Die katholischen Bischöfe Österreichs sind nun kirchenrechtlich Vorreiter geworden, so kann man es durchaus sagen, und sie setzen damit ein sehr klares Zeichen der Verbundenheit mit dem Heiligen Stuhl, sodaß sicherlich manche mit Spannung darauf warten, ob und wie die Deutsche Bischofskonferenz auf diese "Vorgaben" reagiert. Um was geht es? In meinem Blogbuch hatte ich am 15. Dezember 2009 eine
deutsche Übersetzung des in Form eines Motu Proprio ergangenen Apostolischen Schreibens
Omnium in mentem zur Änderung einiger Normen des Codex des kanonischen Rechts (vom 26. Oktober 2009) angeboten und diesem Blogeintrag bereits den Titel gegeben:
OMNIUM IN MENTEM: EINFACHER KIRCHENAUSTRITT IM KATHOLISCHEN EHERECHT NICHT MEHR RELEVANT. Außerdem übersetzte ich auch den
Kommentar des dafür kompetenten Erzbischofs Francesco Coccopalmerio, Präsident des
Päpstlichen Rates für die Interpretation von Gesetzestexten. Beide Übersetzungen wurden recht häufig konsultiert, und in dieser kurzen Zeit seit der Veröffentlichung hat sich schließlich auch noch für immer mehr Kanonisten gezeigt: der "einfache Kichenaustritt" (österreichischer oder deutscher Art) war auch zwischen 1983 und 2010 nicht relevant, das heißt, diese "ausgetretenen" Katholiken blieben zur kirchlichen Form der Ehe verpflichtet. Somit waren die Ehen ausgetretener Katholiken entgegen anderer zum Teil vorherrschender Meinung am Standesamt nicht gültig geschlossen, und seit der Rechtskraft des genannten Motu proprio betrifft dies auch ausgetretene Katholiken, die tatsächlich abgefallen sind, denn es gilt auch für den Bereich der Eheschließung: einmal katholisch, immer katholisch. Dank der Anfrage des Wiener Erzbischofs Christoph Kardinal Schönborn und der klaren Antwort des genannten römischen Kurienerzbischofs Coccopalmerio sahen sich nun die katholischen Oberhirten Österreichs in der Österreichischen Bischofskonferenz aufgerufen, die Konsequenzen daraus zu ziehen und dies auch zur Rechtssicherheit klar festzustellen. Dies alles kann nunmehr dem
Heft Nr. 10 der vom Generalsekretär herausgegebenen Schriftenreihe der Österreichischen Bischofskonferenz, "
Die österreichischen Bischöfe (10) Zugehörigkeit zur Katholischen Kirche. Kanonistische Klärungen zu den pastoralen Initiativen der Österreichischen Bischofskonferenz", Wien 2010 (für den Inhalt verantwortlich Diözesanbischof Mag. Dr. Ägidius J. Zsifkovics) entnommen werden, und so meine ich schon, daß dies für nicht wenige eine kleine Sensation darstellt. Die wertvolle Druckschrift ist sinnvollerweise dem St. Pöltner Diözesanbischof Dr. Dr. Klaus Küng zur Vollendung des
70. Lebensjahres gewidmet. Sie ist sehr gut gegliedert - ich greife die wichtigsten Informationen systematisch heraus, und ich kommentiere die Sachlage noch ein wenig:
1. Zum ersten Mal wird mit der Druckschrift der Österreichischen Bischofskonferenz die Antwort des Erzbischofs Francesco Coccopalmerio an den Wiener Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn veröffentlicht. Ich habe das italienische Schreiben schon vor längerer Zeit übersetzt, und nun gibt es zum Vergleich die
Übersetzung in der Broschüre (S. 9 f.) - meine Übersetzung lautet folgendermaßen:
Päpstlicher Rat für die Interpretation von Gesetzestexten
N. 12309/2010
Vatikanstadt, am 14. April 2010
Seiner Eminenz dem Hochwürdigsten
Herrn Kardinal Christoph Schönborn OP
Metropolit und Erzbischof von Wien
Präsident der Österreichischen Bischofskonferenz WIEN
Hochwürdigste Eminenz,
mit Brief vom vergangenen 25. März 2010 haben Sie in Ihrer Eigenschaft als Präsident der Österreichischen Bischofskonferenz diesen Päpstlichen Rat um einige Klärungen in bezug auf die im Motu proprio
Omnium in mentem enthaltenen Bestimmungen gebeten, nachdem sich die Vollversammlung der genannten Bischofskonferenz ausdrücklich dem vorgenannten Motu proprio und den damit zusammenhängenden Konsequenzen auf dem Territorium derselben Bischofskonferenz gewidmet hatte.
Dieser Päpstliche Rat hat die von Eurer Eurer Eminenz angegebene heikle Problematik gewissenhaft studiert und ist zu folgender Konklusion gelangt.
Mit der Rechtskraft des Motu proprio Omnium in mentem werden die zwischen [den vor der kirchlichen Autorität explizit abgefallenen] Katholiken ohne kanonische Form bzw. ohne Dispens von derselben (vgl. can. 1108 § 1 CIC) gefeierten Ehen als ungültig angesehen werden; diese Bestimmung betrifft jedoch nicht jene, die (irrtümlicherweise) meinen, "die Katholische Kirche verlassen" zu haben, nur weil sie sich vor einem staatlichen Beamten steuerrechtlich oder standesamtlich als nicht mehr katholisch ausgegeben haben.
Wie von diesem Dikasterium in der
amtlichen Bekanntmachung (Zirkularschreiben) an alle Präsidenten der Bischofskonferenzen vom 13. März 2006 geschrieben worden ist (vgl. Communicationes, XXXVIII [2006] 170 - 184), nachdem die Frage in Zusammenarbeit mit der Kongregation für die Glaubenslehre studiert worden war, "muß der Abfall von der Katholischen Kirche, damit er sich gültig als wirklicher actus formalis defectionis ab Ecclesia darstellen kann, auch hinsichtlich der in den zitierten Canones vorgesehenen Ausnahmen, konkretisiert werden in: a) einer inneren Entscheidung, die Katholische Kirche zu verlassen; b) der Ausführung und äußeren Bekundung dieser Entscheidung; c) der Annahme dieser Entscheidung von Seiten der kirchlichen Autorität". Folglich sind die Bekundungen eines Abfalls von der Katholischen Kirche, vollzogen vor einem Staatsbeamten, ungenügend und ohne jede Auswirkung, solange nicht die notwendige Begegnung mit der kirchlichen Autorität geschieht. Folglich haben jene, die nach der einfachen Erklärung vor dem zivilen Beamten standesamtlich geheiratet haben, ohne von der kanonischen Form dispensiert worden zu sein, eine ungültige Ehe geschlossen, und als solche wird sie von der Kirche angesehen.
Weiter folgt daraus, daß sich durch die Rechtskraft des Motu proprio betreffend die Gültigkeit der Ehen nichts ändern wird; der Fehler liegt vielmehr darin, Ehen als gültig angesehen zu haben, die nicht gültig waren, weil sie nämlich ohne Beachtung der kanonischen Form und ohne Formdispens zelebriert worden waren.
Den Gläubigen muß lediglich das erklärt werden, was die unveränderte Lehre und Disziplin der Kirche darstellt und was durch die
amtliche Bekanntmachung des Jahres 2006 geklärt wurde. Was jedoch die Befassung der kirchlichen Gerichte betrifft, muß angemerkt werden - wie aus dem soeben Dargestellten hervorgeht - daß die von jenen Personen ohne die notwendige Dispens von der kanonischen Form, zu der sie weiterhin verpflichtet waren, zelebrierten Ehen von Rechts wegen (ipso iure) nichtig sind, und somit braucht es von Seiten des kirchlichen Gerichtes keine formelle Nichtigkeitserklärung (= kein Gerichtsurteil).
In der Hoffnung, zu Ihrer Anfrage pünktliche und klare Präzisierungen geboten zu haben, versichere ich Eurer hochwürdigsten Eminenz meine herzliche Ergebenheit
+ Francesco Coccopalmerio, Präsident
+ Juan Ignacio Arrieta Ochoa de Chinchetru, Sekretär
[
ENDE DER ANTWORT DES PRÄSIDENTEN DES PÄPSTLICHENS RATES FÜR GESETZESTEXTE.]
2. Auf Basis dessen hat die Österreichischen Bischofskonferenz zur Rechtssicherheit folgendes anerkannt und festgestellt (vgl. in der
Broschüre (S. 17):
Feststellung der Österreichischen Bischofskonferenz in der Angelegenheit Nichtbestandserklärung standesamtlicher Ehen ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des CIC 1983
Die Österreichische Bischofskonferenz stellt nach Kenntnisnahme des Schreibens des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte vom 14. April 2010, N. 12309/2010, fest, daß von Katholiken, auch wenn sie zu diesem Zeitpunkt aus der Kirche ausgetreten waren, geschlossene standesamtliche Ehen wegen Formmangels nichtig sind.
Bezüglich solcher Eheschließungen kann im kirchlichen Verwaltungsweg der Nichtbestand ausgesprochen werden, wenn feststeht, daß der standesamtlichen Eheschließung eine Eheschließung in kanonischer Form weder vorausgegangen noch gefolgt ist.
Beschlossen in der Sommerplenaria der Österreichischen Bischofskonferenz vom 21. – 23. Juni 2010 in Mariazell.
[
ENDE DER FESTSTELLUNG DER ÖSTERREICHISCHEN BISCHOFSKONFERENZ]
3. Nun würden sicherlich manche am Thema Interessierten erwarten, daß die Nichtrelevanz eines solchen "einfachen Kirchenaustrittes" auch auf andere Rechtsbereiche der lateinischen Kirche in Österreich Auswirkungen haben müßte, auch wenn zuzustimmen ist, daß sich eine Person nicht gleichzeitig im vollen Sinne römisch-katholisch und "ausgetreten-katholisch" deklarieren und dies im Grunde auch nicht möglich sein sollte (vgl. zu dieser spannenden Thematik auch den Blogeintrag vom 20. März 2008:
"JEDE HEILIGE TAUFE UND JEDE FEIER DER OSTERNACHT BETREFFEN DIE GANZE KIRCHE WELTWEIT"). Die regierenden katholischen Oberhirten Österreichs haben in der Sommerplenaria der Österreichischen Bischofskonferenz dazu auch erklärende Ausführungen nach can. 34 CIC beschlossen (vgl.
Broschüre (S. 15 f.) - solche Instruktionen binden nach can. 34 § 1 CIC bei der Ausführung kirchenrechtlicher Gesetze, aber sie "
heben Gesetze nicht auf, und wenn irgendwelche Vorschriften von Gesetzen nicht in Einklang gebracht werden können, entbehren sie jeder Rechtskraft" (can. 34 § 2 CIC). Es stellt sich also zunächst die Frage, um welche kirchenrechtlichen Gesetze es sich handelt, zu dessen Erklärung oder Ausführung die genannte Instruktion vom Juni 2010 ergangen ist. Die Bischöfe schreiben, daß es dabei um die "
Auswirkungen des Kirchenaustrittes nach staatlichem Recht auf die kirchliche Rechtsstellung des Ausgetretenen" geht. Diesbezüglich bin ich schon heute gespannt, ob es dazu vielleicht eine Anfrage beim Päpstlichen Rat für Gesetzestexte geben wird, denn nach Artikel 158 der Apostolischen Konstitution
Pastor bonus entscheidet dieser Päpstliche Rat auf Antrag der Betroffenen auch darüber, "
ob allgemeine Dekrete, die von Gesetzgebern unterhalb der höchsten Autorität erlassen wurden, mit den gesamtkirchlichen Gesetzen übereinstimmen oder nicht." Meiner Meinung nach gilt diese Möglichkeit auch für Instruktionen (erklärende Ausführungen). So lautet also die besagte Instruktion der Österreichischen Bischofskonferenz:
Erklärende Ausführungen der Österreichischen Bischofskonferenz nach can. 34 CIC zu den Auswirkungen des Kirchenaustrittes nach staatlichem Recht auf die kirchliche Rechtsstellung des Ausgetretenen
In Österreich ist seit 1868 nach staatlichen Gesetzesbestimmungen ein Austritt aus anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften bei der staatlichen Verwaltungsbehörde möglich. Die Österreichische Bischofskonferenz hat eine Regelung für die österreichischen Erzdiözesen und Diözesen getroffen, welche die kirchenrechtlichen Folgen des Austritts aus der Kirche nach staatlichem Recht klarstellt und gleichzeitig pastorale Möglichkeiten zum Widerruf des Kirchenaustritts eröffnet.
Nicht wenige haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Ihrer Austrittserklärung wurden durch diesen innerhalb der gesetzten Frist von drei Monaten erklärten Widerruf für den kirchlichen und den staatlichen Bereich sämtliche Wirkungen genommen.
Die Erklärung des Kirchenaustritts wird auch seitens der Kirche ernst genommen. Wie Bischöfe des deutschen Sprachraums schon seit Jahrzehnten erklärt haben, stellt der Austritt aus der Kirche vom Inhalt her auf jeden Fall eine schwere Sünde dar. Daraus ergibt sich, daß alle kirchenrechtlichen Regelungen für solche, die in einer schweren Sünde hartnäckig verharren, auch auf jene zutreffen, die ihren vor der staatlichen Behörde erklärten Kirchenaustritt nicht rückgängig gemacht haben.
Das bedeutet konkret: Ein aus der Kirche ausgetretener Katholik
● darf nicht die Heilige Kommunion empfangen;
● kann keine kirchlichen Ämter bekleiden (auch nicht das Amt des Tauf- bzw. Firmpaten);
● kann keine Funktionen in der Kirche wahrnehmen, insbesondere nicht die Funktionen in diözesanen oder pfarrlichen Räten (z. B. Pfarrgemeinderat und Pfarrkirchenrat);
● verliert das aktive und passive Wahlrecht in der Kirche.
● Falls der Betreffende im kirchlichen Dienst steht, muß das Dienstverhältnis beendet werden.
● Falls er auf Grund einer kirchlichen Ermächtigung Dienste ausübt (z. B. missio canonica für Religionslehrer), muß diese Ermächtigung widerrufen werden.
● Falls der Betreffende nicht vor dem Tod irgendein Zeichen der Reue gezeigt hat, kann das kirchliche Begräbnis verweigert werden.
Zur Klarstellung wird festgehalten, daß ein Kirchenaustritt vor der österreichischen staatlichen Behörde immer eine schwer wiegende Verfehlung gegen die Gemeinschaft der Kirche darstellt und durch eine Zusatzerklärung, sei es gegenüber dem Diözesanbischof oder auch gegenüber dem Ortspfarrer, nicht die oben genannten Wirkungen verliert. Beichtväter, bei denen ein aus der Kirche ausgetretener Pönitent um die Absolution bittet, können diese nur erteilen unter der Auflage der Rückkehr in die kirchliche Gemeinschaft mit allen Rechten und Pflichten (Durchführung eines Reversionsverfahrens) innerhalb einer festgesetzten Frist von nicht länger als drei Monaten. Die Ordinarien verzichten für diesen Fall auf den Rekurs gemäß can. 1357 CIC wegen des möglichen Eintritts der Tatstrafe der Exkommunikation auf Grund von Apostasie, Schisma oder Häresie
(can. 1364 CIC).
Die Seelsorger sind aufgerufen, denjenigen, die in die Kirche zurückgekehrt sind, eine besondere katechetische Aufmerksamkeit zuzuwenden und auf bestehende diesbezügliche Angebote hinzuweisen. Unter allen Gläubigen muß der Sinn für die kirchliche Gemeinschaft gestärkt werden.
Beschlossen in der Sommerplenaria der Österreichischen Bischofskonferenz vom 21. – 23. Juni 2010 in Mariazell
[
ENDE DER INSTRUKTION DER ÖSTERREICHISCHEN BISCHOFSKONFERENZ]
Dieser Blogeintrag wird von mir demnächst ausgebaut und erhält noch mehrere Punkte zur Verständnishilfe. Mit herzlichem Gruß, Euer Padre Alex - Vizeoffizial Dr. Alexander Pytlik