Friday, March 27. 2009
STICHWORT UNEINSICHTIGKEIT: ... Posted by Padre Alex / Dr. Alexander Pytlik
in Kirchenrecht, News Kommentare, Skandal St. Pölten at
21:00
Comments (0) Trackbacks (2) STICHWORT UNEINSICHTIGKEIT: SCHLAGLICHTER AUS ST. PÖLTEN UND WÜRZBURG
Auf der Internetseite des katholischen Bistums St. Pölten (Österreich) war heute im Gefolge der Apostolischen Visitation des Jahres 2004 und der vom Papst bestätigten Maßnahmen des regierenden Diözesanbischofs Dr. Dr. Klaus Küng folgende aktuelle Meldung unter dem Titel "Grünes Licht für Neustart Kollegiatkirche Eisgarn" nachzulesen:
"Die Pressestelle der Diözese St. Pölten teilt mit, daß Bischof Küng einen Neustart der Kollegiatkirche Eisgarn beschlossen hat. Voraussetzung dafür war, daß Prälat K. als Propst zurücktritt und bis auf weiteres Eisgarn verläßt. Er bleibt de iure Kanonikus des Stiftes - auch wenn er sich nicht mehr dort aufhalten wird - und hat die Stellung eines emeritierten Propstes. Als Priester der Diözese St. Pölten tritt er in den Ruhestand. Die Dekrete, die Diözesanbischof Klaus Küng nach Abschluß der Voruntersuchungen des kirchenrechtlichen Verfahrens im Zusammenhang mit den Vorkommnissen im Priesterseminar St. Pölten erlassen hat, wurden bekanntlich vom Heiligen Stuhl vollinhaltlich bestätigt. Die Kanoniker des Kollegiatstiftes Eisgarn werden nach dem 1. April dieses Jahres einen neuen Propst wählen, der der Bestätigung des Diözesanbischofs bedarf. Die Statuten der Kollegiatkirche werden entsprechend der bereits unterzeichneten Vereinbarung einige Veränderungen erfahren, vor allem wird die Kollegiatkirche so wie alle Pfarren und diözesanen Einrichtungen Rechnung legen und vor den Kontrollinstanzen der Diözese rechenschaftspflichtig sein. Bischof Küng hat der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß dieser Versuch einer Neubelebung des Stiftes Eisgarn für die seelsorglichen Bedürfnisse der Region wertvoll sein wird. Er hält auch eine Wiederaufnahme der kulturellen Tätigkeiten, die in den letzten Jahren in den Stiftsgebäuden veranstaltet wurden, für durchaus wünschenswert, sofern sie mit den Zielsetzungen der Kollegiatkirche im Einklang stehen. Falls aber die in den Statuten der Kollegiatkirche vorgesehenen Zielsetzungen nicht erreicht werden können, wird es zu einer Umwandlung der Kollegiatkirche in eine Realpropstei (wie vor dem Jahr 2000) kommen." (= Wirtschaftsinstitut des Propstes ohne Kanoniker-Mitglieder). Damit hat Bischof Klaus Küng nach dem Fall R. (vgl. dessen laufenden Bemühungen, beispielsweise über einen "Dominus-Verlag", über ein "Forum Katholische Theologie" oder über "Theologisches" usw. in sogenannt "konservativ-traditionalistische" Kreise einzuwandern, um damit die St. Pöltner Vorfälle und seine frühere karrierebezogene Distanz zur älteren lateinischen Liturgie vergessen zu machen) und auch den Fall K. in jene Bahnen gelenkt, die sich nach den übereinstimmenden Ergebnissen sämtlicher kirchlicher und staatlicher Untersuchungen und nach der Bestätigung der dementsprechenden Disziplinarmaßnahmen desselben Bischofs durch Seine Heiligkeit Papst Benedikt XVI. als notwendig und heilbringend herausgestellt hatten. Aufgrund des angenommenen Rücktrittes des genannten Prälaten K. vom Amt eines Propstes und seines offenbar zeitweiligen Wegzuges von Eisgarn wird auch davon auszugehen sein, daß somit die über ihn (wie über den ehemaligen Subregens zeitweilig) verhängte Suspension aufgehoben ist. Es gibt auch eine klare geistliche Zielsetzung für das Weiterbestehen einer Priestergemeinschaft in Eisgarn, und wenn diese nicht erreicht wird, so ist bereits die Konsequenz ausgesprochen, daß dieselbe Priestergemeinschaft aufgelöst würde und lediglich eine "Realpropstei" verbliebe. Als durchaus interessant kann in diesem Zusammenhang auch die Frage gelten, wer nun aktuell überhaupt rechtmäßig Kanonikus der nicht mehr ruhend, sondern wieder aktiv gestellten Propstei im Sinne eines Kollegiatkapitels ist. Im Gmündner Bezirksblatt vom 25. März ist die Rede vom selben Prälat K., von Mag. Andreas Lango und von Mag. StR Hubert Beyer. Nicht genannt wird jedoch R., der auf seinen früheren Internetseiten auf seine Stellung als Kanoniker hingewiesen hatte. Aus demselben Bericht geht auch klar hervor, daß die Ruhendstellung per 1. April 2009 offiziell aufgehoben sei, sodaß logischerweise auch das Amt eines Propstes seit Dezember 2004 durchgängig ruhend gestellt war. Es wäre allerdings zu hoffen gewesen, daß sich aus der heutigen Presseaussendung des Bistums St. Pölten auch herauslesen ließe, Prälat K. habe seine Haltung der Uneinsichtigkeit betreffend die vom Heiligen Stuhl überprüften Untersuchungsergebnisse des damaligen Päpstlichen Visitators und bis heute regierenden St. Pöltner Diözesanbischofs Dr. Dr. Klaus Küng aufgegeben. Es ging ja beim Fall St. Pölten nicht nur um konkrete, keinem katholischen Priester oder gar Priesterausbildner zustehenden homosexuell wirkenden Verhaltensweisen, sondern vor allem auch um die Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit, welche von katholischen Klerikern an erster Stelle zu erwarten wären. Doch schon am 25. März war im Gmündner Bezirksblatt ein Auszug aus einem Schreiben des nunmehr emeritierten Propstes erschienen, der leider auf dessen fortgesetzte Uneinsichtigkeit schließen läßt: "Mit Wirksamkeit vom 1. April 2009 trete ich von meinem Amt als Propst des Stiftes Eisgarn zurück und bleibe in Zukunft einfacher Kanonikus des Stiftes, behalte jedoch den Titel 'Propst' bei. Mein Rücktritt erfolgt, um das Stift Eisgarn zu retten. Es wäre sonst laut einer am 8. März 2009 abgegebenen Erklärung Seiner Exzellenz Klaus Küng nach fast 700 Jahren Bestand in der jetzigen Form aufgehoben worden. Mein Rücktritt erfolgt nicht, weil ich mir etwas zuschuldenkommen ließ. Die diesbezüglichen Behauptungen mancher Medien sind wahrheitswidrig." Hier wird man den kirchenrechtlich vorbestraften Herrn Prälaten daran erinnern müssen, daß es neben rechtskräftigen staatlichen Medienurteilen, welche seine Rolle im St. Pöltener Skandal ausreichend beleuchten und in deren Vorfeld dem österreichischen Magazin "profil" aufgrund der Zeugen und Beweise der Wahrheitsbeweis im Kern gelungen war, es auch die Bestätigung der den Untersuchungsergebnissen angemessenen Maßnahmen des zuständigen Ortsbischofs durch den Heiligen Stuhl gibt. Im übrigen ist die undifferenzierte Argumentation mit "700 Jahren Bestand" nicht akzeptabel. Die Haltung des emeritierten Propstes muß daher kritisiert werden. Als noch schlimmer muß die Uneinsichtigkeit in einem ganz anderen Klerikerfall - im Bistum Würzburg - bewertet werden. Dabei ging es erstens nicht um offenbar freiwillige homosexuelle Kontakte zwischen Priesterausbildner und (einem diesem anvertrauten) Seminaristen, sondern um Kindesmißbrauch. Und zweitens kristallisierte sich eine besonders hartnäckige Uneinsichtigkeit bei dem bereits staatlich verurteilten Priester heraus, welche - und hier haben wir durchaus eine tragische Analogie zum ganzen Fall St. Pölten und zu mit diesem verbundenen absurden literarischen Produkten - von bestimmten Sympathisanten(gruppen) gefördert wurde. In vorbildhafter Weise handelte in Würzburg der zuständige Diözesanbischof, und die Erklärung seines Generalvikars übernehme ich hiermit von der Internetseite des Bistums Würzburg: "Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand gab am 24. März 2009 eine Erklärung zur Suspendierung von Wolfdieter Weiß ab. Bischof Dr. Friedhelm Hofmann hat heute (24. März 2009) Herrn Wolfdieter Weiß, bisher Pfarrer im Ruhestand, mit sofortiger Wirkung vom priesterlichen Dienst suspendiert. Damit ist es Weiß untersagt, irgendwelche Amtshandlungen vorzunehmen, die mit der Priesterweihe verbunden sind. Außerdem werden seine Ruhestandsbezüge um 20 Prozent gekürzt. Für diese Maßnahmen gibt es folgende Begründung: Wolfdieter Weiß hat sich während all der Jahre seit seiner rechtskräftigen Verurteilung im Juli 2000 wegen sexuellen Mißbrauchs in sieben Fällen an drei Minderjährigen uneinsichtig gezeigt. Er hat diese Haltung auch nach der Bestätigung des Urteils durch den Bundesgerichtshof im Mai 2001 nicht aufgegeben. Nachdem die Diözese Würzburg in strikter Befolgung der Auflagen aus dem Coburger Urteil zunächst versucht hatte, eine Tätigkeit zu finden, die ihn nicht mehr mit Kindern und Jugendlichen hätte in Kontakt bringen können, sind diese Bemühungen letztendlich am Widerstand von Herrn Weiß gescheitert. Deshalb wurde er im April 2002 in den zwangsweisen Ruhestand versetzt, der mit einem Zelebrationsverbot verbunden war. Im Dezember 2002 wurde auch der innerkirchliche Einspruch, den Herr Weiß gegen die Diözese Würzburg in Rom erhoben hatte, von der Glaubenskongregation verworfen. Nun ist durch den Umstand, daß zwei Männer im Auftrag von Wolfdieter Weiß kürzlich die Familien der damaligen Opfer aufgesucht haben, um sie zur Rücknahme der im Coburger Verfahren gemachten Aussagen zu bewegen, nochmals eine veränderte Situation entstanden. Die betroffenen Familien fühlten sich durch dieses Agieren so massiv unter Druck gesetzt, daß die Verletzungen der Vergangenheit wieder aufgebrochen und neue Traumatisierungen entstanden sind. Dadurch ist ein neuer, schwerwiegender und schuldhafter Tatbestand geschaffen worden, der die jetzt getroffene Maßnahme erforderlich gemacht hat. Die Diözese drückt gleichzeitig den drei betroffenen Familien ihr Bedauern aus und verurteilt nochmals auf das Schärfste das Verhalten von Herrn Weiß. In einem offenen Brief an mich als Generalvikar der Diözese hat der Vater eines der damals betroffenen Kinder, Fragen gestellt bzw. Vorwürfe erhoben. Auch wenn ich noch persönlich antworten werde, möchte ich jetzt schon folgendes bemerken: + Einmal wird gefragt, weshalb Herr Weiß nicht sofort nach dem Coburger Urteil exkommuniziert wurde - so seine Wortwahl. Dazu ist zu bemerken, daß die Bistumsleitung sich einerseits an die vom Gericht gemachten Auflagen bei der Verhängung der zweijährigen Bewährungsstrafe gehalten hat und zum anderen damals bei Wolfdieter Weiß auf Einsicht hoffte. Als dieser sich jedoch dauernd resistent zeigte, wurde die Zwangspensionierung mit Zelebrationsverbot verfügt. Da eine formelle Exkommunikation hauptsächlich Fragen der Glaubenslehre betrifft, waren dafür die kirchenrechtlichen Voraussetzungen nicht gegeben. Durch die nun erfolgte Suspendierung ist Herr Weiß jedoch de facto in den Laienstand versetzt und kann nicht mehr als Priester tätig sein. + Weiterhin wurde dem Bistum vorgeworfen, es habe Wolfdieter Weiß anläßlich seines 40. Priesterjubiläums im Jahr 2006 gewürdigt und dabei seine Vorstrafe verschwiegen. Dazu ist zu bemerken, daß die angebliche Würdigung in unserem Pressedienst in Wirklichkeit eine bloße Aufzählung von Einsatzorten war, die bewußt ohne jede kommentierende Wertung erfolgte. Daß das Nichterwähnen seiner Vorstrafe korrekt war, hat zudem eine kürzlich erfolgte Stellungnahme des Bayerischen Journalistenverbandes bestätigt, derzufolge Vorstrafen nach Ablauf der Bewährungsfrist ohne erneuten konkreten Anlaß gar nicht erwähnt werden dürfen. Ein solcher Anlaß war 2006 nicht gegeben. + Schließlich wird der Vorwurf erhoben, die Diözese hätte die betroffenen Familien vor den Absichten von Herrn Weiß warnen müssen, erneut an die damaligen Opfer und ihre Familien heranzutreten. Dazu kann ich nur sagen, daß diese Absichten auch der Bistumsleitung nicht bekannt waren. Herr Weiß hat zwar in einem Brief vom 2. Februar 2009 zum wiederholten Mal seine bekannten Standpunkte einschließlich der von ihm entwickelten Verschwörungstheorie dargelegt und dabei auch seine schon früher mehrmals geäußerte Absicht mitgeteilt, um eine Wiederaufnahme des Verfahrens beim Bundesverfassungsgericht zu kämpfen. Daß er sich in seinem Bestreben jedoch dazu versteigen würde, in dieser unerträglichen Weise seine Opfer und ihre Familien nach all den Jahren wieder zu belästigen, war für uns genauso wenig vorhersehbar wie für jene Medien, denen Herr Weiß seinen Brief (ohne unser Wissen) ebenfalls zur Verfügung gestellt hatte. Eine vorherige Warnung war deshalb unmöglich, so sehr ich das Leid bedaure, das den betroffenen Familien erneut zugefügt wurde. Heute nun hat Herr Weiß im Gespräch mit Bischof, Generalvikar, Personalreferent und Justitiar eingeräumt, daß zwei Familien auf seine Veranlassung hin von zwei Privatdetektiven aufgesucht wurden. Bei der dritten Familie war er sich nicht sicher, ob dies schon geschehen ist. Ich sehe es als meine Pflicht an und habe es Herrn Weiß gegenüber auch so betont, diese Familie, deren Wohnsitz wir nicht kennen, hier und jetzt vor der möglichen Aktion öffentlich zu warnen. Mit einer persönlichen Bemerkung möchte ich diese Erklärung abschließen. Was mich in dieser schlimmen Angelegenheit zusätzlich belastet, ist der Umstand, daß Wolfdieter Weiß bis heute durch eine Gruppe von Sympathisanten unterstützt wird - bestehend aus einigen Priestern, Ordensleuten und Laien -, die ihn in seiner Uneinsichtigkeit noch bestärken. Diesem Personenkreis gebe ich eine gewisse Mitschuld an der Entwicklung der Dinge. Ich kann mich nur nochmals im Namen des Bischofs und des Bistums bei den Betroffenen entschuldigen und hoffen, daß sich die neuerlich entstandenen Verletzungen überwinden lassen. Die Diözese Würzburg ist dabei, wie es bereits vor acht Jahren geschehen ist, zur Mithilfe bereit." Angesichts der Fälle sexuellen Mißbrauchs und pervers ausgerichteter Sexualität sowie ärgernishaft zelebrierter Uneinsichtigkeit (und zum Teil sogar Rachsucht) bei denselben Klerikern ausgerechnet in solchen und ähnlichen Sachlagen ist das von Seiner Heiligkeit Papst Benedikt XVI. anläßlich des 150. Todestages des heiligen Pfarrers von Ars vorgesehene Priester-Jahr (vom 19. Juni 2009 bis zum 19. Juni 2010) von erhöhter Wichtigkeit. Der Papst wird dieses Priester-Jahr mit einer feierlichen Vesper am 19. Juni, am Vorabend des Herz-Jesu-Hochfestes, eröffnen, und es soll am 19. Juni 2010 mit einem großen Priestertreffen am Petersplatz in Rom feierlich beendet werden. Es geht dabei auch um die Rückgewinnung an verlorengegangener Glaubwürdigkeit des katholischen Klerus im ganzen und auch des jeweiligen einzelnen Priesters. Priestergemeinschaften - wie immer sie auch rechtlich errichtet sind - dürfen nicht Vorschub sein für das versteckte Ausleben naturwidriger Formen menschlicher Sexualität, sondern müssen aktive geistliche und zutiefst menschlich-tugendhafte Gemeinschaften mit zeugnishafter Ausstrahlung sein. Und dafür wollen wir besonders in der kommenden Passionszeit beten! Euer Padre Alex - Vizeoffizial Dr. Alexander Pytlik Wednesday, March 11. 2009
SENSATIONELLER BRIEF DES HEILIGEN ... Posted by Padre Alex / Dr. Alexander Pytlik
in Aktuelle Predigt, Katholische Lehre, Kirchenrecht at
15:13
Comments (24) Trackbacks (6) SENSATIONELLER BRIEF DES HEILIGEN VATERS BENEDIKT XVI. AN DIE BISCHÖFE ZUM VATIKANUM II UND ZUR PRIESTERBRUDERSCHAFT
Morgen wird der Heilige Stuhl einen sehr wichtigen Brief des Heiligen Vaters Papst Benedikt XVI. vorstellen und offiziell veröffentlichen. Dank italienischer und anderer Quellen ist der Text (ähnlich wie bei einem anderen wichtigen Schreiben vom 4. November 2005) bereits bekannt und wird meinerseits vom zuverlässigen Nachrichtenportal kath.net in großer Freude übernommen (Hervorhebungen und Verlinkungen von mir):
Liebe Mitbrüder im bischöflichen Dienst! Die Aufhebung der Exkommunikation für die vier von Erzbischof Lefebvre im Jahr 1988 ohne Mandat des Heiligen Stuhls geweihten Bischöfe hat innerhalb und außerhalb der Katholischen Kirche aus vielfältigen Gründen zu einer Auseinandersetzung von einer Heftigkeit geführt, wie wir sie seit langem nicht mehr erlebt haben. Viele Bischöfe fühlten sich ratlos vor einem Ereignis, das unerwartet gekommen und kaum positiv in die Fragen und Aufgaben der Kirche von heute einzuordnen war. Auch wenn viele Hirten und Gläubige den Versöhnungswillen des Papstes grundsätzlich positiv zu werten bereit waren, so stand dagegen doch die Frage nach der Angemessenheit einer solchen Gebärde angesichts der wirklichen Dringlichkeiten gläubigen Lebens in unserer Zeit. Verschiedene Gruppierungen hingegen beschuldigten den Papst ganz offen, hinter das Konzil zurückgehen zu wollen: eine Lawine von Protesten setzte sich in Bewegung, deren Bitterkeit Verletzungen sichtbar machte, die über den Augenblick hinausreichen. So fühle ich mich gedrängt, an Euch, liebe Mitbrüder, ein klärendes Wort zu richten, das helfen soll, die Absichten zu verstehen, die mich und die zuständigen Organe des Heiligen Stuhls bei diesem Schritt geleitet haben. Ich hoffe, auf diese Weise zum Frieden in der Kirche beizutragen. Eine für mich nicht vorhersehbare Panne bestand darin, daß die Aufhebung der Exkommunikation überlagert wurde von dem Fall Williamson. Der leise Gestus der Barmherzigkeit gegenüber vier gültig, aber nicht rechtmäßig geweihten Bischöfen erschien plötzlich als etwas ganz anderes: als Absage an die christlichjüdische Versöhnung, als Rücknahme dessen, was das Konzil in dieser Sache zum Weg der Kirche erklärt hat. Aus einer Einladung zur Versöhnung mit einer sich abspaltenden kirchlichen Gruppe war auf diese Weise das Umgekehrte geworden: ein scheinbarer Rückweg hinter alle Schritte der Versöhnung von Christen und Juden, die seit dem Konzil gegangen wurden und die mitzugehen und weiterzubringen von Anfang an ein Ziel meiner theologischen Arbeit gewesen war. Daß diese Überlagerung zweier gegensätzlicher Vorgänge eingetreten ist und den Frieden zwischen Christen und Juden wie auch den Frieden in der Kirche für einen Augenblick gestört hat, kann ich nur zutiefst bedauern. Ich höre, daß aufmerksames Verfolgen der im Internet zugänglichen Nachrichten es ermöglicht hätte, rechtzeitig von dem Problem Kenntnis zu erhalten. Ich lerne daraus, daß wir beim Heiligen Stuhl auf diese Nachrichtenquelle in Zukunft aufmerksamer achten müssen. Betrübt hat mich, daß auch Katholiken, die es eigentlich besser wissen konnten, mit sprungbereiter Feindseligkeit auf mich einschlagen zu müssen glaubten. Um so mehr danke ich den jüdischen Freunden, die geholfen haben, das Mißverständnis schnell aus der Welt zu schaffen und die Atmosphäre der Freundschaft und des Vertrauens wiederherzustellen, die - wie zur Zeit von Papst Johannes Paul II. - auch während der ganzen Zeit meines Pontifikats bestanden hatte und gottlob weiter besteht. Eine weitere Panne, die ich ehrlich bedaure, besteht darin, daß Grenze und Reichweite der Maßnahme vom 21. Januar 2009 bei der Veröffentlichung des Vorgangs nicht klar genug dargestellt worden sind. Die Exkommunikation trifft Personen, nicht Institutionen. Bischofsweihe ohne päpstlichen Auftrag bedeutet die Gefahr eines Schismas, weil sie die Einheit des Bischofskollegiums mit dem Papst in Frage stellt. Die Kirche muß deshalb mit der härtesten Strafe, der Exkommunikation, reagieren, und zwar, um die so Bestraften zur Reue und in die Einheit zurückzurufen. 20 Jahre nach den Weihen ist dieses Ziel leider noch immer nicht erreicht worden. Die Rücknahme der Exkommunikation dient dem gleichen Ziel wie die Strafe selbst: noch einmal die vier Bischöfe zur Rückkehr einzuladen. Diese Geste war möglich, nachdem die Betroffenen ihre grundsätzliche Anerkennung des Papstes und seiner Hirtengewalt ausgesprochen hatten, wenn auch mit Vorbehalten, was den Gehorsam gegen seine Lehrautorität und gegen die des Konzils betrifft. Damit komme ich zur Unterscheidung von Person und Institution zurück. Die Lösung der Exkommunikation war eine Maßnahme im Bereich der kirchlichen Disziplin: die Personen wurden von der Gewissenslast der schwersten Kirchenstrafe befreit. Von dieser disziplinären Ebene ist der doktrinelle Bereich zu unterscheiden. Daß die Bruderschaft Pius' X. keine kanonische Stellung in der Kirche hat, beruht nicht eigentlich auf disziplinären, sondern auf doktrinellen Gründen. Solange die Bruderschaft keine kanonische Stellung in der Kirche hat, solange üben auch ihre Amtsträger keine rechtmäßigen Ämter in der Kirche aus. Es ist also zu unterscheiden zwischen der die Personen als Personen betreffenden disziplinären Ebene und der doktrinellen Ebene, bei der Amt und Institution in Frage stehen. Um es noch einmal zu sagen: solange die doktrinellen Fragen nicht geklärt sind, hat die Bruderschaft keinen kanonischen Status in der Kirche und solange üben ihre Amtsträger, auch wenn sie von der Kirchenstrafe frei sind, keine Ämter rechtmäßig in der Kirche aus. Angesichts dieser Situation beabsichtige ich, die Päpstliche Kommission "Ecclesia Dei", die seit 1988 für diejenigen Gemeinschaften und Personen zuständig ist, die von der Bruderschaft Pius' X. oder ähnlichen Gruppierungen kommend in die volle Gemeinschaft mit dem Papst zurückkehren wollen, in Zukunft mit der Glaubenskongregation zu verbinden. Damit soll deutlich werden, daß die jetzt zu behandelnden Probleme wesentlich doktrineller Natur sind, vor allem die Annahme des II. Vatikanischen Konzils und des nachkonziliaren Lehramts der Päpste betreffen. Die kollegialen Organe, mit denen die Kongregation die anfallenden Fragen bearbeitet (besonders die regelmäßige Kardinalsversammlung an den Mittwochen und die ein- bis zweijährige Vollversammlung), garantieren die Einbeziehung der Präfekten verschiedener römischer Kongregationen und des weltweiten Episkopats in die zu fällenden Entscheidungen. Man kann die Lehrautorität der Kirche nicht im Jahr 1962 einfrieren - das muß der Bruderschaft ganz klar sein. Aber manchen von denen, die sich als große Verteidiger des Konzils hervortun, muß auch in Erinnerung gerufen werden, daß das II. Vatikanum die ganze Lehrgeschichte der Kirche in sich trägt. Wer ihm gehorsam sein will, muß den Glauben der Jahrhunderte annehmen und darf nicht die Wurzeln abschneiden, von denen der Baum lebt. Ich hoffe, liebe Mitbrüder, daß damit die positive Bedeutung wie auch die Grenze der Maßnahme vom 21. Januar 2009 geklärt ist. Aber nun bleibt die Frage: War das notwendig? War das wirklich eine Priorität? Gibt es nicht sehr viel Wichtigeres? Natürlich gibt es Wichtigeres und Vordringlicheres. Ich denke, daß ich die Prioritäten des Pontifikats in meinen Reden zu dessen Anfang deutlich gemacht habe. Das damals Gesagte bleibt unverändert meine Leitlinie. Die erste Priorität für den Petrusnachfolger hat der Herr im Abendmahlssaal unmißverständlich fixiert: "Du aber stärke deine Brüder" (Lk 22,32). Petrus selber hat in seinem ersten Brief diese Priorität neu formuliert: "Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die in euch ist" (1 Petr 3,15). In unserer Zeit, in der der Glaube in weiten Teilen der Welt zu verlöschen droht wie eine Flamme, die keine Nahrung mehr findet, ist die allererste Priorität, Gott gegenwärtig zu machen in dieser Welt und den Menschen den Zugang zu Gott zu öffnen. Nicht zu irgendeinem Gott, sondern zu dem Gott, der am Sinai gesprochen hat; zu dem Gott, dessen Gesicht wir in der Liebe bis zum Ende (Joh 13,1) - im gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus erkennen. Das eigentliche Problem unserer Geschichtsstunde ist es, daß Gott aus dem Horizont der Menschen verschwindet und daß mit dem Erlöschen des von Gott kommenden Lichts Orientierungslosigkeit in die Menschheit hereinbricht, deren zerstörerische Wirkungen wir immer mehr zu sehen bekommen. Die Menschen zu Gott, dem in der Bibel sprechenden Gott zu führen, ist die oberste und grundlegende Priorität der Kirche und des Petrusnachfolgers in dieser Zeit. Aus ihr ergibt sich dann von selbst, daß es uns um die Einheit der Glaubenden gehen muß. Denn ihr Streit, ihr innerer Widerspruch, stellt die Rede von Gott in Frage. Daher ist das Mühen um das gemeinsame Glaubenszeugnis der Christen - um die Ökumene - in der obersten Priorität mit eingeschlossen. Dazu kommt die Notwendigkeit, daß alle, die an Gott glauben, miteinander den Frieden suchen, versuchen einander näher zu werden, um so in der Unterschiedenheit ihres Gottesbildes doch gemeinsam auf die Quelle des Lichts zuzugehen - der interreligiöse Dialog. Wer Gott als Liebe bis ans Ende verkündigt, muß das Zeugnis der Liebe geben: den Leidenden in Liebe zugewandt sein, Haß und Feindschaft abwehren: die soziale Dimension des christlichen Glaubens, von der ich in der Enzyklika "Deus caritas est" gesprochen habe. Wenn also das Ringen um den Glauben, um die Hoffnung und um die Liebe in der Welt die wahre Priorität für die Kirche in dieser Stunde (und in unterschiedlichen Formen immer) darstellt, so gehören doch auch die kleinen und mittleren Versöhnungen mit dazu. Daß die leise Gebärde einer hingehaltenen Hand zu einem großen Lärm und gerade so zum Gegenteil von Versöhnung geworden ist, müssen wir zur Kenntnis nehmen. Aber nun frage ich doch: War und ist es wirklich verkehrt, auch hier dem Bruder entgegenzugehen, "der etwas gegen dich hat" und Versöhnung zu versuchen (vgl. Mt 5,23 f.)? Muß nicht auch die zivile Gesellschaft versuchen, Radikalisierungen zuvorzukommen, ihre möglichen Träger - wenn irgend möglich - zurückzubinden in die großen gestaltenden Kräfte des gesellschaftlichen Lebens, um Abkapselung und all ihre Folgen zu vermeiden? Kann es ganz falsch sein, sich um die Lösung von Verkrampfungen und Verengungen zu bemühen und dem Raum zu geben, was sich an Positivem findet und sich ins Ganze einfügen läßt? Ich habe selbst in den Jahren nach 1988 erlebt, wie sich durch die Heimkehr von vorher von Rom sich abtrennenden Gemeinschaften dort das innere Klima verändert hat; wie die Heimkehr in die große, weite und gemeinsame Kirche Einseitigkeiten überwand und Verkrampfungen löste, so daß nun daraus positive Kräfte für das Ganze wurden. Kann uns eine Gemeinschaft ganz gleichgültig sein, in der es 491 Priester, 215 Seminaristen, 6 Seminare, 88 Schulen, 2 Universitäts-Institute, 117 Brüder und 164 Schwestern gibt? Sollen wir sie wirklich beruhigt von der Kirche wegtreiben lassen? Ich denke zum Beispiel an die 491 Priester. Das Geflecht ihrer Motivationen können wir nicht kennen. Aber ich denke, daß sie sich nicht für das Priestertum entschieden hätten, wenn nicht neben manchem Schiefen oder Kranken die Liebe zu Christus da gewesen wäre und der Wille, ihn und mit ihm den lebendigen Gott zu verkünden. Sollen wir sie einfach als Vertreter einer radikalen Randgruppe aus der Suche nach Versöhnung und Einheit ausschalten? Was wird dann werden? Gewiß, wir haben seit langem und wieder beim gegebenen Anlaß viele Mißtöne von Vertretern dieser Gemeinschaft gehört - Hochmut und Besserwisserei, Fixierung in Einseitigkeiten hinein usw. Dabei muß ich der Wahrheit wegen anfügen, daß ich auch eine Reihe bewegender Zeugnisse der Dankbarkeit empfangen habe, in denen eine Öffnung der Herzen spürbar wurde. Aber sollte die Großkirche nicht auch großmütig sein können im Wissen um den langen Atem, den sie hat; im Wissen um die Verheißung, die ihr gegeben ist? Sollten wir nicht wie rechte Erzieher manches Ungute auch überhören können und ruhig aus der Enge herauszuführen uns mühen? Und müssen wir nicht zugeben, daß auch aus kirchlichen Kreisen Mißtönendes gekommen ist? Manchmal hat man den Eindruck, daß unsere Gesellschaft wenigstens eine Gruppe benötigt, der gegenüber es keine Toleranz zu geben braucht; auf die man ruhig mit Haß losgehen darf. Und wer sie anzurühren wagte - in diesem Fall der Papst -, ging auch selber des Rechts auf Toleranz verlustig und durfte ohne Scheu und Zurückhaltung ebenfalls mit Haß bedacht werden. Liebe Mitbrüder, in den Tagen, in denen mir in den Sinn kam, diesen Brief zu schreiben, ergab es sich zufällig, daß ich im Priesterseminar zu Rom die Stelle aus Gal 5,13 - 15 auslegen und kommentieren mußte. Ich war überrascht, wie direkt sie von der Gegenwart dieser Stunde redet: "Nehmt die Freiheit nicht zum Vorwand für das Fleisch, sondern dient einander in Liebe! Das ganze Gesetz wird in dem einen Wort zusammengefaßt: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst! Wenn ihr einander beißt und zerreißt, dann gebt acht, daß ihr euch nicht gegenseitig umbringt." Ich war immer geneigt, diesen Satz als eine der rhetorischen Übertreibungen anzusehen, die es gelegentlich beim heiligen Paulus gibt. In gewisser Hinsicht mag er dies auch sein. Aber leider gibt es das "Beißen und Zerreißen" auch heute in der Kirche als Ausdruck einer schlecht verstandenen Freiheit. Ist es verwunderlich, daß wir auch nicht besser sind als die Galater? Daß uns mindestens die gleichen Versuchungen bedrohen? Daß wir den rechten Gebrauch der Freiheit immer neu lernen müssen? Und daß wir immer neu die oberste Priorität lernen müssen: die Liebe? An dem Tag, an dem ich darüber im Priesterseminar zu reden hatte, wurde in Rom das Fest der Madonna della Fiducia - unserer Lieben Frau vom Vertrauen - begangen. In der Tat - Maria lehrt uns das Vertrauen. Sie führt uns zum Sohn, dem wir alle vertrauen dürfen. Er wird uns leiten - auch in turbulenten Zeiten. So möchte ich am Schluß all den vielen Bischöfen von Herzen danken, die mir in dieser Zeit bewegende Zeichen des Vertrauens und der Zuneigung, vor allem aber ihr Gebet geschenkt haben. Dieser Dank gilt auch allen Gläubigen, die mir in dieser Zeit ihre unveränderte Treue zum Nachfolger des heiligen Petrus bezeugt haben. Der Herr behüte uns alle und führe uns auf den Weg des Friedens. Das ist ein Wunsch, der spontan aus meinem Herzen aufsteigt, gerade jetzt zu Beginn der Fastenzeit, einer liturgischen Zeit, die der inneren Läuterung besonders förderlich ist und die uns alle einlädt, mit neuer Hoffnung auf das leuchtende Ziel des Osterfestes zu schauen. Mit einem besonderen Apostolischen Segen verbleibe ich im Herrn Euer Benedikt PP. XVI. Aus dem Vatikan, am 10. März 2009 [ENDE DES PERSÖNLICHEN BRIEFES DES PAPSTES AN ALLE KATHOLISCHEN BISCHÖFE.] |
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