Sunday, December 25. 2011
WEIHNACHTEN 2011: II. VATIKANISCHES ... Posted by Padre Alex / Dr. Alexander Pytlik
in Katholische Lehre, News Kommentare at
08:15
Comments (0) Trackbacks (0) ![]() WEIHNACHTEN 2011: II. VATIKANISCHES KONZIL WIRD NICHT ZURÜCKGEDREHT
Bereits am 1. Dezember 2011 erschien in L'Osservatore Romano ein wegweisender Beitrag zum heutigen 50. Jahrestag der Einberufung des XXI. Ökumenischen Konzils, besser bekannt als das II. Vatikanische Konzil der Katholischen Kirche. Weil es nicht angehen kann, daß bestimmte Gruppen dieses Konzil als ganzes oder in Teilen in Frage stellen, es teilweise völlig falsch interpretieren oder gar die Rechtmäßigkeit seiner Einberufung bezweifeln, übernehme ich ganz bewußt - nach der heutigen stillen Hirtenmesse in der außerordentlichen Form des Römischen Ritus (in der mir anvertrauten Marienwallfahrtskirche) - diesen absolut richtigen und verbindenden Beitrag vom hwst. Herrn Generalvikar der Personalprälatur des Opus Dei, Monsignore Fernando Ocáriz:
ÜBER DIE ZUSTIMMUNG ZUM ZWEITEN VATIKANISCHEN KONZIL AM 50. JAHRESTAG SEINER EINBERUFUNG Der [bevorstehende] 50. Jahrestag der Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils (25. Dezember 1961) ist Anlaß zum Feiern, aber auch zu einem erneuerten Nachdenken über die Rezeption und Umsetzung der Konzilsdokumente. Dabei gilt es, neben den unmittelbar praktischen Aspekten dieser Rezeption und Umsetzung mit ihren Licht- und Schattenseiten auch das Wesen der verstandesmäßigen Zustimmung, die den Konzilslehren gebührt, in Erinnerung zu rufen. Obwohl die Lehre darüber bekannt ist und dazu eine reichhaltige Bibliographie vorliegt, ist es angebracht, ihre Grundzüge erneut darzulegen, weil – auch in der öffentlichen Meinung – Unsicherheiten über die Kontinuität einiger Konzilslehren gegenüber früheren Aussagen des kirchlichen Lehramts bestehen. Zunächst sollte in Erinnerung gerufen werden, daß die pastorale Ausrichtung des Konzils nicht bedeutet, daß es nicht doktrinell ist. Denn die pastoralen Aspekte gründen auf der Lehre, wie es anders gar nicht sein könnte. Vor allem aber muß betont werden, daß die Lehre auf das Heil ausgerichtet und seine Verkündigung ein wesentlicher Bestandteil der Pastoral ist. Zudem finden sich in den Konzilsdokumenten zweifellos viele Aussagen streng lehrmäßiger Natur: über die göttliche Offenbarung, über die Kirche, usw. Dazu schrieb der selige Johannes Paul II.: "Mit Gottes Hilfe vermochten die Konzilsväter im Verlauf vierjähriger Arbeit eine beachtliche Fülle von Lehraussagen und pastoralen Richtlinien für die ganze Kirche zu erarbeiten" (Apostolische Konstitution Fidei depositum, 11. Oktober 1992, Einleitung). Die dem Lehramt gebührende Zustimmung Das Zweite Vatikanische Konzil definierte kein Dogma in dem Sinn, daß es keine Lehre durch eine endgültige Verlautbarung verkündete. Wenn eine Äußerung des Lehramtes der Kirche nicht kraft des Charismas der Unfehlbarkeit erfolgt, bedeutet dies jedoch nicht, daß sie als "fehlbar" betrachtet werden kann und deshalb bloß eine "vorläufige Lehre" oder "gewichtige Meinungen" weitergebe. Jede Äußerung des authentischen Lehramts muß als das angenommen werden, was sie ist: als Lehre, die von Hirten verkündet wird, die in der apostolische Nachfolge mit dem "Charisma der Wahrheit" (Dei verbum, Nr. 8), "mit der Autorität Christi ausgerüstet" (Lumen gentium, 25), "im Licht des Heiligen Geistes" (ebd.) sprechen. Dieses Charisma, diese Autorität und dieses Licht waren im Zweiten Vatikanischen Konzil gewiß vorhanden. Wenn man dies dem gesamten Episkopat, der cum Petro et sub Petro versammelt war, um die Gesamtkirche zu lehren, absprechen wollte, dann würde man etwas leugnen, das zum Wesen der Kirche gehört (vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung Mysterium Ecclesiae, 24. Juni 1973, Nr. 2 - 5). Natürlich haben nicht alle in den Konzilsdokumenten enthaltenen Aussagen denselben lehrmäßigen Wert und verlangen daher nicht alle denselben Grad an Zustimmung. Die verschiedenen Grade der Zustimmung zu den vom Lehramt verkündeten Lehren wurden vom Zweiten Vatikanum unter der Nr. 25 der Konstitution Lumen gentium dargelegt. Später wurden sie zusammengefaßt in den drei Absätzen, die dem Nizäno-konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis in der Formel der Professio fidei hinzugefügt wurden, die 1989 mit Approbation von Johannes Paul II. von der Kongregation für die Glaubenslehre veröffentlicht wurde. Jene Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils, die Glaubenswahrheiten in Erinnerung rufen, verlangen natürlich Zustimmung mit theologalem Glauben – nicht weil sie von diesem Konzil gelehrt wurden, sondern weil sie als solche bereits unfehlbar von der Kirche vorgelegt worden sind, sei es durch feierliches Urteil, sei es durch das ordentliche und allgemeine Lehramt. Ebenso verlangen andere Lehren, die vom Zweiten Vatikanum in Erinnerung gerufen und bereits früher durch das Lehramt in einer definitiven Äußerung verkündet wurden, volle und endgültige Zustimmung. Die anderen lehrmäßigen Aussagen des Konzils verlangen von den Gläubigen einen Grad der Zustimmung, der als "religiöser Gehorsam des Willens und des Verstandes" bezeichnet wird: eine "religiöse" Zustimmung also, die nicht auf rein rationalen Motivationen gründet. Diese Zustimmung ist kein Akt des Glaubens, sondern vielmehr des Gehorsams, der aber nicht bloß disziplinärer Natur ist, sondern im Vertrauen auf den göttlichen Beistand für das Lehramt wurzelt, und sich daher "in die Logik des Glaubensgehorsams einfügen und von ihm bestimmen" läßt (Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion Donum veritatis, 24. Mai 1990, Nr. 23). Dieser Gehorsam gegenüber dem Lehramt der Kirche stellt keine Grenze für die Freiheit dar, sondern er ist im Gegenteil Quelle der Freiheit. Die Worte Christi: "Wer euch hört, der hört mich" (Lk 10,16), sind auch an die Nachfolger der Apostel gerichtet; und Christus hören bedeutet, die Wahrheit in sich aufzunehmen, die befreit (vgl. Joh 8,32). In den lehramtlichen Dokumenten kann es auch Elemente geben – und solche finden sich tatsächlich im Zweiten Vatikanischen Konzil –, die von ihrem Wesen her nicht eigentlich lehrmäßig, sondern mehr oder weniger von den Umständen bestimmt sind (Beschreibungen gesellschaftlicher Zustände, Vorschläge, Ermahnungen, usw.). Solche Elemente müssen respektvoll und dankbar angenommen werden, aber sie verlangen keine verstandesmäßige Zustimmung im eigentlichen Sinn (vgl. Instruktion Donum veritatis, Nr. 24 - 31). Die Auslegung der Lehren Die Einheit der Kirche und die Einheit im Glauben sind untrennbar. Daraus folgt auch die Einheit des Lehramts der Kirche, das in allen Zeiten der authentische Ausleger der göttlichen Offenbarung ist, die von der Heiligen Schrift und von der Überlieferung weitergegebenen wird. Das bedeutet unter anderem, daß eine wesentliche Eigenschaft des Lehramts seine Kontinuität und Homogenität durch die Zeiten hindurch ist. Kontinuität bedeutet nicht, daß es keine Entwicklung gäbe. Die Kirche schreitet durch die Jahrhunderte hindurch voran in der Erkenntnis, in der Vertiefung und in der daraus folgenden lehramtlichen Unterweisung im Glauben und in der katholischen Moral. Im Zweiten Vatikanischen Konzil gab es einige Neuheiten lehrmäßiger Natur: über die Sakramentalität des Bischofsamts, über die bischöfliche Kollegialität, über die Religionsfreiheit, usw. Obgleich gegenüber Neuheiten in Fragen, die den Glauben oder die Moral betreffen und die nicht in einer definitiven Äußerung verkündet wurden, der religiöse Gehorsam des Willens und des Verstandes geboten ist, gab und gibt es Auseinandersetzungen über die Kontinuität einiger dieser Fragen mit dem früheren Lehramt, also über ihre Vereinbarkeit mit der Überlieferung. Angesichts von Schwierigkeiten, die auftreten können, wenn es darum geht, die Kontinuität einiger Konzilslehren mit der Überlieferung zu verstehen, besteht die katholische Haltung darin, unter Berücksichtigung der Einheit des Lehramts nach einer einheitlichen Auslegung zu suchen, in der die Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils und frühere lehramtliche Dokumente einander gegenseitig beleuchten. Nicht nur das Zweite Vatikanum muß im Licht der früheren lehramtlichen Dokumente ausgelegt werden, einige dieser Dokumente werden im Licht des Zweiten Vatikanums auch besser verständlich. Das ist in der Kirchengeschichte nichts Neues. Man denke zum Beispiel daran, daß wichtige Begriffe, die in der Formulierung des trinitarischen und christologischen Glaubens im ersten Konzil von Nizäa verwendet wurden (hypóstasis, ousía), durch spätere Konzilien in ihrer Bedeutung viel genauer gefaßt wurden. Die Auslegung der Neuheiten, die das Zweite Vatikanum lehrt, muß daher, wie Benedikt XVI. sagte, die Hermeneutik der Diskontinuität zur Überlieferung zurückweisen und die Hermeneutik der Reform, der Erneuerung in der Kontinuität hervorheben (vgl. Ansprache, 22. Dezember 2005). Es handelt sich um Neuheiten in dem Sinn, daß sie neue Aspekte erläutern, die bis dahin vom Lehramt noch nicht formuliert worden waren, die aber lehrmäßig den früheren lehramtlichen Dokumenten nicht widersprechen, obwohl sie angesichts der veränderten geschichtlichen und gesellschaftlichen Umstände in einigen Fällen – zum Beispiel in der Frage der Religionsfreiheit – auf der Ebene der historischen Entscheidungen über ihre rechtlich-politische Umsetzung auch sehr unterschiedliche Folgen nach sich ziehen können. Eine authentische Auslegung der Konzilstexte kann nur durch das Lehramt der Kirche selbst erfolgen. Beim theologischen Bemühen um die Auslegung jener Abschnitte in den Konzilstexten, die Fragen aufwerfen oder Schwierigkeiten zu enthalten scheinen, ist es daher vor allem geboten, den Sinn zu berücksichtigen, in dem die späteren lehramtlichen Aussagen diese Abschnitte verstanden haben. Es bleiben aber rechtmäßige Räume theologischer Freiheit bestehen, um auf die eine oder andere Weise zu erklären, wie einige in den Konzilstexten vorhandene Formulierungen mit der Überlieferung nicht in Widerspruch stehen, und somit auch die eigentliche Bedeutung einiger in diesen Abschnitten enthaltener Ausdrücke zu klären. Abschließend sollte man sich in diesem Zusammenhang vor Augen halten, daß seit dem Abschluß des Zweiten Vatikanischen Konzils beinahe ein halbes Jahrhundert vergangen ist und in diesen Jahrzehnten vier Päpste einander auf dem Stuhl Petri nachgefolgt sind. Wer das Lehramt dieser Päpste und die entsprechende Zustimmung dazu von seiten des Episkopats untersucht, bei dem sollte sich eine eventuell gegebene Schwierigkeit in ruhige und freudige Zustimmung zum Lehramt, dem authentischen Ausleger der Glaubenslehre, verwandeln. Das erscheint auch dann möglich und wünschenswert, wenn weiterhin Aspekte bestehen bleiben, die rational nicht vollkommen erfaßt werden. In jedem Fall bleiben rechtmäßige Räume theologischer Freiheit für ein stets angemesseneres Bemühen um Vertiefung. So hat Benedikt XVI. kürzlich geschrieben, daß "die wesentlichen Inhalte, die seit Jahrhunderten das Erbe aller Gläubigen bilden, immer neu bekräftigt, verstanden und vertieft werden müssen, um unter geschichtlichen Bedingungen, die sich von denen der Vergangenheit unterscheiden, ein kohärentes Zeugnis zu geben" (Benedikt XVI., Motu proprio Porta fidei, Nr. 4). [ENDE DES BEITRAGES VON MSGR. FERNANDO OCÁRIZ, OPUS DEI.] Damit keine Mißverständnisse aufkommen: natürlich gehöre ich keinem Opus an, aber ich schließe mich der Darlegung des genannten Mitbruders voll und ganz an, um das XXI. Ökumenische Konzil gleichzeitig vor progressistischen und traditionalistischen Übertreibungen zu schützen. Und ich wünsche auf Basis dessen allen Lesern und Leserinnen eine gnadenreiche Weihnachtszeit in der Freude über den gottmenschlichen König in der Krippe und schon jetzt ein glückliches Jahr 2012 im Heiligen Geist. Euer Padre Alex - Dr. Alexander Pytlik Thursday, December 8. 2011
HORST KÖHLER: STERBEN LERNEN HEISST ... Posted by Padre Alex / Dr. Alexander Pytlik
in Aktuelle Predigt at
18:30
Comments (0) Trackbacks (0) ![]() HORST KÖHLER: STERBEN LERNEN HEISST LEBEN LERNEN
In Österreich ist heute ein staatlicher Feiertag, wir feiern das Hochfest der Unbefleckten Empfängnis. An dieser Stelle ist es gut, daß wir kurz hineinlesen, was der für den katholischen Religionsunterricht ausdrücklich zugelassene YOUCAT, der von der Österreichischen Bischofskonferenz mit ausdrücklicher Zustimmung der Deutschen und der Schweizer Bischofskonferenz herausgegebene "Jugendkatechismus der Katholischen Kirche" (mit einem Vorwort Seiner Heiligkeit Papst Benedikt XVI.) unter dem Stichwort "Maria, ihre unbefleckte Empfängnis" bzw. dann in der Nummer 83 unterhalb der Frage "Was bedeutet 'unbefleckte Empfängnis Marias'?" vermerkt: "Die Kirche glaubt, 'daß die seligste Jungfrau Maria im ersten Augenblick ihrer Empfängnis durch ein einzigartiges Gnadenprivileg des allmächtigen Gottes, im Hinblick auf die Verdienste Jesu Christi, des Erretters des Menschengeschlechtes, von jedem Schaden der Erbsünde unversehrt bewahrt wurde' ... Den Glauben an die 'unbefleckte Empfängnis' gibt es seit dem Beginn der Kirche. Der Begriff ist heute mißverständlich. Er macht eine Aussage darüber, daß Gott Maria vor der Erbsünde bewahrte, und zwar von Anfang an. Er macht keine Aussage über die Empfängnis Jesu im Leib Marias. Schon gar nicht ist er eine Abwertung der Sexualität im Christentum, so als würden Mann und Frau sich 'beflecken', wenn sie ein Kind zeugen." Es geht also um Maria selbst, die zur Gottesmutter berufen wurde und mit freiem Willen ihr Ja zu dieser einzigartigen Berufung sagte und lebte.
Von Anbeginn ihrer Existenz wurde sie also vor-erlöst, und damit erinnert das Hochfest der Unbefleckten Empfängnis auch an das menschliche Leben im Mutterleib (die Eltern Mariens sind ja die Heiligen Joachim und Anna) und an den von der Katholischen Kirche von der geglückten Empfängnis an bis zum natürlichen Versterben kompromißlos verkündeten und eingeforderten Schutz unschuldigen Menschenlebens. Diesbezüglich ist an eine Rede des früheren deutschen Bundespräsidenten Horst Köhler (evangelischen Bekenntnisses) zu erinnern, mit der er es tatsächlich in diesen genannten Jugendkatechismus hineingeschafft hat, nämlich auf die Seite 209 mit einem Schlüsselzitat aus der Rede bei der Fachtagung der Bundesarbeitsgemeinschaft Hospiz am 8. Oktober 2005 in Würzburg: "Nicht durch die Hand eines anderen sollen die Menschen sterben, sondern an der Hand eines anderen." Es gibt also auch bei Politikern so etwas wie Sternstunden, und ich möchte dies zum Anlaß nehmen, gerade am heutigen Feiertag den Blick auch auf das menschliche Lebensende zu lenken und heute - genau zwei Monate nach dem letzten Welthospiztag - die gesamte damalige Rede Horst Köhlers von der Internetseite des deutschen Bundespräsidenten zu übernehmen, die unter dem Titel "Sterben lernen heißt leben lernen" stand (Verlinkungen sind von mir eingebaut worden): [BEGINN DER REDE DES FRÜHEREN BUNDESPRÄSIDENTEN HORST KÖHLER:] I. Vor acht Wochen haben wir des 50. Todestages von Thomas Mann gedacht. Eines der bewegendsten Kapitel in seinen "Buddenbrooks" beschreibt den Tod der alten Konsulin Buddenbrook. Hochbetagt und schwer erkrankt ringt sie tagelang "mit dem Leben um den Tod", wie es bei Thomas Mann heißt. Am Sterbebett hat sich ihre Familie versammelt und harrt bei ihr aus bis zuletzt. Jahrhundertelang war es die Großfamilie, in der Jung und Alt gemeinsam immer wieder den Kreislauf von Geburt und Tod durchlebten. Der französische Historiker Philippe Ariès spricht vom "gesellschaftlich gezähmten Tod", der als individuelles Ereignis in die Gemeinschaft eingebunden war und vom Beistand der ganzen Familie, der Freunde oder etwa der Mitbrüder im Kloster begleitet wurde. Der Sterbende stand im Mittelpunkt. In manchen Bauernhäusern war noch bis in das vergangene Jahrhundert hinein ein bestimmtes Zimmer als Sterbezimmer vorbereitet: Ein Ort für das Sterben mitten im Leben. In einem alten Kirchenlied heißt es denn auch: "Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen". Das war in früheren Zeiten durchaus wörtlich zu verstehen. Hohe Kinder- und Müttersterblichkeit, ständige Bedrohung durch Hunger, Krankheit, Seuchen und die vielen großen und kleinen Kriege. Der Tod war allgegenwärtig. II. Auch heute ist der Tod für uns allgegenwärtig. Wenn wir die Zeitung aufschlagen, den Fernseher anschalten oder uns im Internet bewegen, dann erleben wir Tod und Sterben oft in aller Deutlichkeit, in schrecklichen Bildern. Grausame Verbrechen werden bis in die Einzelheiten dokumentiert, der Tod von Prominenten akribisch berichtet. Der Tod ist allgegenwärtig, doch es ist ein virtueller, ein abbildhafter Tod, der uns da täglich begegnet. Den tatsächlichen Tod hingegen, die wirkliche Agonie, das Leiden zwischen Leben und Tod - das haben wir weit an den Rand des Sichtbaren gedrängt. Unsere Gesellschaft hat, um mit Walter Benjamin zu sprechen, "den Leuten die Möglichkeit verschafft, sich dem Anblick von Sterbenden zu entziehen". In Deutschland sterben in jedem Jahr etwa 900.000 Menschen - mindestens zwei Drittel in Krankenhäusern und Pflegeheimen, nur wenige zu Hause im Kreise ihrer Nächsten. Wir haben die Begleitung Sterbender, den Umgang mit den Toten an professionelle Spezialisten delegiert, an Mediziner, Pfleger, Pfarrer und Beerdigungsunternehmer. Diese Verdrängung des Todes geht einher mit Entwicklungen in der Medizin, die das menschliche Sterben tiefgreifend verändert haben. Über lange Zeit können Menschen im Koma am Leben gehalten werden. Wir alle haben die Diskussionen um die Amerikanerin Terri Schiavo verfolgt, die 15 Jahre im Wachkoma lag und im März dieses Jahres nach Einstellung der künstlichen Ernährung gestorben ist. Die Möglichkeiten der modernen Medizin, das Leben zu verlängern, bringen für viele Hoffnung, sie wecken aber auch Ängste. Ängste vor einer Hochleistungsmedizin, die - einmal in Gang gebracht - ein Sterben in Würde unmöglich macht. Unwürdig sterben zu müssen - so hat im Juni dieses Jahres die Enquête-Kommission des Deutschen Bundestages "Ethik und Recht der modernen Medizin" festgestellt - ist zu einer der großen Ängste in unserer Gesellschaft geworden. Wie groß diese Ängste sind, mag man daran ermessen, daß nach einer Umfrage des Allensbach-Instituts aus dem Jahre 2001 64 Prozent der Westdeutschen und sogar 80 Prozent der Ostdeutschen dem Standpunkt zustimmten: "Ein schwerkranker Patient im Krankenhaus soll das Recht haben, den Tod zu wählen und zu verlangen, daß der Arzt ihm eine todbringende Spritze setzt." Ich muß gestehen: Mich hat das Ergebnis dieser Umfrage erschreckt. Soll wirklich aktive Sterbehilfe die Antwort sein, wenn Menschen befürchten müssen, am Ende ihres Lebens mit ihren Leiden allein gelassen zu werden oder anderen zur Last zu fallen? Ich bin der festen Überzeugung: das darf die Antwort nicht sein. Ein Sterben in Würde zu sichern, ist eine Aufgabe für unsere ganze Gesellschaft. Wir müssen wieder lernen: Es gibt viele Möglichkeiten, sterbenskranken Menschen beizustehen, ihre Leiden zu lindern und sie zu trösten. Vor allem gilt: Wir dürfen sie nicht allein lassen. Nicht durch die Hand eines anderen sollen die Menschen sterben, sondern an der Hand eines anderen. III. Für diese Einsicht steht die Hospizbewegung. Seit fast 40 Jahren begehrt sie gegen die Verdrängung des Todes aus unserer Wahrnehmung auf. Sie trägt dazu bei, Sterben wieder als eine Phase des Lebens zu verstehen und anzunehmen, statt es als ein peinliches Mißgeschick mit tödlichem Ausgang zu behandeln. Die Hospizbewegung lehrt uns einen anderen Umgang mit dem Sterben und dem Tod. Sie zeigt uns, daß es Wege gibt, um den Menschen ihre verständliche Angst vor dem Sterben zu nehmen. Im vergangenen Juli ist die Gründerin der Hospizbewegung, die englische Ärztin, Krankenschwester und Sozialarbeiterin Cicely Saunders gestorben. 1967 eröffnete sie in einem Londoner Vorort das erste Hospiz, St. Christopher's Hospice. Der Name knüpfte an mittelalterliche Traditionen an. Hospize waren ursprünglich Pilgerherbergen, die Menschen auf dem Weg zu ihrem Pilgerziel Herberge, Rast und Stärkung anboten. Geborgenheit auf dem Pilgerweg zum Tod, Stärkung auf der letzten Wegstrecke des Lebens: Das ist die Idee der Hospizbewegung. Eine Idee, die sich von England aus in viele Länder verbreitete. So viele, daß heute die Mitglieder der Hospizbewegung in aller Welt den Welthospiztag feiern. Auch in unserem Land gehört die Hospizbewegung mittlerweile zu den besonders Mut machenden Bürgerbewegungen. Waren es 1997 erst 11.000 Menschen, die in der Hospizarbeit tätig waren, so sind es heute viermal so viele, nämlich 45.000. Fast alle leisten diese Arbeit ehrenamtlich, die meisten von ihnen sind Frauen. Hier setzen sich Menschen für ihre Mitmenschen ein. Sie kümmern sich um ihre Nächsten - ein vorbildliches Beispiel für bürgerschaftliches Engagement, das den Zusammenhalt und die Menschlichkeit in unserer Gesellschaft stärkt. Dafür möchte ich Ihnen heute - stellvertretend für alle, die sich in der Hospizbewegung engagieren - meinen Dank und meine Anerkennung aussprechen. Wir können froh sein in Deutschland, daß wir Menschen wie Sie haben! IV. Das Sterben der alten Konsulin Buddenbrook war ein langer Kampf, den Thomas Mann bis zum letzten Zucken der Hände und Verröcheln der wassergefüllten Lungen mit unerbittlichem Realismus beschrieben hat. Die alte Dame fleht um ein schmerzstillendes Mittel, aber hartnäckig lehnen die Ärzte ab, weil sie das Leben der Konsulin nicht durch Linderung verkürzen wollen. Es galt unter allen Umständen, so schreibt Mann, dieses Leben den Angehörigen so lange wie nur irgend möglich zu erhalten. Für die Ärzte in den Buddenbrooks galt der Tod als Niederlage, war es doch ihre vornehmste Pflicht, Leben zu erhalten. Dieser Wille zum Kampf um jedes Leben ist die Triebfeder der Medizin. Er entspringt dem Eid des Hippokrates. Dem Tod immer wieder ein wenig Terrain abzutrotzen, ihm den frühen Sieg zu nehmen, darum ging es früher und darum geht es heute. In diesem Kampf ist viel erreicht worden. Seit 1900 ist die Lebenserwartung in Deutschland um dreißig Jahre gestiegen. Zahlreiche Krankheiten, die früher einem Todesurteil gleichkamen, sind besiegt. Wir alle sind dankbar für diesen Fortschritt und haben gern daran teil. Es wächst aber auch die Sorge, daß dem Ziel, dem Tod - koste es, was es wolle - Zeit abzutrotzen, das Wohl des Patienten untergeordnet wird. Lebenserhaltung soll das Leben nicht zur Qual werden lassen. Deshalb ist es gut, daß die Medizin zunehmend das Sterben als Akt des Lebens begreift und sich um eine Verbesserung der Lebensqualität gerade in dieser letzten Phase bemüht. Wie ein "schützender Mantel" - im Lateinischen "Pallium" - legt sich die Palliativmedizin um einen Patienten und lindert seine Beschwerden, wenn Heilung nicht mehr möglich ist. Zu diesem schützenden Mantel gehört vor allem eine gute Schmerztherapie. Sie ist oft die wirksamste medizinische Hilfe für schwerstkranke Menschen, denn sie befreit sie von Schmerzen, die ihnen das Dasein zur Hölle machen. V. Die medizinische und pflegerische Versorgung sterbenskranker Menschen hat in Deutschland in den letzten Jahren deutliche Fortschritte gemacht. Seit 2003 ist Palliativmedizin als Prüfungsthema in der Approbationsordnung aufgeführt, an den Universitäten Bonn und Aachen wurden Lehrstühle für Palliativmedizin eingerichtet, weitere sind geplant. Während es 1993 bundesweit rund 30 Palliativstationen und stationäre Hospize gab, sind es heute schon über 200. Das ist eine ermutigende Entwicklung. Doch sie muß weiter gehen. Denn von einer ausreichenden palliativmedizinischen Versorgung sind wir in Deutschland immer noch weit entfernt. Darauf hat die Enquête-Kommission des Deutschen Bundestages "Ethik und Recht der modernen Medizin" hingewiesen. Sie hat auch deutlich gemacht, daß angesichts der demographischen Entwicklung der Bedarf an medizinischer und pflegerischer Betreuung schwerstkranker Menschen zunehmen wird. Wir tun gut daran, uns darauf einzustellen. Hospizarbeit und Palliativmedizin müssen in Deutschland in allen Bereichen weiter gestärkt werden - in der Aus- und Weiterbildung, bei der materiellen Ausstattung sowie in Forschung und Entwicklung. Und eines erscheint mir noch besonders wichtig. Anders als in anderen europäischen Staaten haben sich in Deutschland Hospizbewegung und Palliativmedizin weitgehend unabhängig voneinander entwickelt. Die Gründe hierfür kennen Sie besser als ich. Mich hat gefreut zu hören, daß dieses eher distanzierte Verhältnis sich in den letzten Jahren entspannt hat. Denn den Patienten ist am besten durch ein partnerschaftliches Miteinander von Hospizbewegung und Palliativmedizin gedient. Es müssen - wie der Titel Ihrer Fachtagung ganz richtig sagt - Netzwerke gebildet werden. VI. Wenn wir die Hospizarbeit stärken und die palliativmedizinische Versorgung verbessern, dann werden wir - dessen bin ich gewiß - die Ängste vieler Menschen vor dem Sterben abbauen können. Freilich treibt viele auch die Frage um: Was passiert mit mir, wenn ich auf Grund meiner Krankheit nicht mehr in der Lage bin zu sagen, was ich will? Wenn ich bewußtlos bin, künstlich beatmet und ernährt werde? Es bleibt die Angst, am Ende des Lebens gegen den eigenen Willen behandelt und am Leben erhalten zu werden. Jeder Mensch hat das Recht, in jeder Phase seines Lebens selbst zu entscheiden, ob und welchen lebensverlängernden medizinischen Maßnahmen er sich unterzieht. Niemand darf gegen seinen Willen ärztlich behandelt werden. Solange ein Kranker noch selbst entscheiden kann, ob er in eine Behandlung einwilligt oder nicht, ist die Beachtung seines Willens selbstverständlich. Wie kann aber dieser Wille ermittelt werden, wenn sich der Patient nicht mehr äußern kann? Viele Menschen haben für diesen Fall eine Patientenverfügung verfaßt. Darin legen sie fest, ob und welche Maßnahmen sie bei konkret beschriebenen Krankheitszuständen wünschen oder ablehnen. Sie wollen Gewißheit haben, daß ihr Wille auch beachtet wird. Diese Gewißheit besteht jedoch heute noch nicht im erforderlichen Umfang. Das Gesetz erwähnt Patientenverfügungen bislang nicht ausdrücklich. Auch die Rechtsprechung hat viele Fragen offen gelassen. Ich finde es daher gut und richtig, wenn hier durch eine gesetzliche Regelung Klarheit geschaffen wird. Hierzu liegen verschiedene Vorschläge auf dem Tisch, die sich zum Teil deutlich voneinander unterscheiden. Angesichts des vielschichtigen und sensiblen Themas halte ich eine sorgfältige Abwägung dieser Vorschläge für besonders wichtig. Wir brauchen in diesem Bereich möglichst klare und eindeutige Regelungen, und die sollten auf einem breiten gesellschaftlichen Konsens beruhen. VII. Eines sollte uns aber auch klar sein: noch so gute Hospizarbeit, qualifizierte Palliativmedizin und rechtssichere Patientenverfügungen allein sind keine Garantie für ein würdevolles Sterben. Hierzu muß jeder von uns selbst seinen Beitrag leisten. "Herr lehre uns bedenken, daß wir sterben müssen, auf daß wir klug werden", heißt es im 90. Psalm. Manchmal glaube ich, wir sind noch nicht klug genug. In einer Karikatur steht der Tod in Gestalt des Sensenmannes wie ein Vertreter vor der Wohnungstür, durch deren Spalt ihn die Hausfrau mit den Worten abwimmelt: "Danke, wir sterben nicht!" Diese Karikatur bringt satirisch auf den Punkt, was schon Sigmund Freud feststellte: "Im Grunde glaubt niemand an den eigenen Tod." Umso wichtiger ist es, den Tod ganz bewußt als natürlichen Teil des Lebens anzuerkennen und anzunehmen. Das bedeutet etwa, daß wir uns in Gedanken für uns selbst und in Gesprächen mit anderen mit dem Tod vertraut machen. Daß wir nicht ausweichen, wenn unsere Kinder über den Tod sprechen wollen. Daß wir für unsere Angehörigen, Freunde oder Nachbarn in ihren letzten Tagen da sind und uns nicht von ihnen zurückziehen. Und daß wir erkennen, daß wir dem Tod auch einen Teil des Sinns unseres Daseins verdanken. Denn wenn es diese Grenze nicht gäbe, könnte uns das Leben in der Tat gleichgültig sein. Es ist gerade der Tod als Grenze des Lebens, der das Leben kostbar macht und uns dazu mahnt, auf erfüllte Weise zu leben. Die Hospizbewegung hat sich diese Erkenntnis zu Eigen gemacht. Sie folgt einem Motto, das mich tief bewegt und das wir alle beherzigen sollten: "Sterben lernen heißt leben lernen." [ENDE DER REDE DES EHEMALIGEN DEUTSCHEN BUNDESPRÄSIDENTEN HORST KÖHLER.] Und in diesem Sinne wünsche ich weiterhin eine besinnliche Adventszeit zur Vorbereitung auf die Weihnacht der Geburt unseres Erlösers Jesus Christus. Euer Padre Alex - Dr. Alexander Pytlik |
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