Tuesday, July 31. 2012
KATHOLISCHE UNIVERSITÄT EICHSTÄTT: ... Posted by Padre Alex / Dr. Alexander Pytlik
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22:45
Comments (0) Trackbacks (0) KATHOLISCHE UNIVERSITÄT EICHSTÄTT: WAS WAR, IST UND WIRD LIEBE?
[ ACHTUNG: da die angekündigte Internetseite zur besprochenen Veranstaltung noch nicht erschienen ist (vgl. jedoch bereits den wissenschaftlichen Ausgangspunkt auf den Seiten der Katholischen Universität Eichstätt) und bei dieser selbst offenbar auch kein durchgängiger Film gedreht wurde (meine Kurzvideos haben zu wenig Ton), beanspruchen meine direkt auf die Inhalte der Veranstaltung des 19. Juli 2012 bezogenen Notizen weder Vollständigkeit noch hundertprozentige Präzision, vor allem was die bekanntgegebenen Umfrage-Ergebnisse betrifft. Außerdem baue ich gerne Ergänzungen ein, die sich durch Rückmeldungen ergeben. Und noch etwas: jene, die sich jetzt kritisiert oder zurückgesetzt fühlen, haben meine volle Sympathie. Das ändert aber nichts an meiner kritischen Sicht bestimmter Tendenzen und Wortmeldungen. Und noch ist hier die alte Rechtschreibung, das werde ich jetzt irgendwann umstellen ... und die Linkverbindungen an der KU bleiben hoffentlich lange so erhalten, weil ich sonst wieder alles neu verlinken müßte ... alles andere aber jetzt im Blogeintrag ;-) ]
I. EINLEITUNG: Was ist eine katholische Universität? Das haben sich vielleicht schon manche gefragt, weil es ja nur eine solche im deutschen Sprachraum gibt, welche also unterschiedliche Fakultäten und wissenschaftliche Ausbildungen anbietet, eben nicht "nur" Theologie oder Philosophie oder Religionspädagogik. Und gleich die nächste viel wichtigere Frage: wie definiert ein durchschnittlicher Leser, eine durchschnittliche Leserin einer heutigen Zeitung und/oder einer Internetseite (den Begriff) "Liebe", Das an einem einzigen Abend gar nicht auslotbare Thema "Wozu braucht die Generation Internet die Liebe? Zu Geschichte, Gegenwart und Zukunft von Liebe, Sexualität und Ehe" führte zum Ansturm im ursprünglich gewählten Raum 201 des Kollegien-gebäudes. Diese und andere Fragen kulminierten an einem thematisch extrem weit gefaßten Abend in den Räumen der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt: für 19. Juli 2012 organisierten Student(inn)en und ein Dozent des "Lehrstuhls für Neuere und Neueste Geschichte" mit Mut und großem Engangement einen sehr öffentlichkeitswirksamen Abschluß ihres wissenschaftlichen Projekt(seminar)s "Liebe und Sexualität im historischen Wandel. Das Beispiel des 19. und 20. Jahrhunderts" (die Inhalte gliedern sich in sieben Zeitspannen, nämlich I. Der Aufbruch in die Moderne, II. Das deutsche Kaiserreich, III. Der erste Weltkrieg, IV. Die Weimarer Republik, V. Die Zeit des Nationalsozialismus, VI. Die beiden Deutschlands und VII. Der Weg ins 21. Jahrhundert). Es handelte sich um eine Podiumsdiskussion, die von der Zielsetzung überhaupt erst verstehbar wird, wenn man weiß, daß sie im Grunde beim soeben genannten siebenten Kapitel (Der Weg ins 21. Jahrhundert. "Generation Porno" - Jugendliche Perspektiven auf Liebe, Sexualität und Ehe im Netzzeitalter) des Seminars anschließen wollte, und zwar unter dem Titel "Wozu braucht die Generation Internet die Liebe? Zu Geschichte, Gegenwart und Zukunft von Liebe, Sexualität und Ehe" (womit von Anfang an klar war, daß "man" sich hier für einen Abend zu viel vorgenommen hatte ...). Der dafür verantworlichte Dozent an der KU Eichstätt ist Dr. habil. Markus Raasch, der die Veranstaltung nicht nur mit einem Zitat des heiligen Völkerapostels Paulus einleitete (1 Kor 13, wobei ich mich nicht mehr an die vorgetragenen Versnummern erinnere, hier 2 - 8: "Und wenn ich prophetisch reden könnte und alle Geheimnisse wüßte und alle Erkenntnis hätte; wenn ich alle Glaubenskraft besäße und Berge damit versetzen könnte, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich nichts. Und wenn ich meine ganze Habe verschenkte und wenn ich meinen Leib dem Feuer übergäbe, hätte aber die Liebe nicht, nützte es mir nichts. Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. Sie handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil, läßt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach. Sie freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit. Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand. Die Liebe hört niemals auf"), sondern auch sogleich sagte, daß an diesem Abend keine rein wissenschaftliche Veranstaltung stattfände. Der erste INTV-Bericht über die Veranstaltung leitete daher richtig ein: "Die pure Wissenschaft bildete eher nur den Rahmen, schließlich steht das Thema Liebe und Sex im Internetzeitalter zur Debatte." Der Dozent betonte fast entschuldigend, daß er die Student(inn)en seines Seminars, welche ein Semester durchgehalten hatten, "gequält" hätte mit der Analyse historisch jüngster Produkte, wobei mich selbst diese seine durchaus offensive und ehrliche Einleitung nicht mehr überraschen konnte, denn Mitte Juli war mir schon über Umwege ein Kommentar zu seinem KU-Seminar aufgefallen, das mit einem Zitat aus einem Referat einer Studentin begann: " 'Es geht nicht um Sex, es geht darum, andere zu ficken und zu dissen ... Also ist das genau genommen keine Pornographie' - wenn in einem Geschichtsseminar Bushidos 'Gang-Bang' analysiert wird, dann ist das endgültig nicht mehr normal." (Auf der abrufbaren Zusammenfassung dieses siebenten Seminarkapitels ist dies so formuliert: "Der Liedtext ist aber nur metaphorisch übertragen, es geht nicht um den sexuellen Akt an sich, es wurde sich nur der harten sexuellen Sprache bedient, aber es geht nicht um Pornographie oder Sex!!!" Die drei Rufzeichen machen offenbar deutlich, daß dies alles nicht so leicht zu verstehen ist ...) Es wurde im Rahmen des Seminars aber auch das Video "Sexy Bitch" von David Guetta und die darin enthaltene Geschichte bewertet, und kurz zuvor war es auch um die sexuelle Gewalt in der Nachkriegszeit gegangen (wobei sogleich die Frage entsteht, ob solche sexuelle Gewalt überhaupt noch als menschlicher Sex gelten kann ...), aber mittlerweile ist ja der gesamte Seminarzyklus abrufbar. Im Eichstätter Kurier schrieb dann eine Promotionsstudentin der Politikwissenschaft an der KU, nämlich Petra Hemmelmann, den Bericht über die Veranstaltung unter dem Titel "Neue, geistige Sphäre der Liebe" und leitete so ein: "Eins ist klar: Eine gewöhnliche Vorlesung ist das nicht. Rund 500 Zuhörer drängen sich in die Aula. Der Grund für den Rummel sitzt auf der Bühne, trägt eine runde Brille, schlichte weiße Kleidung und wallende graue Locken: Rainer Langhans, ehemaliges Mitglied der legendären 'Kommune 1'." (Es lag aber auch am Thema an sich.) Die durch Facebook & Co. mobilisierten Besuchermassen wälzten sich dann am 19. Juli 2012 auf der Katholischen Universität Eichstätt aus dem Saal in Richtung Aula. 1. Nach der (schon beschriebenen) Eröffnung durch den Dozenten Dr. Raasch folgte die Präsentation des 7:22 Minuten langen Kurzfilms als ziemlich abrupte und radikale Absetzung vom einleitenden Bibelzitat (zur authentischen Liebe im Vollsinn). Auch und besonders dieser Film wird überhaupt erst "verstehbar", wenn man seinen "Ursprung" aus dem siebenten Abschnitt des genannten Seminars berücksichtigt. Er trug den anspruchsvollen Titel "Liebe und Sex in Eichstätt. Eine Kleinstadt im Zwiespalt zwischen Kirche und Studentenleben", aber von der inhaltlichen Linie her hätte er meiner Meinung nach in Wirklichkeit diesen (oder einen ähnlichen Titel) tragen sollen: "Sex in der Unistadt Eichstätt aus dem Blickwinkel von Student(inn)en eines Seminars zur neuesten Geschichte". Und der Untertitel hätte dann noch lauten können: "Pepperparties, Sexspielzeuge, Kondomautomaten und Homosexualität auch im kirchlichen Eichstätt?" Als wissenschaftlichen Film kann man ihn kaum werten, eher als provokativen Anreiz zur später folgenden Diskussion. (Vielleicht war er auch ein wenig von dieser Frage geleitet.) Es geht also in dem Film im Grunde nur darum, welche sexuellen Spielarten (oder gar "technischen Möglichkeiten") es möglicherweise selbst im "katholischen" Eichstätt ohne "Sexshop" gibt, aber es fehlte in dem Studiensemester offenbar die Zeit, auch die nachfolgende, sehr professionell präsentierte Umfrage (unter 90 Student[inn]en) in den Film einzubauen, vor allem fehlte auch eine Vorklärung der verwendeten Begriffe, und genau dies geschah vorbildhafterweise vor und mit der Präsentation der 2. Ergebnisse einer Umfrage an der Katholischen Universität (es wurden aber nur Studenten befragt, also keine Lehrenden, soweit ich es mitbekam), und die auf der entsprechenden Facebookseite angekündigte eigene Internetseite zur Veranstaltung selbst habe ich noch nicht gefunden, sodaß ich mich vorläufig auf ein paar meiner Notizen verlassen muß. Jedenfalls konnte die schon ganz oben benannte "dritte Frage", ob heute die meisten Studentinnen (auch in Eichstätt) ihre Liebhaber grundsätzlich mit Sexspielzeug empfingen, nicht geklärt werden, weil sie den 90 Befragten gar nicht erst gestellt worden war. (Da die Umfrageteilnehmer[innen] sogar nach sexuellen Tendenzen gefragt wurden bzw. ob sie verheiratet wären, hätte dann ja sogar die sittlich wesentlich unbedenklichere Frage gestellt werden können, ob gültig verheiratete Ehepaare unter Wahrung der Zwecke von Ehe und Sexualität zum Vor- und Nachspiel auch Sexspielzeug verwenden würden, aber ich habe die genauen Fragestellungen der Umfrage bisher nicht eingesehen.) In dem einleitenden Kurzfilm über Sex in Eichstätt fehlte im übrigen der weite Verstehenshorizont sogenannter (ethischer) Verbote sowieso, denn es ist ja in Wirklichkeit müßig, bei unverheirateten Studenten dann auch noch von einem Kondomverbot zu reden, wie es in einem Kurzfilm-Interview verengt "rüberkam". 3. folgte nach der Umfragepräsentation dann die von zwei inhaltlich sehr gut vorbereiteten Studentinnen moderierte Podiumsdiskussion, und zwar mit dem schon genannten Unterstützer der Piratenpartei, Rainer Langhans, mit Prof. Dr. Gerhard Nechwatal (Ehe-, Familien und Lebensberater der Diözese Eichstätt), mit dem evangelischen Pfarrer Sieghard Schneider (Eichstätt) und mit Bernd Zengerle (Haus der Jugend, Eichstätt). Nicht nur aufgrund der Frauenmehrheit auf der Universität und somit in der Stadt hatte ich mich schon im Vorfeld gewundert, warum keine Frauen als Hauptdiskutantinnen eingeladen worden wären. Ohne Namen zu nennen, posteten mehrere Studenten, daß eingeladene weibliche Hauptdiskutantinnen leider abgesagt hätten. Der Dozent sagte dann auch in seiner Einleitung, wie wichtig ihm deshalb die beiden moderierenden Studentinnen seien. Und sogar das Lokalfernsehen bequemte sich dann wegen der Podiumsdiskussion nach Eichstätt, sodaß auch für Nichtteilnehmer ein knapper Eindruck der Diskussion und der ganzen Veranstaltung des 19. Juli 2012 dank dieser beiden Videobeiträge gewonnen werden kann (vielleicht lade ich auch noch meine von der Tonqualität schlechten Videoausschnitte hoch): *** Erster INTV-Beitrag vom 20. Juli 2012 (Titel: "Alt-Kommunarde Rainer Langhans in Eichstätt. Ein bisschen freie Liebe") und zweiter INTV-Beitrag vom 24. Juli 2012 (Titel: "Podiumsdiskussion mit Rainer Langhans. Von intimer Nähe und virtueller Sehnsucht: Podiumsdiskussion mit Rainer Langhans über Liebe und Internet.") Interessanterweise ging keine einzige mediale Meldung nach der so gut besuchten Veranstaltung auch nur andeutungsweise auf den einleitenden Film ein, woran das auch immer gelegen haben mag. Hier sind die vier männlichen Gäste der sensationell gut besuchten Eichstätter Sex-Liebe-Podiumsdiskussion noch ohne Moderatorinnen zu sehen: Schneider, Langhans, Zengerle und Nechwatal. II. VORGEPLÄNKEL: Bevor ich also die drei Teile des thematischen Abends umfassender behandle und weiter kritisch beleuchte, möchte ich noch auf die im Vorfeld aufgetauchten Hinweise und Interviews zu dieser Veranstaltung bzw. zu dem dahinterstehenden Geschichtsseminar eingehen. Schon etwa ein Monat vor der Diskussion war mir in sozialen Netzwerken aufgefallen, wie das bereits mehrfach verlinkte Seminar für Interesse und Kommentare sorgte. Eine Studentin schrieb im Vorfeld einer Seminarsitzung, sie hätte zuvor noch keine Pornos angesehen (ob dies erst gemeint war, weiß ich natürlich nicht, vgl. im übrigen diesen aktuellen Artikel). Dann wurde Anfang Juli ein Aufruf in Facebook gepostet, daß noch für denselben Tag (am Abend des 2. Juli 2012 um 19.45 Uhr) Eichstätterinnnen für eine sogenannte Pepper-Party (Dildo-Party) im Rahmen des schon genannten Kurzfilmprojekts gesucht würden. Die Erklärung für den Begriff "Pepperparty" folgte auch sogleich: "Was ist das? Grob gesagt eine Tupperparty für Sexspielzeug, hauptsächlich für Frauen, aber auch Männer dürfen sich bei mir melden." Es ginge um eine seriöse Dokumentation im Rahmen des Raasch-Seminars (vgl. den bereits unter [1.] oben verlinkten Film). Unter den daraufhin folgenden Kommentaren war dieser am lustigsten: "Und Ihr macht sowas für die Uni?? Mann, ich hätt' nie gedacht, daß Bayreuth 'mal langweiliger als Eichstätt sein kann." An anderer Stelle entstand ähnlicher Neid: "WTF? Ich dachte, Du gehst auf eine katholische Uni. Aber ich lese ständig was von Sex-Seminaren und Popper-Parties." (sic!) Natürlich wurde zuvor auch allen filmbereiten Besucher(inne)n der Pepperparty angeboten, daß sie sich unkenntlich machen könnten, ihre Stimme herausgeschnitten oder beim Filmen überhaupt weggelassen werden könnten, all dies wäre also möglich. (Dieses Angebot lag also offenbar nicht an einer möglichen Unseriosität, sondern an der Vermutung, daß manchen, die zur Pepperparty gekommen wären, ein öffentlich präsentierter und abrufbarer Film dann im Sinne der Thematik doch peinlich sein könnte.) Teilweise wurden der Film und die Veranstaltung dann ja auch noch am Tag zuvor ("facebookintern") so beworben: " 'Dildos, Penisringe, Peitschen und Gleitmittel': Zitat aus dem Film ... wer sich das und den restlichen Spaß nicht entgehen lassen will, morgen (Do) 18.15 Uhr ... 'Wozu braucht die Generation Internet die Liebe?' " Einen Tag vor der Veranstaltung erschien dann auch noch ein im Internet bereits am 17. Juli 2012 veröffentlichtes Donaukurier-Interview mit Rainer Langhans, womit sich bereits manche Absurdität seiner Antworten bei der geplanten Diskussion abzeichnete. Unter dem Titel "Die wollten so einen schrägen Vogel" sprach Redakteurin Verena Doyé vorab mit dem 72jährigen. Durchaus verständlich war ihre erste Frage: "Herr Langhans, wie kommt ein ehemaliger Kommunarde an die Katholische Universität Eichstätt?" Und die Antwort war ebenso verständlich: "Das müssen Sie die Studenten und den Dozenten fragen, die die Diskussion organisiert haben. Sie wollten eben zu diesem Thema so einen Linksaußen, einen schrägen Vogel. Das ist für sie vielleicht interessanter, als wenn sie nur die Katholen hätten." Allerdings deutet sich hier schon ein Mißverständnis auf Seiten Langhans' und anderer Beobachter an, als ob es sich um eine dezidiert katholische Veranstaltung im Sinne der Lehre oder auch einer Politik gehandelt hätte. Es war vielmehr etwas völlig Offenes, ausgehend von Student(inn)en und unterstützt in dieser ihrer Eigeninitiative durch den Dozenten. Natürlich kann man dann darüber auch unter "katholischem Vorzeichen" diskutieren, aber es ist völlig klar, daß die Fachwissenschaften als solche nicht "katholisch" im Sinne ihrer Fachlichkeit sein oder werden können, sondern es hängt dann fallweise sicherlich von den Lehrenden ab, inwieweit gewisse ethische Prinzipien auch in der Unterrichtsgestaltung Geltung haben können oder sollen. Einem ähnlichen Mißverständnis, daß es sich um eine harte ideologische Diskussionsveranstaltung unter "katholischen" Vorzeichen handeln sollte, saß dann auch der Leserbriefschreiber Bernhard Niederreiter (Schernfeld) auf: "Die Podiumsdiskussion an der katholischen Uni Eichstätt hatte eigentlich beste Voraussetzungen, geschichtlich bedeutsam zu werden, konnte man doch erwarten, daß der Relativismus der 68er in der katholischen Denkfabrik Eichstätts einen schweren Stand haben sollte. Doch weit gefehlt!" Denn Langhans war im Grunde als Zeitzeuge einer bestimmten 68er-Strömung eingeladen und war insofern tatsächlich noch vom wissenschaftlichen Seminar her "gedeckt". Doch selbst der eingeladene evangelische Pfarrer Sieghard Schneider rechnet die Diskussionsveranstaltung als schöne Entwicklung gleich der ganzen Katholischen Universität an (vgl. die oben verlinkten INTV-Beiträge) ;-) Und natürlich mußte im Vorfeld klar sein, daß Langhans eben dann seine durchaus eigenwillige Piraten-Ideologie unters Volk bringen werde. Seine Gesellschaftsutopie war schon im genannten Interview abzusehen: "Ich sage, wie ich es sehe. Da sehe ich, daß die neue Generation, also die ganzen Netzleute inklusive die Piraten, die das heute am stärksten vertreten, das aufgreifen und weiterführen, was wir damals angefangen haben. Daß das Internet von den 68ern überhaupt erschaffen wurde und die jungen Leute jetzt diese Dinge weitermachen und daß es nur im Internet geht und nicht in der realen Welt. Das haben die Leute ja immer wieder probiert und sind gescheitert. Diese Revolte hat eine Chance, weil sie im Virtuellen, im Geistigen stattfindet. Das, was wir damals gesehen haben, wird jetzt wirklich für die vielen, die das damals nicht sehen konnten." Das war aber noch nicht alles, auf die Frage "Wie hat sich denn das Thema Liebe verändert?" antwortete Langhans: "Eine Milliarde Menschen sind heute miteinander befreundet. Das hat es in der Menschheit wirklich noch nicht gegeben. Die waren immer nur verfeindet, und bis heute sind sie es ja noch. Das ist ein liebloses Aufeinandereingekloppe, Sich-nicht-um-den-anderen-kümmern. Es gibt jetzt neue Ansätze, noch nicht in der Realität, sondern in der Welt der Jungen, im Virtuellen. Das ärgert die Alten ... Ich zähle mich zu jemandem, der damals gesehen hat, wie die Welt wirklich ist, daß das ein irres Zeug ist, was die Alten damals machten. Das war das gemeinsame 68er-Gefühl. Die Menschen sind anders. Das sind liebevolle und erleuchtete Wesen, das sind nicht diese Idioten, die sich ums Fressen prügeln. Die ganzen Jugendbewegungen kommen von den Netzleuten. Ich versuche, die Erfahrungen mit ihnen zu machen – bin in vielen Netzwerken – mit der Fragestellung: Wie kann man richtig leben? Kann man überhaupt richtig leben? Ein richtiger Onliner bin ich sicherlich nicht, weil ich nicht so viele Tools benutze wie zum Beispiel die Piraten, aber ich unterstütze sie finanziell und bin in ihrer Nähe, um ihnen auch klarzumachen, daß sie sich in einer geschichtlichen Kontinuität befinden." Freimütig gesteht Langhans auch ein, woher das Geld kommt: "Na, das ist dieses Geld aus dem Dschungelcamp. Ich habe dieses viele Geld bekommen, weil ich in diese Unterhaltungsgeschichte reingekommen bin und habe mich dann bemüht, es wieder loszuwerden." Die DK-Redakteurin fragte dann noch deutlicher, und die Antworten Langhans' entsprachen bereits seinen "Predigten" im Rahmen der gutbesuchten Diskussion des 19. Juli 2012. Sie fragte: "Sie haben die freie Liebe propagiert und auch gelebt. Jetzt sagen Sie, daß sich das in der virtuellen Welt fortsetzt. Ist das nicht ein Widerspruch?" Die Antwort Langhans' liest sich so: "Freie Liebe ist nur im Geistigen möglich. Hier in der Wirklichkeit gibt es das nicht. Das haben die ganzen Spießer damals nicht verstanden. Die dachten, es geht nur um Sex und noch mehr Sex und Orgien. In Wirklichkeit ging es da um weit, weit mehr. Die Frage ist, nehmen die Piraten davon etwas auf? Ich würde sagen: Ja. Aber nicht so, wie die Spießer denken." Dann erzählt Langhans noch, daß er mit "vier Frauen plus einer" zusammenlebe, und auf die Feststellung "Auffallend ist, daß Sie dabei ausschließlich mit Frauen zusammengelebt haben" antwortet Langhans: "Die Erfindung der Kommune, das waren schon primär Männer. Danach haben sich Frauen zusammengetan. Das hat mir gefallen. Ich bin deshalb nach München gegangen – nicht nur weil Uschi [Obermeier] herkam, sondern weil dort auch die erste Frauenkommune entstand, mit denen wollte ich zusammen sein. Warum wollen Frauen das? Ich glaube, daß es ihnen hier am besten geht. Da kommen keine Besitzansprüche auf, sie haben ein Fünftel Mann, den man natürlich nicht wirklich haben kann, zumal die anderen Frauen auch noch da sind, die einen daran hindern. Deshalb sind sie genötigt – so verstehe ich es zumindest – sich mit sich selbst als Frau zu beschäftigen und müssen sich nicht nur auf ihren verfallenen Körper und ihre verfallene Attraktivität konzentrieren." Und zur Ehe meinte Langhans bereits im selben Interview: "Wir haben das ja damals schon gesehen, daß das ein ziemlicher Humbug ist. Wir waren damals der Meinung, daß diese Kleinfamilien den autoritären Typus hervorbringen. Der bestimmt, was wir zu tun haben. Bei den Frauen ist es der Mann, bei den Männern der Vorgesetzte. Wir haben recht behalten, die Ehen lösen sich auf, und die Kommunen werden immer mehr – die Jungen leben in Communities, nicht in Kleinfamilien. Das haben wir schon vorgelebt. Damals in unserer kleinen Kommune." (Am Diskussionsabend wird Rainer Langhans dann tatsächlich in rhetorischer Absetzung von kirchlicher Unglaubwürdigkeit den Wahnsinnsanspruch erheben, in der Kommune das zu leben, was er dazu predige.) Offenbar hat er überhaupt nicht mitbekommen, wie die Individualisierung und somit auch die Anzahl sogenannter Single-Haushalte in der Gesellschaft zunehmen. III. NÄHERE BESPRECHUNG: Der ursprünglich gewählte Raum 201 des Kollegiengebäudes, Bau A (Ostenstraße 28) mußte also dann (gemäß meiner Erwartungen) in Richtung Aula (die zu Beginn sitzplatzmäßig auch nicht ausreichte!) verlassen werden, und es war offenbar tatsächlich die bisher bestbesuchteste Podiumsdiskussion auf diesem "Level". Doch wer dann mit einer heftigen Diskussion gerechnet hatte, wurde enttäuscht, und das lag eben nicht an den bestens vorbereiteten Moderatorinnen (ohne Vorerfahrung!), sondern (fast logisch!) an der Zusammenstellung der vier Hier eröffnet der mit dem Ehe-Liebe-Sex-Seminar in die Geschichte eingegangene KU-Dozent Dr. Markus Raasch um 18:39 Uhr die Podiumsdiskussion. Ad 1. ZUM EINLEITENDEN FILM: Der Film sollte "von vermeintlichen Widersprüchen zwischen dem katholischen Eichstätt und dem wilden Studi-Leben" handeln, aber gleichzeitig - so schrieb mir eine beteiligte Studentin - "ging es auch nicht darum, möglichst große Gegensätze festzustellen - vielmehr wollten wir herausarbeiten, wie gut eine konservative kirchliche Seite neben und mit der studentischen Seite 'auskommt'. Die Pepperparty ist einfach ein gutes Beispiel dafür, daß es zwar keinen Sexshop etc. gibt, die Studis dann aber eben zuhause einkaufen. Diese Pepperparties sind wohl so beliebt, daß es ein richtiger Glücksfall war, überhaupt so schnell jemanden für einen Termin zu finden! Alle Vertreterinnen in und rund um Eichstätt waren ausgebucht, was meines Erachtens eindeutig für eine große Nachfrage spricht (und sich mit den vielen interessierten und positiven Nachfragen deckt)." Ob das alles repräsentativ für die Mehrheit der Student(inn)en ist, kann und will ich nicht prüfen, es ist auch nicht meine eigentliche Fragestellung. Wie schon zuvor geschrieben, liefen der Film und die Umfrage nebeneinander: "Beides aufeinander abzustimmen, das ginge nur mit entsprechend größerem Vorlauf und wäre in einem Semester nicht möglich gewesen." Das Team der Filmverantwortlichen bestand aus sieben Studierenden, darunter vier Männer und drei Frauen (wenn ich es bei Minute 07:20 richtig gesehen habe). Und wie ich schon oben geschrieben habe, hielt der Film nicht sein thematisches Versprechen. Es gab angesichts des Titels "Liebe und Sex in Eichstätt" keine begriffliche Definition wie dann kurz danach, nämlich vor der Präsentation der Umfrage. Wenn der meines Erachtens nach formal durchaus gut gemachte Film in der Aula dann auch gut verständlich gewesen wäre ("man" hatte ja nicht mit diesem Besucherandrang gerechnet, und so war eben lautsprechermäßig am Anfang einiges im argen), dann hätte er durch seine (jedenfalls von mir empfundene) Einseitigkeit (vgl. die bei der Linkverbindung u. a. vorgenommenen Tags wie Sex, Sexualität, Dildos, Queer, Pepperparty) und halbe Themenverfehlung tatsächlich Diskussionsanregung sein können, er stand ja dann sogar im radikalen Gegensatz zu den spiritualistischen Ansichten von Rainer Langhans. Der einleitenden und abschließenden Feststellung ("Eichstätt ist beschaulich" und "Eichstätt ist eben nicht Berlin") wird man ja noch zustimmen können, und natürlich darf ein Film auch provozieren, aber der Wechsel oder Gegensatz vom "verschlafenen Städtchen" zur "Pepperparty" ist dann m. E. nicht repräsentativ für Eichstätt als Ganzes. Und plötzlich ging es ja dann nur noch um sexuelle Hilfsgegenstände, Symbole, Tätigkeiten oder Verhütungsmaßnahmen, und selbst der historische Interview-Abschnitt handelte von einem früheren "Freudenhaus". Was verstehen die Filmemacher unter dem Satz: "Trotz katholischer Kleinstadt leben die Studenten Liebe und Sexualität aus"? Was ist hier gemeint mit "Liebe ausleben"? Wer will Liebe nicht ausleben? Noch grotesker wird dieser Satz im Film dann mit diesem Zusatz: "Trotz katholische Kleinstadt leben die Studenten Liebe und Sexualität aus wie zum Beispiel auf dieser Pepperparty." Im Film war nicht erkennbar, wo im Rahmen der Pepperparty "Liebe ausgelebt" oder "Sexualität ausgelebt" worden wäre, und ich gehe davon aus, daß es mehr eine anregende Verkaufsveranstaltung als eine sexualaktive Veranstaltung gewesen sein muß. Nebenbei sei bemerkt: hat wirklich irgendjemand geglaubt, daß an einer Katholischen Universität nur radikal-keusche Studenten und Studentinnen leben und studieren? Da hat sogar die eine Studentin im Kurzfilm recht, wenn sie sagt, daß die meisten Studierenden weniger wegen eines katholischen Profils der Universität in Eichstätt studierten als vielmehr wegen der gewählten Studienrichtung. Und doch ist die Aussage des aktuellen Katechismus der Katholischen Kirche in ihrem ganzen Sinn selten so klar geworden wie an diesem Abend (mit seinen drei Teilen), nur hat dies niemand direkt eingebracht, obschon im Film sogar an einer Stelle von "katholischen Moralvorstellungen" die Rede ist. "Keuschheit bedeutet die geglückte Integration der Geschlechtlichkeit in die Person und folglich die innere Einheit des Menschen in seinem leiblichen und geistigen Sein. Die Geschlechtlichkeit, in der sich zeigt, daß der Mensch auch der körperlichen und biologischen Welt angehört, wird persönlich und wahrhaft menschlich, wenn sie in die Beziehung von Person zu Person, in die vollständige und zeitlich unbegrenzte wechselseitige Hingabe von Mann und Frau eingegliedert ist. Die Tugend der Keuschheit wahrt somit zugleich die Unversehrtheit der Person und die Ganzheit der Hingabe. Der keusche Mensch bewahrt die in ihm angelegten Lebens- und Liebeskräfte unversehrt. Diese Unversehrtheit sichert die Einheit der Person; sie widersetzt sich jedem Verhalten, das diese Einheit beeinträchtigen würde. Sie duldet kein Doppelleben und keine Doppelzüngigkeit [Vgl. Mt 5,37]." (Katechismus, Nr. 2337 f., verkürzt ist das alles ja im YOUCAT.) Im Kurzfilm geht es dann nach dieser Tupperpenisparty weiter mit der Konzentration auf das primäre männliche Geschlechtsmerkmal (liegt vielleicht auch daran, daß es in Eichstätt "zu wenig" männliche Studierende gibt), die Filmschaffenden stellten in der Mittagsstunde einfach einen aufgeblasenen und aufgerichteten "Riesenpenis" vor die Unicafeteria, als ob damit die Frage nach der "Rolle von Liebe und Sexualität" in die richtige Richtung gelenkt worden wäre. Immerhin wird im Film eingestanden, daß sich einige der Student(inn)en durch diese Provokation persönlich angegriffen fühlten und die Aktion als niveaulos erachteten. Der erste Student, der direkt neben dem symbolischen Riesenpenis zu Wort kommt, hat dann auch recht: es ginge tatsächlich darum, wie mit dem Thema umgegangen werde. (Amüsant ist dann der vorbeimarschierende frühere Diözesanarchivar, der wohl bis heute nicht weiß, daß er in den Film geraten ist ;-) Und im Film geht es weiter mit der spezifischen Konzentration auf Sex, sogleich dreht sich alles um Kondome und Kondomautomaten (vgl. dazu übrigens mein "Verhütungsdokument"). Und die eine Studentin, welche richtig analysiert, warum die meisten überhaupt in Eichstätt studierten, verwendet aber dann jene Formulierung, die mich anwidert: "Sex haben". Doch genau darum geht es im Film, und von Liebe ist überhaupt nicht die Rede, nein dieselbe Studentin behauptet auch noch, es sei nicht richtig, die Eichstätter Student(inn)en "von der Verhütung so abzuschneiden", weil sich die Universitätsleitung nämlich weigere, Kondomautomaten aufzustellen. Eigentümlich: da würden angeblich am laufenden Band Pepperparties stattfinden (was ich bezweifle), aber gleichzeitig seien die danach strebenden Student(inn)en von der Verhütung abgeschnitten? Und weiter geht es mit der einseitigen Tendenz im Film: plötzlich dreht sich alles um ein fehlendes Bordell und um einen fehlenden Sexshop, nicht in der Stadt, sondern gleich im ganzen Landkreis Eichstätt, wonach man also vergeblich suche ... hier kommt dann immerhin ein historischer Beitrag von Fremdenführer Adalbert Lina, der dadurch auch den "berühmten Hexenbischof" als dunkles Kapitel des Bistums Eichstätt ins Spiel bringt. Bei der Erstaufführung des Filmes war etwa ab diesem Zeitpunkt der Ton schon besser hörbar, sodaß die Erzählung Linas, an dieser Stelle sei statt des "Frauenhauses" ein Priesterseminar errichtet worden, zu angenehmem Gelächter führte. Immerhin läßt dann ein Interview im Film mit dem verwendeten Verb "Sich-Näher-Kommen" offen, ob es sich auch um echte Liebesbeziehungen handeln könnte. Und eine ethische Aussage fließt auch noch ein: "Kondome wahllos zu verteilen, fördert nicht den verantwortlichen Umgang mit Sexualität." (Franz Geitner) Die weitere Stellungnahme, daß die Katholische Kirche Kondome als Verhütungsmittel offiziell nicht erlaube, Schon während der Ein- und Hinführung durch den habilitierten Dozenten ist das Startbild des durchaus ungewöhnlichen Kurzfilms zur ausgesuchten Thematik zu sehen. Leider fehlte in der ersten Hälfte der Ton fast gänzlich. Ein von mir immer schon sehr geschätzter Denker antwortete gleich direkt: "Tja, das Filmchen ist nicht mehr wie die längst übliche unintelligente, ja dumme, vor allem aber inadäquate Art, diese Themen aufzubereiten, völlig im Mainstream. Man sieht auch, wie sehr die Schichte der öffentlichen Meinung (die freilich in die individuellen Gewissensbildungen hineinragt, aber als Schicht) vom Niveau der Redakteure abhängt, und das ist hier wie überall geradezu grotesk niedrig. Was mich immer wieder wundert ist, daß von katholischer Seite überhaupt das Ganze nicht viel deutlicher im Rahmen des Begriffs 'Leben', wo es integriert ist und auch hingehört, angepackt wird. Sondern sich aufs Glatteis eines Teilthemas führen lassen, das so gar nicht diskutierbar ist. Denn wenn schon, dann gehören auch solche expliziten Dinge ja in den Irrtum über 'Lebenssteigerung'. Aber es ist eben das Leben selbst, das sich in seine maximalen Möglichkeiten steigert. Die Absplitterung des Themas 'Sex' generell ist da schon unzulässig. Diese Art Sex zu sehen ist aber Lebenskonsum, ein schrecklicher Irrtum. Freilich ganz klar eingebettet in die gesellschaftliche Nichtung des Ehebegriffs, in den Wegfall des kulturell-institutionellen Gesellschaftsgefüges, vulgo: die Selbstverständlichkeit der Ehe als Weg zur Lebensfülle. Ich glaube auch nicht, daß solche Pepperparties recht üblich sind, aber ein Fitneßstudiobetreiber hat mir einmal - selbst ein wenig mit Erschrecken - erzählt, wie die Frauen mit ganzen Koffern von Sexspielzeugen antanzen, vor allem wie sehr sie seiner Erfahrung nach zu Seitensprüngen neigen. Aber die werden dann schon auch sein Institut eben genau deshalb aufsuchen, also hat er es wohl konzentrierter als anderswo. Andere Studenten erzählen mir freilich schon, daß ich mir gar nicht vorstellen könne, wie es längst zugehe. Und daß vor allem die durch das Internet alltäglich gewordene Pornographie auch die Körperlichkeit auf Sexualtechnik verlagert. Einer meinte übrigens, daß es vor allem ungeheuren Druck, und da vor allem auf die Frauen, ausübe, weil sie meinen, sie müßten diesen Dingen nun auch genügen. Versagen bei Männern ist entsprechend gar nicht selten. Von sucht-, ja zwangartiger Masturbation habe ich da schon öfter gehört, das dürfte sehr häufig sein. Aber im Grunde sind wir längst zu einer Gesellschaft der Masturbanten geworden, und die Sexualität auf diese Art zu isolieren, ist exakt in dieser Linie. (Ein Dildo ist ja nichts anderes als die Verlagerung des "Miteinanderschlafens" auf vereinzelnde Masturbation.) Das Internet selbst ist ja Ausdruck dieser Lebens-Masturbation. Da ist die Pornographie nur die explizitere Seite der Medaille. Weshalb ich überzeugt bin, daß es das Problem z. B. im Mittelalter fast überhaupt nicht gab. (Während ich mir in der Spätzeit der Römer wieder sicher bin, daß es dort kein geringeres Problem als heute gewesen sein könnte.) Aber nicht, weil es damals keine Pornomagazine gab. Das ist eine gesellschaftliche Entwicklung, die Auflösung der Kultur wirft den Einzelnen auf sich zurück, und die Mutschwelle zur Selbsttranszendenz ins Handeln hinein (auch wenn es mal ein Seitensprung ist) wird immer unüberwindlicher. Den Mut zur - sagen wir mal - frechen, freien Sexualität - da trifft man die Nachbarin, die ihr Kleidchen so aufreizend schürzt; ihre Augen blitzen, ihr Kopf neigt sich so seltsam, ihr Blick will den meinen mitziehen ... und schon stürzt man in der Hausnische aufeinander, um sich aufzufressen -, den gibt es ja heute noch weit weit weniger als früher! Das bestätigen mir auch meine jungen Bekannten, die mir sämtlich erzählen, wie wenig Mut vorhanden ist, sich wirklich zu einer Frau zu wagen. (Die im übrigen schon meist die Initiativen an sich gerissen haben.) Diese im Film aufgekochte Sexualität ist ja das genaue Gegenteil der (sagen wir 'mal) natürlichen Zueinandergeneigtheit der Geschlechter, die mangels institutionellem Rahmen, mangels Kulturkonturen, halt auch mal außerhalb einer Ehe durchbricht. Und schon gar nicht ist sie 'frei'. Während bei wachen Sinnen die existentielle Frustration dieser Sexualität, wie sie heute propagiert wird, jedem auch nachvollziehbar, erfahrbar wäre. Da sehe ich auch einen gewissen Ansatz, daß die Leut selbst draufkommen. Entscheidend wäre halt immer, einen konkreten Ausweg vorzufinden, das ist sogar vielleicht das größte Problem: das Unbehagen ist nämlich da, auch bei den Jungen (die meiner Beobachtung nach von selbst draufkommen, daß da was nicht stimmen kann), aber die Alternativen fehlen." Eine der filmverantwortlichen Studentinnen meinte dann jedoch, daß ich mich "mit exakt anderen Menschen" über den Film unterhalten hätte, sie habe "in etwa das Gegenteil gehört. Bei all den Geschichten, die wir gehört, aber leider nicht vor die Kamera bekommen haben, trifft unsere Darstellung (und von Deinem Gesprächspartner so kritisierte) die studentische Realität. Es ist nun wirklich nicht unsere Aufgabe, ein katholisches und theologenkonformes Bild zu zeichnen!" Darum aber war es überhaupt nicht gegangen, abgesehen davon, daß ich nicht wüßte, was überhaupt "theologenkonform" heißen soll, aber die Bestätigung, daß der Sexualfilm die studentische Realität treffe, ist dann doch hilfreich für die "Analyse" der Studentenschaft an der Katholischen Universität Eichstätt. Trotzdem scheint mir die nicht unbedingt wissenschaftlich gemeinte Filmproduktion fast eher eine Art Belohnung für Student(inn)en zu sein, die beim Seminar angesichts der offenbar nicht ganz einfachen Inhalte durchgehalten hatten ;-) Ad 2. ZUR PRÄSENTATION DER UMFRAGEERGEBNISSE ZUR "LIEBE": Unter dem Vorbehalt, daß ich in der Aula auch alles richtig verstanden habe, erklärten also Studentinnen vor der Präsentation der Umfrage recht präzise, nach welcher "Liebe" jeweils gefragt worden sei, ob es sich beim Fragekomplex also a) um Agape, gemeint als freundschaftliche, treue Liebe; b) um Eros als schwärmerische Liebe (auch außerhalb einer festen Beziehung); c) um Sexus im Sinne sogenannter "körperlicher Liebe" gehandelt hätte. (Vgl. dazu die längeren begrifflichen Überlegungen des derzeitigen Papstes Benedikt XVI. in seiner Antrittsenzyklika, die noch mehr philosophisch-biblisch getragen sind, und vgl. auch meine kurz vor dem Erscheinen dieser Enzyklika in einem Guß heruntergeschriebene Position zur "Liebe".) Zum Zwecke der Umfrage war also diese dreifache (von mir jedoch nicht vollständig mitgeschriebene) Unterscheidung sicherlich hilfreich. Unter den 90 Befragten waren dann 39 % männlich und 61 % weiblich, was ja in der Tat ungefähr der Gesamtzusammensetzung der Studentenschar in Eichstätt entspricht (somit gilt Eichstätt bei Insidern sowieso als "Paradies", aber selbst hier ist es im Blick auf die vernommenen Umfrageergebnisse offenbar schwierig, eine passende Partnerin zu finden, welche selbst im Falle einer Behinderung ein kompromißloses Ja zum gemeinsamen Kind sagt und somit theoretisch und praktisch Abtreibung ablehnt). Und bei diesen 90 Befragten hätten sich dann fünf mit bisexuellen und zwei mit homosexuellen Tendenzen erkannt. 14 % seien verheiratet (ob kirchenrechtlich gültig oder nicht, wurde nicht geklärt). 40 % hätten sich in einer Beziehung befunden, und 40 % sähen sich als "Singles" an. 20 % seien evangelischen Bekenntnisses und 12 % ohne äußeres religiöses Bekenntnis. Interessant war dann auch die Statistik über die Anzahl bisheriger Freunde/Liebhaber. Zwei Drittel der befragten Studentinnen hätten schon einmal für einen anderen Mann "geschwärmt", aber 44 % wollen in der Realität ganz klar eine treue monogame Beziehung und wollen das Fremdgehen überhaupt nicht, und 61 % bejahten die Ehegemeinschaft als Ziel. Die befragten Frauen könnten weiters mit einem (regelmäßigen) Beziehungsstreit viel besser leben als die Männer, welche sich als eindeutig harmoniebedürftiger "geoutet" hätten. 64 % der Befragten hätten der Freundschaft in der Beziehung einen höheren Stellenwert eingeräumt als der Sexualbeziehung bzw. der sogenannten "Romantik", bei den Frauen seien es 75 % gewesen, und bei den Männern dann entsprechend weniger. Immerhin 44 % bejahten, daß sie ihren Partner auch im Alter pflegen würden (Stichwort: Agape). Trotz allem sei der Hälfte der Befragten schon ein sogenannter "One-Night-Stand" passiert (bzw. sei ein solcher eben auch beabsichtigt gewesen). Bei einer beginnenden Beziehung dauerte es bis zur erstmaligen Aufnahme sexueller Handlungen von einer Woche bis zu drei Monaten. Sexualität und "Liebe" gehören für 60 % (erfreulicherweise!) zusammen, bei den Frauen für zwei Drittel, bei den Männern für 50 %. Zusammenfassend wurde festgehalten, daß der unter (b) definierte Eros eine große Rolle spiele und viele das Verliebtsein möglichst lange konservieren wollten. Auch die unter (a) definierte Agape habe einen hohen Stellenwert und drücke sich in der von vielen hochgehaltenen Monogamie und Treue aus, und trotz der Quote von 50 % eines (passierten) "One-Night-Stands" sei für die meisten in der Beziehung die Freundschaft wichtiger als Romantik bzw. Sexus im Sinne von (c): ein Fünftel würde überhaupt bis zur Trauung warten wollen, und so könne also die "Generation Internet" gemäß Umfrageergebnis nicht einfach als "Generation Porno" angesehen werden. Es wurden aber auch sogenannte Einstellungsfragen gestellt, wobei mich bei diesen die ganz präzise Frageformulierung interessiert hätte, weil das zum Teil für die Bewertung der Antworten entscheidend ist: 61 % (dieser 90 Befragten) hätten nämlich geantwortet, daß sie homosexuelle Beziehungen als normal empfänden, 19 % hätten diese als nicht normal angesehen. Schon hier ist erkennbar, wie die politisch-gesellschaftliche Denkungsart der Mehrheit der Student(inn)en an der Katholischen Universität gestaltet ist, und noch schockierender wird es bei der Frage nach der Abtreibungstötung ungeborenen menschlichen Lebens: zwei Drittel meinten, daß die Frau einfach frei entscheiden solle, und nur 19 % meinten, daß die Frau überhaupt nicht pro Abtreibung entscheiden dürfte. Nur 24 % der Männer und nur 17 % der Frauen waren grundsätzlich gegen die Abtreibungstötung. Damit aber war dann der einleitende und eher technisch-sexuell orientierte Kurzfilm leider doch wieder irgendwie "erklärbar" ... Die mit dieser Umfrage ins Spiel gebrachte klare begriffliche Unterscheidung von drei "Liebesformen" ging im Laufe der Diskussion dann jedoch derart "verloren", daß in der Eichstätter Kirchenzeitung vom 29. Juli 2012 nur noch zu lesen war: "Der von Studenten fast zu ambitioniert durchmoderierte Abend, inklusive der Vorstellung einer von Studenten durchgeführten Studie über das Liebes-Leben der Eichstätter Studenten, konnte über die altbekannte Definitionsunschärfe Sex und/oder Liebe allerdings nicht hinweghelfen. Neben viel Richtigem und Einleuchtendem, das die Diskutanten formulierten, standen letztlich mißverständliche Behauptungen im Raum wie die von der wirklichen Liebe als geistige Sache, von der Vergeistigung der Gesellschaft mithilfe des Internets (Community statt Kommune), der Spiritualisierung mittels Medien. Aber keiner wagte zu sagen, daß Netzwerke so pseudosozial sein können wie Sex lieblos sein kann." Was mich aber dann in der Diskussion über einzelne Umfrage-Ergebnisse weiter schockierte, war die von Frage- und Antwortseite einhellig vorgetragene Kritik an jenen 19 Prozent, die homosexuelle Beziehungen nicht als normal empfänden bzw. ansähen. Eine Studentin sagte allen Ernstes, daß diese ganzen 19 Prozent gar nicht sein dürften. (Persönlich meine ich, daß die Rate sogar höher liegt, auch deshalb, weil im Film gegen Ende ein Schwuler erzählt, daß sich nicht wenige in ihrem Studiengang "verstecken" müßten.) Es erfolgte überhaupt kein Widerspruch von den vier geladenen Männern, sondern man zerbrach sich noch künstlich den Kopf, woran die "hohe Rate" von 19 Prozent Ablehnung liegen könnte. Eine "überraschende" Antwort lautete dann: "Möglicherweise, weil wir hier auf einer Katholischen Universität sind." Die unmißverständliche kirchliche Lehre, einerseits den Menschen (mit homosexuellen Tendenzen) selbst nicht ungerecht zurückzusetzen, aber andererseits die aktive homosexuelle Lebensform aufgrund der Schöpfungsordnung von Mann und Frau unter keinen Umständen gutheißen und somit auch gesellschaftspolitisch nicht forcieren zu können, wurde nicht einmal ansatzweise erwähnt. Denn es ist ein Unterschied, ob diese 19 Prozent aktive Homosexualität als nicht normal ansehen und dies auch frei und mit Respekt gegenüber der Menschenwürde äußern, oder ob dieselben 19 Prozent auch strafrechtliche Maßnahmen gegen homosexuelle Paare befürworten würden. Diese Differenzierungen gingen mir jedenfalls gerade in dieser sensiblen Fragestellung völlig ab. Wirklich gelungen war die Präsentation der recht klar gegliederten Umfrage unter 90 Student(inn)en, sowohl von den Begrifflichkeiten her als auch von der Interpretation der Ergebnisse, die teils erfreulich und teils schockierend waren. Angesichts der ziemlich technischen Orientierung an Sexualbefriedigung im Film wäre es jedenfalls wünschenswert gewesen, die Umfrage mit dem Film zu koordinieren. Wenn diese "Generation Internet" in der Tat so übersexualisiert ist, wie sie im Film präsentiert wird, dann stellen sich ja weitere Fragen: wie viel Prozent der männlichen Studierenden schlucken im Sinne der übersexualisierten eigenen Erwartung bzw. der von Studentinnen, welche alle möglichen absurden "technischen" Wünsche im Sinne des herausgefundenen Erfahrungshungers haben, einfach aus (sexuellem) Spaß heraus viagraähnliche Substanzen? (Vgl. die Vorjahresberichte über manche männliche Angehörige vom Clan des unter sexuell erniedrigenden Begleitumständen brutal ermordeten Diktators Muammar al-Gaddafi.) Wie viele benötigen dann wirklich Sexspielzeug alleine oder in Gemeinschaft? Diese ganzen Fragen wurden zwar (unbewußt) in den Raum gestellt, aber von niemandem objektiviert. Das wäre ein Desiderat für ein nächstes Mal. Ad 3. KOMMENTIERUNG UND WERTUNG DER DISKUSSION "WOZU BRAUCHT DIE GENERATION INTERNET DIE LIEBE": Im Hauptbericht des Eichstätter Kurier zur Veranstaltung hieß es in Verantwortung der schon genannten Petra Hemmelmann: "Ein Semester lang hatten sich Dozent Markus Raasch und seine Studenten mit dem menschlichen Miteinander im 19. und 20. Jahrhundert beschäftigt, die Bibel ebenso rezepiert wie Lessing, Goethe und die Beatles. An diesem Abend folgte der Sprung in die heutige Zeit. Neben dem prominenten Ex-Kommunarden waren als Diskutanten Gerhard Nechwatal, Ehe-, Familien- und Lebensberater der Diözese Eichstätt, der evangelische Stadtpfarrer Sieghart Schneider sowie Bernd Zengerle vom Haus der Jugend eingeladen. Die Moderation übernahmen die Geschichtsstudentinnen Lisa Margraf und Natalie Schlirf." Tatsächlich war die Diskussion selbst dann in vier Blöcke gegliedert, jeweils unterbrochen mit Fragemöglichkeiten für das zahlreich erschienene Publikum. Im ersten Teil sollte es um "Geschichte und Zukunft der Ehe" gehen, im zweiten Teil um das "Verhältnis von Liebe und Sex im Wandel", im dritten Teil um den "Umgang mit sexuellen Minderheiten" und im vierten Teil um die Fragestellung "Sind wir eine 'Generation Porno' oder konservativer als jede andere Generation?" Kurz und gut zusammengefaßt hat die genannte Redakteurin den ersten Themenbereich, als noch die meisten Gäste sitzenblieben und durchhielten, und sie hat auch recht mit der (ambivalenten) Titulierung "Liebesprediger": "Bereits im ersten Themenblock zu Geschichte und Zukunft der Ehe machte Liebesprediger Langhans klar, daß er für diese Institution nur wenig übrig hat. Dank dem Kommunenleben habe er 'verstanden, wie wenig Liebe in herkömmlichen Zweierbeziehungen passiert. Das ist jämmerliches Getue und hat mit wirklicher Liebe nichts zu tun'. Für ihn seien solche 'Besitzbeziehungen' nichts, so der 72jährige. 'Wirkliche Liebe ist eine geistige Sache.' Die Kommune 1 sei der Versuch gewesen, in liebevollerer Form zu leben: 'Uns ging es um das wahre Menschsein, ein Liebesgefühl über mehrere Leute hinaus – nicht um Sex.' Seit fast 40 Jahren lebt Langhans mittlerweile in einer Lebensgemeinschaft mit fünf Frauen. Ein gesellschaftliches Vorbild? 'Na klar!', rief Langhans und sorgte beim Publikum für lautes Gelächter. Für seine Diskussionspartner ist der Langhans’sche Harem keine Alternative. 'Die Ehe hat Zukunft, weil sie die menschliche Würde und Gottesebenbildlichkeit am meisten schätzt, birgt und ermöglicht', sagte Pfarrer Schneider, selbst verheiratet und Vater von vier Kindern. Auch Pädagoge Bernd Zengerle glaubt an die Institution Ehe, meinte aber: 'Das Modell ändert sich, die Ehe bleibt der Fixpunkt, aber sie öffnet sich für gewisse Freiheiten.' Natürlich gehören Freiheiten zur Partnerschaft, bekräftigte Eheberater Gerhard Nechwatal, schloß aber an: 'Eine gewisse Verbindlichkeit ist dennoch wichtig.' “ Abgesehen von Fragen nach der Veranstaltung stellte ich Langhans dann öffentlich nur eine Frage, nämlich jene nach seiner Definition des Begriffes "Liebe", da er ständig von "mehr lieben" gesprochen hatte. An sich konnten überzeugte Katholiken mit dem eingeladenen evangelischen Pfarrer oft sehr zufrieden sein, ja er meinte sogar an einer Stelle, daß die Katholische Kirche in der Sexualmoral einen Vorteil habe, weil sie eine klare Position besitze, während es da für die Evangelischen etwas schwieriger sei. Daß dann Prof. Nechwatal nebenbei erwähnte, bei solchen Fragestellungen vor allem Prof. Paul Michael Zulehner und weiteren zu folgen, ließ niemanden daran denken, daß es auch "innerkatholisch" gerade in unserem deutschen Sprachraum keine sichtbare Einheit (in der medialen Verkündigung) gäbe. In den weiteren benannten Diskussionsblöcken wurden von Homosexualität über masochistische Neigungen bis hin zur "Liebe" im Internet verschiedenste Themenbereiche angeschnitten. Mutig fragte eine Moderatorin Langhans ganz direkt, ob er denn auch homosexuelles Handeln ausprobiert habe, was dieser zwar bejahte, aber nie weiterverfolgt hätte: "Ich versuchte es, aber es verblieb im rein körperlichen Bereich." Es befriedigte ihn nicht. Die eingeteilte Journalistin des Eichstätter Kurier meinte dann im Nachbericht, es hätte an Zeit gemangelt, interessante Standpunkte zu vertiefen. Ich bin anderer Auffassung: die Kombination der drei Männer mit dem Dauerprediger Langhans war gar nicht zur Vertiefung geeignet, denn Langhans schwebte ja ständig in seinem Spiritualismus, der mit der Realität kaum noch Berührungspunkte hat, wenn auch manchmal paradox-richtige Aussagen hervorsprossen, aber bei jeder noch so irrtümlichen Ideologie gibt es eben auch Richtiges oder eine notwendige Zeitkritik. Jedoch eben derselbe "Langhans verblüffte mit einer Lobeshymne auf Internetcommunities: 'Durch Facebook bildet sich eine neue geistige Sphäre der Liebe, über das Netz ist das wirkliche Lieben und Menschsein möglich.' Dafür erntete er Widerspruch von Pfarrer Schneider: 'In Facebook empfinde ich keine wahre Freundschaft!' Solche Momente der echten Diskussion blieben rar an diesem Abend. Für die größte Provokation sorgte ein Zuhörer [Anmerkung von mir: der auch im Film vor der Cafeteria vernünftig dargelegt hatte, warum es richtig sei, daß an der Katholischen Universität keine Kondomautomaten stünden]: ob er bei all der Verachtung für Zweierbeziehungen nicht Angst habe, im Alter allein zu sein, fragte er Langhans. 'Das wird sehr viel besser laufen für mich! Ihr glaubt das nur nicht, weil ihr es nicht anders erlebt habt', entgegnete die 68er-Ikone." (Die Frage des Studenten war auch insofern hochaktuell, als gerade in China und Indien durch die vielen nie geborenen, sondern abgetriebenen Frauen noch massivere Probleme als bei uns zu erwarten sind.) Die Bezeichnung "68er-Ikone" regte dann besonders einen Leserbriefschreiber, nämlich Bernhard Niederreiter, an, der festhielt: Langhans "durfte unwidersprochen von seinen Sphären der Liebe schwadronieren, ohne jemals eine Frage nach der konkreten Ausgestaltung dieser seiner Liebe beantworten zu müssen. Hätte man vorher ein wenig gegoogelt, wäre man rasch dahintergekommen, daß sein sogenannter 'Harem' mit fünf Frauen tatsächlich eine Wohngemeinschaft voneinander distanzierter und räumlich getrennter Menschen ist, die keinerlei Liebes- oder Sexualbeziehung miteinander haben. [Anmerkung von mir: das allerdings betonte Langhans ja gerade als das herausragende und bleibende 68er-Element, vgl. die oben verlinkten INTV-Beiträge mit den Interviews nach der Veranstaltung.] Als Langhans vom Ideal millionenfacher, menschlicher Beziehungen via Facebook schwafelte, kam lediglich von Pfarrer Schneider ein zaghafter Einwand. Auch hier Ernüchterung nach einer Internetrecherche: Langhans hat dort gerade mal 25 'Freunde'. [Anmerkung von mir: aber auch das gestand Langhans in der Diskussion längst zu, weil er die Nutzung der Tools von der heutigen Jugend erwarte.] Gibt es an der katholischen Uni keine wertkonservativen Gegenspieler, die in der Lage gewesen wären, die Lebenslügen eines Herrn Langhans und der 68er anzureißen? Stattdessen das übliche Haudrauf auf die traditionelle Familie, die offenkundig unter Rechtfertigungsdruck steht, so nach dem Motto: eigentlich überholt, es gibt aber immer noch genügend Dumme, die das so wollen. Wenn man schon eine Umfrage unter den Studenten durchführt, wäre eine Frage durchaus interessant gewesen. Wie groß ist bei dieser zukünftigen Elite der Anteil, der in einer intakten Familie aufgewachsen ist, verglichen zum Beispiel mit einer altersgleichen Gruppe einer Justizvollzugsanstalt? Ich würde ein signifikantes Ergebnis erwarten." Tatsächlich kann meiner Überzeugung nach eine Gesellschaft noch so pervers oder kaputt sein, aber rein vom menschlichen Naturgesetz her (das ist jetzt eine philosophische Aussage im Sinne des menschlichen Naturrechts, am besten dargestellt von Johannes Messner) wird sich immer wieder das vom Schöpfer in den Menschen eingeschriebene Grundmodell einer Vollbeziehung zwischen einem Mann und einer Frau durchsetzen. Bernd Zengerle vom Jugendhaus bestätigte dies doch deutlich, die Ehe werde nicht abgelöst, es ginge immer noch um das Finden eines Ehepartners. Man kann auch meiner Meinung nach die menschliche Natur in ihrer unveränderlichen Wesensart nicht wirklich verändern, und insofern ist das unveränderliche Wesen des Menschen auch historisch unzugänglich, sondern man kann historisch in Wirklichkeit nur vermerken, wie sehr die Abweichungen erkennbar waren. Insofern war es wohl wirklich Absicht, daß dann aus der langen Präsenz des leitenden Redakteurs der Eichstätter Kirchenzeitung per 29. Juli 2012 nur ein winziger Artikel wurde, der lediglich eine Viertelseite einnahm und lustigerweise unter einem Artikel über eine "katholische Online-Partnervermittlung" (3/4 der Seite 11) landete. Der Miniartikel trug den Titel "Der Missionar der neuen Liebe. Der Alt-68er Rainer Langhans kam nach Eichstätt und diskutierte über Liebe, Ehe und Sex" und begann so: "Sex sells, und gepaart mit dem Komplex Kirche ist die kleine, spießige Lust auf ein Skandälchen hinreichend angestachelt - das wäre die negative Erklärung für den ungewöhnlichen Vortragsabend, der jetzt an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt die Aula restlos füllte." Durch das utopische universelle "Liebesgefasel" von Langhans kamen die dunklen (historischen und aktuellen) Seiten menschlicher Sexualität bzw. anderer damit (indirekt) zusammenhängender Bereiche überhaupt nicht (mehr) in den Blick (im Seminar selbst offenbar schon), nämlich Menschenhandel, sexueller Mißbrauch und überhaupt die realistische Einsicht, daß jeder Mensch immer sexuelles Wesen als Mann oder Frau bleibt und daß der Mensch an sich unabhängig von Alter und Generation zum Triebhaften hinneigt, ja auch zum Bösen (Stichwort: Erbsünde ...) Wer das alles übersieht, lebt in der kompletten Naivität und wird die Welt und die Menschheit nie auch nur ansatzweise verstehen können, noch weniger jedoch dann menschliche Sexualität im Ganzen. Insofern wunderte es nicht, daß Langhans bei der Diskussion und im INTV-Interview sogar so weit ging, von seinen durchaus fragwürdigen ekstatischen Erfahrungen her zu sagen: "Sex ist plumpes, grobes Zeug, was mich runterzieht, nämlich in den Körper hinein, wo ich nicht liebevoll sein kann." Hätte dies an dem Abend ein Mönch in Kutte gesagt, es wäre wohl mehrfaches Raunen durch den Saal gegangen, so aber nahmen es die meisten als eine mögliche (sektiererische) Weiterverfolgung der sogenannten 68er-Gedanken wahr oder erkannten im ersten Moment gar nicht, was Langhans da ernsthaft von sich gab. In Wirklichkeit war es nämlich fast unglaublich, wie sehr Langhans mit seiner anti-körperlichen utopisch-spiritualisierten Netzperspektive Sexualität abwertete. (An dieser Stelle wiederhole ich, wie wichtig Frauen als Hauptdiskutantinnen gewesen wären.) Im Grunde predigte Langhans die künstliche Hypothese körperloser Transgender-Wesen, die jegliche Sexualität wegspiritualisierten. Eine solche gnostische Leibfeindlichkeit und ein solches komplettes Absehen von der konkreten Geschlechtlichkeit waren nie authentisch christlich, und auch der Zölibat hatte nie ein solches philosophisches oder gar theologisches Fundament. Tatsächlich gab es auch fallweise ähnliche Sektierer in der christlichen Wirkungsgeschichte, aber das war niemals gültige Lehre der Kirche, es ist das genaue Gegenteil der an der Auferstehung des Fleisches orientierten christlichen Sicht der Sexualität und Sexualethik, die es dank der Gnade Gottes für möglich hält, mit dem Körper in Einheit mit der unsterblichen Geistseele liebevoll zu sein, und genau um das geht es auch für nicht verheiratete Menschen: authentisches Christentum muß den Menschen in die Wirklichkeit führen, und Langhans übersieht, daß das Virtuelle das Reale niemals vollständig ersetzen kann, und diese seine spiritualistischen Tendenzen führen zu Ende gedacht sogar zur völligen Auflösung jeglicher auf das Gemeinwohl hingeordneten Gesellschafts(ordnung), und von daher wunderte es wohl niemanden mehr, daß er aufgrund seiner spirituellen Internet-Ideologie die Parteizentrale der Piraten mit seinem Preisgeld aus dem RTL-Dschungelcamp teilfinanziert hat (er wurde ja auch als "Dschungel-Meditationskünstler" tituliert). Doch je weiter sich ein Mensch von dem ihm selbst erkennbaren menschlichen (!) Naturgesetz entfernt, desto mehr wird alles gleichgesetzt, und dann ist es gar nicht mehr verwunderlich, daß die von der Schöpfung ursprüngliche gemeinte Geschlechtsordnung völlig entschwindet: auf einmal ist die eigentlich vorgesehene "Heterosexualität" nur noch eine mögliche Spielart, auf einmal verlangen andere "Spielarten" völlige Gleichberechtigung, und auf einmal geht eine durch das menschliche (!) Naturgesetz immer wieder neu erkennbare Norm geistig verloren, und auf einmal ist nicht mehr klar, wo überhaupt noch die Grenze der sexuellen Spielarten gezogen werden könnte, es ginge ja nur noch um den vom Leib komplett entfremdeten Geist. Aber ist eine solche entkörperte Liebe nicht gerade radikal offen für alle Formen des Mißbrauchs? Hat nicht gerade das von Langhans so spirituell in die Höhen gelobte "Internet" die Möglichkeiten sexuellen Mißbrauchs entschieden gemehrt? (Immerhin stellten Diskutanten andererseits als historische Verbesserung durchaus richtig fest, daß heute sexueller Mißbrauch leichter ansprechbar und aufklärbar geworden sei.) Sind normenlose vergeistigte Menschenwesen wirklich liebevoller, lieben sie wirklich ständig mehr als die/in angeblich so verarmten "Zweierbeziehungen"? Was INTV dann zu Langhans berichtete, war im Grunde teilweise Schönfärberei: "Seine Gewißheit von der universellen Liebe bestimmt(e) die Diskussion." Und Langhans sagte dann beim INTV-Interview noch: "Die Menschen wissen nichts Schöneres als Sex - ich weiß es." (= das Schönere.) Isoliert kann das richtig und falsch verstanden werden, im Kontext seiner Ideologie wird die Aussage aber zu einer problematischen Behauptung, und entgegen der von Langhans verbreiteten Ideologie ist wohl eher (beispielsweise) mit Kilian Kemmer festzuhalten (und immerhin brachte eine ähnliche Perspektive der evangelische Pfarrer durchaus gelungen in die Diskussion ein): "Es scheint noch einmal wichtig zu sein, zu betonen, daß die Sexualität als Geschenk und gute Gabe Gottes an jeden Menschen integrativer Bestandteil für jeden Lebensentwurf ist. Ob in Ehe oder Ehelosigkeit bleibt die Suche nach verantwortlich praktizierter Sexualität bzw. andererseits die Gestaltung der Enthaltsamkeit ein Auftrag, der mehr und mehr zu Reife und Vervollkommnung führen soll. Ein Christ nimmt aus Liebe zu Gott die Verantwortung für das hohe Gut der menschlichen Sexualität ernst und erfüllt deren Praxis oder erfüllt deren Verzicht mit einem tiefen Sinn. Nur so kann man erahnen, warum es sich bei freiwillig Ehelosen oder bei Menschen, die durch Krankheit, Behinderung, Verwittwung alleinstehend bleiben müssen oder wollen, nicht um exotische Existenzen handelt, sondern um Personen, die den Sinn ihres Lebens über die Frage der praktizierten Sexualität hinaus in einem größeren Ganzen erkennen." (Klerusblatt 92 [15. Juni 2012] Nr. 6, S. 137 des Beitrages: Von der Notwendigkeit einer Entweltlichung der Kirche. Annehmen eines Auftrags, Einnehmen eines Standpunkts, Unternehmen eines Zukunftsprojektes, wobei die Erfüllung letztlich nur übernatürlich bekräftigt und längerfristig durchgehalten werden kann: Selbsterfüllung und Selbsterlösung sind eben ausgeschlossen, und das ist auch ein weiteres Problem bei Langhans' anti-leiblicher Utopie.) Die Mehrheit der Besucher(innen) des Abends ging wohl ziemlich eindeutig davon aus, daß der katholische Klerikerzölibat erzwungen wäre. Anders ist der im Vergleich längste Einzelapplaus bei der gesamten Diskussion nicht zu erklären, als der eingeladene evangelische Pfarrer betonte, er habe nichts gegen einen freiwilligen Zölibat aus höherem Motiv heraus, aber er sei gegen einen zwangsweise übernommenen Zölibat. Das war natürlich ein sehr einfaches Applaus-Tor. Trotz der Meinung einer Studentin, daß im Saal niemand an tiefergreifenden theologischen Diskussionen interessiert gewesen wäre, Und dieses Bild zeigte sich dann knapp mehr als zwei Stunden ohne jede Pause, wobei die beiden Studentinnen ausgezeichnet vorbereitet waren. Das eine sichtbare Mikrophon war allerdings nur gut gemeint, durch den Saalwechsel war die Organisation von Ansteckmikrophonen offenbar nicht mehr möglich. "Haben wir es mit einer Generation Porno zu tun?“, wollten die Moderatorinnen zum Abschluß der Gesprächsrunde wissen. So nahm Petra Hemmelmann von der Diskussion im Eichstätter Kurier auf: "Falscher Umgang mit Sex sei ein Hilfeschrei Einzelner, aber auf keinen Fall ein allgemeines Merkmal der heutigen Jugend, meinte Zengerle, und Pfarrer Schneider stimmte zu: 'Wir leben in einer Gesellschaft, in der Pornographie allgegenwärtig ist, doch die Jugendlichen sind nach wie vor offen und fragend.' " Richtig analysierte Zengerle, daß es in den letzten Jahrzehnten durchaus einen Verlust an Intimität gegeben habe. Durch das Internet sei mehr Druck gegeben, weil eine bestimmte Sexstellung schon tausend Mal gesehen worden wäre. Dies führe dann zu Enttäuschung. Andererseits könne das Internet Sexualität nicht "verändern". Durch den eigenwilligen 68er-Zeitzeugen Langhans konnte bei der Diskussion aber dann doch mancher Zuhörer und manche Zuhörerin ein wenig nachempfinden, wie es überhaupt "im superkatholischen Nachkriegsdeutschland" zur sogenannten 68er-Bewegung kommen konnte, warum in einigen Bereichen durchaus berechtigt das Verlangen nach Freiheit durchbrach gegen Verkrustungen, die tatsächlich von nicht wenigen mit einer Gesellschaftsordnung verwechselt worden waren. Nach fast drei Stunden war das Gesamtthema also überhaupt nicht erschöpft, wie bei INTV formuliert wurde, sondern vielmehr war das Publikum verständlicherweise erschöpft. Die Schmerzgrenze war für viele bei 20 Uhr (1,5 Stunden ohne Pause), und so war der langsame Exodus völlig verständlich, da half auch nicht die für manche richtige Beobachtung von INTV: "Die Diskussion geriet phasenweise zu einem Happening, auch dank des Ehrengastes Langhans." IV. NACHBEMERKUNGEN: Wo ich beim oben schon genannten Leserbriefschreiber allerdings schon anschließe, ist die konkrete Realität der Langhans-Kommune, denn ich fragte ihn auf Basis seiner idealistischen Einlassungen schon nach der Veranstaltung, was denn dann bitte der Unterschied zwischen dieser Kommune und irgendeiner kleineren klösterlichen Gemeinschaft sei? Langhans dachte nach und sagte, daß eigentlich abgesehen vom angeblichen Fallweise-Zulassen sexueller Energien gar kein großer Unterschied bestünde ... auf Ideologisches kam er gar nicht mehr zu sprechen ... Bei INTV betonte er ja nochmals für seine "WG": "Nicht die Körper sind zusammen, sondern die Geister", und so spaltet er immer wieder unrealistisch den Körper vom Geist und behauptet - wie schon oben als absurd kritisiert -, es würde gerade dadurch die liebevolle(re) Kommunikation gepflegt. Und ich habe Langhans nachher auch noch angesprochen, ob er im Gegensatz zu seinem Quasi-Motto "In Facebook und Google steckt die Liebe von morgen" auch die neuesten Forschungen aus den USA kennt, zusammengefaßt unter "together alone" ... ich meine nämlich, daß der schon einmal oberhalb als Filmkritiker länger zitierte Denker recht hat und damit einem Netzutopismus widerspricht: "Die rasende Geschwindigkeit, mit der sich die social media ausgebreitet haben, beweist genau das, was auch die Dame (Sherry Turkle) sagt: sie treffen uns in unserer Schwäche und verbreiten die Illusion, die tödliche Illusion, daß wir uns die Mühe unserer Selbstwerdung ersparen können, indem wir in eine Cloud aufgehen." Wenn ich Facebook-User mit 1000 "Freunden" sehe, frage ich mich wirklich, was das überhaupt noch konkret bedeuten soll. Klar wurde für mich, daß gerade an der Katholischen Universität (Eichstätt-Ingolstadt) einmal im Jahr dieser Themenkomplex aktiv angegangen werden sollte, denn auch hier wirken offenbar viele Student(inn)en, die mehr oder weniger nicht über die authentische Lehre der Katholischen Kirche informiert waren und sind. Ob solche Defizite und Mißverständnisse überhaupt integral zu beheben sind, ist zwar fraglich, aber eine jährliche Großveranstaltung, am besten interdisziplinär geplant mit jeweils wechselnder Lehrstuhl- und Fakultätsverantwortung, wäre absolut zu empfehlen. In unserer heutigen westlichen Gesellschaft ist dies derzeit kein echtes Tabuthema mehr, umso mehr müßten die Chancen ergriffen werden, ein Thema umfassend weiterzubehandeln, das die Existenz und das Leben jedes Menschen und jeder Generation neu und alt betreffen. (Was der amtierende und an der Geschichtswissenschaft besonders interessierte Präsident der KU, Prof. P. Dr. Richard Schenk OP, von dem Ganzen hält, ist mir nicht bekannt. Er nahm ja kurz vor der Abendveranstaltung an dem ebenso für 19. Juli 2012 geplanten Dies Theologicus teil und hielt dort den Vortrag "Zeitlichkeit als Geschenk und Aufgabe". In der Aula habe ich selbst am Abend dann praktisch keine katholischen Theologen gesichtet.) Vielleicht ist es hier auch interessant, eine ganz anders aufgezogene Diskussion (Titel: "Zur Sache, Schätzchen - Sex, Kirche, Gott und so ...") als beispielhaften Vergleich heranzuziehen, bei der vom ersten Teilnehmer Eduard Habsburg aus katholischer Perspektive vieles richtig angesprochen wird, daß es nämlich heute keine ganzheitliche Heranführung gäbe, denn die erste Perspektive für die heranwachsende Jugend sei zumeist der Verhütungshorizont. Außerdem werde generell so getan, als "hätten" alle ständig "Sex". Und nicht wenige nähmen dann auch Sexszenen aus Filmen als die volle Realität an, doch in Wirklichkeit ginge es bei den Drehbüchern meistens nur darum, über einen möglichst kurzen Zeitraum möglichst intensive Emotionen zu wecken. Und dann entstünden eben all die bekannten "Verzerrungen", und so hatte der evangelische Pfarrer und Mitdiskutant recht, als er bei INTV gleich die KU als ganze lobte, daß es gut sei, die Thematik "nicht nur akademisch von der Geschichte her" aufzuziehen, sondern daß man auch schaut, "was hat das mit meinem eigenen Leben zu tun, was hat das mit unserer Gesellschaft zu tun, und was ist die Zukunftsperspektive." Einzig die Zukunftsperspektive von Rainer Langhans ist eine offensichtliche utopische Fehleinschätzung, denn gerade das Internet führte und führt zu der Sexualisierung, die Langhans in seinem spezifischen spiritualistischen Weiterdenken so radikal ablehnt. Gerade das Internet führt in vielen Fällen nicht zur authentischen Liebe, sondern hat sogar noch die in unseren Breiten feststellbare Individualisierung befördert, also ganz entgegen seiner These, daß eine Kommune nach der anderen entstünde, egal ob jetzt virtuell oder real. Von einer Zunahme an Liebe kann dann wirklich (noch) keine Rede sein, und diesen Realismus vertritt immerhin auch der für die Großveranstaltung hauptverantwortliche Geschichtsdozent, wenn er bei INTV meint, daß die Internet-Facebook-Beziehungen mehr eine Pseudointimität und Pseudonähe vermitteln würden, auch wenn er sich wie Langhans schon wünschte, daß das Internet zu mehr Nähe führe und zum Frieden in der Welt beitrage, aber er sei da (zurecht!) sehr, sehr skeptisch. In demselben (zweiten längeren) INTV-Beitrag wird der Dozent sogar als junger Geschichtsprofessor gelobt, der "den Spagat zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und geballter Lebenserfahrung ... geschafft hat". War der Geschichtsdozent jetzt mutig? Ja und nein. Bei INTV sagte er also durchaus auch Vernünftiges und Langhans-Kritisches: "Wir haben die Ambivalenz in der heutigen Gesellschaft gesehen, wir haben diese Pornographisierung auf der einen Seite, die sehr stark auch ein soziale Phänomen ist, und auf der anderen Seite haben wir sehr starke romantische Tendenzen: Treue scheint sehr wichtig zu sein [Anmerkung von mir: als ob dies immer nur Romantik und nicht auch opferbereites Menschsein als solches wäre ...] Es ist deswegen unglaublich wichtig, über Liebe zu reden, Liebe zu haben und Liebe zu machen, würde ich sagen." Nein, seine allerletzte Formulierung lehne ich ab, das ist ja schon längst im ganzen Blogeintrag klar geworden, und diese Formulierung ist eben neuerlich ein Ausstieg aus der historischen Wissenschaft, sie ist schon eher eine philosophische Aussage: "Liebe machen". Diese Begrifflichkeit ist dem "behandelten Gegenstand" gegenüber unangemessen und unwürdig. Da ist es noch ehrlicher, zu sagen: "erregende Sexualität voll ausleben", und so sind wir wie schon zu Beginn wieder bei diesen Begriffs- und Ebenenverwechslungen. Ehrlich und sympathisch war von Seiten des Dozenten jedenfalls, daß er sich zum Ende der Veranstaltung für die technischen Unzulänglichkeiten entschuldigte. An Lautsprecher für den Kurzfilm oder an Mikrophone für die Hauptdiskutanten hatte zunächst niemand gedacht (im geplanten kleineren Saal hätte man wohl alles halbwegs gut vernommen), und wenn überhaupt diesbezüglich Kritik angebracht war, dann eher noch an der völligen (in "Netzzeiten" unglaublich unrealistischen) Unterschätzung des Besucherandrangs, obschon dieser wirklich leicht abzusehen war. Ich selbst rechnete schon zuvor mit facebookpartymäßigen Zahlen, und ich postete das auch rechtzeitig, weil bei diesem Thema und bei einer solchen Netzwerk-Propaganda sowie im Blick auf schließlich über 200 verbindliche Facebookanmeldungen noch zu glauben, daß der ursprünglich gewählte Saal nicht gefüllt sein könnte ... aber von der Face- und Mundpropaganda bekam auch Dozent Dr. Raasch offenbar kaum etwas mit. Meiner Meinung nach waren es also wirklich 500 Besucher(innen), und es wären vielleicht sogar noch mehr gewesen, weil der Wechsel in die Aula erst spät bekannt wurde. Für manche Studenten machte dies aber alles nichts aus: "Der Film und Rainer Langhans haben das voll ausgeglichen." Abschließend nochmals das, was mich am meisten gestört hat: die offensichtlich hohe Ignoranz in der Umfrage bei den 90 Student(inn)en, daß Abtreibung nichts anderes als Tötung ungeborenen menschlichen Lebens darstellt, und dann die scharfe Kritik in der Diskussion selbst an den 19 % derselben 90 Befragten, welche homosexuelle Beziehungen als nicht normal ansehen. Und das alles auf dem Boden einer Katholischen Universität? Also in diesem Bereich müßten sich die Verantwortlichen dann doch etwas Sanftes einfallen lassen, so kann es doch bitte schön nicht weitergehen. Ist aber jetzt die Uni in Eichstätt nicht mehr "katholisch"? Das ist eine falsche Fragestellung, und es ist auch nicht meine Fragestellung. Denn daß die Wissenschaftsbereiche auch auf einer Katholischen Universität sich aller denkbaren Themen annehmen können, dürfen und müssen, daran kann kein Zweifel bestehen, solange es um den klaren fachwissenschaftlichen Horizont geht. Im konkreten Fall wurde dieser aber doch ziemlich klar verlassen bzw. geweitet, und insofern wird "man" verstehen, daß manche sich doch die Frage stellen werden, abgesehen davon, daß meiner Überzeugung nach der Mensch in seinen existentiellen Zwecken von seinem spezifischen Naturgesetz, d. h. in seinem Wesen, gar keiner echten historischen Veränderung unterliegt, sodaß schon beim gewählten Thema der Veranstaltung Anfragen möglich gewesen wären. Akatholisch war das alles jedenfalls nicht gemeint, und meine Sympathie gilt den Lehrenden und Lernenden der Universität, die diesbezüglich zum großen Teil durch die heutige Zeitgeistgebundenheit wenig dafür können, wenn das "Katholische" in den Hintergrund getreten war: "Wir, die Gruppe von Studenten, die diese Podiumsdiskussion organisiert und moderiert haben, bedanken uns bei den vielen Leuten, die am 19. 07. da waren und so tolle Fragen an unsere Gäste gestellt haben." Und so war die Veranstaltung formal ein Riesenerfolg, weshalb ich dem Dozenten auch gratulierte (auf meinen Hinweis zum Facebook-Optimismus von Langhans meinte er, daß wir ihn ruhig weiterträumen lassen sollten), und in diesem Sinne wünsche ich allen gute Erholung, die ihren Urlaub in der Hochsaison wahrnehmen. Euer Padre Alex - Dr. Alexander Pytlik P. S. Ach ja, ein paar thematisch verwandte "Karlichdiskussionen" mit mir gäbe es noch zu verlinken, und auch diesen Blogeintrag gibt's noch: das keuscheste Coke seit Erschaffung Adams ;-) |
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