Wednesday, May 1. 2013
NEU GELESEN EIN HIRTENSCHREIBEN ZUR ... Posted by Padre Alex / Dr. Alexander Pytlik
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11:30
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Wir stehen im Jahr des Glaubens und blicken auch auf das letzte XXI. Ökumenische Konzil der Katholischen Kirche zurück. Benedikt XVI. hat vor seinem rechtskräftigen Rücktritt dieses II. Vatikanische Konzil nochmals sehr lebendig werden lassen und seinen Nachfolgern damit die Richtung angezeigt, in der die weitere Rezeption geschehen kann. Bei seinem letzten Konzilsrückblick als regierender Papst hat er am 14. Februar 2013 vor dem Klerus der Diözese Rom somit auch noch einmal zur Liturgiereform innerhalb der lateinischen Kirche Stellung genommen:
"Wie gesagt kamen alle mit großen Erwartungen – nie war ein Konzil von diesen Dimensionen abgehalten worden –, aber nicht alle wußten, wie man es anpacken sollte. Diejenigen, die am besten vorbereitet waren – sagen wir, die mit den klarsten Vorstellungen – waren der französische, der deutsche, der belgische, der holländische Episkopat: die sogenannte »Rheinische Allianz«. Und im ersten Teil des Konzils gaben sie den Weg vor; dann wurde die Tätigkeit schnell erweitert, und immer mehr hatten alle Anteil an der Schaffenskraft des Konzils. Die Franzosen und die Deutschen hatten einige gemeinsame Interessen, wenn auch mit recht unterschiedlichen Nuancen. Die erste, anfängliche, einfache – scheinbar einfache – Intention war die Liturgiereform, die bereits mit Pius XII. begonnen hatte, der schon die Karwoche reformiert hatte; die zweite war die Ekklesiologie; die dritte das Wort Gottes, die Offenbarung; und schließlich auch der Ökumenismus. Die Franzosen hatten – viel mehr als die Deutschen – noch das Problem, die Situation der Beziehungen zwischen Kirche und Welt zu behandeln. Beginnen wir mit dem ersten Punkt. Nach dem Ersten Weltkrieg war, besonders in Mittel- und Westeuropa, die liturgische Bewegung gewachsen, eine Wiederentdeckung des Reichtums und der Tiefe der Liturgie, die bis dahin im Römischen Meßbuch des Priesters gleichsam verschlossen war, während die Leute mit eigenen Gebetbüchern beteten, die nach dem Herzen des Volkes gemacht waren, in dem Sinn, daß man versucht hatte, die hohen Inhalte, die hohe Sprache der klassischen Liturgie in mehr gefühlsbetonte Worte zu fassen, die näher am Herzen des Volkes waren. Es waren jedoch fast zwei parallel laufende Liturgien: der Priester mit den Meßdienern, der die Messe nach dem Meßbuch feierte, und die Laien, die in der Messe zugleich mit ihren Gebetbüchern beteten und im wesentlichen wußten, was am Altar geschah. Jetzt aber war die Schönheit, die Tiefe, der historische, menschliche, geistliche Reichtum des Meßbuches wiederentdeckt worden, sowie die Notwendigkeit, daß nicht nur ein Vertreter des Volkes, ein kleiner Meßdiener, sagen sollte: »Et cum spiritu tuo« und so weiter, sondern daß es wirklich ein Dialog zwischen Priester und Volk sein sollte, daß die Liturgie des Altares und die Liturgie des Volkes eigentlich eine einzige Liturgie sein sollte, eine aktive Teilnahme, daß der Reichtum zum Volk gelangen sollte; und so wurde die Liturgie wiederentdeckt, erneuert. Jetzt in der Rückschau finde ich, daß es sehr gut war, mit der Liturgie zu beginnen. So tritt der Primat Gottes, der Primat der Anbetung hervor. »Operi Dei nihil praeponatur«: Dieses Wort aus der Regel des heiligen Benedikt (vgl. 43,3) erscheint auf diese Weise als die oberste Regel des Konzils. Es ist kritisiert worden, das Konzil habe über vieles gesprochen, aber nicht über Gott. Es hat über Gott gesprochen! Und es war der erste und wesentliche Akt, über Gott zu sprechen und alle Menschen, das ganze heilige Volk, für die Anbetung Gottes zu öffnen, in der gemeinsamen Feier der Liturgie des Leibes und Blutes Christi. In diesem Sinne war es – über praktische Faktoren hinaus, die davon abrieten, sofort mit kontroversen Themen zu beginnen – sozusagen wirklich ein Akt der Vorsehung, daß am Beginn des Konzils die Liturgie steht, Gott steht, die Anbetung steht. Ich möchte jetzt nicht auf die Einzelheiten der Diskussion eingehen, aber es lohnt sich, über die praktische Umsetzung hinaus immer zum Konzil selbst, zu seiner Tiefe und zu seinen wesentlichen Vorstellungen zurückzukehren. Es gab davon, würde ich sagen, mehrere: vor allem das Ostergeheimnis als Mittelpunkt des Christseins und somit des christlichen Lebens, des Jahres, der christlichen Zeit, was in der Osterzeit und im Sonntag zum Ausdruck kommt, der stets der Tag der Auferstehung ist. Immer wieder beginnen wir unsere Zeit mit der Auferstehung, mit der Begegnung mit dem Auferstandenen, und von der Begegnung mit dem Auferstandenen her gehen wir in die Welt. In diesem Sinne ist es schade, daß der Sonntag heute zum Wochenende geworden ist, während er doch der erste Tag, der Anfang ist. Innerlich müssen wir uns dessen immer bewußt sein, daß er der Anfang ist: der Anfang der Schöpfung und der Anfang der Neuschöpfung in der Kirche, Begegnung mit dem Schöpfer und mit dem auferstandenen Christus. Auch dieser zweifache Inhalt des Sonntags ist wichtig: Er ist der erste Tag, also das Fest der Schöpfung – wir stehen auf der Grundlage der Schöpfung, wir glauben an Gott, den Schöpfer –, und Begegnung mit dem Auferstandenen, der die Schöpfung erneuert; sein wahres Ziel ist es, eine Welt zu schaffen, die Antwort auf die Liebe Gottes ist. Dann gab es Grundsätze: die Verständlichkeit, statt eingeschlossen zu sein in eine unbekannte, nicht gesprochene Sprache, und auch die aktive Teilnahme. Leider wurden diese Grundsätze auch falsch verstanden. Verständlichkeit bedeutet nicht Banalität, denn die großen Texte der Liturgie – auch wenn sie, Gott sei Dank, in der Muttersprache gesprochen werden – sind nicht einfach zu verstehen; sie bedürfen einer ständigen Weiterbildung des Christen, damit er wächst und immer tiefer in das Geheimnis eindringt und so verstehen kann. Und auch das Wort Gottes – wenn ich Tag für Tag an die Lesung des Alten Testamentes und auch an die Lesung der Paulusbriefe, der Evangelien denke: Wer könnte von sich sagen, daß er es sofort versteht, nur weil es in der eigenen Sprache ist? Nur eine ständige Bildung des Herzens und des Verstandes kann wirklich Verständlichkeit schaffen und eine Teilnahme, die nicht nur äußerliches Handeln ist, sondern ein Eintreten der Person, meines Seins, in die Gemeinschaft der Kirche und so in die Gemeinschaft mit Christus." Umso spannender und interessanter ist es nach diesen unvergleichlichen Worten eines authentischen Zeugen des letzten XXI. Ökumenischen Konzils der Katholischen Kirche nochmals - nämlich praktisch 50 Jahre später - ein exemplarisches Pastoralschreiben von katholischen Bischöfen und Konzilsvätern zu lesen, die ihrem damaligen Klerus genau dieses erste Konzilsdokument Sacrosanctum Concilium zur Anbetung Gottes und zur Göttlichen Liturgie schmackhaft machen wollten und ihre damaligen Erwartungen sehr deutlich formulierten. Entnommen habe ich alles einem Sonderabdruck aus dem "Wiener Diözesanblatt" vom 12. Dezember 1963, und die Verlinkungen sind natürlich vom Blogautor: [BEGINN DES DAMALIGEN PASTORALSCHREIBENS ZUR LITURGIEKONSTITUTION DES II. VATIKANISCHEN KONZILS FÜR DIE LATEINISCHE KIRCHE IN ÖSTERREICH:] Pastoralschreiben der Erzbischöfe und Bischöfe an den Klerus zur Neuordnung der heiligen Liturgie vom 4. Dezember 1963 A. Am 22. November des Jahres 1963, am Feste der römischen heiligen Cäcilia, am 60. Jahrestag des Erscheinens des Motu Proprio Pius' X. über die Erneuerung der Kirchenmusik haben die Konzilsväter am II. Vatikanischen Konzil die "Constitutio de Sacra Liturgia" fast mit Stimmeneinhelligkeit (2158 zu 19 Stimmen) angenommen. Am 4. Dezember hat der Heilige Vater Paul VI. der Konstitution die päpstliche Approbation verliehen. Dieses Dokument hat dadurch die höchste Gesetzeskraft der Kirche erlangt. Ein solches Ereignis, das tiefste Wirkungen für das kirchliche und seelsorgliche Leben erwarten läßt, ist für die Bischöfe Österreichs ein willkommener Anlaß, sich zunächst mit einem Wort zur Aufklärung an den Klerus zu wenden. In Ihre Hände, hochwürdigste und hochwürdige Mitbrüder, wird ja diese erste Frucht des II. Vatikanischen Konzils gelegt, von Ihnen wird es auch abhängen, ob die 35 Seiten und 130 Artikel der Konstitution trockener Buchstabe und kaltes Recht bleiben oder Geist und Leben empfangen. Liturgie vor dem II. Vatikanischen Konzil Es ist gut, die liturgische Erneuerung in den letzten Jahrzehnten in Österreich in wenigen Zeilen zusammenzufassen. Die Schriften von Pius Parsch in Klosterneuburg hatten zwischen den beiden Weltkriegen das liturgische Ackerfeld aufgebrochen. Das Verlangen, die heiligen Texte und liturgischen Handlungen zu verstehen, wurde dadurch besonders geweckt. Der große Österreichische Katholikentag 1933 hat die erste große Phase der Meßgestaltung mit Meßlied und Verkündigung der Perikopen durch Vorbeter nach außen demonstriert. Viele aus dem heutigen Klerus waren damals als Theologen oder junge Priester Zeugen dieses gottesdienstlichen Aufbruches. Die Verfolgung während des letzten Weltkrieges hat die Gläubigen nach Verlust vieler äußerer Mittel der Seelsorge enger an den Altar herangeführt. Es entstanden zunächst in kleineren Gruppen Altargemeinschaften von Personen, die den Gottesdienst mehr erfassen und sich daran beteiligen wollten. Das Verlangen nach größerer Verwendung der Muttersprache wurde immer stärker. Im Jahre 1942 hat die deutsche Bischofskonferenz, der damals auch die österreichischen Bischöfe angehörten, die Bitte an den Heiligen Vater gerichtet, die schon bestehende Betsingmesse in den verschiedenen Formen zu bestätigen und die Missa cantata in Verbindung mit dem Volksgesang zu erlauben. Im Jahre 1943 hat das Staatssekretariat Seiner Heiligkeit auch diesen Bitten entsprochen. Noch waren die Priester an die Kultsprache gebunden; nur das Volk und die Vorbeter bedienten sich der deutschen Sprache. Wir alle, hochwürdige Mitbrüder, wissen aus eigener Erfahrung, wie fruchtbar diese beiden letzten Jahrzehnte waren. Ein Gottesdienst, der nicht allein beim Kirchenlied stehen blieb, der in Gebet und Gesang die Volksteile der heiligen Messe übernahm, ist die segensvolle Wirkung dieser großen Ermächtigung geworden, um die uns viele Nationen beneidet haben. 1948 haben die österreichischen Bischöfe die "Allgemeine liturgische Meßordnung" erlassen, um das bisher bestehende freie Experimentieren in geordnetere Bahnen zu weisen. Seither sind die großen Katholikentage ebenso wie die besonderen Elitegemeinschaften um den Altar von diesen Meßformen inspiriert worden; sie wurden in vielen Pfarreien Gemeingut aller. Hiefür zollt der österreichische Episkopat dem Klerus, besonders allen Seelsorgern, Dank und Anerkennung. Gerade diese liturgische Entwicklung im deutschen Sprachbereich hat im Konzil ihren Niederschlag gefunden. Unterdessen hat eine Reihe höchster kirchlicher Dokumente des Apostolischen Stuhles die liturgische Erneuerung als Hauptanliegen betrachtet. In allen diesen Entscheidungen wurde die größere Verwendung der Volkssprache, die deutschen und österreichischen Diözesen durch Privilegienrecht zustand, berücksichtigt. Liturgie auf dem Konzil Als Johannes XXIII. das II. Vatikanische Konzil ausschrieb, wollte er ihm eine praktische pastorelle Richtung geben. So fiel die Erneuerung der Liturgie dem Konzil als besonders wichtige Aufgabe zu. Neben den anderen Vorbereitungskommissionen wurde auch eine für die Liturgie geschaffen. Durch Johannes XXIII. wurde die ganze katholische Welt aufgerufen, Anregungen, Vorschläge und Wünsche an das Konzil gelangen zu lassen. Sie sind heute in 17 Bänden zusammengefaßt. Darunter bezieht sich wohl ein großer Teil auf den Gottesdienst. Damit war auch schon die erste liturgische Wunschliste für die Vorbereitungskommission gegeben. Sie setzten sich aus Bischöfen und Liturgiefachleuten der ganzen Welt zusammen. Diese haben in gemeinsamer Arbeit die erste, noch provisorische liturgische Konstitution geschaffen, die schon bald der Zentralkommission des Konzils vorgelegt wurde. Sie hat einzelne wenige Sätze gestrichen, im übrigen aber die Aufstellung als Ganzes gelassen. Als im Oktober 1962 das II. Vatikanische Konzil tatsächlich zusammentrat, wurde diese Vorlage (Schema) als erste in Behandlung genommen. Die Auseinandersetzungen, welche die Fragen des Gottesdienstes in der Konzilsaula ausgelöst haben, sind durch die Konzilspresse allen bekannt geworden. Manchmal schien es aussichtslos, den Reformen Anerkennung zu verschaffen. Aber die Erneuerung der Liturgie hatte soviel Boden gewonnen, daß schon die erste Abstimmung über das Schema als Ganze eine überwältigende Zustimmung erlangen konnte. Unterdessen wurden gleich am Beginn des Konzils die Kommissionen neu bestellt. Andere Kräfte kamen dadurch auch in die Kommission für Liturgie. Die Debatten in der Konzilsaula für und wider die Vorlage wurden der neuen Kommission zugeleitet. Sie hat diese Wünsche soweit als möglich berücksichtigt und die Vorlage in der II. Konzilsperiode wieder der Aula zugeführt. Über jede Veränderung mußte eigens abgestimmt werden. Ganze Reihen von Abstimmungen waren dazu notwendig. Die Konstitution hat auch alle diese Stationen glücklich passiert. Bei den Schlußabstimmungen über die einzelnen Kapitel konnten noch einmal Vorbehalte erhoben werden; dies ist sehr reichlich geschehen: bei manchen Kapiteln waren es über 1000. Sie wurden von der Kommission neuerdings bearbeitet, und es wurden Neutextierungen vorgeschlagen, bis die ganze Vorlage ihre Annahme fand. So münden in die Constitutio de Sacra Liturgia alle Einzelvorschläge ein, die vor dem Konzil erhoben wurden, alle Erfahrungen der Mitglieder der beiden Kommissionen, alle Wünsche der Konzilsväter, die mündlich und schriftlich erhoben wurden, dadurch aber auch alle Erwartungen der Diözesen, des Klerus und des katholischen Volkes der ganzen Welt, da die Konzilsväter ja immer mit dem Blick auf ihre Diözese und ihre Priester die Stimme erheben. Die neue Konstitution hat gewiß durch die Approbation des Heiligen Vaters ihre Rechtskraft erhalten, sie ist aber auch ein Dokument, an dem die ganze Kirche mitgewirkt hat. Die Tatsache möge im Klerus eine heilige Ehrfurcht hervorrufen sowie ein großes Verlangen, ihren Geist zu verstehen und ihre Aufträge durchzuführen. Einzelne Grundgedanken der Konstitution 1. Erstes Ziel der konziliaren Sicht der Liturgie ist sicher die aktive Teilnahme aller, die beim Gottesdienst beteiligt sind, wobei jedes Glied zu sprechen, zu singen und zu tun hat, was ihm zukommt. Zu einer solchen fruchtbaren Teilnahme gehört natürlich eine größere Verwendung der Volkssprache, als dies bisher möglich war. Sie darf daher gebraucht werden in den Lesungen, im Fürbittgebet und in den Gesängen; im 2. Kapitel über die Eucharistie ist noch genauer bestimmt und zusätzlich verordnet, daß die Muttersprache bei den Lesungen und im Ordinarium sowie im Proprium, das sind die Volksteile der heiligen Messe, verwendet werden darf. Die Ermächtigung gilt in der gleichen Weise von der Missa lecta cum populo wie in der Missa cantata; wobei zu beachten ist, daß die Konstitution erst am 1. Fastensonntag 1964 rechtswirksam wird. Außerdem sind dafür die näheren Weisungen der Bischofskonferenz und ihre Bestätigung durch den Apostolischen Stuhl abzuwarten. Für die österreichischen Diözesen bedeutet dies insofern einen Fortschritt, weil nun der Priester die Perikopen in der Volkssprache übernehmen kann (nicht muß). Der Vorbeter kann beibehalten werden. Bei Priestergebeten (Meßoration, Präfation) wird bei der Missa lecta nach wie vor der Vorbeter benötigt. Es wird besonders darauf hingewiesen, daß nun die Bischofskonferenzen eigene Meßordnungen zu erstellen haben, die der Bestätigung des Apostolischen Stuhles bedürfen und dann in der Diözese eingehalten werden müssen. Bis dahin gilt die derzeitige "Allgemeine liturgische Meßordnung". 2. Die Liturgie des Konzils will der Heiligen Schrift größere Beachtung schenken: Mensa verbi. Durch die Bereicherung der Liturgie mit Schrifttexten, durch die wechselnden Perikopen bei der Meßfeier und im Brevier sollen größere Teile des Gotteswortes regelmäßig Priester und Volk vermittelt werden. Es ist daran gedacht, die Perikopen der heiligen Messe nicht nur auf ein Jahr wie bisher zu verteilen, sondern auf drei oder vier Jahre. Ein eigener Schriftgottesdienst (etwa anstatt der Andachten) soll in Zukunft geschaffen werden, der in Missionsgebieten, wenn Priester fehlen, auch von einem Laien gehalten werden kann. Es sei vorweggenommen, daß die Ausarbeitung dieser Perikopen, ihre Verteilung im Meßbuch und Brevier auf mehrere Jahre, lange Zeit in Anspruch nehmen wird, sicher mehr als fünf Jahre. Es besteht kein Grund, den Bezug von Meßbüchern einzustellen. 3. Ferner will das Konzil die Liturgie als besondere Glaubensschule betrachten. Dazu drängen die Länder der Verfolgung, die keine andere Möglichkeit haben, an die Gläubigen heranzukommen, als eben den Gottesdienst; ebenso die Missionen, die den Priester nur selten anwesend haben. Kult und Glaubenspredigt müssen so gleichzeitig übernommen werden. Aber auch der Christ in unseren Ländern bedarf der Glaubensschule, die vom Gottesdienst, vom Gotteswort, von der Homilie ihren Ausgang nimmt. Die liturgische Schulung wird daher schon in der theologischen Ausbildung zur Pflicht gemacht. Bischof und Priester müssen von der Liturgie durchdrungen sein. Bischofskirche und Pfarrkirche müssen die primären Vorbilder des Gottesdienstes bilden. Die liturgische Predigt, die Erklärung der gottesdienstlichen Handlungen, wird besonders empfohlen. Damit ein solches Ziel erreicht werden kann, wird die Neuausgabe der Ritualien verlangt, ebenso die Anpassung der Gebete und Handlungen an das heutige Denken. Für Missionsgebiet wird sogar vorgesehen, daß Kultelemente der Eingeborenen in die Liturgie der Kirche übernommen werden können. Wie zu verstehen ist, erfüllt die Konstitution nicht alle Wünsche, die von verschiedenen Seiten aus unseren Diözesen erhoben wurden; sie wollte aber vor allem keinen liturgischen Umsturz bringen, sie hätte sonst keine Majorität in der Konzilsaula finden können. Die Liturgie der Weltkirche muß auch auf die ganze Welt, auf alle Diözesen Rücksicht nehmen. Eine Liturgie, die nichts Gemeinsames mehr enthielte, könnte nicht mehr Ausdruck einer Kirche, einer Gnade und eines Glaubens sein. Alle Bischöfe, die Zeugen des Ringens um eine Reform des Gottesdienstes waren und dieses Bemühen bis in die innersten Phasen miterlebten, müssen bekennen, daß viel mehr erreicht werden konnte als man verschiedentlich hoffen durfte. Es wäre einseitiger Individualismus, auf weitergehende und bevorzugte Forderungen zu bestehen; es wäre vor allem ein schlechter Dienst an der Gesamtkirche. Die Bischöfe erwarten, daß Art. 22, § 3 der Konstitution genau beobachtet wird: "Niemand anderer darf, auch wenn er Priester ist, irgend etwas willkürlich bei der Liturgie hinzufügen, wegnehmen oder verändern!" Verpflichtender Charakter der Konstitution Konzilskanones haben in der Kirche höchsten Gesetzesrang. Alle anderen Gesetze, Verordnungen und Gepflogenheiten müssen sich danach richten. Die schon ergangenen kirchlichen Dokumente, die päpstlichen Erklärungen, das kirchliche Gesetzbuch und vieles andere müssen sich darnach orientieren und müssen natürlich geändert werden. Jedes Gesetz hat eine "vacatio legis". Für Konzilsbeschlüsse muß das eigens bestimmt werden. Der Heilige Vater hat dies getan und diesbezüglich verordnet: Die Frist zur Promulgation der Konstitution läuft am 16. Februar 1964 ab. Damit wird sie am 1. Fastensonntag 1964 in Kraft gesetzt. Da die Neuordnung der Liturgie mehrere verschiedene Autoritäten in der Kirche berührt und die Konstitution eigens betont und angibt, welche Stellen noch für die Reformen, über ihren Beginn und Umfang zuständig sind, ist der Beginn der Rechtswirkung einzelner Artikel sehr verschieden. Zur Information seien im folgenden drei Gruppen von Bestimmungen genannt, bei denen der Beginn der Verpflichtung oder des Rechtes der Benützung jeweils verschieden ist: 1. Gruppe: Alle Artikel, die einen bestimmten Lehrinhalt zum Gegenstand haben oder die Erklärungen grundsätzlicher Art enthalten. Ferner solche Artikel, die sofort nach Ablauf der "Vacatio legis" verpflichten oder deren Ermächtigung sogleich in Anspruch genommen werden kann, ohne jede Intervention einer übergeordneten Autorität wie Bischof, Bischofskonferenz, Apostolischer Stuhl. 2. Gruppe: Diese Artikel können erst durchgeführt werden, wenn die zuständige Bischofskonferenz die nötige Vorentscheidung getroffen hat; diese bedarf außerdem der Bestätigung durch den Apostolischen Stuhl. 3. Gruppe: Sie wird durch jene Artikel gebildet, die zu ihrer Durchführung einer Entscheidung oder Neuordnung durch den Apostolischen Stuhl bedürfen. Im Anhang wird eine Übersicht gegeben, die den Beginn des Inkrafttretens einzelner Artikel angibt. Bei der Approbation der Constitutio de Sacra Liturgia hat der Heilige Vater ausdrücklich verfügt, daß bis zur Durchführung einzelner Artikel noch besondere päpstliche Weisungen abzuwarten sind. Dies wird hiermit auch dem Klerus bekanntgegeben. Folgerungen 1. Dort und da könnte die Neigung aufkommen, es müsse im liturgischen Bereich überall ein neuer Boden gelegt werden und alles bisher Geltende sei überholt. Demgegenüber sei festgestellt, daß die bisher geltenden Normen über die Gestaltung der heiligen Messe und über die Spendung der Sakramente weiter bestehen; dies gilt besonders von der Allgemeinen liturgischen Meßordnung. Es wäre ebenso falsch zu meinen, es sei bis zum Inkrafttreten der neuen Bestimmungen nichts zu tun. Die Teilnahme des Volkes, das schöne Beten und Singen, die Verbreitung der Meßbücher, die Meßfeier mit Kommunionempfang möglichst vieler, eine männliche Gestaltung des Gottesdienstes, Schulung und Ausbildung in den allgemeinen liturgischen Gesichtspunkten der Chormitglieder, der Vorbeter, der Meßdiener, läßt so viele Aufgaben offen, die alle unmittelbar in die Konstitution einmünden und für eine erfolgreiche Durchführung nach Eintritt der Rechtsverbindlichkeit Voraussetzung sind. Es sei auch darauf hingewiesen, daß die Missa cantata (Hochamt) in der bisherigen Form weiter bestehen bleibt, nur daß nach Bewilligung durch die zuständige Autorität (Bischofskonferenz, Apostolischer Stuhl) die Perikopen, das Ordinarium und das Proprium auch in deutscher Sprache gesprochen bzw. gesungen werden können. Es wird zur strengen Pflicht gemacht, diese Zeit abzuwarten, die länger dauern kann, weil verschiedentlich auch die Fühlungnahme mit anderen Bischofskonferenzen des gleichen Sprachbereiches gefordert wird; dies kann immerhin nicht sogleich erfolgen. 2. Die neue Konstitution bekämpft ganz besonders Eigenmächtigkeit in der Liturgie. Alle Gegner der liturgischen Erneuerung haben die Befürchtung ausgesprochen, die begehrten Reformen würden zum Verlust der Einheit beim Gottesdienst führen. Es ist nun an der Zeit, das Gegenteil zu beweisen. Gerade dieses Konzil hat bei Behandlung der Liturgie gezeigt, daß es die Ordnung eines großen Anliegens in die Hand nehmen kann, und der dem Konzil verheißene Heilige Geist mag sicher dafür Garant sein, daß die Erfüllung der Konstitution der Kirche, den Diözesen, den Ordensfamilien und den Pfarreien einen liturgischen Frühling bescheren wird. Das mehrfache Opfer des Gehorsams, der Einfügung und des Verzichtes auf Eigenbrötelei wird diesen Segen vermehren. 3. In der neuen Konstitution wird die Liturgie der Zukunft nicht etwa nur von oben bestimmt. Ja, große Aufgaben bei der Durchführung entfallen auf kollegiale Körperschaften, deren größte ja das gegenwärtig tagende Konzil darstellt. Vorbereitungskommission und Konzilskommission haben wesentlich mitgewirkt. Den Bischofskonferenzen werden die Liturgiekommissionen und die Kommissionen für Kirchenmusik beratend zur Seite stehen, wie es für den Bereich der österreichischen Bischofskonferenz ja schon immer geschieht. Diese Gremien setzen sich selbst wieder aus den Diözesanvertretern zusammen. In den Diözesen ist jeweils eine Kirchenmusik- und Liturgiekommission. In diesen wird die diözesane Arbeit besprochen; sie sind es, die den Ordinarius beraten. Die österreichischen Bischöfe werden sich gern dieses Rates bedienen. Darin sollen alle liturgischen Bemühungen einmünden und eine gebotene Einheit in der Vielheit gewährleisten. Die Konstitution geht noch einen Schritt weiter: sie verlangt auch Kontakt mit anderen Bischofskonferenzen desselben Sprachbereiches, damit an den Grenzen keine schroffen Unterschiede entstehen können. Wenn die Kirche solche Forderungen in einem Konzilsdokument erhebt, dann ist es wohl begreiflich, daß das Gemeinwohl der Kirche im Gebiet einer Bischofskonferenz und erst gar in einem Kirchengebiet den Vorrang haben muß. Die Bischöfe Österreichs, noch in Rom versammelt, appellieren an die Solidarität des ganzen Welt- und Ordensklerus. Schluß In der Heiligen Schrift werden wir gemahnt: "An den Früchten werden ihr das Gute erkennen." An den Segnungen müssen wir die neue Konstitution erkennen können. Liturgie ist das Ziel, in das jede Aufgabe der Kirche einmündet, sie ist auch die Quelle, aus der jede Kraft der Kirche strömt (Art. 10). Aus einer erneuerten Liturgie muß neues Leben sprossen, eine christliche Jugend, christliche Familien - Väter und Mütter. Von ihr müssen unsere Laienapostel erfüllt sein, bevor sie das Apostolat ausüben. Schließlich und nicht zuletzt muß ein erneuerter Gottesdienst die Priester.- und Ordensberufe sowie die Schwesternberufe reifen lassen, die wir so nötig haben. In Ihre Hände, hochwürdigste und hochwürdige Mitbrüder, übergeben die Bischöfe in der Zeit des II. Vatikanischen Konzils die neue Constitutio de Sacra Liturgia. Es ist ein großes Pfund, das Ihnen anvertraut ist. Seien Sie unsere engsten Mitarbeiter und getreuesten Verwalter! Rom, am Tage der Bestätigung der Constitutio de Sacra Liturgia durch den Heiligen Vater Paul VI., am 4. Dezember 1963. Die Erzbischöfe und Bischöfe Österreichs B. Anhang zum Pastoralschreiben der österreichischen Ordinarien I. Nach Ablauf der Promulgationsfrist treten folgende Bestimmungen mit Rechtswirksamkeit vom 1. Fastensonntag 1964, 16. Februar, sogleich in Kraft. (Diese und folgende Aufstellungen beziehen sich nur auf die wichtigsten Artikel). 1. Art. 15 - 17 / Bestimmungen über den Liturgieunterricht an den Universitäten und Studienhäusern der Orden. 2. Art. 45 u. 46 / Errichtung einer diözesanen Liturgiekommission, falls noch keine besteht. 3. Art. 52 / Verpflichtung zu einer Homilie in bestimmten Messen an Sonn- und Feiertagen. 4. Art. 78 / Fakultative Spendung des Ehesakramentes innerhalb der heiligen Messe, und zwar nach dem Evangelium und der Homilie. 5. Art. 78 / Bei einer Eheschließung außerhalb der Messe sind Epistel und Evangelium aus der Brautmesse vorzulesen. 6. Art. 94 / Übereinstimmung zwischen den Horen des Offiziums und der Tageszeit möge beachtet werden. 7. Art. 95 u. 96 / Die Verpflichtung zum Offizium für Religiosen, Kathedralkapitel und andere Form des Offiziums. 8. Art 97 b / Vollmacht für den Ordinarius, seine Untergebenen vom Offizium zu dispensieren bzw. zu substituieren. 9. Art. 101 / Vollmacht für den Ordinarius zur Erteilung von Einzelbewilligungen, das Brevier in der Volkssprache beten zu können (§ 1). Desgleichen für die kompetenten Ordensoberen für deren Untergeben (§ 2). (Dabei ist jedoch II,11 zu beachten.) II. Artikel der Konstitution über die heilige Liturgie, die vor Inkrafttreten von den einzelnen Bischofskonferenzen zu ordnen sind: 1. Art. 36,3 u. 4 / Approbation der Volkssprache und der Übersetzungen, die in der Liturgie verwendet werden. 2. Art. 38, 39, 40 / Weisungen für die Anpassung der Liturgie. 3. Art. 44 / Bestellung der nationalen Liturgiekommission. 4. Art. 54 / Festlegung und Verwendung der Volkssprache in der Messe. 5. Art. 63 a / Festlegung und Verwendung der Volkssprache bei der Sakramentenspendung und bei Sakramentalien. 6. Art. 63 b / Neue Ritualien nach Herausgabe des Rituale Romanum. 7. Art. 65 / In den Missionsländern Einbau der Volkselemente nach Art. 37 - 40. 8. Art. 76 / Volkssprache in der Ansprache des Bischofs bei den einzelnen Weihen. 9. Art. 77 / Erstellung eines Trauungsritus, falls notwendig (sofort). 10. Art. 81 / Desgleichen bei Begräbnissen. 11. Art. 101 / Approbation des Volkssprache-Breviers für Einzelbewilligungen. 12. Art. 107 / Anpassung der Liturgie des Kirchenjahres nach den Ortsverhältnissen, soweit notwendig. 13. Art 110 / Empfehlung der Bußpraxis nach den Ortsgegebenheiten. 14. Art. 119 / Anpassung der Kirchenmusik an die Musik der Missionsgebiete. 15. Art. 120 / Erlaubnis besonderer Instrumentalmusik beim Kult. Anpassung der heiligen Geräte zum Gottesdienst nach erfolgter Neuordnung durch die postkonziliare Kommission. III. Artikel der Konstitution, die vom Apostolischen Stuhl zu ordnen sind: 1. Art. 21, 23, 25, 28, 31, 34, 35 nr. 1 u. 2, 38 / Allgemein Bestimmungen. 2. Art. 50 / Neuordnung des Ordo Missae. 3. Art. 51 / Aufstellung neuer Perikopenreihen mit Verteilung auf mehrere Jahre., 4. Art 53 / Ausarbeitung der "Oratio communis seu fidelium". 5. Art. 55 / Festlegung der Anlässe zur Kommunion unter beiden Gestalten sowie deren Ritus. 6. Art. 58 / Erstellung des Ritus der Konzelebration vor Erlaubnis des Art. 57 (Konzelebration). 7. Art. 66 / Neuer Taufritus für Erwachsene und Kinder, sowie eigene Messe bei Taufspendung, 8. Art. 69 / Neuer Ritus bei Nachholung der Taufzeremonien. 9. Art. 70 / Neuer Ritus für Taufwasserweihe außerhalb der Osterzeit. 10. Art. 71 / Neuordnung des Firmritus mit Erneuerung des Taufversprechens und Firmspendung fakultativ innerhalb der Messe. 11. Art 72 / Neuordnung des Ritus und der Form der Beichte. 12. Art. 73 / Ritus der Spendung der Krankenölung und des Viaticums nacheinander. 13. Art. 75 / Neuordnung des Ritus der Krankenölung. 14. Art. 76 / Neuordnung des Ritus der Weihen. 15. Art. 76 / Instruktion über Handauflegung aller bei einer Bischofskonsekration anwesenden Bischöfe. 16. Art. 77 / Neuordnung des Ritus der Ehespendung. 17. Art 77 / Brautsegen. 18. Art. 78 / Brautsegen außerhalb der Messe. 19. Art. 79 / Neuordnung der Sakramentalien. 20. Art. 80 / Neuordnung des Ritus für Jungfrauenweihe. 21. Art. 80 / Neuer Ritus für Profeß der Religiosen und Profeßerneuerung. 22. Art. 81 u. 82 / Neuer Begräbnisritus für Erwachsene und Kinder. 23. Art. 87, 88, 89, 90 b, 91, 92, 93 / Neuordnung des Officium divinum. 24. Art. 97 a / Substitution des Offiziums durch andere liturgische Aktionen. 25. Art. 107 - 109 / Neuordnung des Kirchenjahres und des Heiligenkalenders. 26. Art. 117 / Neuausgabe der Choralbücher. 27. Art. 128 / Neuordnung der Bestimmungen über Kirchen, Altäre, heilige Orte und kirchliche Geräte. 28. Art. 130 / Dekret über den Gebrauch der Pontifikalien. [ENDE DES DAMALIGEN PASTORALSCHREIBENS ZUR LITURGIEKONSTITUTION DES XXI. ÖKUMENISCHEN KONZILS DER KATHOLISCHEN KIRCHE.] Interessant ist vielleicht auch noch ein kurzes Beiblatt des damaligen Wiener Erzbischofs, Franz Kardinal König, zur Übersendung der Konzilskonstitution, das ich hier auch noch übernehme, weil es ebenso die Richtung und die damaligen Erwartungen aufzeigt: [BEGINN DES KURZBRIEFES DES WIENER ERZBISCHOFS ZUM LATEINISCH-DEUTSCHEN TEXT DER LITURGIEKONSTITUTION:] DER ERZBISCHOF VON WIEN HOCHWÜRDIGER MITBRUDER! Als nachträglichen Neujahrsgruß - wegen der verspäteten Spedition - überreich ich Ihnen die Konstitution über die heilige Liturgie. Ich begreife die Freude der Mitbrüder, die bei manchen so groß ist, daß sie am liebsten gleich mit den verschiedenen liturgischen Reformen beginnen möchten. Doch muß ich im Interesse der Einheit der Diözese und der Wahrung des Ansehens der Kirche um strikte Disziplin ersuchen. Eigenmächtiges Experimentieren kann der Sache nur schaden und das Gute der Neuordnung der Liturgie nur gefährden. Darum empfehle ich die Konstitution zum Studium und bitte, die diesbezüglichen kirchlichen Weisungen gewissenhaft abzuwarten. Wien, am 15. Jänner 1964 / Franciscus Kardinal König, Erzbischof [ENDE DES KURZBRIEFES VON KARDINAL KÖNIG.] Nicht nur Kardinal König hat Jahrzehnte später zugegeben, daß die Liturgiereform in der lateinischen Kirche in einigen Teilkirchen zu rasch vorgenommen wurde, und Papst Benedikt XVI. wollte gerade auf dieser Ebene für einen besseren organischen Anschluß der durchgeführten Liturgiereform sorgen, auch durch die Stärkung der Präsenzmöglichkeiten der älteren, außerordentlichen Form der lateinischen Liturgie. Ob damit langfristig eine größere Harmonie im lateinischen Ritus gefunden wird, muß sich noch in vielen Jahrzehnten kirchlichen Lebens zeigen. Einige Erwartungen der damaligen Konzilsväter und Konzilszeugen haben sich also durchaus erfüllt, viele andere Übererwartungen haben aber zur totalen Enttäuschung auf allen Seiten geführt, vor allem bei Priestern in der Pfarrseelsorge. Manches ist in ein Extrem gekippt: ein "Schriftgottesdienst" (Wortgottesdienst) war ja nicht als völliger Ersatz des reichen katholischen Andachtslebens geplant, aber die praktische Zerstörung weiter Bereiche der Volksfrömmigkeit hat massive Konsequenzen für die geistlichen Berufungen gezeitigt. Und der Trend zur regelmäßigen Kommunion vieler Gläubigen unter gleichzeitiger radikaler Vernachlässigung des Bußsakramentes war ebensowenig von den Vätern angepeilt. Und wenn wir oben noch ganz unvoreingenommen vom Begriff der "Elite" lesen, so ist heute mehr denn je klar, daß es im liturgischen Bereich weder im fortschrittlichen noch im traditionalistischen Sinne "Elitegemeinschaften" geben dürfe. In Wirklichkeit schaden sie der universalen Dimension unserer Katholischen Kirche, die ja nicht nur aus der davon primär betroffen gewesenen lateinischen Kirche, sondern aus insgesamt 23 Eigenrechtskirchen besteht. Nach dem all zu politisch herbeigeredeten, aber dann mit großer Ausgewogenheit herausgekommenen berühmten Motu Proprio Summorum Pontificum und nach dem ganzen Pontifikat von Benedikt XVI. hat sich also in der grundsätzlichen Ausrichtung im liturgiereformerischen Bereich etwas geändert: es gibt nicht nur ein Nach-Vorne ohne Wurzeln, sondern es gibt so etwas wie ein paralleles Nebeneinander, das sich befruchten sollte, das aber in der Praxis auch nicht auf der gleichen "Stärke" beruht und beruhen kann, sondern durch das wiederentdeckte Kirchenrecht ist sichergestellt, daß die letztlich vom Konzil - selbst gegen andere Erwartungen von vielen Konzilsvätern - doch angestoßene Liturgiereform in ihrer mehrheitlichen Ausdehnung immer wieder Rückgriff und Orientierung nehmen kann bei den älteren Formen, nicht nur des lateinischen Ritus. Andere Riten in der Kirche haben heute sogar den großen Vorteil, aus den Fehlern einer in der Praxis all zu unorganisch und teilweise überstürzt durchgeführten Alles-Oder-Nichts-Reform im lateinischen Ritus lernen zu können. Es ist wohltuend, nach 50 Jahren zu lesen, daß schon damals von den Vätern davon ausgegangen wurde, daß die neue Liturgiekonstitution ganz besonders Eigenmächtigkeiten in der Liturgie bekämpfe, um die Einheit im Gottesdienst zu wahren. Ausgerechnet auf diesem Gebiet sind jedoch - eingebettet in die gesellschaftlichen Entwicklungen und in die Schnelligkeit der diesbezüglichen Umwandlungen - die meisten Fehlleistungen passiert, wenn auch nicht in allen Ländern. Gut gemeint war also vieles, wenn wir aus den oben abgedruckten 50 Jahre alten Worten der katholischen Bischöfe Österreichs zitieren: die Liturgiekonstitution des letzten Konzils "wollte vor allem keinen liturgischen Umsturz bringen, sie hätte sonst keine Majorität in der Konzilsaula finden können. Die Liturgie der Weltkirche muß auch auf die ganze Welt, auf alle Diözesen Rücksicht nehmen. Eine Liturgie, die nichts Gemeinsames mehr enthielte, könnte nicht mehr Ausdruck einer Kirche, einer Gnade und eines Glaubens sein. Es wäre einseitiger Individualismus, auf weitergehende und bevorzugte Forderungen zu bestehen; es wäre vor allem ein schlechter Dienst an der Gesamtkirche." In einigen Gebieten der lateinischen Kirche starben dann aber nicht wenige Kleriker im passiven Widerstand gegen derartige Entwicklungen, ohne je zu ahnen, daß eines Tages ein Papst wie Benedikt XVI. erwählt würde, um dem Ganzen der (lateinischen) Liturgie wieder ihre Ausgewogenheit zu schenken. Heute sind viele realistischer geworden, und das ist auch gut so, denn Übererwartungen führen sogar im kirchlichen Bereich nur zu Enttäuschungen. Wir müssen immer natürliche und übernatürliche Gegebenheiten zusammenschauen, um nicht abzudriften vom großen Weg der Kirche in Gemeinschaft mit dem jeweiligen Papst. Ob sich jemals noch so etwas wie ein liturgischer Frühling auftut, kann ich nicht beurteilen. Es wäre schon viel gewonnen, wenn Priester und Getaufte aus den Auseinandersetzungen der letzten 50 Jahre gerade im liturgischen Bereich vieles gelernt hätten. Es darf nie mehr passieren, daß die Sendung der Gesamtkirche wegen sinnloser und energieverschwenderischer innerer Auseinandersetzung im Bereich der liturgischen Verherrlichung Gottes und der Einbeziehung der Mitfeierenden ausgerechnet von der mitgliederstärksten lateinischen Kirche geschwächt würde. Und so liegt die Hoffnung vieler Katholiken und Katholikinnen ganz bei Seiner Heiligkeit Papst Franziskus, daß ihm diese Konzentration auf die eigentliche Sendung der Kirche ausgehend vom laufenden Jahr des Glaubens gelingen möge. Und so wünsche ich allen Lesern und Leserinnen einen schönen Monat Mai voll von der Verehrung der Mutter unseres Herrn Jesus Christus, der Gottesmutter Maria! Euer Padre Alex - Dr. Alexander Pytlik P. S.: Kommentare zu diesem historischen Hirtenbrief sind natürlich willkommen, vor allem auch zur interessanten Frage, ob die von den katholischen Bischöfen Österreichs vor 50 Jahren auf Basis des Konzils angesprochene und offenbar erwartete "männliche Gestaltung des Gottesdienstes" auch nur ansatzweise gelungen ist, geschweige denn, ob heute überhaupt noch jemand begreift, was damit damals gemeint war und heute damit gemeint sein kann. |
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