Saturday, January 15. 2011
ERSTES ANGLOKATHOLISCHES ... Posted by Padre Alex / Dr. Alexander Pytlik
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13:16
Comments (0) Trackbacks (0) ERSTES ANGLOKATHOLISCHES PERSONALORDINARIAT IN ENGLAND UND WALES
PRESSEEKLÄRUNG DES HEILIGEN STUHLES ZUM PERSONALORDINARIAT UNSERER LIEBEN FRAU VON WALSINGHAM IN ENGLAND UND WALES
In Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Apostolischen Konstitution Anglicanorum coetibus von Papst Benedikt XVI. (4. November 2009) und nach sorgfältiger Konsultation der katholischen Bischofskonferenz von England und Wales hat die Kongregation für die Glaubenslehre heute ein Personalordinariat innerhalb des Territoriums von England und Wales für jene Gruppen der anglikanischen Kleriker und Gläubigen errichtet, die ihren Wunsch geäußert hatten, in die volle sichtbare Gemeinschaft mit der Katholischen Kirche zu treten. Das Errichtungsdekret legt fest, daß das Ordinariat näherhin Personalordinariat Unserer Lieben Frau von Walsingham heißen und unter dem Patronat des seligen John Henry Newman stehen wird. Ein Personalordinariat ist eine kirchenrechtliche Struktur, welche eine gemeinschaftliche Wiedervereinigung auf solche Weise ermöglicht, daß frühere Anglikaner in die volle Gemeinschaft mit der Katholischen Kirche eintreten und gleichzeitig Elemente ihres spezifisch anglikanischen Traditionsschatzes bewahren können. Mit dieser Struktur versucht die Apostolische Konstitution Anglicanorum coetibus, den Ausgleich einerseits zwischen der Sorge um die Bewahrung der wertvollen anglikanischen liturgischen, geistlichen und pastoralen Traditionen und andererseits zwischen der Sorge um die volle Integration dieser Gruppen und ihres Klerus in die Katholischen Kirche zu verwirklichen. Aus doktrinellen Gründen erlaubt die Kirche unter keinen Umständen die Weihe verheirateter Männer zu Bischöfen. Doch unter bestimmten Bedingungen sieht die Apostolische Konstitution die Weihe früherer anglikanischer Kleriker zu katholischen Priestern vor. Heute weihte der hochwürdigste Herr Erzbischof von Westminster, Vincent Nichols, drei frühere anglikanische Bischöfe in der Westminsterkathedrale (London) zu katholischen Priestern: Hw. Andrew Burnham, Hw. Keith Newton und Hw. John Broadhurst. Ebenso am heutigen Tag hat Papst Benedikt XVI. den Priester Keith Newton zum ersten Ordinarius des Personalordinariates Unserer Lieben Frau von Walsingham ernannt. Gemeinsam mit den Priestern Burnham und Broadhurst wird Hw. Newton für die katechetische Vorbereitung der ersten Gruppen von Anglikanern in England und Wales sorgen, die zusammen mit ihren Hirten zu Ostern in die Katholische Kirche aufgenommen werden, aber auch für die Begleitung des Klerus, der sich auf die katholische Priesterweihe um Pfingsten vorbereitet. Die Errichtung dieser neuen Struktur steht in Übereinstimmung mit der Verpflichtung zum ökumenischen Dialog, der eine Priorität für die Katholische Kirche bleibt. Die Initiative, welche zur Publikation der Apostolischen Konstitution und zur Errichtung dieses Personalordinariates geführt hat, ging von einer Anzahl verschiedener anglikanischer Gruppen aus, die erklärt haben, denselben katholischen Glauben zu teilen, wie er im Katechismus der Katholischen Kirche enthalten ist, und das Petrusamt als etwas zu akzeptieren, was Christus für die Kirche wollte. Für sie ist nun die Zeit gekommen, ihre implizite Einheit in der sichtbaren Form der vollen Gemeinschaft auszudrücken. ERRICHTUNG DES PERSONALORDINARIATES UNSERER LIEBEN FRAU VON WALSINGHAM UND ERNENNUNG DES ERSTEN ORDINARIUS: Am 15. Januar 2011 hat die Kongregation für die Glaubenslehre gemäß Vorschrift der Apostolischen Konstitution Anglicanorum coetibus das Personalordinariat "Our Lady of Walsingham" (Unsere Liebe Frau von Walsingham) auf dem Territorium der Bischofskonferenz von England und Wales errichtet. Gleichzeitig hat der Heilige Vater als ersten Ordinarius den hochwürdigen Herrn Keith Newton ernannt. Hochwürden Keith Newton wurde am 10. April 1952 in Liverpool (Vereinigtes Königreich) als zweiter von zwei Brüdern geboren, und er ist seit 25. August 1973 mit Gill Donnison verheiratet. Sie haben drei Kinder. Zwischen 1963 und 1970 besuchte er zunächst die Alsop High School in Liverpool und nahm danach von 1970 bis 1973 die theologischen Studien am King's College der Universität London auf, wo er den Grad eines "Bachelor of Divinity" erwarb und ihm dann der Titel eines "Associate of King's College" verliehen wurde. Nach dem Erwerb des "Post Graduate Certificate of Education" beim Christ Church College in Canterbury 1974 durchlief er am St. Augustine's College von Canterbury die Vorbereitungsphase im Blick auf das Priestertum in der Kirche von England. Nachdem er 1975 zum Diakon und 1976 zum Priester für die anglikanische Diözese von Chelmsford ordiniert worden war, versah er als ersten Dienst jenen eines Pfarrvikars an der Kirche St. Marien in Great Ilford. 1978 wurde er in der anglikanischen Diözese von Southwark innerhalb des "Wimbledon Team Ministry" zum Pfarrer ernannt. Von 1985 bis 1991 stellte er sich für die Diözese von Süd-Malawi in der anglikanischen Provinz von Zentralafrika zur Verfügung. Zwischen 1986 und 1991 war er Dekan an der Kathedrale von St. Paul in Blantyre (Malawi). 1991 kehrte er ins Vereinigte Königreich zurück, in die anglikanische Diözese Bristol, und er war in Knowle von 1992 bis 2002 Pfarrer der Pfarrei "Holy Nativity". Am 7. März 2002 wurde er vom Erzbischof von Canterbury, George Carey, zum anglikanischen Bischof ordiniert, und als solcher diente er von 2002 bis 2010 als Suffraganbischof von Richborough und als "Provincial Episcopal Visitor" in der Provinz von Canterbury. Gemeinsam mit seiner Frau ist er am 1. Januar 2011 durch Seine Exzellenz Bischof Alan Hopes in die volle Gemeinschaft mit der Katholischen Kirche aufgenommen worden. [ENDE MEINER ÜBERSETZUNG VON DER VATIKANSEITE.] Manche haben die erste Errichtung eines anglokatholischen Personalordinariates zum Anlaß für eine neue Zölibatsdiskussion genommen. Wer jedoch oben genau nachgelesen hat, wird spätestens jetzt erkennen: der Zölibat ist nicht nur eine disziplinäre Frage, sondern tangiert auch die Basis unseres Glaubens, nämlich die Tradition der Apostel. Insbesondere seit dem II. Vatikanischen Konzil (= XXI. Ökumenischen Konzil) der Katholischen Kirche ist diese Frage geklärt. Wer das Bischofsamt und somit die höchste Weihestufe von den Aposteln her sakramental erhalten soll, darf im Hinblick auf den radikalen Ruf Christi gegenüber den Aposteln unter keine Umständen durch ein gültiges Eheband (mit allen ehelichen Rechten und Pflichten) gebunden sein. Dies ist der Grund, warum anglikanische "Bischöfe" im Falle ihrer gültigen Verheiratung nur bis zur Stufe des Weihepriestertums ausgeweiht werden können, wie wir es oben exemplarisch sehen. Gleichzeitig zeigt diese Ausnahme für den lateinischen Priesterstand, daß es in der lateinischen Eigenrechtskirche die Regel ist, vorzugsweise und mehrheitlich unverheirateten Kandidaten (nach der Diakonatsweihe) die heilige Priesterweihe zu erteilen. So soll es auch langfristig in den anglokatholischen Personalordinariaten (die ja trotz der Eigentraditionen dem lateinischen Ritenbereich zugehören) werden. Übergangsweise ist allerdings der Papst den anglikanischen Heimkehrern so weit entgegengekommen, daß sogar die orientalisch-orthodoxe Heiratsmöglichkeit vor den höheren Weihen kurzfristig "übertroffen" wurde und wird. Dies ändert jedoch nichts daran, daß von allen katholischen Verkündern die volle Treue zur katholischen Glaubens- und Sittenlehre verlangt ist, auch was die unveränderlichen Prinzipien der Sexualmoral betrifft. Unbefangenen Beobachtern ist nicht entgangen, daß seit vielen Jahrzehnten im Westen sogenannte und selbsternannte volksbegehrähnliche Initiativgruppen hinter der andauernd wiederholten Forderung nach "Abschaffung des Zölibates" in Wirklichkeit eine echte Änderung der kirchlichen Lehre angezielt wird. Innerkirchlich haben solche Gruppen daher schon seit Jahrzehnten jede Legitimation verloren. Von dieser ganzen Praxis her ist aber damit auch neuerlich klar geworden, daß der Zölibat in Verbindung mit dem Grad des Weihepriestertums dogmatisch nie verlangt war. In der lateinischen Eigenrechtskirche ist diese Verbindung generell vorgesehen, aber auch in vereinzelten orientalischen Eigenrechtskirchen innerhalb derselben Katholischen Kirche, wiewohl der orientalisch-katholische Codex (CCEO) die Weihe (frisch oder bewährt) verheirateter Männer allen diesen Eigenrechtskirchen zugesteht. Auch wenn die lateinische Eigenrechtskirche von den Mitgliedern her innerhalb der Katholischen Kirche die Mehrheit stellt, so stellen jedoch (ohne Beachtung der Mitgliederzahl) die 22 innerhalb der Katholischen Kirche bestehenden orientalischen Eigenrechts- oder Rituskirchen mit ihrer gleichzeitigen Möglichkeit verheirateter und zölibatärer Priester die formaljuridische Mehrheit. Trotzdem: im ökumenischen Dialog ist von katholischer und auch orthodox-orientalischer Seite der Zölibat des Bischofs ein Absolutum. Aufgrund der soziokulturellen Entwicklungen ist jedoch nicht zu erwarten, daß der Zölibat in den derzeit bestehenden 22 katholischen Ostkirchen nach dem Vorbild der einen lateinischen Rituskirche auch für den ganzen orientalisch-katholischen Priesterstand als ein Weihezulassungskriterium generell eingeführt würde. Man denke hier nur an die Propositio Nr. 23 der letzten Sonderversammlung der Bischofssynode zum Nahen Osten über die verheirateten (orientalisch-katholischen) Priester: "Der kirchliche Zölibat wird innerhalb der Katholischen Kirche immer und überall geschätzt und anerkannt, im Osten wie im Westen. Dennoch wäre es wünschenswert, die Möglichkeit zu studieren, verheiratete [orientalisch-katholische] Priester außerhalb der patriarchalen Territorien haben zu können, um einen pastoralen Dienst für unsere [orientalisch-katholischen] Gläubigen sicherzustellen, wohin diese auch immer gehen, und um die orientalischen Traditionen zu respektieren." Unabhängig davon, ob sich der Papst diesen Vorschlag zu eigen machen wird oder nicht, werden alle Katholiken mit dieser Vielfalt der katholischen Weltkirche und ihren 23 eigenrechtlichen Rituskirchen leben müssen und dürfen, und ich denke, daß auch bei Diskussionen zu diesem Thema nur eines weiterhilft: Sachlichkeit. Im Gebet verbunden, Euer Padre Alex - Dr. Alexander Pytlik Friday, January 14. 2011
VEREHRUNGSWÜRDIGER DIENER GOTTES ... Posted by Padre Alex / Dr. Alexander Pytlik
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14:00
Comments (0) Trackbacks (3) VEREHRUNGSWÜRDIGER DIENER GOTTES JOHANNES PAUL II.: GEWALTIGER RUF DER HEILIGKEIT
INFORMATION DER KONGREGATION FÜR DIE SELIG- UND HEILIGSPRECHUNGSPROZESSE ÜBER DEN VERLAUF DES SELIGSPRECHUNGSFALLES DES VEREHRUNGSWÜRDIGEN DIENERS GOTTES JOHANNES PAUL II. (KAROL WOJTYŁA)
Am 14. Januar 2011 hat der Heilige Vater Benedikt XVI. während der Seiner Eminenz, dem hochwürdigsten Herrn Kardinal Angelo Amato, dem Präfekten der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse, gewährten Audienz, dieselbe Kongregation bevollmächtigt, das Dekret über das Wunder zu promulgieren, das der Fürbitte des verehrungswürdigen Dieners Gottes Johannes Paul II. (Karol Wojtyła) zugeschrieben wird. Dieser Akt beschließt den Weg, der dem Ritus der Seligsprechung vorausgeht, dessen Datum vom Heiligen Vater entschieden wird. Wie bekannt, begann das Verfahren durch päpstliche Dispens vor dem Ablauf der fünf Jahre nach dem Tod des Dieners Gottes, wie es von der geltenden Gesetzgebung verlangt wird. Diese Vorgehensweise wurde vom gewaltigen Ruf der Heiligkeit ausgelöst, dessen sich Papst Johannes Paul II. im Leben, im Sterben und nach dem Tod erfreute. Für alle anderen Bereiche wurden die allgemeinen kirchenrechtlichen Bestimmungen für die Fälle der Seligsprechung und Heiligsprechung vollständig beachtet. Von Juni 2005 bis April 2007 wurden daher sowohl die diözesane römische Hauptuntersuchung als auch die Untersuchungen in verschiedenen anderen Diözesen (durch Rechtshilfe) vorgenommen, was das Leben, die Tugenden und den Ruf der Heiligkeit sowie die Wunder betrifft. Die rechtliche Gültigkeit der kanonischen Verfahren wurde mit Dekret vom 4. Mai 2007 durch die Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse anerkannt. Nach Prüfung der entsprechenden Positio äußerten sich dann neun theologische Konsultoren des Dikasteriums im Juni 2009 positiv in bezug auf den heroischen Grad der Tugenden des Dieners Gottes. Im darauffolgenden November wurde unter Beachtung der üblichen Prozedur dieselbe Positio dem Urteil der Kardinäle und Bischöfe der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse unterworfen, welche sich mit zustimmendem Urteil äußerten. Am 19. Dezember 2009 autorisierte der Heilige Vater Benedikt XVI. die Promulgation des Dekretes über den heroischen Tugendgrad. Im Blick auf die Seligsprechung des verehrungswürdigen Dieners Gottes präsentierte die Postulatur des Verfahrens zur Prüfung durch die Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse die Heilung der Schwester Marie Simon Pierre Normand, Ordensfrau des Institut des Petites Soeurs des Maternités Catholiques, von der parkinsonschen Krankheit. Wie üblich wurden die umfassenden Akten der ordnungsgemäß durchgeführten kirchenrechtlichen Untersuchung gemeinsam mit den detaillierten gerichtsärztlichen Gutachten am 21. Oktober 2010 dem wissenschaftlichen Studium des medizinischen Beirates des Dikasteriums für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse übergeben. Seine Gutachter sprachen sich für die wissenschaftliche Unerklärbarkeit der Heilung aus, nachdem sie die prozessualen Zeugnisse und die gesamte Dokumentation mit der gewohnten Gründlichkeit studiert hatten. Die theologischen Konsultoren schritten dann nach Sichtung der medizinischen Schlußfolgerungen am 14. Dezember 2010 zur theologischen Bewertung des Falles und erkannten einstimmig die Einzigartigkeit, das Vorausgehen und die Stimmigkeit der an den Diener Gottes Johannes Paul II. gerichteten Anrufung an, dessen Fürbitte zum Zwecke der wunderbaren Heilung wirksam gewesen war. Schließlich wurde am 11. Januar 2011 die ordentliche Vollversammlung der Kardinäle und der Bischöfe der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse abgehalten, welche ein einstimmiges positives Urteil erließen, mit dem sie die Heilung der Schwester Marie Pierre Simon als wunderbar erachten, insoweit sie von Gott in wissenschaftlich unerklärlicher Weise vollbracht wurde, im Gefolge der Anrufung des Papstes Johannes Paul II., der sowohl von derselben Geheilten als auch von vielen anderen Gläubigen vertrauensvoll angerufen worden ist. [ENDE MEINER AUCH BEI KATH.NET ABRUFBAREN ÜBERSETZUNG.] In großer Vorfreude auf den vom Heiligen Vater Benedikt XVI. geplanten Sonntag der Seligsprechung, den Sonntag der Göttlichen Barmherzigkeit, den Weißen Sonntag 2011, d. h. präzise auf den 1. Mai 2011, grüße ich alle Leser und Leserinnen. In der mir anvertrauten Wallfahrtspfarrei St. Marien Buchenhüll ist dies der Tag der Heiligen Erstkommunion und der ersten Maiandacht, sodaß ich persönlich leider nicht in Rom sein kann. Ich lade daher alle Daheimbleibenden schon heute zur großen Dankandacht am Nachmittag des 1. Mai 2011 (um 14.00 Uhr) bei der Lourdesgrotte im Marienwallfahrtsort Buchenhüll, 85072 Eichstätt, ein, die als erste Maiandacht ganz im Zeichen der Anrufung des neuen seligen Papstes und des ersten Empfanges des Allerheiligsten Altarsakramentes stehen wird. Herzlichst, Euer Padre Alex - Vizeoffizial Dr. Alexander Pytlik Tuesday, January 4. 2011
KOPTEN: KATHOLISCHER PATRIARCH ... Posted by Padre Alex / Dr. Alexander Pytlik
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07:10
Comments (0) Trackback (1) KOPTEN: KATHOLISCHER PATRIARCH NAGUIB ZUR LAGE DER ÄGYPTISCHEN CHRISTEN
Aus aktuellem Anlaß folgt meine Übersetzung der Wortmeldungen Seiner Seligkeit, des koptisch-katholischen Patriarchen von Alexandria, Antonios Naguib, der auf der Sonderversammlung der Nahost-Bischofssynode Generalberichterstatter war und von Seiner Heiligkeit Papst Benedikt XVI. am 20. November 2010 auch zum Kardinal erhoben wurde, und seines Weihbischofs aus "L'Osservatore Romano" (Kairo, 3. Januar 2011). Sie repräsentieren also die wesentlich kleinere Gruppe (als koptische Patriarchalkirche in voller jurisdiktioneller Einheit mit Rom) innerhalb der Kopten mit ihrer langen Geschichte in Ägypten:
DER ALLMÄCHTIGE GOTT IST DER KÖNIG DES FRIEDENS "Wir verlangen, daß der größtmögliche Einsatz unternommen werde, um die Empfehlungen des Präsidenten der Republik für eine stärkere Einheit und Harmonie zwischen allen in die Praxis umzusetzen und all das verändern, was diesbezüglich ein Hindernis darstellt". Dies hat der Patriarch von Alexandria der Kopten, Antonios Kardinal Naguib, am 3. Januar 2011 gegenüber "L'Osservatore Romano" erklärt. Weiter sagte der Kardinal: "Unsere Herzen bluten zu Beginn des neuen Jahres mit dem kriminellen Anschlag auf die Gläubigen, die aus der koptisch-orthodoxen Kirche der Heiligen von Alexandria strömten. Wir vereinigen uns mit dem Heiligen Vater, mit unserem Präsidenten der Republik und mit allen verantwortlichen Politikern, Parlamentariern, Beamten und Sicherheitsleuten, um dieses Verbrechen mit Festigkeit zu verurteilen, das darauf ausgerichtet war, die innere Sicherheit und die Verbindung zwischen den Mitbürgern als Brüder zu destabilisieren. Wir übermitteln den Familien der Märtyreropfer unser aufrichtiges Beileid und unsere Solidarität, ebenso den Verletzten und ihren Familien sowie den kirchlichen Autoritäten". Der Patriarch fügte hinzu: "Wir haben volles Vertrauen in die Weisheit und Entschiedenheit der führenden Verantwortlichen und sind uns sicher, daß sie die notwendigen Maßnahmen ergreifen werden, um solchen schmerzhaften Ereignissen ein Ende zu bereiten. Wir bitten den allmächtigen Gott, den König des Friedens, unserem geliebten Ägypten und allen Ländern der Welt den Frieden zu schenken". Gegenüber "L'Osservatore Romano" wird die schwierige Situation, in der sich nach dem tragischen Attentat insbesondere die ägyptische Hauptstadt befindet, auch vom Weihbischof des Patriarchates von Alexandria der Kopten, Botros Fahim Awad Hanna, beschrieben: "Wir sind sehr betroffen über das, was geschehen ist, aber unsere Reaktion darf sich nicht nur auf unsere zutiefst verletzten Gefühle stützen. Wir koptische Christen - katholische und orthodoxe - müssen uns vielmehr bemühen, in vernünftiger Weise zu reagieren, auch im Licht der Gebote des Glaubens". Der Bischof unterstreicht, daß "nur bei wenigen Gläubigen nach dem schweren Attentat auf die Kirche der Heiligen von Alexandria am Neujahrstag das Gefühl der Verzweiflung überwogen hat, was einige spontane Proteste bewirkt hat. Die Reaktion der großen Mehrheit der Kopten war hingegen - trotz des Blickes auf den Horror des Attentats, das 21 Tote und 97 Verletzte nach sich gezogen hat - moderat, weil der Glaube an erster Stelle das Gebet für die Opfer und die Bitte um Vergebung für jene, die geirrt haben, setzt." Weihbischof Hanna betont, daß die gesamte Bevölkerung Ägyptens über das Attentat zutiefst erschüttert war, weil es das friedliche Zusammenleben der Gläubigen der beiden großen Glaubensgemeinschaften ernsthaft in Gefahr bringen könnte. Um zu verhindern, daß dies passieren könnte, zieht der koptisch-katholische Weihbischof den kürzlich von Mahmoud Azab, dem besonderen Dialog-Berater des Großen Imam von Al Azhar, verlautbarten Vorschlag ernsthaft in Betracht, einen neuen Organismus zu schaffen, benannt "Das Haus der ägyptischen Familie" und zusammengesetzt aus 14 Vertretern, sieben Christen und sieben Muslimen. "Das Projekt für diesen neuen interreligiösen Organismus", betont der Weihbischof, "ist auch bei den nationalen Informationsorganen in diesen Tagen vorgestellt worden. Nach seinen Befürwortern könnte dieser Organismus nicht nur eine Rolle der Vermittlung bei den verschiedenen Streitfragen zwischen den beiden Gemeinschaften spielen, sondern wäre vor allem der Ort zur Vertiefung des Dialoges zwischen Christen und Muslimen". Für die Gemeinschaft der orthodoxen und der zum Teil katholischen Kopten ist jetzt die Zeit der Vorbereitung auf die Wiederkehr der Geburt Jesu, die nach ihrem liturgischen Kalender auf den 7. Januar fällt. Weihbischof Hanna betont: "Wir hoffen, daß sich trotz des zu Neujahr Geschehenen die Gläubigen nicht abhalten lassen, sich in den Kirchen zu versammeln und die religiösen Zeremonien zu besuchen, die regulär ablaufen. Ich denke, daß derzeit noch viele Gläubige betroffen sind von dem, was geschehen ist, aber ich vertraue auf ihren tiefen Glauben, und ich hoffe, daß sich in der Nacht der Wiederkehr der Geburt Jesu die Kirchen in noch höherem Maße als in den Vorjahren füllen". Diesbezüglich unterstreicht der Weihbischof von Alexandria der Kopten, daß die Behörden höchsten Einsatz leisten, um die Sicherheit der koptischen Gläubigen zu garantieren. "Die Begräbnisliturgien von 14 der Opfer des Attentats sind in einem Klima hohen Anstandes abgelaufen. Außerdem wurden alle Kirchen von den Sicherheitskräften bewacht". Der Weihbischof bekräftigt, daß das Attentat auf die koptisch-orthodoxe Kirche von Alexandria nur eine - bisher die schwerwiegendste - der Episoden gestiegener Spannung in den Beziehungen zwischen Christen und Muslimen gewesen sei, einer Spannung, die von jenen künstlich geschaffen wurde, um die soziale Harmonie zu destabilisieren: "Jetzt zeigen die Zeitungen mit dem Finger auf Al Quaeda. Allerdings entsteht der Terrorismus in Sektoren der muslimischen Gesellschaft, wo andere Organisationen zur Intoleranz ermutigen. Es sind nun schon mehr als 40 Jahre, daß im Land eine schleichende Islamisierung im Gange ist, die alle Bereiche der Gesellschaft durchdringt". In einigen Schulen würden zum Beispiel Texte verwendet, welche die Jugendlichen dazu erzögen, eine fundamentalistische und intolerante Vision des Glaubens zu pflegen. Für den Weihbischof von Alexandria ist es daher immer dringlicher, Maßnahmen einzuleiten, die in der Lage seien, das Schüren eines Klimas der Intoleranz zu verhindern: "Man müßte zum Beispiel von den Elementarschulen an beginnen, den Kindern Toleranz beizubringen. Derzeit gibt es von Seiten der Lehrenden keinerlei ermahnenden Hinweise in Richtung des Begriffes der Einheit verbunden mit dem Respekt der Unterschiede jeder Person. Für die Schuljugend wäre es von hohem erzieherischem Wert, könnten sie sich auch mit dem auseinandersetzen, der anders als die Mehrheit ist". Auch die Kommunikationsmittel seien entscheidend. Sie seien das Hauptinstrument, um im ganzen Land die Botschaft der Toleranz zwischen den verschiedenen Gemeinschaften auf den Weg zu bringen. "Sicherlich", präzisiert der Weihbischof, "wird die Botschaft dann wirksam sein, wenn sie auf der Transparenz und auf der Wahrheit aufbaut. Die Ehrlichkeit der Information ist ein noch nicht genügend berücksichtigter Aspekt der nationalen Medien". Schließlich ist für dieses Land aber das Thema der sozialen Gerechtigkeit von hoher Bedeutung. "Es gibt sicherlich andere Länder, in denen das Ungleichgewicht noch stärker ist. Jedenfalls ist es besser, klar zu sehen, daß auch hier in Ägypten große Unterschiede zwischen einer sehr großen Mehrheit von Armen und einer kleinen Elite von Personen, die der Mittel- und Oberschicht angehören, bestehen. Oft rührt die Gewalt von der Ausgrenzung der Jugendlichen aus der Welt der Arbeit". [ENDE DER ÜBERSETZUNG AUS L'OSSERVATORE ROMANO VOM 3. JANUAR 2011.] Damit für weniger Informierte klar wird, auf welcher Tradition die koptischen Christen und damit auch die katholische Patriarchalkirche der Kopten aufbauen, übernehme ich ein Zitat aus der Audienz Seiner Heiligkeit Papst Benedikt XVI. für den damals frisch gewählten und bestätigten selben Patriarchen Naguib vom 15. Dezember 2006: "Sie, Seligkeit, sind der Vater und das Oberhaupt der koptisch-katholischen Kirche von Alexandrien, einem bedeutenden Sitz, dem während der ersten fünf Jahrhunderte der ehrenvolle Rang des ersten Patriarchats nach Rom zukam. Ihre Patriarchatsgemeinschaft ist Trägerin einer reichen geistlichen, liturgischen und theologischen Tradition – der alexandrinischen Tradition –, deren Schätze zum Erbe der Kirche gehören: Sie war Empfängerin der Predigt des heiligen Evangelisten Markus, Sprachrohr des Apostels Petrus; so verbindet ein besonderes Band der Brüderlichkeit Ihr Patriarchat mit dem Stuhl Petri. Ich möchte Sie daher meines Gebetes und meiner Unterstützung für »die besondere Aufgabe « versichern, die das Zweite Vatikanische Konzil den katholischen Ostkirchen anvertraute, nämlich »die Einheit aller Christen, besonders der ostkirchlichen, zu fördern« (Orientalium ecclesiarum, 24), insbesondere mit euren Brüdern der koptisch-orthodoxen Kirche. Ebenso kommt euch eine wichtige Rolle im interreligiösen Dialog zu, um die Brüderlichkeit und Achtung zwischen Christen und Muslimen und unter allen Menschen zu entfalten. Seligkeit, Sie haben, als Sie Patriarch wurden, Ihren Vornamen – Antonios – beibehalten, der an die große Bewegung des Mönchtums erinnert, das in Ägypten entstanden ist und das die Überlieferung mit dem Wirken des hl. Antonius und dann mit dem des hl. Pachomius in Zusammenhang bringt. Dank des abendländischen Beitrags des hl. Benedikt ist das Mönchtum zu einem riesigen Baum geworden, der reiche und herrliche Früchte in der ganzen Welt getragen hat. Wie könnte man bei der Erwähnung der koptischen Kirche nicht an die Schriftsteller, an die Exegeten und an die Philosophen denken, wie Clemens von Alexandria und Origenes, aber auch an die großen Patriarchen, Bekenner und Kirchenlehrer, wie Athanasius und Cyrill, deren berühmte Namen durch Jahrhunderte hindurch den Glauben eines frommen Volkes prägen! Ihren Spuren müßt ihr unablässig folgen, wenn ihr die theologische und geistliche Forschung entfaltet, die eurer Tradition zu eigen ist. In der heutigen Welt ist eure Sendung von großer Bedeutung für eure Gläubigen und für alle Menschen, denen die Frohe Botschaft zu verkünden uns die Liebe Christi drängt. Ich begrüße insbesondere eure Aufmerksamkeit für die menschliche, geistliche, sittliche und intellektuelle Erziehung der Jugend durch ein hochwertiges schulisches und katechetisches Netz, das einen Dienst an der ganzen Gesellschaft darstellt. Ich wünsche aufrichtig, daß dieses erzieherische Engagement immer mehr Anerkennung finden möge, damit im Bedachtsein auf die den katholischen Schulen eigene Identität die grundlegenden Werte weitergegeben werden; auf diese Weise werden die Jugendlichen von heute verantwortungsvolle Männer und Frauen in ihren Familien und in der Gesellschaft werden können, die bestrebt sind, eine größere Solidarität und eine innigere Brüderlichkeit unter allen Angehörigen der Nation aufzubauen. Übermittelt den jungen Menschen meine ganze Wertschätzung und meine ganze Liebe, wenn ihr sie daran erinnert, daß die Kirche und die ganze Gesellschaft ihren Enthusiasmus und ihre Hoffnung dringend brauchen. Ich fordere euch auf, die Ausbildung der Priester und der zahlreichen jungen Männer, die sich dem Herrn weihen wollen, zu intensivieren. Die Lebenskraft der christlichen Gemeinschaften in unserer heutigen Welt erfordert Hirten nach dem Herzen Gottes, die wahre Zeugen des Wortes Gottes und Führer sein sollen, um den Gläubigen zu helfen, ihr Leben und ihre Sendung immer tiefer in Christus zu verwurzeln! Ich weiß, welchen Platz das geweihte Leben in eurer Kirche einnimmt. Möge das Leben nach den evangelischen Räten der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams ein Zeugnis und ein Aufruf zur Heiligkeit für die heutige Welt sein! Mögen die Mitglieder der Institute des geweihten Lebens ihre Sendungen weiterhin durchführen können, insbesondere unter den Jugendlichen und unter den am meisten vernachlässigten Menschen in der Gesellschaft." So verbinden wir uns in geistlicher Solidarität mit allen orthodoxen und katholischen Kopten in der gemeinsamen Anbetung des wahren Gottes und wahren Menschen Jesus Christus anläßlich des Weihnachtsfestes und des dreiköniglichen Hochfestes der Epiphanie! Euer Padre Alex - Vizeoffizial Dr. Alexander Pytlik Sunday, January 2. 2011
DER PAPST FÜR 2011: ... Posted by Padre Alex / Dr. Alexander Pytlik
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21:18
Comments (0) Trackbacks (2) DER PAPST FÜR 2011: RELIGIONSFREIHEIT ALS WEG FÜR DEN FRIEDEN
Schon zu Beginn des neuen Jahres 2011 erweist sich die am 8. Dezember 2010 von Seiner Heiligkeit Papst Benedikt XVI. unterzeichnete Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages am 1. Januar 2011 als dermaßen aktuell und richtungsweisend, daß ich den gesamten Text hier in einen Blogeintrag übernehme. Der Heilige Vater geht ganz klar den alternativlosen Weg seiner Vorgänger, insbesondere des verehrungswürdigen Dieners Gottes Johannes Paul II., in Treue zum XXI. Ökumenischen Konzil der Katholischen Kirche weiter. Dies wird sich vor allem im Oktober 2011 in Assisi zeigen, was nicht nur für die Kirche Christi, die wir in der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche erkennen, von existentieller Bedeutung sein wird, sondern für alle Christen, alle Religionen und die ganze Welt:
RELIGIONSFREIHEIT, EIN WEG FÜR DEN FRIEDEN 1. Zu Beginn eines neuen Jahres will mein Glückwunsch alle und jeden einzelnen erreichen; es ist ein Wunsch für ein frohes Wohlergehen, vor allem aber ist es ein Friedenswunsch. Auch das Jahr, das seine Türen schließt, war leider von Verfolgung, von Diskriminierung, von schrecklichen Gewalttaten und von religiöser Intoleranz gezeichnet. Ich denke besonders an das geschätzte Land Irak, das auf seinem Weg in die ersehnte Stabilität und Versöhnung weiterhin ein Schauplatz von Gewalt und Anschlägen ist. Mir kommen die jüngsten Leiden der christlichen Gemeinde in den Sinn und insbesondere der niederträchtige Angriff auf die syro-katholische Kathedrale „Unserer Lieben Frau von der Immerwährenden Hilfe“ in Bagdad, wo am vergangenen 31. Oktober zwei Priester und über fünfzig Gläubige, die zur Feier der heiligen Messe versammelt waren, getötet wurden. Diesem Anschlag folgten in den Tagen danach weitere Angriffe, auch auf Privathäuser. Sie haben in der christlichen Gemeinde Angst ausgelöst sowie bei vielen ihrer Mitglieder den Wunsch geweckt, auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen zu emigrieren. Ihnen bekunde ich meine Nähe und die der ganzen Kirche, was auch in der kürzlich abgehaltenen Sonderversammlung der Bischofssynode für den Nahen Osten konkret zum Ausdruck gekommen ist. Diese Versammlung hat die katholischen Gemeinden im Irak und im gesamten Nahen Osten ermutigt, die Gemeinschaft zu leben und in jenen Ländern weiterhin ein mutiges Glaubenszeugnis zu geben. Von Herzen danke ich den Regierungen, die sich bemühen, die Leiden dieser Brüder und Schwestern in ihrer menschlichen Existenz zu lindern, und fordere die Katholiken auf, für ihre Brüder und Schwestern im Glauben, die unter Gewalt und Intoleranz leiden, zu beten und sich mit ihnen solidarisch zu zeigen. In diesem Zusammenhang schien mir eine besonders gute Gelegenheit gegeben, euch allen einige Gedanken über die Religionsfreiheit als Weg für den Frieden mitzuteilen. Denn es ist schmerzlich festzustellen, daß es in einigen Regionen der Welt nicht möglich ist, den eigenen Glauben frei zu bekennen und zum Ausdruck zu bringen, ohne das Leben und die persönliche Freiheit aufs Spiel zu setzen. In anderen Gebieten existieren lautlosere und raffiniertere Formen von Vorurteil und Widerstand gegen die Gläubigen und gegen religiöse Symbole. Die Christen sind gegenwärtig die Religionsgruppe, welche die meisten Verfolgungen aufgrund ihres Glaubens erleidet. Viele erfahren tagtäglich Beleidigungen und leben oft in Angst wegen ihrer Suche nach der Wahrheit, wegen ihres Glaubens an Jesus Christus und wegen ihres offenen Aufrufs zur Anerkennung der Religionsfreiheit. Das kann man alles nicht dulden, weil es eine Beleidigung Gottes und der Menschenwürde ist; es stellt außerdem eine Bedrohung für die Sicherheit und den Frieden dar und verhindert eine echte ganzheitliche Entwicklung des Menschen. [Anm. 1 = Vgl. Benedikt XVI., Enzyklika Caritas in veritate, 29.55 - 57.] In der Religionsfreiheit nämlich findet die Besonderheit der menschlichen Person, durch die sie das eigene persönliche und gemeinschaftliche Leben auf Gott hinordnen kann, ihren Ausdruck: Im Licht Gottes versteht man die Identität, den Sinn und das Ziel der Person vollständig. Diese Freiheit willkürlich zu verweigern oder zu beschränken bedeutet, eine verkürzende Sicht des Menschen zu haben; die öffentliche Rolle der Religion zu verdunkeln bedeutet, eine ungerechte Gesellschaft aufzubauen, da sie nicht im rechten Verhältnis zur wahren Natur der menschlichen Person steht; dies bedeutet, die Durchsetzung eines echten und dauerhaften Friedens der ganzen Menschheitsfamilie unmöglich zu machen. Ich fordere daher die Menschen guten Willens auf, den Einsatz für den Aufbau einer Welt zu erneuern, in der alle frei sind, ihre Religion oder ihren Glauben zu bekennen und ihre Liebe zu Gott mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit allen Gedanken zu leben (vgl. Mt 22,37). Das ist die Gesinnung, welche die Botschaft zur Feier des XLIV. Weltfriedenstags, die dem Thema Religionsfreiheit, ein Weg für den Frieden gewidmet ist, inspiriert und leitet. Das heilige Recht auf Leben und auf ein religiöses Leben 2. Das Recht auf Religionsfreiheit ist in der Würde des Menschen selbst verankert [Anm. 2 = Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae, 2], dessen transzendente Natur nicht ignoriert oder vernachlässigt werden darf. Gott hat Mann und Frau als sein Abbild erschaffen (vgl. Gen 1,27). Deshalb besitzt jeder Mensch das heilige Recht auf ein ganzheitliches Leben auch in spiritueller Hinsicht. Ohne die Anerkennung des eigenen geistigen Wesens, ohne die Öffnung auf das Transzendente hin zieht der Mensch sich auf sich selbst zurück, kann er keine Antworten auf die Fragen seines Herzens nach dem Sinn des Lebens finden und keine dauerhaften ethischen Werte und Grundsätze gewinnen, kann er nicht einmal echte Freiheit erfahren und eine gerechte Gesellschaft entwickeln.[Anm. 3 = Vgl. Benedikt XVI., Enzyklika Caritas in veritate, 78.] Die Heilige Schrift offenbart in Übereinstimmung mit unserer eigenen Erfahrung den tiefen Wert der Menschenwürde: „Seh ich den Himmel, das Werk Deiner Finger, Mond und Sterne, die Du befestigt: Was ist der Mensch, daß Du an ihn denkst, des Menschen Kind, daß Du Dich seiner annimmst? Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, hast ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt. Du hast ihn als Herrscher eingesetzt über das Werk deiner Hände, hast ihm alles zu Füßen gelegt“ (Ps 8,4 - 7). Angesichts der erhabenen Wirklichkeit der menschlichen Natur kann uns das gleiche Staunen überkommen, das der Psalmist zum Ausdruck bringt. Sie zeigt sich als ein Offensein für das Mysterium, als die Fähigkeit, den Fragen über sich selbst und über den Ursprung des Universums auf den Grund zu gehen, als innerer Widerhall der höchsten Liebe Gottes, der Ursprung und Ziel aller Dinge, eines jeden Menschen und aller Völker ist. [Anm. 4 = Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Erklärung über die Beziehungen der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen Nostra aetate, 1.] Die transzendente Würde der Person ist ein wesentlicher Wert der jüdisch-christlichen Weisheit, sie kann aber dank der Vernunft von allen erkannt werden. Diese Würde im Sinn einer Fähigkeit, die eigene Materialität zu überschreiten und die Wahrheit zu suchen, muß als ein allgemeines Gut anerkannt werden, das für den Aufbau einer auf die volle Verwirklichung des Menschen ausgerichteten Gesellschaft unverzichtbar ist. Die Achtung wesentlicher Elemente der Menschenwürde wie das Recht auf Leben und das Recht auf die Religionsfreiheit ist eine Bedingung für die moralische Legitimität jeder gesellschaftlichen und rechtlichen Vorschrift. Religionsfreiheit und gegenseitige Achtung 3. Die Religionsfreiheit ist der Ausgangspunkt der moralischen Freiheit. Tatsächlich verleiht das in der menschlichen Natur verwurzelte Offensein für die Wahrheit und das Gute jedem Menschen volle Würde und gewährleistet den gegenseitigen Respekt zwischen Personen. Darum ist die Religionsfreiheit nicht nur als Schutz gegenüber Nötigungen zu verstehen, sondern in erster Linie als Fähigkeit, die eigenen Entscheidungen gemäß der Wahrheit zu ordnen. Es besteht eine untrennbare Verbindung zwischen Freiheit und Achtung des anderen: „Die einzelnen Menschen und die sozialen Gruppen sind bei der Ausübung ihrer Rechte durch das Sittengesetz verpflichtet, sowohl die Rechte der andern wie auch die eigenen Pflichten den anderen und dem Gemeinwohl gegenüber zu beachten.“ [Anm. 5 = Zweites Vatikanisches Konzil, Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae, 7.] Eine Gott gegenüber feindliche oder gleichgültige Freiheit endet in der Verneinung ihrer selbst und gewährleistet nicht die vollkommene Achtung gegenüber dem anderen. Ein Wille, der sich für gänzlich unfähig hält, die Wahrheit und das Gute zu suchen, hat keine objektiven Gründe noch Motive für sein Handeln außer denen, die seine augenblicklichen und zufälligen Interessen ihm diktieren; er hat keine „Identität“, die durch wirklich freie und bewußte Entscheidungen zu schützen und aufzubauen ist. Er kann daher nicht die Achtung seitens anderer „Willen“ fordern, die sich ebenfalls von ihrem tiefsten Sein losgelöst haben, die also andere „Gründe“ oder sogar gar keinen „Grund“ geltend machen können. Die Illusion, im ethischen Relativismus den Schlüssel für ein friedliches Zusammenleben zu finden, ist in Wirklichkeit der Ursprung von Spaltungen und von Verneinung der Würde der Menschen. So ist es verständlicherweise notwendig, eine zweifache Dimension in der Einheit der menschlichen Person anzuerkennen: die religiöse und die soziale. In diesem Zusammenhang ist es unvorstellbar, daß die Gläubigen „einen Teil von sich – ihren Glauben – unterdrücken müssen, um aktive Bürger zu sein. Es sollte niemals erforderlich sein, Gott zu verleugnen, um in den Genuß der eigenen Rechte zu kommen“. [Anm. 6 = Benedikt XVI., Ansprache an die Generalversammlung der Organisation der Vereinten Nationen (18. April 2008): AAS 100 (2008), 337.] Die Familie, eine Schule der Freiheit und des Friedens 4. Wenn die Religionsfreiheit ein Weg für den Frieden ist, dann ist die religiöse Erziehung der bevorzugte Weg, die neuen Generationen zu befähigen, im anderen den eigenen Bruder bzw. die eigene Schwester zu erkennen, mit denen man gemeinsam vorangehen und zusammenarbeiten muß, damit alle sich als lebendige Glieder ein und derselben Menschheitsfamilie empfinden, aus der niemand ausgeschlossen werden darf. Die auf die Ehe gegründete Familie, Ausdruck inniger Gemeinschaft und gegenseitiger Ergänzung zwischen einem Mann und einer Frau, fügt sich in diesen Zusammenhang als die erste Schule von Bildung und von sozialem, kulturellem, moralischem und geistlichem Wachstum der Kinder ein, die im Vater und in der Mutter stets die ersten Zeugen eines Lebens finden sollten, das auf die Suche nach der Wahrheit und die Liebe zu Gott ausgerichtet ist. Die Eltern selbst müßten immer frei sein, ihr Erbe des Glaubens, der Werte und der Kultur ohne Zwänge und in Verantwortung an ihre Kinder weiterzugeben. Die Familie, die erste Zelle der menschlichen Gesellschaft, ist der vorrangige Bereich der Erziehung zu harmonischen Beziehungen auf allen nationalen und internationalen Ebenen menschlichen Zusammenlebens. Das ist der Weg, der weise eingeschlagen werden muß, um ein solides und solidarisches gesellschaftliches Gefüge zu schaffen, um die jungen Menschen darauf vorzubereiten, im Leben ihre Verantwortung zu übernehmen, in einer freien Gesellschaft, in einem Geist der Verständnisses und des Friedens. Ein gemeinsames Erbe 5. Man könnte sagen, daß unter den Grundrechten und Grundfreiheiten, die in der Menschenwürde wurzeln, die Religionsfreiheit einen speziellen Stand besitzt. Wenn die Religionsfreiheit anerkannt wird, ist die Würde der Person in ihrer Wurzel geachtet und das Ethos sowie die Institutionen der Völker werden gestärkt. Wenn umgekehrt die Religionsfreiheit verweigert wird, wenn versucht wird zu verbieten, daß man die eigene Religion oder den eigenen Glauben bekennt und ihnen gemäß lebt, wird die Würde des Menschen beleidigt, und mit ihr werden die Gerechtigkeit und der Frieden bedroht, die auf jener rechten, im Licht des höchsten Wahren und Guten aufgebauten gesellschaftlichen Ordnung basieren. In diesem Sinne ist die Religionsfreiheit auch eine Errungenschaft politischer und rechtlicher Kultur. Sie ist ein wesentliches Gut: Jeder Mensch muß frei das Recht wahrnehmen können, seine Religion oder seinen Glauben als einzelner oder gemeinschaftlich zu bekennen und auszudrücken, sowohl öffentlich als auch privat, im Unterricht, in Bräuchen, in Veröffentlichungen, im Kult und in der Befolgung der Riten. Er dürfte nicht auf Hindernisse stoßen, falls er sich eventuell einer anderen Religion anschließen oder gar keine Religion bekennen wollte. In diesem Bereich erweist sich die internationale Ordnung als bedeutungsvoll und ist ein wesentlicher Bezugspunkt für die Staaten, da sie keinerlei Ausnahme von der Religionsfreiheit gestattet, außer dem legitimen Bedürfnis der öffentlichen Ordnung, die auf der Gerechtigkeit beruht. [Anm. 7 = Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae, 2.] Auf diese Weise erkennt die internationale Ordnung den Rechten religiöser Natur den gleichen Status zu wie dem Recht auf Leben und auf persönliche Freiheit, womit sie deren Zugehörigkeit zum wesentlichen Kern der Menschenrechte beweist, zu jenen universalen und natürlichen Rechten, die das menschliche Gesetz niemals verweigern darf. Die Religionsfreiheit ist nicht ausschließliches Erbe der Gläubigen, sondern der gesamten Familie der Völker der Erde. Sie ist ein unabdingbares Element eines Rechtsstaates; man kann sie nicht verweigern, ohne zugleich alle Grundrechte und -freiheiten zu verletzen, da sie deren Zusammenfassung und Gipfel ist. Sie ist „eine Art ‚Lackmustest‘ für die Achtung aller weiteren Menschenrechte“. [Anm. 8 = Johannes Paul II., Ansprache an die Teilnehmer der Konferenz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa OSZE (10. Oktober 2003), 1: AAS 96 (2004), 111.] Während sie die Ausübung der spezifisch menschlichen Fähigkeiten fördert, schafft sie die nötigen Voraussetzungen für die Verwirklichung einer ganzheitlichen Entwicklung, die einheitlich die Ganzheit der Person in allen ihren Dimensionen betrifft.[Anm. 9 = Vgl. Benedikt XVI., Enzyklika Caritas in veritate, 11.] Die öffentliche Dimension der Religion 6. Obschon die Religionsfreiheit wie jede Freiheit von der persönlichen Sphäre ausgeht, verwirklicht sie sich in der Beziehung zu den anderen. Eine Freiheit ohne Beziehung ist keine vollendete Freiheit. Auch die Religionsfreiheit erschöpft sich nicht in der rein individuellen Dimension, sondern sie verwirklicht sich in der eigenen Gemeinschaft und in der Gesellschaft, in Übereinstimmung mit dem relationalen Wesen der Person und mit der öffentlichen Natur der Religion. Der relationale Charakter ist eine entscheidende Komponente der Religionsfreiheit, die die Gemeinschaften der Gläubigen zur Solidarität für das Gemeinwohl drängt. In dieser gemeinschaftlichen Dimension bleibt jeder Mensch einzig und unwiederholbar, und zugleich vollendet und verwirklicht er sich ganz. Der Beitrag, den die religiösen Gemeinschaften für die Gesellschaft leisten, ist unbestreitbar. Zahlreiche karitative und kulturelle Einrichtungen bestätigen die konstruktive Rolle der Gläubigen für das gesellschaftliche Leben. Noch bedeutender ist der ethische Beitrag der Religion im politischen Bereich. Er sollte nicht marginalisiert oder verboten, sondern als wertvolle Unterstützung zur Förderung des Gemeinwohls verstanden werden. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die religiöse Dimension der Kultur zu erwähnen, die über die Jahrhunderte hin durch die sozialen und vor allem ethischen Beiträge der Religion entwickelt wurde. Diese Dimension stellt keinesfalls eine Diskriminierung derer dar, die ihre Glaubensinhalte nicht teilen, sondern sie stärkt vielmehr den gesellschaftlichen Zusammenhalt, die Integration und die Solidarität. Religionsfreiheit, eine Kraft der Freiheit und der Zivilisation: die Gefahren ihrer Instrumentalisierung 7. Die Instrumentalisierung der Religionsfreiheit zur Verschleierung geheimer Interessen – wie zum Beispiel der Umsturz der konstituierten Ordnung, das Horten von Ressourcen oder die Erhaltung der Macht durch eine Gruppe – kann der Gesellschaft ungeheuren Schaden zufügen. Fanatismus, Fundamentalismus und Handlungen, die gegen die Menschenrechte verstoßen, können niemals gerechtfertigt werden, am wenigsten, wenn sie im Namen der Religion geschehen. Das Bekenntnis einer Religion darf nicht instrumentalisiert, noch mit Gewalt aufgezwungen werden. Die Staaten und die verschiedenen menschlichen Gemeinschaften dürfen also niemals vergessen, daß die Religionsfreiheit die Voraussetzung für die Suche nach der Wahrheit ist und daß sich die Wahrheit nicht mit Gewalt durchsetzt, sondern „kraft der Wahrheit selbst“. [Anm. 10 = Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae, 1.] In diesem Sinne ist die Religion eine positive und treibende Kraft für den Aufbau der zivilen und der politischen Gesellschaft. Wie könnte man den Beitrag der großen Weltreligionen zur Entwicklung der Zivilisation leugnen? Die aufrichtige Suche nach Gott hat zu einer vermehrten Achtung der Menschenwürde geführt. Die christlichen Gemeinschaften haben mit ihrem Erbe an Werten und Grundsätzen erheblich dazu beigetragen, daß Menschen und Völker sich ihrer eigenen Identität und ihrer Würde bewußt wurden, und ebenso sind sie an der Errungenschaft demokratischer Einrichtungen sowie an der Festschreibung der Menschenrechte und der entsprechenden Pflichten beteiligt. Auch heute, in einer zunehmend globalisierten Gesellschaft, sind die Christen berufen, nicht allein mit einem verantwortlichen zivilen, wirtschaftlichen und politischen Engagement, sondern auch mit dem Zeugnis der eigenen Nächstenliebe und des persönlichen Glaubens einen wertvollen Beitrag zu leisten zum mühsamen und erhebenden Einsatz für die Gerechtigkeit, für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen und für die rechte Ordnung der menschlichen Angelegenheiten. Die Ausschließung der Religion aus dem öffentlichen Leben entzieht diesem einen lebenswichtigen Bereich, der offen ist für die Transzendenz. Ohne diese Grunderfahrung ist es schwierig, die Gesellschaften auf allgemeine ethische Grundsätze hin zu orientieren, und kaum möglich, nationale und internationale Richtlinien aufzustellen, in denen die Grundrechte und -freiheiten vollständig anerkannt und verwirklicht werden können, entsprechend den – leider immer noch unbeachteten oder bestrittenen – Zielsetzungen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948. Eine Frage der Gerechtigkeit und der Zivilisation: Der Fundamentalismus und die Feindseligkeit gegenüber Gläubigen beeinträchtigen die positive Laizität der Staaten 8. Mit der gleichen Entschiedenheit, mit der alle Formen von Fanatismus und religiösem Fundamentalismus verurteilt werden, muß auch allen Formen von Religionsfeindlichkeit, die die öffentliche Rolle der Gläubigen im zivilen und politischen Leben begrenzen, entgegengetreten werden. Man darf nicht vergessen, daß der religiöse Fundamentalismus und der Laizismus spiegelbildlich einander gegenüberstehende extreme Formen der Ablehnung des legitimen Pluralismus und des Prinzips der Laizität sind. Beide setzen nämlich eine einengende und partielle Sicht des Menschen absolut, indem sie im ersten Fall Formen von religiösem Integralismus und im zweiten von Rationalismus unterstützen. Die Gesellschaft, die die Religion gewaltsam aufzwingen oder – im Gegenteil – verbieten will, ist ungerecht gegenüber dem Menschen und Gott, aber auch gegenüber sich selbst. Gott ruft die Menschheit zu sich mit einem Plan der Liebe, der den ganzen Menschen in seiner natürlichen und geistlichen Dimension einbezieht und zugleich eine Antwort in Freiheit und Verantwortung erwartet, die aus ganzem Herzen und mit der ganzen individuellen und gemeinschaftlichen Existenz gegeben wird. So muß also auch die Gesellschaft, insofern sie Ausdruck der Person und der Gesamtheit der sie grundlegenden Dimensionen ist, so leben und sich organisieren, daß sie das Sich-öffnen auf die Transzendenz hin begünstigt. Genau aus diesem Grund dürfen die Gesetze und die Institutionen einer Gesellschaft nicht so gestaltet sein, daß sie die religiöse Dimension der Bürger nicht beachten oder gänzlich von ihr absehen. Durch das demokratische Wirken von Bürgern, die sich ihrer hohen Berufung bewußt sind, müssen die Gesetze und Institutionen dem Wesen des Menschen angepaßt werden, damit sie ihn in seiner religiösen Dimension unterstützen können. Da diese kein Werk des Staates ist, kann sie nicht manipuliert werden, sondern muß vielmehr anerkannt und respektiert werden. Wenn die Rechtsordnung – sei es auf nationaler oder internationaler Ebene – den religiösen oder antireligiösen Fanatismus zuläßt oder toleriert, kommt sie ihrer Aufgabe nicht nach, die Gerechtigkeit und das Recht eines jeden zu schützen und zu fördern. Diese Wirklichkeiten können nicht der Willkür des Gesetzgebers oder der Mehrheit ausgesetzt werden, denn – wie schon Cicero lehrte – die Rechtsprechung besteht aus mehr als einer bloßen Schaffung des Gesetzes und seiner Anwendung. Sie schließt ein, jedem seine Würde zuzuerkennen.[Anm. 11 = Vgl. Cicero, De inventione, II, 160.] Und diese ist ohne garantierte und in ihrem Wesen gelebte Religionsfreiheit verstümmelt und verletzt, der Gefahr ausgesetzt, unter die Vorherrschaft von Götzen, von relativen Gütern zu geraten, die absolut gesetzt werden. All das bringt die Gesellschaft in die Gefahr von politischen und ideologischen Totalitarismen, welche die öffentliche Macht nachdrücklich betonen, während die Gewissensfreiheit, die Freiheit des Denkens und die Religionsfreiheit, als wären sie Konkurrenten, Beeinträchtigungen oder Zwang erleiden. Der Dialog zwischen zivilen und religiösen Institutionen 9. Das Erbe an Grundsätzen und an Werten, die durch eine authentische Religiosität zum Ausdruck kommen, ist ein Reichtum für die Völker und ihr Ethos. Es spricht unmittelbar das Gewissen und die Vernunft der Menschen an, erinnert an das Gebot der moralischen Umkehr, motiviert dazu, die Tugenden zu üben und im Zeichen der Brüderlichkeit als Glieder der großen Menschheitsfamilie einander in Liebe zu begegnen.[Anm. 12 = Vgl. Benedikt XVI., Ansprache an die Vertreter anderer Religionen in Großbritannien (17. September 2010): L’Osservatore Romano (dt.), 24. September 2010, S. 10.] Unter Berücksichtigung der positiven Laizität der staatlichen Institutionen muß die öffentliche Dimension der Religion immer anerkannt werden. Zu diesem Zweck ist ein gesunder Dialog zwischen den zivilen und den religiösen Institutionen für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen und der Eintracht der Gesellschaft von grundlegender Bedeutung. In der Liebe und der Wahrheit leben 10. In der globalisierten Welt, die von zunehmend multiethnischen und multireligiösen Gesellschaften gekennzeichnet ist, können die großen Religionen einen wichtigen Faktor der Einheit und des Friedens für die Menschheitsfamilie darstellen. Auf der Basis der eigenen religiösen Überzeugungen und der rationalen Suche nach dem Gemeinwohl sollen ihre Anhänger verantwortungsvoll ihren eigenen Einsatz in einem Umfeld der Religionsfreiheit ausüben. Es ist notwendig, in den verschiedenen religiösen Kulturen das zu beherzigen, was sich für das zivile Miteinander als positiv erweist, während alles der Würde des Menschen Entgegenstehende verworfen werden muß. Der öffentliche Raum, den die internationale Gemeinschaft den Religionen und ihrem Angebot eines „guten Lebens“ zur Verfügung stellt, fördert das Hervortreten eines gemeinsam geteilten Maßstabs der Wahrheit und des Guten wie auch einen moralischen Konsens – beides Dinge, die für ein gerechtes und friedvolles Miteinander grundlegend sind. Die Leader der großen Religionen sind wegen ihrer Rolle, ihres Einflusses und ihrer Autorität in ihren eigenen Gemeinschaften als erste zum gegenseitigen Respekt und zum Dialog angehalten. Die Christen ihrerseits werden vom Glauben an Gott selbst, dem Vater des Herrn Jesus Christus, dazu aufgefordert, als Brüder und Schwestern zu leben, die in der Kirche zusammenkommen und am Aufbau einer neuen Welt mitarbeiten, der prophetischen Vorwegnahme der Reiches Gottes, wo die Menschen und Völker „nichts Böses mehr tun und kein Verbrechen begehen […]; denn das Land ist erfüllt von der Erkenntnis des Herrn, so wie das Meer mit Wasser gefüllt ist“ (vgl. Jes 11,9). Dialog als gemeinsame Suche 11. Für die Kirche stellt der Dialog zwischen den Anhängern verschiedener Religionen ein wichtiges Werkzeug dar, um mit allen Religionsgemeinschaften zum Gemeinwohl zusammenzuarbeiten. Die Kirche selbst lehnt nichts von alledem ab, was in den verschiedenen Religionen wahr und heilig ist. „Mit aufrichtigem Ernst betrachtet sie jene Handlungs- und Lebensweisen, jene Vorschriften und Lehren, die zwar in manchem von dem abweichen, was sie selber für wahr hält und lehrt, doch nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet.“ [Anm. 13 = Zweites Vatikanisches Konzil, Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen Nostra aetate, 2.] Der aufgezeigte Weg ist nicht der des Relativismus oder des religiösen Synkretismus. Denn die Kirche „verkündet und sie muß verkündigen Christus, der ‚der Weg, die Wahrheit und das Leben‘ ist (Joh 14,6), in dem die Menschen die Fülle des religiösen Lebens finden, in dem Gott alles mit sich versöhnt hat“ [Anm. 14 = Zweites Vatikanisches Konzil, Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen Nostra aetate, 2.]. Dies schließt jedoch den Dialog und die gemeinsame Suche nach der Wahrheit in verschiedenen Lebensumfeldern nicht aus, da nämlich, wie ein vom heiligen Thomas von Aquin oft gebrauchtes Wort sagt, „jede Wahrheit, von wem auch immer sie vorgebracht wird, vom Heiligen Geist kommt“ [Anm. 15 = Super Evangelium Joannis, I, 3.] Im Jahr 2011 begehen wir den 25. Jahrestag des Weltgebetstages für den Frieden, zu dem Papst Johannes Paul II. 1986 nach Assisi eingeladen hatte. Damals haben die Leader der großen Weltreligionen Zeugnis davon gegeben, daß die Religion ein Faktor der Einheit und des Friedens und nicht der Trennung und des Konflikts ist. Die Erinnerung an diese Erfahrung ist Grund zur Hoffnung auf eine Zukunft, in der alle Gläubigen sich als Arbeiter für die Gerechtigkeit und Friedensstifter sehen und wirklich zu solchen machen. Moralische Wahrheit in Politik und Diplomatie 12. Die Politik und die Diplomatie sollten auf das von den großen Weltreligionen angebotene moralische und geistige Erbe schauen, um die Wahrheit sowie die allgemeinen Prinzipien und Werte zu erkennen und zu vertreten, die nicht geleugnet werden können, ohne damit auch die Würde des Menschen zu leugnen. Was heißt aber, praktisch gesprochen, die moralische Wahrheit in der Welt der Politik und der Diplomatie zu fördern? Es bedeutet, auf der Basis der objektiven und vollständigen Kenntnis der Fakten verantwortungsvoll zu handeln; es bedeutet, politische Ideologien aufzubrechen, die die Wahrheit und die Würde des Menschen letztlich verdrängen und unter dem Vorwand des Friedens, der Entwicklung und der Menschenrechte Pseudo-Werte fördern wollen; es bedeutet, ein ständiges Bemühen zu fördern, das positive Recht auf die Prinzipien des Naturrechts zu gründen [Anm. 16 = Vgl. Benedikt XVI., Ansprache an die Vertreter des öffentlichen Lebens und an das Diplomatische Corps in Zypern (5. Juni 2010): L’Osservatore Romano (dt.), 11. Juni 2010, S. 8; Internationale Theologenkommission, Auf der Suche nach einer universellen Ethik: ein neuer Blick auf das Naturgesetz, Vatikanstadt 2009.]. Das alles ist notwendig und hängt mit der Achtung der Würde und des Wertes der menschlichen Person zusammen, wie sie die Völker der Erde in der Charta der Organisation der Vereinten Nationen von 1945 festgelegt haben, welche die Werte und allgemeinen moralischen Prinzipien als Maßstab für die Normen, Einrichtungen und Systeme des Miteinanders auf nationaler und internationaler Ebene darlegt. Jenseits von Haß und Vorurteil 13. Trotz der Lehren der Geschichte und der Anstrengungen der Staaten, der internationalen Organisationen auf Welt- und Ortsebene, der Nichtregierungsorganisationen und aller Menschen guten Willens, die sich jeden Tag für den Schutz der Grundrechte und -freiheiten einsetzen, sind heute noch in der Welt Verfolgungen, Diskriminierungen, Akte der Gewalt und Intoleranz aus religiösen Gründen zu verzeichnen. Insbesondere in Asien und Afrika sind die Opfer hauptsächlich Angehörige der religiösen Minderheiten, die daran gehindert werden, die eigene Religion frei zu bekennen oder sie zu wechseln, und zwar durch Einschüchterung und Verletzung der Grundrechte, der Grundfreiheiten und der notwendigen Güter bis hin zur Beraubung der persönlichen Freiheit oder zum Verlust des Lebens selbst. Es gibt dann – wie ich bereits festgestellt habe – raffiniertere Formen der Feindseligkeit gegenüber der Religion, die in den westlichen Ländern mitunter in der Verleugnung der Geschichte und der religiösen Symbole, die die Identität und die Kultur der Mehrheit der Bürger widerspiegeln, zum Ausdruck gebracht werden. Oft fachen sie Haß und Vorurteile an und stehen nicht im Einklang mit einer sachlichen und ausgewogenen Sicht des Pluralismus und der Laizität der Institutionen, ohne zu beachten, daß die jungen Generationen Gefahr laufen, mit dem wertvollen geistigen Erbe ihrer Länder nicht in Berührung zu kommen. Die Verteidigung der Religion verläuft über die Verteidigung der Rechte und Freiheiten der Religionsgemeinschaften. Die Leader der großen Weltreligionen und die Verantwortlichen der Nationen mögen daher ihr Bemühen um die Förderung und den Schutz der Religionsfreiheit erneuern, insbesondere um die Verteidigung der religiösen Minderheiten, die keine Gefahr für die Identität der Mehrheit darstellen, sondern, im Gegenteil, eine Gelegenheit zum Dialog und zur gegenseitigen kulturellen Bereicherung. Ihre Verteidigung ist die ideale Art und Weise, den Geist des Wohlwollens, der Offenheit und der Gegenseitigkeit zu stärken, mit dem die Grundrechte und -freiheiten in allen Gebieten und Regionen der Welt geschützt werden können. Die Religionsfreiheit in der Welt 14. Ich wende mich schließlich den christlichen Gemeinschaften zu, die unter Verfolgung, Diskriminierung, Akten der Gewalt und der Intoleranz leiden, insbesondere in Asien, in Afrika, im Nahen Osten und besonders im Heiligen Land, dem von Gott auserlesenen und gesegneten Ort. Während ich ihnen meine väterliche Zuneigung erneuere und sie meines Gebetes versichere, bitte ich alle Verantwortlichen um schnelles Handeln, um jeden Übergriff auf Christen zu beenden, die in jenen Gebieten leben. Die Jünger Christi mögen angesichts der gegenwärtigen Widrigkeiten nicht den Mut verlieren, denn das Zeugnis des Evangeliums ist und wird immer ein Zeichen des Widerspruchs sein. Betrachten wir in unserem Herzen die Worte Jesu: „Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden. [...] Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden. [...] Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet. Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein“ (Mt 5,4 - 12). Erneuern wir nun „die übernommene Verpflichtung zur Nachsicht und zum Verzeihen, die wir im Vater unser von Gott erbitten, wo wir selbst die Bedingung und das Maß des ersehnten Erbarmens festlegen, wenn wir nämlich beten: ‚Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern‘ (Mt 6,12)“. [Anm. 17 = Paul VI., Botschaft zum Weltfriedenstag 1976: AAS 67 (1975), 671.] Gewalt wird nicht mit Gewalt überwunden. Unser Schmerzensschrei soll immer vom Glauben, von der Hoffnung und vom Zeugnis der Liebe Gottes begleitet werden. Ich drücke auch meine Hoffnung aus, daß im Westen, besonders in Europa, die Feindschaft und die Vorurteile gegen Christen aufhören, die darauf beruhen, daß sie ihr eigenes Leben in einer konsequenten Weise nach den Werten und den Grundsätzen ausrichten wollen, wie sie im Evangelium zum Ausdruck gebracht sind. Europa möge sich vielmehr mit seinen eigenen christlichen Wurzeln wieder versöhnen, die grundlegend sind, um die Rolle zu begreifen, die es gehabt hat, die es hat und die es in der Geschichte haben will. So wird es auf Gerechtigkeit, Eintracht und Frieden hoffen können, wenn es einen ernsthaften Dialog mit allen Völkern pflegt. Religionsfreiheit, ein Weg für den Frieden 15. Die Welt braucht Gott. Sie braucht ethische und geistliche Werte, die allgemein geteilt werden. Und die Religion kann bei dieser Suche einen wertvollen Beitrag für den Aufbau einer gerechten und friedlichen sozialen Ordnung auf nationaler und internationaler Ebene leisten. Der Friede ist ein Geschenk Gottes und zugleich ein Plan, der realisiert werden muß und nie ganz vollendet ist. Eine mit Gott versöhnte Gesellschaft ist näher am Frieden, der nicht einfach das Fehlen von Krieg, nicht bloß Frucht militärischer oder wirtschaftlicher Vorherrschaft und noch weniger täuschender Irreführung oder geschickter Manipulationen ist. Der Friede ist hingegen das Ergebnis eines Prozesses der Reinigung und des kulturellen, moralischen und geistlichen Fortschritts einer jeden Person und eines jeden Volkes, in dem die menschliche Würde vollkommen geachtet wird. Alle, die Mitarbeiter des Friedens werden wollen, und besonders die Jugendlichen lade ich ein, auf ihre innere Stimme zu hören, um in Gott den festen Bezugspunkt für den Gewinn echter Freiheit und die unerschöpfliche Kraft zu finden, um die Welt mit einem neuen Geist auszurichten, der befähigt, die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen. Papst Paul VI., dessen Weisheit und Weitblick die Einrichtung des Weltfriedenstags zu verdanken ist, lehrt: „Man muß dem Frieden vor allem andere Waffen geben als jene, die zum Töten und Vernichten der Menschheit bestimmt sind. Man braucht vor allem moralische Waffen, die dem internationalen Recht Kraft und Geltung verschaffen; zuallererst jene zur Einhaltung der Verträge.“ [Anm. 18 = Paul VI., Botschaft zum Weltfriedenstag 1976: AAS 67 (1975), 668.] Die Religionsfreiheit ist eine echte Waffe des Friedens mit einer geschichtlichen und prophetischen Mission. Sie bringt in der Tat die tiefsten Eigenschaften und Möglichkeiten des Menschen, die die Welt verändern und verbessern können, zur Geltung und macht sie fruchtbar. Sie erlaubt, die Hoffnung auf eine Zukunft der Gerechtigkeit und des Friedens zu nähren, auch gegenüber den schweren Ungerechtigkeiten sowie den materiellen und moralischen Nöten. Auf daß alle Menschen und die Gesellschaften auf allen Ebenen und in jedem Teil der Erde bald die Religionsfreiheit als Weg für den Frieden erfahren können! Aus dem Vatikan, am 8. Dezember 2010 BENEDICTUS PP XVI [ÜBERNOMMEN VON DER SEITE DES HEILIGEN STUHLES.] |
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