an Medien wenden, so kann dann nicht mehr in allen Fällen von einer (medialen) Hinzufügung eines anderen Traumas die Rede sein. Vielmehr liegt die Sache oft anders: die öffentliche Behandlung eines bestimmten sexuellen Mißbrauchs kann bei anderen Opfern den seelischen Schmerz wieder akut machen und damit gewissermaßen zu einer Kettenreaktion an medialer Aufdeckung sexuellen Mißbrauches führen. Auch wenn derartige Verfehlungen schon mehrere Jahrzehnte zurückliegen, darf Opfern kein schlechtes Gewissen dafür eingeredet werden, daß sie ihren Schmerz auch noch so spät öffentlich hinausschreien. In der Tat stehen wir vor dem Dilemma des Opferschutzes und der immer neu einzulernenden Medienethik. Wieviel Privatsphäre Opfer wünschen, sollte ohne jede Bevormundung noch immer in der Entscheidungsfreiheit derselben Betroffenen verbleiben. Insbesondere bin ich der festen Überzeugung, daß in unseren Breiten Schmerzensgeld überhaupt nicht oder in viel zu geringer Höhe angestrebt und gewährt wird, obschon kausal verursachte seelische Schmerzen genauso ernstzunehmen wären wie physische Schmerzen. Realistisch müssen wir sagen, daß ohne Mithilfe der Medien nicht wenige Fälle innerkirchlichen sexuellen Mißbrauchs und homosexueller Unterwanderung weltweit einfach weiter unter den Tisch gekehrt worden wären. Es darf keinen Rückfall mehr in alte Medienfeindlichkeiten zum Vertuschen erwiesener Fälle und zum Hinwegschwindeln über das fällig gewordene Schmerzensgeld geben. Diesbezüglich ist noch auf einen sehr ausgewogenen Kommentar von Christophe Büchi in der Neuen Zürcher Zeitung vom 18. Februar 2008 unter dem Titel "Lehrstück über Medien, Kirche und Pädophilie. Ein Westschweizer Trauerspiel mit tödlichem Ausgang" zu verweisen: "In den Westschweizer Medien häufen sich die Berichte über sexuelle Übergriffe durch katholische Priester. Seit sich ein ins Rampenlicht geratener Geistlicher das Leben genommen hat, stehen aber auch die Journalisten unter Beschuß. Betreiben sie eine mediale Menschenjagd – oder 'tun sie bloß ihre Arbeit'? Versuch einer Antwort. - Seit Wochen figuriert das Thema Pädophilie ganz oben auf der Agenda der welschen Medien. An diesem Wochenende veröffentlichten die 'Tribune de Genève', die Waadtländer '24 heures' und die Neuenburger Zeitungen 'Express' und 'L'Impartial' wieder ganze Seiten über sexuelle Übergriffe katholischer Priester. Was ist in der Westschweiz los? Es lohnt sich, den Ablauf der Ereignisse anzusehen, denn anhand dieses Beispiels läßt sich einiges lernen über das Funktionieren der Medien und die Eigendynamik, die gewisse Themen entwickeln können. Angriffe gegen Freiburger Bischof Begonnen hat der 'Pädophilie-Hype' Mitte Dezember mit einer Frontalattacke der französischen Zeitschrift 'Golias' gegen die Leitung des Bistums Freiburg-Lausanne-Genf. Die auf kirchliche Themen spezialisierte Publikation warf dem Freiburger Bischof Bernard Genoud unter anderem vor, sexuelle Übergriffe einzelner Priester in den letzten Jahren verharmlost oder vertuscht zu haben. Kurz darauf veröffentlichte ein französischer Journalist einen Bericht, wonach ein Kapuziner, der mehrere Jahre im Bistum Freiburg tätig war und sich pädophiler Übergriffe schuldig gemacht haben soll, ungestört in einem jurassischen Kloster lebt. Comingout-Lawine Diese Meldung löste eine eigentliche Comingout-Welle aus. In der Folge berichteten die Medien noch und noch über Menschen, die sich als Opfer dieses Priesters oder anderer Geistlicher zu erkennen gaben; dabei kam erneut, wenn auch nicht ausschließlich, das Bistum Freiburg unter Beschuß. Die Bistumsleitung, die während Jahren geglaubt hatte, Fälle von sexuellem Übergriff diskret und unter Ausschluß der Öffentlichkeit regeln zu können, änderte jetzt den Kurs: sie stellte sich den Medien und versicherte, sämtliche Fälle, in denen ein seriöser Verdacht auf pädophile Handlungen bestünde, bei den staatlichen Untersuchungsbehörden anzuzeigen (NZZ vom 26./27. 1. 08). In Abwesenheit des krebskranken Bischofs Genoud gab sein Pressesprecher und Offizial (Vorsteher der bischöflichen Justiz), Nicolas Betticher, Dutzende von Interviews, in denen er Selbstkritik an der kirchlichen 'omertà' übte. Schließlich meldete sich auch der Bischof an einer Medienkonferenz zu Wort und bat die Opfer um Verzeihung. Gleichzeitig versicherte er, die große Mehrheit der Priester sei 'gesund'. In der Tat betrafen die Berichte über sexuelle Übergriffe nur eine kleine Minderheit der rund 400 Priester des Bistums. Aber das Unheil war bereits angerichtet: der Leser der Westschweizer Zeitungen konnte in den letzten Wochen zeitweise das Gefühl bekommen, es komme hierzulande fast permanent zu sexuellen Übergriffen katholischer Priester. Halali mit tragischen Folgen Noch schlimmer war jedoch, daß durch die Affäre um den Kapuziner, bei dem es sich um einen gravierenden Fall zu handeln scheint (er hat pädophile Übergriffe inzwischen zugegeben, sie dürften allerdings mehrheitlich verjährt sein), andere und anders geartete Fälle ins Rampenlicht gerückt wurden. So war in mehreren Medienberichten von einem Freiburger Priester die Rede, der in seiner Ausbildungszeit eine homosexuelle Liaison mit einem halbwüchsigen Mann hatte, in der Folge vom Bischof nach Neuenburg transferiert wurde und offenbar nicht mehr 'rückfällig' geworden ist. Die Neuenburger Tageszeitung 'Express' veröffentlichte ein Interview mit dem Bischofsvikar und stellte in einem Editorial in Frage, ob ein solcher Priester in einer Pfarrei eingesetzt werden dürfe. Der Betreiber einer Neuenburger Website ging noch einen Schritt weiter und rief auf dem Internet dazu auf, den fraglichen Priester aufzuspüren – was aufgrund der kleinen Zahl der in diesem Kanton tätigen katholischen Geistlichen nicht sehr schwierig war. Und eine Gratiszeitung hievte das zweifelhafte Halali auf ihre Frontseite, was dem Aufruf erst so richtig zur Sichtbarkeit verhalf. Kurz darauf erschoß sich der Priester. Nach diesem tragischen Vorfall wurde es etwas ruhiger um das Thema 'Pädophilie'. Erst in den letzten Tagen scheint das Thema an der Medienbörse wieder eine kleine Hausse zu erleben. Weiße Weste? Schwarze Flecken? Dafür stehen jetzt die Journalisten mehr und mehr unter Beschuß. In der katholischen Hierarchie heißt es, die Medien führten eine eigentliche Kampagne mit dem Ziel, die Kirche, den Klerus und vor allem auch den Pflichtzölibat der Priester schlechtzumachen. Aber auch kirchenkritische Katholiken kritisieren, ein sicherlich ernsthaftes Problem, das von der Kirche zu lang verharmlost worden sei, werde jetzt maßlos aufgebauscht. Da und dort – nicht nur in katholischen Kreisen – ist gar der Vorwurf zu hören, die Medien betrieben eine regelrechte Menschenjagd. Die welschen Journalisten wehren sich gegen diese Vorwürfe. 'Wir machen nur unsere Arbeit', wird argumentiert. Die Medien bekämen zurzeit zahllose anonyme Meldungen über Übergriffe sowie Anrufe von Menschen, die sich als Opfer von Priestern deklarierten, und bei weitem nicht alles würde publik gemacht. Auch werfen die Journalisten den Stein zurück: wenn die Katholische Kirche die Fälle von sexuellem Mißbrauch nicht verharmlost und verheimlicht hätte, so müßten jetzt nicht die Medien für Aufklärung sorgen. Problem Nachahmungseffekt Wer hat recht – die Medien, die sich eine weiße Weste attestieren, oder die Kritiker, die sie rabenschwarzer Intentionen verdächtigen? Die Antwort fällt nicht leicht. Und in Wirklichkeit ist niemand weder ganz weiß noch ganz schwarz. Wer mit den beteiligten Journalisten spricht, bekommt zwar nicht den Eindruck, es werde eine systematische Kampagne betrieben mit dem Ziel, die Katholische Kirche schlechtzumachen und die Priester einem Generalverdacht auszusetzen. Zu Recht verweisen Medienvertreter darauf, daß Fälle von sexuellem Mißbrauch seit einigen Jahren generell ein großes Echo finden. Doch räumen selbstkritische Journalisten durchaus ein, daß man bisweilen allzu sehr auf die Konkurrenz schiele. In der Tat kam es in letzter Zeit vor, daß es an Redaktionssitzungen hieß: 'Weshalb haben wir nichts über pädophile Priester?' Etwas mehr Vorsicht gegenüber diesem Imitationseffekt, der zum Meutensyndrom ausarten kann, hätte gutgetan. Opferperspektive rechtfertigt nicht alles Im übrigen plädieren Medienvertreter zu Recht, die Opferperspektive sei wichtig. Diese kann aber dazu führen, daß andere Prinzipien wie die Unschuldsvermutung oder die Verhältnismäßigkeit in der Berichterstattung zu wenig beachtet werden. Selbst Aussagen von Menschen, die sich als Opfer sexueller Übergriffe sehen, sollten sorgfältig geprüft und mit einer gewissen Zurückhaltung behandelt werden. Der Fall des französischen Dorfs Outreau, in dem Dutzende von Personen der Pädophilie verdächtigt wurden, zwischen ein und drei Jahren im Gefängnis saßen und schließlich freigesprochen wurden, müßte als Mahnmal wirken. Jedenfalls sollten die Journalisten die Gefahr, daß Menschen zu Unrecht verdächtigt und der öffentlichen Ächtung preisgegeben werden, immer im Auge behalten. Im Fall, der uns hier beschäftigt, kann man den welschen Journalisten kaum krasse berufliche Fehler vorwerfen. Indessen hat man den Eindruck, daß unter dem Titel 'Pädophilie' zeitweise sehr unterschiedlich gelagerte Fälle in einen Topf geworfen wurden. Vielleicht hat der Suizid des Neuenburger Priesters inzwischen die welschen Journalisten etwas vorsichtiger und nachdenklicher gemacht. Auch ist zu hoffen, daß das Bistum Freiburg hinzugelernt hat und künftig aus freien Stücken informieren und agieren wird, statt nur zu reagieren und den Medien hinterherzuhecheln." Ein Leser hat unterhalb des NZZ-Artikels im Internet am 18. Februar geschrieben: "Auf mich wirkt die Haltung der Kirche beschämend, glaubt sie doch, Rabatt in der Berichterstattung zu haben.“ Nein, diesen Eindruck sollten Amtsträger der Kirche in der Tat nicht vermitteln, aber dies wird auch zunehmend nicht mehr vermittelt, wie an der oben abgedruckten und sehr gelungenen Passage aus der Erklärung der katholischen Ordinarien der Schweiz herauslesbar ist. Angesichts des Todesfalles des um Jahrzehnte zu spät aufgedeckten Priesters - soferne die Vorwürfe zutreffend sind - erschien in der Berner Tageszeitung "Der Bund" am 11. Februar ein Artikel von Tobias Gafafer mit dem Titel "Blog als medialer Wilder Westen. Die Treibjagd auf einen der Pädophilie verdächtigten Priester im Internet wirft Fragen auf". Er schreibt: "In einem Blog rief ein Westschweizer zur Hetzjad auf einen pädophilen Priester auf. Im Gegensatz zu herkömmlichen Medien gibt es für Blogs fast keine Regeln. Doch auch im Netz gelten die Gesetze. - Was darf ein Privater via Blog an die Öffentlichkeit tragen? Nachdem sich vergangene Woche ein der Pädophilie verdächtigter Freiburger Priester umgebracht hatte, geriet neben der Rolle einiger Medien auch ein Blog ins Zwielicht. Darin hatte ein Westschweizer eine Art Treibjagd zur Aufdeckung der Identität des verdächtigten Priester veranstaltet. Inzwischen ist der Blog nicht mehr zugänglich. In einem Eintrag hatte der Westschweizer die Medienberichterstattung zum Fall aufgenommen und den Faden weitergesponnen: im Detail schilderte er Strategien, um an den Namen des mutmaßlichen Täters unter den 19 im Kanton Neuenburg beschäftigten Priestern zu kommen. Der Katholischen Kirche nahestehende Kreise sprachen von einem 'Haß-Blog', und Angehörige des toten Kirchenmannes machten ein Recht auf Vergessen geltend - die pädophile Tat liege bereits mehr als 20 Jahre zurück. Hemmungsloses Schreiben Der Fall wirft grundsätzliche Fragen auf. Im Unterschied zu Print- und elektronischen Medien gibt es für die Betreiber von Blogs praktisch keine Regeln. Einen Blog kann jeder betreiben, ob anonym oder mit Impressum - die Informationen sind öffentlich, und Kontrollen gibt es kaum ... 'Oft verhalten sich Blogger so, als wären ihre Einträge privat', sagt der Medienrechtler und Anwalt Urs Saxer. Das sei problematisch. Denn oft schreiben Blogger hemmungslos oder manchmal sogar diffamierend. Doch auch im virtuellen Netz gelten die Grundsätze des Persönlichkeitsschutzes. 'Wenn öffentlich kommuniziert wird, gilt das Zivil- und Strafgesetz', sagt Saxer. In der Rechtsprechung sind Blogs - ein relativ junges Phänomen - nach wie vor Neuland: laut Saxer gibt es noch kaum Urteile. Während eine Tageszeitung zum Beispiel für die Publikation von ehrverletzenden Leserbriefen haftet, bleibt bei Blogs diese Frage offen. Jenseits nationaler Grenzen Das Internet macht nicht vor nationalen Grenzen und Gesetzen halt. Dies führt zu Problemen: das Blogger-Portal des Westschweizers gehört zum Beispiel der amerikanischen Firma Google. Dennoch gelte Schweizer Recht, sagt Urs Saxer - eine Privatperson könnte Google somit hierzulande einklagen; faktisch kann ein Kläger vom Betreiber in erster Linie verlangen, bestimmte Inhalte aus dem Internet zu entfernen. Denn die Weiterverbreitung von persönlichkeitsschädigenden Inhalten mache den Betreiber oft mitverantwortlich, sagt Saxer - egal ob anonym oder mit Namen. Hohe rechtliche Hürden Damit der Eigentümer eines Blogs die Daten eines anonymen Schreibers herausrückt, braucht es eine Gerichtsklage. Ende November 2007 gab zum Beispiel die Firma Google Daten eines anonymen Bloggers an ein israelisches Gericht weiter, nachdem drei israelische Bürger dort eine Klage gegen die Verletzung ihrer Persönlichkeit eingereicht hatten. Die Hürden dafür sind jedoch hoch. Beim Bundesamt für Justiz in Bern ist die Problematik erkannt. 'Im Internet ist es schwierig, die Urheber von rechtswidrigen Inhalten zu lokalisieren', sagt Ernst Gnägi, der Leiter des Fachbereichs Internationales Strafrecht. Im vorliegenden Fall hatte nun der Westschweizer Blogger aber seinen Namen ins Internet gestellt. Ein nicht anonymer Blog sei eine Publikation wie jede andere, sagt Gnägi. Wer sich dabei strafbar mache, für den gelte primär der Tatort als Gerichtsstand - in diesem Fall Neuenburg. Eigene Spielregeln Beim Bloggen gibt es nur wenige Spielregeln - und diese setzen sich die Schreibenden meist gleich selber. Längst nicht alle verwenden dabei ein Impressum. Während rund zwei Jahren beobachtete zum Beispiel der 'Pendlerblog' unter den Pseudonymen 'der unmündige Leser' und 'Hund Basil' bis 2006 die inhaltlichen und gestalterischen Leistungen der Gratiszeitung '20 Minuten' aus kritischer Warte. Dabei legten die anonymen Betreiber ihre eigene Standards, indem sie die Verantwortung selber wahrnahmen: 'Wir kritisierten nur allgemein die Inhalte des Gratisblattes und nannten die Betroffenen nie mit Namen.' Medien als Verstärker Doch nicht alle Blogger setzen die gleichen Maßstäbe. Wenn nun herkömmliche Medien Themen aus Blogs aufgreifen, kann deren Wirkung zusätzlich verstärkt werden. Der Westschweizer Blogger lancierte seinen Aufruf zur Identifizierung des Priesters, nachdem er in der Tagespresse Eckdaten zu dessen Person erfahren hatte. 'Blogger sind keine Journalisten', warnt Dominique von Burg, der Präsident des Presserats, dem Selbstregulierungsorgan der Schweizer Medien. Denn es gebe keine Kontrollen, was problematisch sei - ein Blogeintrag muß nicht durch den Filter einer Redaktion. Einige Tage nachdem der Blogger seinen Aufruf im Internet lanciert hatte, berichtete die Gratiszeitung 'Le Matin Bleu' darüber und verschaffte ihm damit zusätzliche Aufmerksamkeit. 'Unzumutbar und skandalös' Von Burg, der selber als Journalist bei der 'Tribune de Genève' arbeitet, erachtet die Übernahme von nicht überprüften Informationen aus Blogs durch Medien als problematisch. Der Presserat klärt nun ab, ob Grundsätze der Medienarbeit verletzt worden seien. Dabei geht es nicht zuletzt um das Recht auf Vergessen. Von Burg erachtet die Publikation im vorliegenden Fall indes als legitim, denn 'Le Matin Bleu' habe nur einen Artikel über den Aufruf in besagtem Blog gebracht. Die Art des Anprangerns im Blog an sich sei aber 'unzumutbar und skandalös'." Selbstverständlich dient die in jedem Rechtssystem für viele Straftaten und später auch für Schadensersatzleistungen vorgesehene Verjährung der Rechtssicherheit, und von daher kann auch ein sogenanntes "Recht auf Vergessen" konstruiert werden. Aber gravierende Straftaten können einem solchen "Recht auf Vergessen" sicher nicht unterworfen werden, selbst wenn Verjährungsfristen in einigen Gesetzgebungen schon gelaufen wären. (Man denke nur an den abseits jeglicher katholisch-kirchlichen Verwurzelung auf der britischen Kanalinsel Jersey viel zu spät aufgeflogenen schrecklichen Fall des ehemaligen Kinderheimes "Haut de la Garenne". In der großangelegten Ermittlung zum dortigen Kindesmißbrauch sagten bisher mehr als 160 Opfer aus, die Fälle reichen teils bis zu 40 Jahre zurück. Allein seit dem Leichenfund gingen mehr als 70 Anrufe bei der Polizei ein, sogar aus Australien und Thailand. Die Polizei untersucht zudem eine Liste von Kindern, die auf unerklärliche Weise verschwanden. Jerseys Vizepolizeichef Lenny Harper sagte, einige der Funde in den geheimen Kellerräumen bestätigten die Aussagen. Ehemalige Bewohner des Heims sagten aus, sie seien in einem dunklen Ort eingesperrt, unter Drogen gesetzt und systematisch mißbraucht worden.) Das Leben der Opfer sexuellen Mißbrauchs kann derart stark gestört werden, daß sie ihre (sexuelle) Identität überhaupt nicht oder zu spät erkennen. Die Nachwirkungen können das ganze Leben beeinflussen. Es kann daher keinerlei Zwangsknebelung für die Medien und auch nicht für Blogbücher geben, wiewohl alle an das allgemeine Naturrecht gebunden sind, und hier gilt es, erstens moralische Gewißheit über geschehene Widersittlichkeiten zu haben und zweitens das Interesse der Opfer eines Mißbrauchs auch wirklich zu vertreten bzw. dem Gemeinwohl der durch den Mißbrauch in ihrer Glaubwürdigkeit geschädigten Institution maßgeblich zu dienen. Ich erinnere neuerlich daran, daß der päpstliche Hausprediger P. Raniero Cantalamessa einen Bußtag zur Solidarität mit den Opfern pädophiler Priester vorgeschlagen hat. Daß ein wegen Kindesmißbrauchs vorbestrafter Regensburger Diözesanpriester ohne Wissen der Behörden und Eltern jahrelang an einer Grundschule unterrichtete, nannte ein bayerischer Kultusbeamte einen "Einzelfall", der allerdings "inakzeptabel" sei. Staatlicherseits würden Lehrkräfte bei Bekanntwerden von Übergriffen umgehend aus dem Schuldienst entfernt. Das bayerische Kultusministerium war davon ausgegangen, daß die Kirche für ihr Personal dieselben Grundsätze anwenden würde, und in der Tat kann man davon in Zukunft ausgehen. Der einschlägig vorbestrafte Priester des Bistums Regensburg muß sich in Kürze wegen eines wiederholten Kindesmißbrauchs vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft erhob in dem bundesweit bekannt gewordenen "Fall RIekofen" Anklage. Der 40jährige Geistliche wird beschuldigt, sich zwischen 2004 und 2006 insgesamt 22 Mal an einem Minderjährigen vergriffen zu haben. Als Wiederholungstäter drohen ihm bis zu 15 Jahren Haft. Offenbar wird man dem Opfer selbst eine weitere Aussage ersparen. Der beschuldigte Priester habe sich inzwischen bei Diözesanbischof Prof. Dr. Gerhard Ludwig Müller entschuldigt, und sein Rechtsanwalt kündigte ein umfassendes Geständnis an. Sein Mandant wolle den entstandenen Schaden so weit wie möglich wiedergutmachen. Dies deutet auf einen kürzeren Prozeß hin, an dessen Ende der Angeklagte möglicherweise in eine geschlossene psychiatrische Anstalt eingewiesen werden könnte. Ohne therapeutische Maßnahmen gehe von ihm eine erhebliche Wiederholungsgefahr aus, so jedenfalls die Staatsanwälte. Offenbar geht ein psychiatrisches Gutachten zudem von einer stark verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten aus. Diesbezüglich ist J. Hoyer/H. Kunst/Ph. Hammelstein, Sexualstraftäter: krank oder kriminell. In: Report Psychologie (32) 11-12/2007, auf den Seiten 497 - 508 von Interesse, wenn ich auch manchen der dort vertretenen Thesen nicht folgen kann. Die genannte Arbeit will einseitigen Positionen bei der Bewertung von Sexualstraftaten entgegenwirken. Auf der Grundlage der wissenschaftlichen Literatur wird gezeigt, daß in aller Regel psychopathologische und kriminogene Faktoren für die Erklärung von Sexualstrafstaten bedeutsam seien. Die Behandlung solle daher - so die Autoren - interdisziplinär sein und eine umfassende Psychodiagnostik einschließen. Die von den Autoren unkritisch übernommene "in den letzten Jahrzehnten veränderte Haltung zur Homosexualität" kann jedoch für den vom gesunden und am Naturrecht so wie am menschlichen Naturgesetz ausgerichteten Hausverstand keinesfalls akzeptiert werden. So wird im Beitrag die Homosexualität als solche offenbar weder als Paraphilie noch als Präferenzstörung angesehen, obschon wir dabei in der kirchlichen Gerichtsbarkeit von einem psychischen Ehenichtigkeitsgrund ausgehen müssen. Richtig geht der Beitrag davon aus, daß die meisten Männer abweichende sexuelle Impulse hemmen bzw. kontrollieren können. "Die meisten Sexualstraftäter begehen ihre Taten aus einem Gemisch von Motiven und Faktoren heraus. Es muß in jedem einzelnen Fall analysiert werden, welche Motivation hinter einer Tat stand." Viele Sexualstraftäter zeigen nicht nur kriminelles Verhalten, sondern erfüllen auch die Kriterien einer psychischen Störung, wobei dies in der Minderzahl der Fälle sexuelle Präferenzstörungen sein sollen. Die Frage ist jedoch, ob die Autoren mit ihren weiteren Ergebnissen richtig liegen: "Sie weisen meistens Ansatzpunkte für eine Behandlung auf, die sich auf die kriminogenen und/oder die psychopathologischen Risikofaktoren beziehen kann - sind also behandelbar. - Bei einer sehr kleinen Gruppe ist das Rückfallrisiko zu groß und keine ausreichende Selbststeuerung zu erwarten, sodaß eine Entlassungschance nicht realistisch und eine (psychotherapeutische) Behandlung damit nicht ausreichend begründbar ist (Jöckel, 2004.)" Die Kirche jedoch muß hier noch strengere Maßstäbe anlegen, was sich in den rechtlichen Leitlinien der verschiedenen katholischen Bischofskonferenzen und Diözesen nunmehr klar zeigt. Die dauernde Behandlung des nunmehr allgemein thematisierten sexuellen Mißbrauches Minderjähriger darf jedoch keinesfalls vom fortlaufenden skandalös-schrecklichen Alltag der Abtreibungen unzähliger unschuldiger Menschenwesen und des Verbrauches unschuldiger Embryonen für Forschungszwecke und angeblich therapeutische Maßnahmen ablenken. Sämtliche nach dem allgemeinen Naturrecht vorliegenden Verbrechen an ungeborenen und geborenen Kindern sind in radikaler Offenheit aufzuzeigen, und der strafrechtliche Schutz für das Leben der ungeborenen und geborenen Kinder (von der Empfängnis an, nicht erst von der Einnistung in der Gebärmutter an) muß sich in Europa noch sehr verbessern. Wir alle aber wollen inmitten der Fastenzeit Schritte der konkreten Umkehr setzen, mit den drei Klassikern dieser geprägten Zeit des Kirchenjahres: mehr oder besser beten, mehr oder besser fasten, mehr Almosen geben. In den gestrigen "Salzburger Nachrichten" hat Anja Kröll in ihrem Beitrag "Die Vergebung kommt per Mausklick" auch an das heilige Sakrament der Buße erinnert, das mit dem ganz persönlichen Sündenbekenntnis verbunden ist (per Internet gibt es nur Vorbereitung auf die Beichte). Einmal im Jahr wird dieses ehrliche Bekenntnis von der Kirche für alle Katholiken vorgesehen. Auch auf mein Internetangebot ist die Journalistin gestoßen: "Auf www.padre.at klärt Pytlik Interessierte über die Beichte auf. 'Ich will Gläubigen eine seriöse Auskunft über die Buße erteilen, sie darauf vorbereiten und junge Gläubige zurückgewinnen', sagt der in Bayern tätige Priester. Die Idee dafür entstand während eines Aufenthalts in Zypern: 'Da haben so viele Leute im Internetcafe gesurft, daß ich mir gedacht habe, davon könnte doch auch die Kirche profitieren.'" Der Diözesanbischof von Eichstätt, Dr. Gregor Maria Hanke OSB, hat es in seinem Hirtenwort zur Österlichen Bußzeit so formuliert: "Leben benötigt mehr als materielle Absicherung und gut bewältigte psychologische Erfahrungen. Wer Heilung und Heil für sein Leben sucht, sollte tiefer gehen ... Wenn sich unsere Pfarreien, unsere kirchlichen Verbände und Gruppen als geistliche Gemeinschaften verstehen wollen, kommen wir ohne die regelmäßige Einzelbeichte nicht aus. Geistliches Leben ist ein von Gott immer wieder geheiltes Leben. Denken wir an die Müllberge in Neapel. Kleine Ursachen - große Wirkungen. Sollten wir nicht auch regelmäßig unseren inneren Unrat abtragen und bei Gott Heilung suchen? Entdecken wir das Wesen der Beichte neu: Es ist der auferstandene Herr, der uns in der Beichte gegenübersteht." Dem schließe ich mich an als Euer Padre Alex - Kirchenrektor Dr. Alexander Pytlik |
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