Friday, January 2. 2015
TÜRKEI: 10 JAHRE CHRISTLICHE ... Posted by Padre Alex / Dr. Alexander Pytlik
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19:15
Comments (0) Trackbacks (0) TÜRKEI: 10 JAHRE CHRISTLICHE GEMEINDE IN ANTALYA UND NEUE SYRISCH-ORTHODOXE KIRCHE GEPLANT AM MARMARAMEER
Schon das (jeweils mit der Adventzeit beginnende) neue Kirchenjahr brachte in einem großen Rückblick positive Entwicklungen für Christen in der Türkei zutage (dazu gleich weiter unten), und nun begann auch das ganze neue Jahr 2015 mit einer erfreulichen Nachricht für religiöse Minderheiten in derselben Türkei. Warum ich in meinem Blogbuch dazu positive Nachrichten bringe, hat auch damit zu tun: all das Negative und Kritische liest man überall anders auch in deutscher Sprache, und manches ist dabei leider durch Vorurteile, veraltete Informationen oder gar völlige Unkenntnis der realen Situation am jeweiligen Ort verursacht. Abgesehen vom alten Prinzip, immer auch die andere Seite zu hören und so gut wie möglich zu verstehen, sollten aber gerade im Fall der Türkei auch positive Entwicklungen gewürdigt werden, die hoffentlich so bleiben und sich verstärken. So lesen wir auf den Seiten des Ökumenischen Patriarchats vom heutigen offiziellen Mittagessen im Dolmabahce-Palast von Istanbul, das vom türkischen Ministerpräsidenten Prof. Ahmet Davutoğlu für die nicht-muslimischen Minderheiten ausgerichtet wurde, "um den Führungsverantwortlichen der in der Türkei lebenden Minderheiten die Ehre zu geben." Auch Seine Allheiligkeit Patriarch Bartholomäus nahm selbstverständlich daran teil, und die Photographien beim Ökumenischen Patriarchat zeigen die durchaus gute Stimmung.
Im neuen Jahrtausend wurde die positive Gesamtentwicklung in verschiedenen Regionen der Türkei - abgesehen von streng-nationalistischen und islamistischen Sondergruppen - nicht nur von Regierungsseite befördert, sondern - offenbar in einer Art positiven Wettbewerbs - auch und immer mehr von Oppositionspolitikern unterschiedlicher Parteien. In meinem Blogbuch war bereits von zahlreichen Renovierungen verschiedener Kirchengebäude die Rede, und dies wurde in den letzten Jahren auch sehr oft von den jeweiligen Behörden konstruktiv oder mit deutlicher Sympathie begleitet. Noch nicht erwähnt hatte ich diesbezüglich die am 25. Januar 2013 begonnene Renovierung der berühmten Höhlenkirche zum heiligen Petrus in Antiochia (am Orontes). Mit Stichtag 17. September 2014 waren die Arbeiten zu 85 % erledigt (vgl. auch diese Videoseite), und erfreulicherweise konnte die hochheilige Weihnacht von den gut integrierten katholischen Christen bereits wieder in der vollständig restaurierten Grotte begangen werden, somit also nach zwei Jahren. Am 28. Dezember 2014 kam dann noch der schon erwähnte türkische Ministerpräsident, der nämlich dieselbe Petrusgrotte und ein neues Museum offiziell eröffnete. Zum Essen wurden an seinen Tisch die Religionsverantwortlichen von Antakya geladen: für die sunnitischen Muslime, für die Aleviten, für die Katholiken, für die Orthodoxen und für die Juden. Das Renovierungsprojekt verdankt sich genauso wie die Restaurierung des Klosterbereiches vom heiligen Simeon Stylites (dem Jüngeren) aber nicht nur dem dortigen guten interreligiösen Klima, sondern vor allem auch dem touristischen Weitblick des früheren Präfekten und heutigen Generaldirektors der türkischen Polizei, M. Cellatin Lekeziz. Und dank des seligen Paul VI. können katholische Pilger in der St.-Petrus-Grotte seit 1967 einen vollkommenen Ablass erwerben. Fast schon 20 Jahre berichtet der eifrige Kapuzinerpater Domenico Bertogli mit der jährlich erscheinenden Zeitschrift "Cronaca di Antiochia" und gleichzeitig im Internet fortlaufend in jedem Monat detailliert und somit chronologisch aus der ihm anvertrauten Pfarrei auf traditionellem Patriarchatsboden, die er bereits Ende 1987 mit einem kleinen Kirchenraum im Zentrum übernommen hatte. Und heute durften sich besonders die Assyrer bzw. syrisch-orthodoxen Christen der Türkei freuen, weil in Yeşilköy (ein Ortsteil von Bakırköy im Großraum von İstanbul unter dem Patronat des heiligen Stephanus am Marmarameer) nach den Aussagen des türkischen Ministerpräsidenten eine neue Kirche errichtet werden soll. Die präzise Örtlichkeit ist noch zu klären, aber angesichts der bisherigen von jedem unvoreingenommenen Beobachter erkennbaren positiven Gesamtentwicklung im begonnenen dritten Jahrtausend (vgl. dazu ein wichtiges Interview mit Dr. Thomas Volk bei der Päpstlichen Stiftung "Kirche in Not") wird dieses schon länger im Gespräch befindliche Projekt nun auch umgesetzt werden. Sowohl syrisch-orthodoxe als auch syrisch-katholische Christen haben bekanntlich aufgrund der enormen Flüchtlingsströme aus Syrien und dem Irak in der Türkei zahlenmäßig zugenommen. Nach Regierungsangaben ist dies seit der Gründung der modernen Republik, also seit 1923, offenbar der erste deklarierte Neubau einer Kirche. Davutoğlu bekräftigte beim heutigen gemeinsamen Mittagessen, dass keine Religion, die in der Vergangenheit in der Türkei gelebt habe, als fremd angesehen werden könne. Damit brachte er auch die Rede des derzeitgen Staatspräsidenten nach der erstmaligen Direktwahl des Staatsoberhauptes im Vorjahr in Erinnerung, der nämlich dabei ausdrücklich Assyrer und Christen als gleichwertige Staatsbürger angesprochen hatte. Allerdings steht beispielsweise die rechtliche Anerkennung der lateinischen Kirche als ganzer aus, woran der Vorsitzende der katholischen Türkischen Bischofskonferenz kurz nach dem Besuch Seiner Heiligkeit Papst Franziskus erinnert hatte. Am heutigen Neujahrstreffen nahmen auch noch der Präsident der türkischen Religionsbehörde Diyanet, Prof. Mehmet Görmez; Großrabbiner İsak Haleva; der türkische Botschafter beim Heiligen Stuhl, Mehmet Paçacı; der armenisch-apostolische Patriarchalvikar Erzbischof Aram Ateşyan; der armenisch-katholische Administrator Erzbischof Boghos Levon Zekiyan; der syrisch-orthodoxe Metropolit Mor Filüksinos Yusuf Çetin und der syrisch-katholische Patriarchalvikar für die Türkei, Chorbischof Yusuf Sağ, teil. Der türkische Ministerpräsident verurteilte heute auch Attacken auf Moscheen in Europa und rief die von ihm eingeladenen Religionsverantwortlichen auf, gemeinsam gegen Islamophobie aufzutreten. Genau dies tut der Gründungspfarrer der mehrheitlich deutschsprachigen römisch-katholischen (Personal-)Pfarrei in Antalya schon seit langem. Prälat Rainer Korten konnte beim Festakt zum 10jährigen Jubiläum der christlichen Gemeinde von Antalya vor einem Monat auch den Festvortrag halten. Mittlerweile hat er auch einen Nachfolger erhalten, nämlich Pfarrer Ludger Paskert. Unter dem Patronat der katholischen Deutschen Bischofskonferenz und mit Förderung des zuständigen lateinischen Ortsordinarius, des Metropoliten von Izmir, konnte das Engagement der im folgenden genannten Persönlichkeiten einen erfreulichen Erfolg im Sinne echter Religionsfreiheit erzielen. Ganz kurz war der zuständige Erzbischof noch der Kapuziner Giuseppe Germano Bernardini, aber seit 11. Oktober 2004 war für Antalya und Alanya der heutige Vorsitzende der katholischen Türkischen Bischofskonferenz zuständig, nämlich Erzbischof Ruggero Franceschini, ebenso Kapuziner. Aufgrund des 75. Geburtstages hat auch er bereits um seine Emeritierung gebeten, aber Seine Heiligkeit Papst Franziskus hat seinen Rücktritt noch nicht angenommen und ihn nach seiner Apostolischen Reise in die Türkei auf dem Petersplatz danach noch besonders gelobt. Das Wohlwollen des genannten Metropoliten wurde dann besonders erkennbar in der kirchenrechtlichen Eingliederung der musterhaften Gründung in Antalya als Personalpfarrei im großen Erzbistum Smyrna (Izmir) im Jahr 2010. Der von Erzbischof Franceschini bestätigte und ernannte Gründungspfarrer Prälat Korten hat nun am 6. Dezember 2014, am Fest des heiligen Bischofs Nikolaus, seine Festrede zum zehnjährigen Jubiläum mit einer kurzen Geschichte begonnen (alle im folgenden zitierten Texte übernehme ich der hervorragenden Internetseite der Pfarrei Antalya): "Ein vom Äußeren her streng wirkender Sufi erschien vor den Toren des Palastes. Niemand wagte ihn aufzuhalten, als er geradewegs auf den Thron zuschritt, den Ibrahim ben Adam innehatte. 'Was wünscht Du', fragte der König. 'Einen Platz, um in der Karawanserei uschlafen.' 'Das ist hier keine Karawanserei, das ist mein Palast.' 'Darf ich fragen, wem dieser Ort vor euch gehörte?' 'Meinem Vater, der ist tot.' 'Und wem gehörte er vor diesem?' 'Meinem Großvater, der ist auch tot.' 'Und dieser Ort, den Menschen nur eine kurze Weile bewohnen und dann weiterziehen - sagtet ihr wirklich - er sei keine Karawanserei?' Diese Geschichte gibt die Antwort auf die Frage: was wolltet ihr vor 11 Jahren, als ihr das Ansinnen stelltet, in Antalya und Alanya für die vielen deutschsprachigen Dauerresidenten und Touristen eine christliche Kirche zu eröffnen. Die Antwort: wir hatten Appetit, einem Elementarbedürfnis nachzukommen, das jedem Menschen auf dieser Erde zusteht. Wir wollten einen Ort finden - einer Karawanserei ähnlich - damit wir nicht vergessen, dass wir nur vorübergehend Bürger dieser Erde sind und dann weiterziehen. Wir wollten einen Ort haben, der uns trotz Sonne, Meer, Berge und vielen türkischen Annehmlichkeiten immer erinnert, nicht lebensfremd zu werden, als farblose Partygänger über diese Welt zu gehen, uns selbst zu betrügen, als seien wir nicht unterwegs, sondern könnten uns irgendwo für immer festsetzen. Deshalb haben wir das Menschenrecht erbeten, hier eine kleine Kirche - sprich Karawanserei - einzurichten, so wie in Deutschland die vielen Menschen islamischen Glaubens das Recht haben, ihre Orte (Moscheen) zu haben, damit auch sie die Chance haben, dem Leben mehr Qualität zu geben, als nur zu arbeiten, zu essen und zu trinken. Denn am erbärmlichsten ist es, nicht zu wissen, woher man kommt, und wohin man geht. Das ist die gemeinsame humane Basis, wenn Menschen nicht nur nach den äußeren Lebensmitteln suchen, sondern nach einer Lebensmitte. Wenn wir unser gemeinsames Ziel kennen, brauchen wir bei aller Verschiedenheit der Wege keine Angst zu haben, aneinander zu geraten, im Gegenteil, dann bringen wir einander Respekt, Neugierde und Hochachtung in reichem Maße entgegen. Das ist meine persönliche Bilanz, und da weiß ich mich mit vielen Gemeindemitgliedern einig nach 11 Jahren Antalya und Alanya: wer ver-inner-licht hat - und Verinnerlichung ist die Frucht jeder Religion -, wer also realistischerweise verinnerlicht hat, dass unser Dasein ein Unterwegs-sein ist, dass Kirchen und Moscheen unsere notwendigen geistigen Karawansereien sind, dem fällt die Fähigkeit fast automatisch zu, voneinander zu lernen und offen genug zu sein, miteinander in Frieden und Hochachtung zu leben. Wenn wir heute offiziell auf 10 Jahre aus diesem Blickwinkel zurückschauen, können wir dankbar sagen: wir sind als deutschsprachige Gemeinde von Christen und Christinnen in Antalya und Alanya angenommen worden, konnten hier unbeschwert und ohne irgendeine Gefahr in unserem Kirchlein zusammenkommen, haben viel Wohlwollen von unseren direkten Nachbarn gespürt, konnten besonders in der ersten Zeit mit Hilfe von AKDİM auch etwas hinter die Kulissen türkischen Alltagslebens schauen und auch unsererseits etwas zurückgeben, nämlich den vielen Besuchern nicht nur aus Deutschland, sondern aus zahlreichen Ländern - von Korea bis Amerika waren uns Menschen besuchen - unser Gästebuch berichtet davon -, von unseren Erfahrungen erzählen, als kleine Minderheit von Christen in einer großen Mehrheit von Muslimen zu leben. Das geht!! Erlauben Sie mir die kleine Eitelkeit, besonders die vielen deutschen und internationalen Reisegruppen (jährlich ca. 40) zu erwähnen, die in die Türkei kamen, um die reichen kulturellen Schätze zu bestaunen und die meistens ihre Reise wegen des Flughafens in Antalya beendeten. Ich konnte viel über die reichen menschlichen Schätze berichten, besonders den Schatz der vielen Kinder und Jugendlichen, und damit auch manchem deutschen Vor-urteil den Stachel ziehen, denn deutsche Medien befleißigen sich gern, den Splitter im Auge der Türkei zu suchen, ohne den Balken im deutschen Auge wahrzunehmen. In diese Sinne könnte man aus dem Garten der Toleranz in Belek-Kadriye noch viel mehr machen. Dort stehen Moschee, Kirche und Synagoge unmittelbar einträchtig beieinander, aber eben nur als stumme Bauten. Es fehlen die Menschen, die den zahlreichen Touristen, die dort eine kurze Station einlegen, von unseren Erfahrungen erzählen und sie ermuntern, zu Hause auszuprobieren, dass es geht: zusammenzuleben, trotz verschiedener Kulturen, trotz verschiedener Religionen, trotz verschiedener Gebräuche und Eigenheiten. Verehrte Gäste, liebe Gemeindemitglieder! Vor 11 Jahren hatten wir mit dem ersten inoffiziellen Gottesdienst in Alanya begonnen, im letzten Jahr mit einem schönen Konzert daran erinnert, heute erinnern wir uns des ersten Gottesdienstes am 1. Advent 2004 hier in unserem Nikolaus-Kirchlein, nachdem wir zuvor seitens der türkischen Behörden anerkannt wurden. Das war die eine Anerkennung, schnell haben wir die andere Anerkennung durch die Menschen erleben dürfen: wir hatten technische Probleme, weil in dem ehemaligen Internetcafé, was heute unsere Kirche ist, vier Stromzähler waren und wir gar nicht wussten, wo der Strom blieb. Junge Arbeiter des Elektrizitätswerkes kamen und gingen, es kamen andere, das Problem bestand weiter, Monate!! Nach eindringlicher Bitte kam dann ein Chef des Werkes, und nach wenigen Minuten hieß es: 'Problem yok.' Und dieser Chef schrieb in unser Gästebuch diesen Text: die Arbeiter der Kirche und die Arbeiter des E-Werkes haben sich viele Male getroffen, um ein Problem zu lösen, und sind Freude geworden. Jetzt ist das Problem gelöst, es lebe die türkisch-deutsche Freundschaft. Dieser Grundtenor hat uns durch das Jahrzehnt als christliche Gemeinde oftmals begleitet. So ist es mir ein aufrichtiges Bedürfnis, der Türkei, den Städten Antalya und Alanya zu danken, dass sie vielen deutschen Landsleuten und Gästen die Möglichkeit eröffnet haben, hier ein qualitativ anspruchsvolles Leben zu führen, wobei ja die Türkei - so glaube und hoffe ich - mit den deutschen Residenten und Touristen auch nicht schlecht gefahren ist. Danken möchte ich aber auch den Gründungsvätern Herrn Konsul a. D. Manfred Gerwinat, der heute geistigerweise in unserer Mitte ist, Herrn Rechtsanwalt Bilal Kalaycı und Herrn Architekten Klaus Besirsky, aber auch allen, die von der ersten Stunde an diese Gemeinden getragen haben. Das Zusammenspiel und das herausragende Engagement Einzelner lässt uns nach zehn Jahren dankbar feststellen: was zunächst als Experiment galt, ist mit Hilfe Gottes und vieler Tatkräftiger geglückt. Das sollte aber auch an solch einem Tag bedacht werden, weil es Lebenserfahrung ist: was in langer Zeit unter manchen Mühen aufgebaut wurde, kann in kurzer Zeit auch wieder zerstört werden. Die Ein-geweihten erinnern sich an die Geschichte, mit der wir vor zehn Jahren begonnen haben, von der Rettungsstation, die zum Clubhaus mutierte. Clubs gibt es zahlreich in Antalya, eine Kirche gibt es nur einmal." Der soeben angesprochene verdiente Konsul a. D. war ja leider verhindert, aber Manfred Gerwinat und seine Frau Hildegard sandten einen Brief an die "St. Nikolaus-Kirche Antalya und Alanya/Türkei": "Lassen Sie uns hier nur ganz kurz Rückschau halten: Als ich im Sommer 2002 meinen Dienst als Leiter des Deutschen Konsulats in Antalya antrat, wurde mir an der Fülle und der großen Tragik mancher Notfälle - auch von Residenten- schnell folgendes klar: Sonne, Meer, türkische Gastfreundschaft und vieles mehr reichen leider nicht alleine aus, wenn existentielle Krisen hereinbrechen, schwere Krankheiten auftreten oder sich der Tod in der Familie ankündigt. Zusätzlich schafften damals die Schatten des herannahenden Irak-Krieges neue Unsicherheiten. Wir mussten auch erstmals Krisenvorsorge für Deutsche in der Südtürkei in Gang setzen. Eine seelsorgerliche Betreuung fehlte völlig, war aber dringen nötig. Bis auf ein bis zwei Besuche von deutschen Geistlichen beider Kirchen aus Istanbul pro Jahr gab es keinerlei kirchliche Betreuung. Wir sahen die Not, führten viele Gespräche, überlegten und beteten darüber. Als sich die Gelegenheit durch den Besuch einer hochrangigen Delegation aus Ankara im Herbst 2003 in Antalya ergab, war der Zeitpunkt zum raschen Handeln gekommen. Dies wurde die Geburtsstunde von St. Nikolaus! Prälat Korten war wenige Tage zuvor in Antalya eingetroffen. Er war zum Bleiben entschlossen. Die Anfangsschwierigkeiten der Gemeindegründung waren zahlreich, vor allem durch die örtliche Bürokratie. Wir kämpften auch erfolgreich gegen ein 'St. Nikolaus Evi', denn eine Kirche kann und darf kein reiner Kulturclub sein, wenn man dem Anspruch christlicher Verkündigung und echter Gemeinschaft und Lebenshilfe gerecht werden will. Die Entstehung von St. Nikolaus als ökumenische Gemeinde ist und bleibt ein besonderes Geschenk von Gott. Heute, nach 10 Jahren, stellen wir dankbar fest, wie es in der Apostelgeschichte 28,31 von Paulus in Rom heißt: 'Er verkündete das Reich Gottes und trug ungehindert und mit allem Freimut die Lehre über Jesus Christus, den Herrn, vor.' Möge diese Botschaft, bei aller Freude über den zwischenmenschlichen Austausch und das ökumenische Miteinander, auch weiterhin der zentrale Mittelpunkt der Gemeindearbeit in Antalya und Alanya sein und bleiben!" Und der neue von der Deutschen Bischofskonferenz und ihrem Auslandssekretariat mit Zustimmung des Metropolitanerzbischofs von Izmir ernannte Pfarrer Ludger Paskert hatte zu Beginn der Feierstunde die Begrüßung vorgenommen und dabei unter anderem gesagt: "Zehn Jahre St. Nikolaus Kirche Antalya, das ist ein Grund zum Feiern. Freuen wir uns über das bedenkenswerte Ereignis, welches wir heute in Erinnerung rufen: Mit Hilfe von Politikern und Behörden dieses Landes, in welchem wir gern als Gäste leben, und mit kluger Beharrlichkeit der Gründungsinitiatoren, hier sind der damalige Konsul Gerwinat und Pfarrer Korten zu nennen, wurde hier für eine christliche Gemeinde ein Rechtsstatus geschaffen, welcher auf der soliden Basis des türkischen Rechts steht. Das ist ein Zeichen echter Freundschaft und Anerkennung. Dafür sind wir alle dankbar. Professor Dr. Hüseyin Bağcı von der Middle East Technical University Ankara sagte mir, die Gründung des Kirchenvereins sei ein Meilenstein in Sachen Anerkennung christlicher Gemeinden in der Türkei gewesen. Wir freuen uns, hier in dieser geliebten Stadt Antalya wie in Alanya als deutsche christliche Gemeinde leben zu können. Immer sind wir bedacht auf ein gutes Miteinander, besonders mit den geliebten und geschätzten Muslimen und ihren Gemeinden." Pfarrer Paskert konnte zu diesem Jubiläum "10 Jahre Kirchenverein und Kirche St. Nikolaus, Antalya" wichtige regionale Autoritäten begrüßen, nämlich: als Vertreter des Oberbürgermeisters Menderes Türel den Generalsekretär İbrahim Evrim; den Bürgermeister des zuständigen Stadtteiles Muratpaşa, Rechtsanwalt Ümit Uysal, sowie den heutigen Leiter des Konsulats der Bundesrepublik Deutschland Antalya, Konsul Martin Vetter. In ökumenischer Gesinnung waren auch anwesend der orthodoxe Mitbruder Vater Michail und die evangelischen Amtsträger James Bultema sowie Karl-Heinz Pastoors. Und keine lebendige Pfarrei ist ohne ehrenamtliches Engagement zu denken, sei es der Organistendienst, sei es der Blumenschmuck, sei es im konkreten Fall der Pfarrei St. Nikolaus in Antalya die kürzlich gestartete Hilfsaktion für syrischen Flüchtlinge an der türkisch-syrischen Grenze, oder wenn wir an das seit neun Jahren aktive Büchereiteam denken. Pfarrer Paskert würdigte besonders seinen zuvor mehrfach erwähnten Vorgänger, der ja eine Schlüsselperson für die erfreuliche Geschichte dieser Pfarrei in Antalya ist: "Ganz besonders freuen wir uns, heute als Festredner den Gründer dieser Gemeinde in unserer Mitte zu haben, der über elf Jahre als guter Hirte für die Christen hier vor Ort und aus nah und fern seinen Dienst versehen hat, Herrn Prälat Monsignore Rainer Korten." Mit diesem Eintrag möchte ich auch klarmachen, dass Kritisieren und Jammern alleine zu wenig sind, vielmehr geht es ums Kennenlernen am jeweiligen Ort, es geht oft um die Initiative einiger weniger Personen, durch die ein Prozess in Gang gesetzt werden kann, der dann mit Gottes Hilfe möglicherweise einen Domino-Effekt nach sich zieht. Darum rufe ich auch alle Leser und Leserinnen auf: besuchen wir doch in der Türkei und in jenen Nachbarländern, welche die Religionsfreiheit im Gegensatz zu ihr zum Teil überhaupt nicht gewähren, die christlichen Gemeinden, unabhängig von ihrer Konfession, denn wie Patriarch Bartholomäus beim Papstbesuch in der Türkei erinnert hat: "Die heutigen Christenverfolger fragen nicht, welcher Kirche ihre Opfer angehören. Die Einheit, über die wir heute so viele Worte verlieren, ist bereits in manchen Gegenden Wirklichkeit, unglücklicherweise allerdings im Martyrium." Bevor nun am 6. Dezember 2014 in Antalya zum 10jährigen Jubiläum das Te Deum in seiner deutschen Fassung ("Großer Gott, wir loben Dich") gesungen wurde, verwies Pfarrer Paskert eben auf Gott selbst, "der dieser Gemeinde eine segensreiche Zeit geschenkt hat und sie weiterhin mit seinem Segen begleiten möge." Das von ihm dabei gesprochene Gebet soll nun auch diesen meinen ersten Blogeintrag fürs Jahr 2015 abschließen: "Allmächtiger Gott, Du hast gewollt, dass Dein Volk Kirche heiße, denn wir sind das Haus, in dem Deine Herrlichkeit wohnt. Gib, dass die Gläubigen, die sich hier in der Kirche St. Nikolaus, Antalya, in Deinem Namen versammeln, Dich ehren, Dich lieben und auf Dein Wort hören, damit sie in der Kraft Deines Geistes reich werden an guten Früchten und einst das ewige Erbe erlangen. Darum bitten wir durch Jesus Christus, Deinen Sohn, unseren Herrn und Gott, der in der Einheit des Heiligen Geistes mit Dir lebt und regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen!" Tuesday, December 23. 2014
WEIHNACHTSBRIEF DES HEILIGEN VATERS ... Posted by Padre Alex / Dr. Alexander Pytlik
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17:31
Comments (0) Trackbacks (0) WEIHNACHTSBRIEF DES HEILIGEN VATERS PAPST FRANZISKUS AN DIE CHRISTEN IM NAHEN OSTEN
Niemand hätte bei der außerordentlichen Versammlung der Bischofssynode für die Christen im Nahen Osten im Jahre 2010 gedacht, dass es noch weit schlimmer kommen würde, als es damals schon war, vor allem auch seit dem vom heiligen Johannes Paul II. entschieden abgelehnten Irak-Feldzug der USA im Jahre 2003. Bei keinem Jahresrückblick wird die unbeschreibliche Situation religiöser Minderheiten im Nahen Osten fehlen dürfen, und ich erinnere an dieser Stelle an einige Einträge in meinem Blogbuch, die im Zusammenhang mit dieser so wichtigen Bischofssynode des Jahres 2010 erschienen sind:
* NAHOST-BISCHOFSSYNODE: SONDERBERICHTERSTATTUNG DURCH ROMKORRESPONDENTIN (9. Oktober 2010) * NAHOST-BISCHOFSSYNODE ERÖFFNET DURCH PAPST BENEDIKT XVI. (10. Oktober 2010) * NAHOST-BISCHOFSSYNODE: ORIENTIERUNG AM ERSTEN ARBEITSTAG (11. Oktober 2010) * NAHOST-BISCHOFSSYNODE: BLEIBENDE BEDEUTUNG DES HEILIGEN LANDES (13. Oktober 2010) * NAHOST-BISCHOFSSYNODE: OHNE DIE CHRISTEN SINKT REALISTISCHE CHANCE AUF FRIEDEN (15. Oktober 2010) * NAHOST-BISCHOFSSYNODE: PROF. WINKLER ZU DEN VIELEN RITEN IN DER KATHOLISCHEN KIRCHE (16. Oktober 2010) * NAHOST-BISCHOFSSYNODE: NUNTIUS - BOTSCHAFT ZUM ABSCHLUSS FÜR DAS VOLK GOTTES (23. Oktober 2010) * KOPTEN: KATHOLISCHER PATRIARCH NAGUIB ZUR LAGE DER ÄGYPTISCHEN CHRISTEN (4. Januar 2011) * PAPST BENEDIKT IM HEILIGEN LAND: NEUERSCHEINUNG DES PATRIARCHATES VON JERUSALEM (17. April 2011) * GEBETE FÜR SYRIEN NACH DEM HEILIGEN PAPST JOHANNES PAUL II. (26. August 2012) * NACH DER NAHOSTSYNODE: APOSTOLISCHES SCHREIBEN ECCLESIA IN MEDIO ORIENTE ÜBER KIRCHE IM NAHEN OSTEN (16. September 2012) Angesichts der ganzen Lage im Nahen Osten könnte es durchaus zu einer neuen außerordentlichen oder ordentlichen Versammlung der Bischofssynode zur Lage der religiösen Minderheiten im Nahen Osten kommen. Fast erwartungsgemäß hat Seine Heiligkeit Papst Franziskus den Christen im Nahen Osten nun einen eigenen Brief zur kommenden Weihnachtszeit gewidmet, dessen deutsche Übersetzung ich unter Einbau passender Linkverbindungen von den Seiten des Heiligen Stuhles übernehme: BRIEF DES HEILIGEN VATERS AN DIE CHRISTEN IM NAHEN OSTEN: Liebe Brüder und Schwestern, »Gepriesen sei der Gott und Vater Jesu Christi, unseres Herrn, der Vater des Erbarmens und der Gott allen Trostes. Er tröstet uns in all unserer Not, damit auch wir die Kraft haben, alle zu trösten, die in Not sind, durch den Trost, mit dem auch wir von Gott getröstet werden« (2 Kor 1,3 - 4) Diese Worte des Apostels Paulus sind mir in den Sinn gekommen, als ich daran dachte, an Euch, liebe christliche Brüder und Schwestern im Nahen Osten, zu schreiben. Ich tue es anlässlich des nahen Weihnachtsfestes, weil ich weiß, dass für viele von Euch die Klänge der Weihnachtslieder sich mit Tränen und Seufzern mischen werden. Und doch ist die Geburt des Sohnes Gottes in unserem menschlichen Fleisch ein unsagbares Geheimnis des Trostes: »Denn die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten« (Tit 2,11). Leider fehlte es auch in der jüngsten Vergangenheit nicht an Trübsal und Bedrängnis im Nahen Osten. Diese haben sich in den letzten Monaten verschärft aufgrund der Konflikte, die die Region peinigen, vor allem aber durch das Wirken einer ganz neuen und besorgniserregenden terroristischen Organisation von bisher unvorstellbaren Ausmaßen, die alle Art von Gesetzwidrigkeiten begeht und menschenunwürdige Praktiken anwendet. Ganz besonders hat sie einige von Euch heimgesucht: Auf brutale Weise wurden sie aus ihrem Land vertrieben, in dem die Christen seit apostolischer Zeit heimisch sind. Indem ich mich an Euch wende, kann ich nicht die anderen religiösen und ethnischen Gruppen außer Acht lassen, die ebenfalls unter der Verfolgung und den Konsequenzen dieser Konflikte leiden. Täglich verfolge ich die Nachrichten über das enorme Leiden vieler Menschen im Nahen Osten. Ich denke besonders an die Kinder, die Mütter, die alten Menschen, an die Vertriebenen und die Flüchtlinge, an alle, die Hunger leiden, an die, welche die Härte des Winters auf sich nehmen müssen ohne ein schützendes Dach über dem Kopf. Dieses Leiden schreit zu Gott und ruft uns alle zum Einsatz auf, im Gebet und in jeder Art von Initiative. Allen möchte ich meine Nähe und Solidarität wie auch die der ganzen Kirche bekunden und ihnen ein Wort des Trostes und der Hoffnung zusprechen. Liebe Brüder und Schwestern, die Ihr in eurem vom Herrn gesegneten Land mutig Zeugnis für Jesus gebt, unser Trost und unsere Hoffnung ist Christus selber. Darum ermutige ich Euch, fest mit ihm verbunden zu bleiben wie die Rebzweige am Weinstock, in der Gewissheit, dass weder Bedrängnis, noch Not, noch Verfolgung Euch von ihm trennen können (vgl. Röm 8,35). Möge die Prüfung, die Ihr durchmacht, Euer aller Glauben und Treue stärken! Ich bete, dass Ihr die brüderliche Gemeinschaft nach dem Vorbild der ersten Jerusalemer Gemeinde leben könnt. Die von unserem Herrn gewollte Einheit ist in diesen schwierigen Momenten nötiger denn je; sie ist ein Geschenk Gottes, das an unsere Freiheit appelliert und unsere Antwort erwartet. Mögen das Wort Gottes, die Sakramente, das Gebet und die Brüderlichkeit Eure Gemeinschaften ständig nähren und erneuern. Die Situation, in der Ihr lebt, ist ein starker Aufruf zur Heiligkeit des Lebens, wie Heilige und Märtyrer aller kirchlichen Zugehörigkeiten beweisen. In Liebe und Verehrung denke ich an die Hirten und die Gläubigen, denen in letzter Zeit das Opfer des Lebens abverlangt wurde, oft nur aufgrund der Tatsache, dass sie Christen waren. Ich denke auch an die Entführten, unter denen einige orthodoxe Bischöfe und Priester verschiedener Riten sind. Mögen sie bald wohlbehalten in ihre Häuser und Gemeinschaften zurückkehren! Ich bitte Gott, dass so viel mit dem Kreuz des Herrn vereintes Leid Frucht zum Wohl der Kirche und der Völker des Nahen Ostens bringen möge. Inmitten der Feindschaften und der Konflikte ist die unter Euch in Brüderlichkeit und Einfachheit gelebte Gemeinschaft ein Zeichen für das Reich Gottes. Ich freue mich über die guten Beziehungen und über die Zusammenarbeit zwischen den orthodoxen Patriarchen und denen der katholischen Ostkirchen wie auch zwischen den Gläubigen der verschiedenen Kirchen. Die von den Christen ertragenen Leiden leisten einen unschätzbaren Beitrag für das Anliegen der Einheit. Es ist die Ökumene des Blutes, die eine vertrauensvolle Hingabe an das Wirken des Heiligen Geistes erfordert. Mögen die Schwierigkeiten Euch immer Anlass sein, Zeugnis für Jesus zu geben! Eure Gegenwart selbst ist für den Nahen Osten kostbar. Ihr seid eine kleine Herde, doch mit einer großen Verantwortung in dem Land, wo das Christentum entstanden ist und sich ausgebreitet hat. Ihr seid wie der Sauerteig in der Masse. An erster Stelle noch vor vielen, von allen gewürdigten Werken der Kirche im Bereich des Erziehungs- und Gesundheitswesens oder in den Hilfswerken sind die Christen, seid Ihr der größte Schatz für die Region. Danke für Eure Standhaftigkeit! Euer Bemühen, mit Menschen anderer Religionen – Juden und Muslimen – zusammenzuarbeiten, ist ein weiteres Zeichen für das Reich Gottes. Je schwieriger die Situation ist, umso notwendiger ist der interreligiöse Dialog. Es gibt keinen anderen Weg. Der auf eine Haltung der Offenheit gegründete Dialog in Wahrheit und Liebe ist auch das beste Mittel gegen die Versuchung des religiösen Fundamentalismus, der eine Bedrohung für die Gläubigen aller Religionen darstellt. Zugleich ist der Dialog ein Dienst an der Gerechtigkeit und eine notwendige Voraussetzung für den so ersehnten Frieden. Der größte Teil von Euch lebt in einem Umfeld mit muslimischer Mehrheit. Ihr könnt Euren muslimischen Mitbürgern helfen, mit Unterscheidungsvermögen ein authentischeres Bild des Islam zu zeigen, wie viele von ihnen es möchten, die immer wieder sagen, dass der Islam eine Religion des Friedens ist, dass er sich mit der Achtung der Menschenrechte vereinbaren lässt und das Zusammenleben aller fördern kann. Das wird ihnen und der ganzen Gesellschaft von Nutzen sein. Die dramatische Situation, die unsere christlichen Brüder und Schwestern im Irak, aber auch die Jesiden und die Anhänger anderer religiöser und ethnischer Gemeinschaften erleben, erfordert eine klare und mutige Stellungnahme aller religiösen Verantwortungsträger, um einstimmig und unzweideutig solche Verbrechen zu verurteilen und öffentlich die Praxis anzuklagen, sich zu deren Rechtfertigung auf die Religion zu berufen. Meine Lieben, Ihr seid fast alle einheimische Bürger eurer Länder und habt somit die Pflicht und das Recht, vollgültig am Leben und am Wachstum eurer Nation teilzunehmen. In der Region seid Ihr berufen, Urheber von Frieden, Versöhnung und Entwicklung zu sein, den Dialog zu fördern, Brücken zu bauen gemäß dem Geist der Seligpreisungen (vgl. Mt 5,3 - 12), das Evangelium des Friedens zu verkünden und offen zu sein für die Zusammenarbeit mit allen nationalen und internationalen Entscheidungsträgern. In besonderer Weise möchte ich meine Wertschätzung und meinen Dank Euch bekunden, liebe Mitbrüder im patriarchalen, bischöflichen und priesterlichen Dienst sowie Euch Brüdern und Schwestern im Ordensleben, die Ihr den Weg Eurer Gemeinschaften fürsorglich begleitet. Wie kostbar ist die Gegenwart und die Tätigkeit derer, die sich gänzlich dem Herrn geweiht haben und ihm in ihren Mitmenschen – vor allem in den am meisten Bedürftigen – dienen und so seine Größe und seine grenzenlose Liebe bezeugen! Wie wichtig ist die Gegenwart der Hirten bei ihrer Herde, vor allem in schwierigen Zeiten! Euch, liebe Jugendliche, sende ich eine väterliche Umarmung. Ich bete für Euren Glauben, für Euer Wachstum als Menschen und als Christen und dass Eure besten Pläne sich verwirklichen mögen. Und ich wiederhole Euch: »Fürchtet oder schämt Euch nicht, Christen zu sein. Die Beziehung zu Jesus wird Euch die innere Bereitschaft zu einer vorbehaltlosen Zusammenarbeit mit Euren Mitbürgern schenken, welcher Religion sie auch angehören« (Benedikt XVI., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Ecclesia in Medio Oriente, 63). Euch, liebe ältere Menschen, drücke ich meine Wertschätzung aus. Ihr seid das Gedächtnis Eurer Völker; ich hoffe, dass dieses Gedächtnis ein Anstoß zum Wachsen für die jungen Generationen sei. Ich möchte diejenigen unter Euch ermutigen, die in den sehr wichtigen Bereichen der Nächstenliebe und des Erziehungswesens wirken. Ich bewundere die Arbeit, die Ihr besonders durch die Caritas und mit Hilfe der katholischen karitativen Organisationen verschiedener Länder leistet, indem Ihr allen ohne jede Bevorzugung helft. Durch das Zeugnis der Liebe bietet Ihr dem gesellschaftlichen Leben den wirksamsten Halt und tragt auch zum Frieden bei, nach dem die Region hungert wie nach Brot. Doch auch im Bereich des Erziehungswesens geht es um die Zukunft der Gesellschaft. Wie wichtig ist die Erziehung zur Kultur der Begegnung sowie zur Achtung der Menschenwürde und des unumschränkten Wertes eines jeden Menschen! Meine Lieben, obwohl gering an Zahl, seid Ihr Protagonisten des Lebens der Kirche und der Länder, in denen Ihr lebt. Die ganze Kirche ist Euch nahe und unterstützt Euch, mit großer Liebe und Wertschätzung für Eure Gemeinschaften und eure Mission. Wir werden fortfahren, Euch zu helfen mit dem Gebet und mit den anderen verfügbaren Mitteln. Zugleich rufe ich weiterhin die internationale Gemeinschaft auf, Euren Bedürfnissen und denen der anderen leidenden Minderheiten entgegenzukommen – an erster Stelle durch die Förderung des Friedens auf dem Weg über Verhandlungen und mit Hilfe diplomatischer Aktivitäten, in dem Bemühen, möglichst bald die Gewalt, die schon zu viel Schaden angerichtet hat, einzudämmen und zu stoppen. Ich bekräftige meine ganz entschiedene Missbilligung des Waffenhandels. Wir brauchen vielmehr Friedenspläne und -initiativen, um eine globale Lösung der Probleme der Region zu fördern. Wie lange soll der Nahe Osten noch unter der Friedlosigkeit leiden? Wir dürfen uns nicht mit den Konflikten abfinden, als sei ein Wechsel nicht möglich! Auf der Linie meiner Pilgerreise ins Heilige Land und des nachfolgenden Gebetstreffens im Vatikan mit dem israelischen und dem palästinensischen Präsidenten lade ich Euch ein, weiter für den Frieden im Nahen Osten zu beten. Dass diejenigen, die gezwungen waren, ihr Land zu verlassen, dorthin zurückkehren und in Frieden und Sicherheit leben können. Möge die humanitäre Hilfe gesteigert und dabei immer das Wohl des Menschen und jedes Landes in den Mittelpunkt gestellt werden, unter Achtung der jeweiligen Identität, ohne andere Interessen voranzustellen. Möge die gesamte Kirche und die Internationale Gemeinschaft sich der Bedeutung Eurer Präsenz in der Region immer deutlicher bewusst werden. Liebe christliche Schwestern und Brüder im Nahen Osten, Ihr habt eine große Verantwortung und seid nicht allein bei ihrer Bewältigung. Darum wollte ich an Euch schreiben, um Euch zu ermutigen und um Euch zu sagen, wie wertvoll Eure Gegenwart und Eure Mission in diesem vom Herrn gesegneten Land sind. Euer Zeugnis tut mir so gut. Danke! Jeden Tag bete ich für Euch und Eure Anliegen. Ich danke Euch, weil ich weiß, dass Ihr in Euren Leiden für mich und meinen Dienst für die Kirche betet. Ich hoffe sehr, dass mir die Gnade zuteil wird, persönlich zu kommen, um Euch zu besuchen und Euch zu trösten und zu stärken. Die Jungfrau Maria, die allheilige Mutter Gottes, die auch unsere Mutter ist, begleite und schütze Euch stets mit ihrer zärtlichen Liebe. Euch allen und Euren Familien sende ich den Apostolischen Segen und wünsche Euch, dass Ihr die heilige Weihnacht in der Liebe und im Frieden Christi, des Retters, lebt. Aus dem Vatikan, am 21. Dezember 2014, dem vierten Adventssonntag Franciscus [ENDE DER WEIHNACHTSBOTSCHAFT DES HEILIGEN VATERS PAPST FRANZISKUS FÜR DIE CHRISTEN UND RELIGIÖSEN MINDERHEITEN DES NAHEN OSTENS.] Viele wissen, dass Seine Heiligkeit Papst Franziskus schon sehr gerne selbst den Irak besucht hätte und dies auch weiterhin beabsichtigt. Der Heilige Vater hat aber bereits hochrangige Vertreter entsendet, und diesmal hat er dem Erzbischof von Lyon, Philippe Xavier Christian Ignace Marie Kardinal Barbarin, auch eine Videobotschaft mitgegeben, sodass in den von seinem Vorgänger Benedikt XVI. eingerichteten Twitterkanälen auch zum ersten Mal ein Video verlinkt wurde. Der Kardinal-Erzbischof ist mit etwa hundert Gläubigen im Rahmen der Partnerschaft zwischen den Diözesen von Lyon und Mossul zum zweiten Mal zu den ins irakische Kurdistan geflohenen Christen gereist. Zum ersten Mal hatte er diese Reise schon im Juli unternommen. Die vollständige Videobotschaft Seiner Heiligkeit Franziskus mache ich hier sogleich als Video abrufbar, sie stammt vom 6. Dezember 2014, also vom Fest des heiligen Bischofs Nikolaus, der für viele Christen einer der wegbereitenden Heiligen von der Adventszeit in die Weihnachtszeit ist: Die deutsche Übersetzung dieser Videobotschaft Seiner Heiligkeit Papst Franziskus übernehme ich von den Seiten des Heiligen Stuhles, unter passender Aufnahme von Linkverbindungen: Ich möchte alle und einen jeden von euch grüßen, gemeinsam mit Kardinal Philippe Barbarin, der erneut die Sorge und die Liebe der ganzen Kirche zu euch bringt. Auch ich wäre gerne dort, aber da ich nicht reisen kann, tue ich es auf diese Weise … aber ich bin euch in dieser Zeit der Prüfung ganz nahe. Auf dem Rückweg meiner Reise in die Türkei habe ich gesagt: Die Christen werden aus dem Nahen Osten vertrieben und leiden. Ich danke euch für das Zeugnis, das ihr gebt; da ist so viel Leid in eurem Zeugnis. Danke! Vielen Dank! Es scheint, dass sie dort nicht wollen, dass es Christen gibt, aber ihr gebt Zeugnis von Christus. Ich denke an die Wunden, die Schmerzen der Mütter mit ihren Kindern, der alten Menschen und der Vertriebenen, die Wunden all derer, die Opfer jeder Art von Gewalt sind. Wie ich in Ankara gesagt habe, bereitet besonders die Tatsache Sorge, dass vor allem wegen einer extremistischen und fundamentalistischen Gruppe ganze Gemeinschaften, besonders – aber nicht nur – Christen und Jesiden aufgrund ihrer ethnisch-religiösen Identität unmenschliche Gewalt erlitten haben und noch erleiden. Christen und Jesiden wurden gewaltsam aus ihren Häusern vertrieben, mussten alles zurücklassen, um ihr Leben zu retten und den Glauben nicht zu verleugnen. Die Gewaltakte haben auch sakrale Gebäude, Monumente, religiöse Symbole und Kulturgüter getroffen, als wolle man jede Spur, jede Erinnerung des anderen auslöschen. Als religiöse Führungspersönlichkeiten sind wir verpflichtet, alle Verletzungen der Menschenrechte und der Menschenwürde anzuprangern! Ich möchte euch heute nahe sein, die ihr diese Leiden erduldet, bei euch sein … Und ich denke an die kleine Therese vom Kinde Jesu, die sagte, dass sie – und die Kirche – sich fühlt wie ein Schilfrohr: Wenn der Wind kommt, der Sturm, dann beugt sich das Rohr, aber es bricht nicht! Ihr seid in diesem Augenblick dieses Rohr, ihr seid schmerzgebeugt, aber ihr habt die Kraft, euren Glauben weiterzutragen, der für uns ein Zeugnis ist. Ihr seid heute die Schilfrohre Gottes! Die Schilfrohre, die sich in diesem grausamen Sturm niederbeugen, aber dann auferstehen werden! Ich möchte nochmals Dank sagen. Ich bitte den Heiligen Geist, der alles neu macht, jedem von euch Kraft und Ausdauer zu verleihen. Das ist eine Gabe des Heiligen Geistes. Und zugleich fordere ich entschieden, wie ich dies bereits in der Türkei getan habe, eine größere internationale Übereinstimmung mit dem Ziel, die Konflikte zu lösen, die eure Heimatländer mit Blut beflecken, und den anderen Ursachen entgegenzuwirken, die Menschen zum Verlassen ihrer Heimat drängen, sowie Bedingungen zu schaffen, so dass sie bleiben oder zurückkehren können. Ich wünsche euch, dass ihr zurückkehrt, dass ihr zurückkehren könnt. Liebe Brüder und Schwestern, ihr seid in meinem Herzen, in meinem Gebet und in den Herzen und im Gebet aller christlichen Gemeinschaften, die ich darum bitte, besonders am 8. Dezember für euch zu beten, die Muttergottes zu bitten, damit sie euch behüte: Sie ist Mutter, sie möge euch behüten. Brüder und Schwestern, eure Ausdauer ist Martyrium, fruchtbarer Tau. Ich bitte euch für mich zu beten. Der Herr möge euch segnen, die Muttergottes euch behüten. Es segne euch der allmächtige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. [ENDE DER DEUTSCHEN ÜBERSETZUNG DER VIDEOBOTSCHAFT VOM 6. DEZEMBER 2014 FÜR DIE GEFLÜCHTETEN IN ERBIL.] Weil es auch noch zu diesem Blogeintrag passt, übernehme ich abschließend noch die deutsche Übersetzung der Ansprache Seiner Heiligkeit Franziskus bei der Audienz für Bischöfe und Gläubige der syrisch-katholischen Eigenrechtskirche. Der Patriarch hatte ja auch am Papstbesuch in der Türkei teilgenommen und diesmal in Rom die jährliche Synode der antiochenischen syrisch-katholischen Gemeinschaft vom 8. bis zum 10. Dezember 2014 geleitet. Hier also die Worte des Heiligen Vaters bei der Audienz zwei Tage später: ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS AN DEN PATRIARCHEN VON ANTIOCHIEN DER SYRER, IGNATIUS JOSEPH III. YOUNAN, DIE BISCHÖFE UND GLÄUBIGEN DER SYRISCH-KATHOLISCHEN KIRCHE: Clementina-Saal am Freitag, dem 12. Dezember 2014 Seligkeit, Exzellenzen, verehrte Väter, liebe Brüder und Schwestern! Ich begrüße euch herzlich und danke euch für euren Besuch. Durch euch kann ich meinen Gruß euren Gemeinschaften in aller Welt zukommen lassen und besonders jenen im Irak und Syrien Mut zusprechen, die angesichts der Gewalttätigkeiten eine Zeit großen Leids und großer Angst durchmachen. Und mit dem Ausdruck der Solidarität und des Mitleids verbinde ich mein Gedenken im Gebet. Aus Anlass eures Treffens in Rom habt ihr mich darum gebeten, eine Synode außerhalb des patriarchalen Territoriums abhalten zu dürfen. Gerne habe ich dem zugestimmt, um eure Begegnung zu erleichtern, die darauf ausgerichtet ist, die dringenden Bedürfnisse eurer Kirche zu erkennen und auf die geistlichen Erwartungen der Gläubigen zu antworten. Insbesondere arbeitet ihr an einer Reform der Göttlichen Liturgie, im Dienst des Wortes Gottes, die der Frömmigkeit neuen Impuls geben soll. Diese Arbeit hat eine umfassende Vertiefung der Tradition und große Unterscheidungsgabe verlangt, wissend, wie hellhörig die Versammlung der Gläubigen für das große Geschenk des Wortes Gottes und der Eucharistie ist. Die schwierige Situation im Nahen Osten hat in eurer Kirche die Abwanderung von Gläubigen in die Eparchien der Diaspora bewirkt und tut dies weiterhin. Das stellt euch vor neue pastorale Herausforderungen. Das ist eine Herausforderung: einerseits den Ursprüngen treu zu bleiben und andererseits sich in andere kulturelle Kontexte einzufügen, um im Dienst der »Salus animarum« und des Gemeinwohls zu wirken. Diese Bewegung von Gläubigen in Richtung von Ländern, die als sicherer betrachtet werden, lässt die christliche Präsenz im Nahen Osten ärmer werden, im Land der Propheten, der ersten Verkünder des Evangeliums, der Märtyrer und zahlreicher Heiliger, der Wiege der Eremiten und des Mönchtums. All dies zwingt euch, über die Situation in euren Eparchien nachzudenken, die eifrige Hirten wie auch mutige Gläubige brauchen, die in der Lage sind, Zeugnis zu geben für das Evangelium in der – manchmal nicht leichten – Auseinandersetzung mit Menschen anderer Ethnie oder Religionszugehörigkeit. Viele sind geflohen, um sich vor einer Unmenschlichkeit in Sicherheit zu bringen, die ganze Teile der Bevölkerung ihres Zuhauses und ihrer Existenzgrundlage beraubt hat. Gemeinsam mit den anderen Kirchen bemüht ihr euch, eure Anstrengungen zu koordinieren, um auf die humanitären Bedürfnisse sowohl der in der Heimat Gebliebenen als auch der in andere Länder Geflohenen zu antworten. Wenn ihr jetzt an eure Sitze zurückkehrt, seid ihr gestärkt von der Erfahrung der an den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus erlebten Gemeinschaft; eine Gemeinschaft, die heute hier einen besonderen Ausdruck findet, wenn ihr gemeinsam mit dem Nachfolger Petri ein Dank- und Bittgebet an den Herrn richtet. Ich ermahne euch, liebe Brüder, euren pastoralen Einsatz und euren Dienst der Hoffnung im Dienst der ehrwürdigen syrisch-katholischen Kirche fortzusetzen. Mit Zuneigung grüße ich die Gläubigen, die euch begleiten, in denen ich die verschiedenen von ihnen repräsentierten Gemeinschaften sehe. Ich bitte euch, allen den Ausdruck meiner Nähe und meines Gebets zum Herrn zu übermitteln. Während ich eine jede eurer Gemeinschaften dem Schutz der Gottesmutter, des heiligen Ignatius von Antiochien und des heiligen Ephrem anvertraue, erteile ich von Herzen euch, euren Priestern, Ordensleuten und allen Gläubigen den Apostolischen Segen, Unterpfand des Friedens und des Trostes unseres einen und dreifaltigen Gottes, der Barmherzigkeit ist. [ENDE DER ANSPRACHE SEINER HEILIGKEIT PAPST FRANZISKUS IN ROM FÜR DIE SYRISCH-KATHOLISCHE KIRCHE.] So bleibt mir nur, allen Lesern und Leserinnen von Herzen eine gnadenreiche Weihnacht und Weihnachtszeit zu wünschen, während der wir ganz besonders für die leidenden Brüder und Schwestern im Nahen Osten und in anderen Teilen dieser friedlosen Welt beten wollen. Euer Padre Alex - Dr. Alexander Pytlik Wednesday, December 3. 2014
PAPST FRANZISKUS (6) IN DER TÜRKEI: ... Posted by Padre Alex / Dr. Alexander Pytlik
in Aktuelle Predigt, News Kommentare, Türkei und Zypern at
18:17
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In großer Freude über den exzellent verlaufenen Papstbesuch in der Türkei blicken viele zurück auf diese Tage, und natürlich wäre eine ganze Woche noch besser gewesen. Der 1988 mit Unterstützung der katholischen Italienischen Bischofskonferenz gegründete italienische Informationsdienst S.I.R. (Servizio Informazione Religiosa) unter Leitung von Domenico Delle Foglie bringt auf seiner Titelseite mit gestrigem Datum des 2. Dezember 2014 ein neues Interview von Daniele Rocchi mit dem Vorsitzenden der katholischen Türkischen Bischofskonferenz. Ich habe den gesamten Beitrag Rocchis unter der Überschrift "FRANZISKUS UND BARTHOLOMÄUS. Sie sind eingebogen in die Straße zur vollen Gemeinschaft" sogleich ins Deutsche übersetzt und übernehme in diesem Sinne ab hier fast wörtlich: der Präsident der katholischen Bischöfe der Türkei, Dr. Dr. Ruggero Franceschini, ist überzeugt, dass "es kein Zurück mehr gibt". Über die Präsenz der Christen in der Türkei: "Wir warten hoffnungsvoll darauf, die Rechtspersönlichkeit der Kirche anerkannt zu sehen genauso wie das Recht auf einen pluraristischeren Unterricht". Verurteilung der "Islamophobie" und die Hoffnung, dass "sich viele die Schicksale der christlichen Präsenz in diesem Land zu Herzen nehmen".
"Der Papst hat es geschafft, mit seiner Demut und seinem unerschütterlichen Lächeln zu kommunizieren, und dies trotz einer starken physischen Ermüdung. Die entwaffnende Demut der von ihm gesetzten Gesten hat auch die Misstrauischen und Unentschiedenen eingenommen. Insbesondere stärkt es die Hoffnung auf eine volle Einheit, den Papst und den Patriarchen gemeinsam zu sehen. Zweifellos ist die Umarmung der beiden das schönste und hoffnungsreichste Symbol, das die brüderliche Umarmung von Petrus und Andreas erneuert und zu einer noch breiter angelegten Umarmung zwischen Okzident und Orient motiviert, die immer noch zu weit von einander entfernt sind". Am Tag nach dem Besuch von Papst Franziskus in der Türkei (28. - 30. November 2014) spricht der Präsident der katholischen Bischöfe der Türkei, Dr. Dr. Ruggero Franceschini, Erzbischof von Smyrna (Izmir) und mittlerweile seit vier Jahren auch Apostolischer Administrator von Anatolien, das früher von Bischof Padovese geleitet wurde, der am 3. Juni 2010 umgebracht worden war. Ein Besuch im Zeichen des ökumenischen und interreligiösen Dialogs, der dem Papst die Möglichkeit gegeben hat, auf das Drama der Christen im Nahen Osten aufmerksam zu machen. Daniele Rocchi: Was war auf der Ebene des interreligiösen Dialoges die Hauptbotschaft des Papstes, und wie ist sie Ihrer Meinung nach von der muslimischen Mehrheit und ihren Amtsträgern aufgenommen worden? Metropolit Franceschini: Der Papst hat an erster Stelle klargemacht, dass sich das Christentum gegenüber dem Islam nicht in eine feindliche Haltung begibt, sondern versucht, gemeinsame Werte und Lehrinhalte herauszustellen. Mit gleicher Offenherzigkeit hat er allerdings die muslimischen Verantwortlichen gebeten, jede Form des religiösen Integralismus und jede Instrumentalisierung der Religion explizit zu verurteilen. Es hat sich um eine unmissverständliche Botschaft gehandelt, der man nur schwer ausweichen kann. Im Mittleren Osten sind Religion und Politik miteinander zu stark verwoben. Die Tradition der Laizität der Türkei kann in diesem Bereich weiterhin eine Quelle sein. Daniele Rocchi: Meinen Sie, dass auf ökumenischer Ebene Schritte in Richtung voller Gemeinschaft gemacht worden sind? Metropolit Franceschini: Der Einklang zwischen Papst Franziskus und Patriarch Bartholomäus scheint jetzt immer tiefer und konkreter zu werden. Der Papst hat klargestellt, dass die Einheit in Verschiedenheit möglich sei und dass die Katholische Kirche keine irgendwie geartete Uniformität verlange. Andererseits hat der Patriarch in einem Avvenire-Interview kein Hehl daraus gemacht, dass es jetzt darum gehe, den Wunsch nach Gemeinschaft in den jeweiligen christlichen Gemeinschaften reifen zu lassen, weil die Hierarchien nicht vom Empfinden des Volkes absehen könnten, um dann einen entscheidenden Schritt zu machen. Auf orthodoxer Seite besteht die Befürchtung, dass sich zwischen den für die Gemeinschaft mit Rom Offeneren und zwischen den Konservativeren ein Riss auftue. Es wird deutlich, das alle gemeinsam als Kirchen in Richtung Einheit unterwegs sein müssen, und dies kann längere Zeiträume erforderlich machen, um weltliche Spaltungen zu kitten. Allerdings ist der Weg zur vollen Gemeinschaft eingeschlagen worden, und ich glaube, dass es kein Zurück mehr gibt. Daniele Rocchi: Mit Erdoğan, der wegen der zunehmenden Islamophobie besorgt ist, hat der Papst über Religionsfreiheit gesprochen und unterstrichen, dass diesbezüglich den Direktiven der türkischen Regierung eine besondere Bedeutung zukomme und sie Frieden und Entwicklung begünstigen können. Meinen Sie, dass diese Worte auf ein angemessenes Echo stoßen werden in den Beziehungen zu den religiösen Minderheiten in der Türkei und als Erstes zur Katholischen Kirche? Metropolit Franceschini: Jener Punkt der Islamophobie ist eine konkrete Gefahr. Angriffe auf Moscheen und Zwischenfälle von Intoleranz im Westen finden in den Medien hier eine starke Resonanz. Das alles ist jedoch eine direkte Konsequenz aus den verzerrten Bildern des Islam, die von den Integralisten und Terroristen geboten werden. Der beste Weg zur Überwindung der Islamophobie ist die Isolierung und Neutralisierung dieser angeberischen Verräter des Islam, die mit ihren Handlungen tatsächlich das Bild des Islam verunstalten. Was die Religionsfreiheit betrifft, warten wir hoffnungsvoll darauf, die Rechtspersönlichkeit der Kirche anerkannt zu sehen genauso wie das Recht auf einen pluraristischeren Unterricht. In diesem Sinne hat es in jüngster Vergangenheit Gespräche gegeben, aber die Katholische Kirche wird auf diesem Hintergrund immer noch als fremder Gast angesehen. Daniele Rocchi: Wird dieser Besuch positive Auswirkungen auf die Katholische Kirche in der Türkei haben? Werden die Kirchen auf der ganzen Welt jetzt der "kleinen türkischen Herde" mehr Aufmerksamkeit zuwenden? Metropolit Franceschini: Während der Tage des Besuches des Heiligen Vaters waren die Scheinwerfer der Kirche und der Welt auf die Kirche der Türkei gerichtet, die nicht selten an einer weitgehenden ekklesialen Einsamkeit und an einer geringen gesellschaftlichen Beachtung leidet. Die Gegenwart des Papstes hat in positiver Weise die Aufmerksamkeit auch der türkischen Medien bewirkt und gezeigt, dass die Kirche lebendiger Teil dieser Gesellschaft ist und danach trachtet, beim Aufbau einer versöhnten und in sich gefestigten Gesellschaft ihren Beitrag zu leisten. Viele blicken nun auf uns mit weniger Misstrauen, nachdem der Papst der türkischen Nation durch den Besuch des Mausoleums von Atatürk seinen höchsten Respekt erwiesen hat. Außerdem muss daran erinnert werden, dass die Katholische Kirche der Türkei fast vollständig von der Solidarität und der Zusammenarbeit der Diözesen anderer Länder abhängt. Die Hoffnung ist nun, dass der Papstbesuch eine größere kirchliche Sensibilität gegenüber dieser Kirche in einer Minderheiten- und Diasporasituation bewirkt hat, sodass sich viele die Schicksale der christlichen Präsenz in diesem Land, in welchem die Kirche ihre allerersten Schritte machte, zu Herzen nehmen. [ENDE DES AKTUELLEN INTERVIEWS MIT SEINER EXZELLENZ, DEM HOCHWÜRDIGSTEN HERRN METROPOLITEN UND ERZBISCHOF DR. DR. RUGGERO FRANCESCHINI OFMCAP., PRÄSIDENT DER KATHOLISCHEN TÜRKISCHEN BISCHOFSKONFERENZ.] Und am heutigen Tag blickte Seine Heiligkeit Papst Franziskus selbst auf seine letzte Apostolische Reise zurück. APOSTOLISCHE REISE VON PAPST FRANZISKUS IN DIE TÜRKEI: K) ANSPRACHE SEINER HEILIGKEIT PAPST FRANZISKUS BEI DER GENERALAUDIENZ Mittwoch, 3. Dezember 2014, am Petersplatz Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag! So gut scheint der Tag gar nicht zu sein, das Wetter ist etwas schlecht … Aber ihr seid mutig. Ein frohes Gesicht an einem schlechten Tag, und wir gehen voran! Diese Audienz findet an zwei verschiedenen Orten statt. So halten wir es, wenn es regnet: hier auf dem Petersplatz, und außerdem sind die Kranken in der »Aula Paolo VI«. Ich bin ihnen bereits begegnet, ich habe sie begrüßt, und sie verfolgen die Audienz über den Bildschirm, weil sie krank sind und nicht in den Regen kommen können. Wir begrüßen sie von hier mit einem Applaus. Heute möchte ich euch einiges mitteilen über meine Pilgerreise in die Türkei, die ich vom vergangenen Freitag bis Sonntag unternommen habe. Ebenso wie ich darum gebeten hatte, sie durch das Gebet vorzubereiten und zu begleiten, so lade ich euch jetzt ein, dem Herrn für ihre Durchführung zu danken, auf dass Früchte des Dialogs daraus hervorgehen mögen sowohl in den Beziehungen zu unseren orthodoxen Brüdern als auch in jenen zu den Muslimen als auch auf dem Weg zum Frieden unter den Völkern. Ich möchte in erster Linie erneut meine Dankbarkeit zum Ausdruck bringen gegenüber dem Präsidenten der türkischen Republik, dem Premierminister, dem Präsidenten des Amtes für Religionsangelegenheiten sowie den anderen Autoritäten, die mich achtungsvoll empfangen und den guten Ablauf der Ereignisse gewährleistet haben. Das ist mit viel Arbeit verbunden, und sie haben es gern getan. Ich danke brüderlich den Bischöfen der katholischen Kirche in der Türkei, dem – sehr tüchtigen – Vorsitzenden der Bischofskonferenz [Ruggero Franceschini], und ich danke den katholischen Gemeinden für ihre Bemühungen, und ebenso danke ich dem Ökumenischen Patriarchen, Seiner Heiligkeit Bartholomaios I., für den herzlichen Empfang. Der selige Paul VI. und der heilige Johannes Paul II., die beide die Türkei besucht haben, sowie der heilige Johannes XXIII., der Päpstlicher Legat in jener Nation war, haben meine Pilgerreise, die acht Jahre nach der meines Vorgängers Benedikt XVI. stattgefunden hat, vom Himmel aus beschützt. Jenes Land liegt jedem Christen am Herzen, vor allem weil der Apostel Paulus dort geboren wurde, weil die ersten sieben Konzilien dort stattgefunden haben und weil nahe bei Ephesus das »Haus Marias« steht. Der Überlieferung zufolge hat die Gottesmutter nach der Herabkunft des Heiligen Geistes dort gelebt. Am ersten Tag der Apostolischen Reise habe ich die Autoritäten des Landes begrüßt. Die weitaus größte Mehrheit der Bewohner sind Muslime, aber in der Verfassung wird die Laizität des Staates erklärt. Und mit den [religiösen] Autoritäten habe ich über Gewalt gesprochen. In der Tat ist es die Gottvergessenheit und nicht die Verherrlichung Gottes, die Gewalt erzeugt. Daher habe ich betont, wie wichtig es ist, dass Christen und Muslime sich gemeinsam für Solidarität, Frieden und Gerechtigkeit einsetzen, und ich habe gesagt, dass jeder Staat den Bürgern und Religionsgemeinschaften eine wirkliche Freiheit des Kultes gewährleisten muss. Bevor ich heute hingegangen bin, um die Kranken zu begrüßen, hatte ich eine Begegnung mit einer Gruppe von Christen und Muslimen, die eine vom Dikasterium für den Interreligiösen Dialog veranstaltete Zusammenkunft haben, unter der Leitung von Kardinal Tauran. Auch sie haben den Wunsch zum Ausdruck gebracht, den brüderlichen Dialog zwischen Katholiken, Christen und Muslimen fortzusetzen. Am zweiten Tag habe ich einige symbolische Stätten der verschiedenen religiösen Konfessionen besucht, die in der Türkei präsent sind. Ich habe dabei die Anrufung des Herrn, des Gottes des Himmels und der Erde, des barmherzigen Vaters der ganzen Menschheit, im Herzen verspürt. Im Mittelpunkt des Tages stand die Eucharistiefeier, zu der in der Kathedrale Hirten und Gläubige der verschiedenen in der Türkei vertretenen katholischen Riten versammelt waren. Auch der Ökumenische Patriarch, der armenisch-apostolische Patriarchats-Vikar, der syrisch-orthodoxe Metropolit sowie Vertreter der protestantischen Gemeinden haben daran teilgenommen. Gemeinsam haben wir zum Heiligen Geist gebetet, der die Einheit der Kirche wirkt: Einheit im Glauben, Einheit in der Liebe, Einheit im inneren Zusammenhalt. Das Gottesvolk ist aufgerufen, sich im Reichtum seiner Traditionen und Ausdrucksformen vom Heiligen Geist führen zu lassen, in einer ständigen Haltung der Offenheit, Fügsamkeit und des Gehorsams. Auf unserem Weg des ökumenischen Dialogs und auch unserer Einheit, unserer katholischen Kirche ist der Heilige Geist derjenige, der alles wirkt. Unsere Aufgabe ist es, ihn wirken zu lassen, ihn anzunehmen und seinen Eingebungen zu folgen. Der dritte und letzte Tag, das Fest des heiligen Apostels Andreas, bot den idealen Rahmen zur Festigung der brüderlichen Beziehungen zwischen dem Bischof von Rom, Nachfolger Petri, und dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Nachfolger des Apostels Andreas und damit des Bruders Simon Petri, der jene Kirche gegründet hat. Zusammen mit Seiner Heiligkeit Bartholomaios I. habe ich die gemeinsame Verpflichtung erneuert, den Weg zur Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft zwischen Katholiken und Orthodoxen fortzusetzen. Zusammen haben wir eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet, als weiteren Schritt auf diesem Weg. Besonders bedeutsam war, dass dieser Akt am Ende der Göttlichen Liturgie am Fest des Heiligen Andreas stattgefunden hat, an der ich mit großer Freude teilgenommen habe und auf die der zweifache Segen folgte, der vom Patriarchen von Konstantinopel und vom Bischof von Rom erteilt wurde. Denn das Gebet ist die Grundlage für jeden fruchtbaren ökumenischen Dialog unter der Führung des Heiligen Geistes, der wie gesagt jener ist, der die Einheit wirkt. Die letzte Begegnung – sie war schön und auch schmerzhaft – war jene mit einer Gruppe jugendlicher Flüchtlinge, die von den Salesianern betreut werden. Es war sehr wichtig für mich, Flüchtlingen aus den Kriegsgebieten im Nahen Osten zu begegnen, um sie meiner Nähe und der Nähe der Kirche zu versichern, und um den Wert der Aufnahme von Flüchtlingen hervorzuheben, um die auch die Türkei sich sehr bemüht hat. Ich danke der Türkei noch einmal für die Aufnahme vieler Flüchtlinge, und ich danke von Herzen den Salesianern von Istanbul. Diese Salesianer arbeiten mit den Flüchtlingen – sie sind wirklich gut! Ich bin auch anderen deutschen Patres und einem deutschen Jesuiten begegnet und anderen, die mit den Flüchtlingen arbeiten, aber jenes Oratorium der Salesianer für die Flüchtlinge ist eine schöne Sache, es ist ein verborgenes Werk. Ich danke von Herzen all jenen Personen, die mit den Flüchtlingen arbeiten. Und beten wir für alle Flüchtlinge und Asylanten und dafür, dass die Ursachen dieser schmerzhaften Wunde beseitigt werden. Liebe Brüder und Schwestern, der allmächtige und barmherzige Gott möge das türkische Volk, seine Regierenden und die Vertreter der verschiedenen Religionen auch weiterhin schützen. Mögen sie gemeinsam in der Lage sein, eine Zukunft des Friedens zu errichten, damit die Türkei ein Ort des friedlichen Zusammenlebens zwischen verschiedenen Religionen und Kulturen sein kann. Bitten wir auch darum, dass durch die Fürsprache der Jungfrau Maria der Heilige Geist diese Apostolische Reise fruchtbar machen und in der Kirche den missionarischen Eifer fördern möge, um allen Völkern respektvoll und im brüderlichen Dialog zu verkünden, dass Jesus, der Herr, Wahrheit, Friede und Liebe ist. Er allein ist der Herr. [Kurzzusammenfassung: Liebe Brüder und Schwestern, dankbar dem Herrn für die Apostolische Reise in die Türkei möchte ich heute die Tage meines Besuches in diesem Land Revue passieren lassen. Der erste Tag stand im Zeichen der Begegnung mit politischen und staatlichen Vertretern. Ein Anliegen war es mir, auf die Notwendigkeit hinzuweisen, dass Christen und Muslime sich gemeinsam für Solidarität, Frieden und Gerechtigkeit einsetzen und dass der Staat allen Bürgern und religiösen Gemeinschaften echte Religionsfreiheit und Ausübung ihres Glaubens gewährleistet. Am zweiten Tagen habe ich einige symbolträchtige Orte der verschiedenen Religionsbekenntnisse in der Türkei besucht. Im Mittelpunkt des Tages stand die gemeinsame Eucharistiefeier mit Gläubigen der verschiedenen katholischen Riten in der Türkei. Das Fest des heiligen Apostels Andreas am dritten Tag bot den Rahmen, um die brüderlichen Beziehungen zwischen dem Bischof von Rom und dem Ökumenischen Patriarch von Konstantinopel zu festigen und das beiderseitige Engagement auf dem Weg zur vollen Einheit von Katholiken und Orthodoxen in einer gemeinsamen Erklärung zu erneuern. Dies fand am Ende der Göttlichen Liturgie statt. Damit wurde deutlich, dass das Gebet die Grundlage für jeden fruchtbaren ökumenischen Dialog unter der Führung des Heiligen Geistes ist.] Einen herzlichen Gruß richte ich an die Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache, insbesondere an die Mitglieder und Freunde der Schönstatt-Bewegung in Deutschland. Bitten wir den Heiligen Geist, alle Bemühungen um ein friedliches Zusammenleben der verschiedenen Religionen und Kulturen fruchtbar zu machen und die Einheit der Christen im Glauben und in der Liebe wachsen zu lassen, damit sie allen Völkern Jesus Christus verkünden, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist. Von Herzen segne ich euch alle. [ENDE DER ANSPRACHE SEINER HEILIGKEIT PAPST FRANZISKUS BEI DER GENERALAUDIENZ ALS RÜCKBLICK AUF DIE APOSTOLISCHE REISE IN DIE TÜRKEI.] Video mit der Generalaudienz und dem Rückblick Seiner Heiligkeit Papst Franziskus auf seinen Apostolischen Besuch in der Türkei: Somit sind in meinem Blogbuch zur Apostolischen Reise Seiner Heiligkeit Papst Franziskus in die Türkei insgesamt sechs Einträge erschienen: 1. Franziskus-Türkei-Eintrag für den 28. 11. 2014: Interview mit Metropolit Ruggero Franceschini, Anerkennung für humanitäre Flüchtlingspolitik und Besuch bei Atatürk 2. Franziskus-Türkei-Eintrag für denselben 28. 11. 2014: Ansprachen bei säkularer und religiöser Autorität (Diyanet) 3. Franziskus-Türkei-Eintrag für den 29. 11. 2014: Tag der türkischen Katholiken aller Riten in Istanbul mit ökumenischen und interreligiösen Schwerpunkten 4. Franziskus-Bartholomäus-Türkei-Eintrag für den 29./30. 11. 2014: Andreastag zur Vertiefung der Gemeinschaftlichkeit von Petrus und Andreas, d. h. von Franziskus und Bartholomaios, zwischen katholischer und orthodoxer Kirche 5. Franziskus-Türkei-Eintrag für den 30. 11. 2014: Begegnung mit Flüchtlingen, Besuch beim erkrankten armenisch-apostolischen Patriarchen und Pressekonferenz auf dem Rückflug 6. Franziskus-Türkei-Eintrag für den 2./3. 12. 2014 (siehe oben): Einschätzungsinterview mit dem Vorsitzenden der katholischen Türkischen Bischofskonferenz, Metropolitanerzbischof Ruggero Franceschini OFMCap, und Rückblick des Papstes bei der Generalaudienz Monday, December 1. 2014
PAPST FRANZISKUS (5) IN DER TÜRKEI: ... Posted by Padre Alex / Dr. Alexander Pytlik
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Nach dem Mittagessen im Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel ist Seine Heiligkeit Papst Franziskus noch einmal zurückgekehrt in die päpstliche Residenz von Istanbul. Und nach seinem Abschied von dort besuchte der Papst noch einmal die lateinische Kathedralkirche zum Heiligen Geist, um etwa hundert junge Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern zu treffen. Die salesianische Gemeinschaft betreut sowohl diese Flüchtlinge als auch die Kathedrale selbst. Ich übernehme die Ansprache wiederum von den Seiten des Heiligen Stuhles in der angebotenen deutschen Übersetzung:
APOSTOLISCHE REISE VON PAPST FRANZISKUS IN DIE TÜRKEI: I) GRUSSADRESSE AN VON DEN SALESIANERN BETREUTE JUGENDLICHE FLÜCHTLINGE IN DER HEILIG-GEIST-KATHEDRALE VON İSTANBUL Sonntag, 30. November 2014 Liebe junge Freunde, diese Begegnung mit euch habe ich mir sehr gewünscht. Ich hätte auch weitere Flüchtlinge treffen wollen, doch war es nicht anders möglich. Ihr kommt aus der Türkei, aus Syrien, aus dem Irak, aus verschiedenen Ländern des Nahen Ostens und aus Afrika. Ihr seid hier in Vertretung von Hunderten eurer Altersgenossen, von denen viele Flüchtlinge und Vertriebene sind, und werdet täglich von den Salesianern betreut. Ich möchte euch meine Anteilnahme an eurem Leiden ausdrücken, und ich hoffe, dass dieser Besuch von mir euch mit der Gnade des Herrn ein bisschen Trost bringen kann in eurer schwierigen Lage. Sie ist die traurige Folge erbitterter Konflikte und des Krieges, der immer ein Übel ist und niemals die Lösung der Probleme darstellt, sondern sogar noch weitere schafft. Den Flüchtlingen wie euch fehlt es oft – und manchmal über lange Zeit – an den Grundgütern: eine würdige Wohnung, medizinische Versorgung, Ausbildung, Arbeit. Sie haben nicht nur materielle Güter verlassen müssen, sondern vor allem die Freiheit, die Nähe der Angehörigen, ihren Lebensbereich und die kulturellen Traditionen. Die erniedrigenden Bedingungen, unter denen viele Flüchtlinge leben müssen, sind untragbar! Darum muss man sich mit allen Kräften bemühen, die Ursachen dieses Zustands zu beseitigen. Ich rufe dringend zu einer größeren internationalen Übereinstimmung auf zu dem Zweck, die Konflikte zu lösen, die eure Herkunftsländer mit Blut beflecken, den anderen Ursachen entgegenzuwirken, die die Menschen dazu drängen, ihre Heimat zu verlassen, und die Bedingungen zu fördern, die ihnen ermöglichen, zu bleiben oder zurückzukehren. Ich ermutige alle, die großherzig und treu für die Gerechtigkeit und den Frieden wirken, nicht den Mut zu verlieren. An die politischen Führer wende ich mich, damit sie berücksichtigen, dass die große Mehrheit ihrer Bevölkerungen sich nach Frieden sehnt, auch wenn sie manchmal nicht mehr die Kraft und die Stimme hat, ihn zu fordern! Zahlreiche Organisationen tun viel für die Flüchtlinge; besonders froh bin ich über die wirkungsvolle Arbeit vieler katholischer Einrichtungen, die zahlreichen bedürftigen Menschen unterschiedslos großzügige Hilfe anbieten. Den türkischen Verantwortlichen möchte ich meinen herzlichen Dank bekunden für die große Anstrengung, die sie in der Hilfeleistung für die Vertriebenen, besonders für die syrischen und irakischen Flüchtlinge, vollbringen und für den konkreten Einsatz in dem Bemühen, ihre Ansprüche zu befriedigen. Ich wünsche mir, dass die nötige Unterstützung auch seitens der internationalen Gemeinschaft nicht fehlt. Liebe junge Freunde, verliert nicht den Mut. Es ist leicht gesagt, aber strengt euch an, um nicht den Mut zu verlieren. Hofft mit Gottes Hilfe weiter auf eine bessere Zukunft, trotz der Schwierigkeiten und Hindernisse, die ihr jetzt zu bewältigen habt. Die katholische Kirche ist euch – auch durch die wertvolle Arbeit der Salesianer – nahe und bietet euch, außer anderen Hilfen, die Möglichkeit, für eure Schulung und eure Ausbildung zu sorgen. Erinnert euch immer daran, dass Gott keines seiner Kinder vergisst und dass die Kleinsten und die, welche am meisten leiden, näher an seinem Vaterherz sind. Was mich betrifft, werde ich mich gemeinsam mit der ganzen Kirche weiter vertrauensvoll an den Herrn wenden und ihn bitten, diejenigen, welche verantwortungsvolle Positionen innehaben, zu inspirieren, damit sie die Gerechtigkeit, die Sicherheit und den Frieden ohne Zögern und in wirklich konkreter Weise fördern. Die Kirche wird euch durch ihre sozialen und karitativen Einrichtungen weiter zur Seite stehen und euer Anliegen vor der Welt vertreten. Gott segne euch alle! Betet für mich. Danke. [ENDE DER ANSPRACHE SEINER HEILIGKEIT PAPST FRANZISKUS BEIM FLÜCHTLINGSTREFFEN IN DER TÜRKEI.] Nach der Begegnung mit Flüchtlingen hat der Heilige Vater Franziskus auf dem Weg zum Flughafen beim armenischen Spital zum Allerheiligsten Erlöser Halt gemacht, um den dort seit Jahren medizinisch betreuten armenischen Patriarchen Mesrob II. zu besuchen. Vorgänger Benedikt XVI. hatte mit diesem bei seiner Apostolischen Reise 2006 noch gemeinsam beten können. Papst Franziskus verabschiedete sich dann am internationalen Flughafen "Atatürk" in İstanbul von der Türkei, mit dem Abschiedsgruß ziviler und militärischer Behörden, aber auch des Ökumenischen Patriarchen und von Mitgliedern der katholischen Türkischen Bischofskonferenz. Wie immer sandte der Heilige Vater den Staatsoberhäuptern der überflogenen Länder (Griechenland, Albanien, Italien) telegraphische Botschaften. Dem italienischen Präsidenten Giorgio Napolitano schrieb Papst Franziskus, er habe verschiedene Exponenten des türkischen Volkes treffen und den christlichen Gemeinschaften mit ihrer reichhaltigen Geschichte seine herzliche Hochachtung bezeugen können. Alle habe er aufgerufen, den gemeinsamen Einsatz für den Frieden auch durch den Dialog der verschiedenen Religionen fortzusetzen. Und im Airbus 320 der Alitalia (Richtung Roma-Ciampino) beantwortete dann Franziskus wie gewohnt einige Fragen von Journalisten, wobei ich in die vom Heiligen Stuhl angebotene deutsche Übersetzung auch einige Linkverweise eingebaut habe: J) PRESSEKONFERENZ MIT DEM HEILIGEN VATER PAPST FRANZISKUS AUF DEM RÜCKFLUG NACH ROM Pater Lombardi: Vielen Dank, Heiliger Vater, dass Sie bei uns sind; vielen Dank für die so herzliche und freundliche Begrüßung, die Sie allen, einem jeden von uns, zukommen lassen wollten. Wir gehen jetzt zum zweiten Teil über, dem kulturellen, dem Fragenteil. Einige hier haben sich auf die Liste setzen lassen, und wir wollen mit zwei türkischen Kolleginnen beginnen, die ja direkt betroffen sind, weshalb wir natürlich auch erwarten, dass ihre Fragen die Reise betreffen. Eine Reise, auf der Sie sehr viele Dinge getan haben; wir können also viele Aspekte vertiefen. Ich bitte Yasemin, vorzutreten und die erste Frage zu stellen. Yasemin ist vom türkischen Fernsehen, sie hat schon Papst Benedikt auf seiner Reise hierher begleitet, kennt sich also mit Papstreisen in die Türkei bestens aus. Yasemin Taskin: Guten Abend, Heiliger Vater. Meine Frage betrifft natürlich die Reise. Präsident Erdoğan hat von Islamophobie gesprochen. Sie haben sich natürlich mehr mit einer derzeitigen Christianophobie in Nahost beschäftigt; also damit, was mit den Christen, den Minderheiten, geschieht. Was kann man außer dem Aufruf zum interreligiösen Dialog noch tun? Ich meine: Ist der interreligiöse Dialog genug? Kann man noch weiter gehen? Und was müssen Ihrer Meinung nach die Mächtigen dieser Welt tun? Ich frage Sie das, weil Sie nicht nur das geistliche Oberhaupt der Katholiken sind, sondern inzwischen auch ein moralischer Führer für die ganze Welt; und so würde ich also auch in diesem Sinn gerne wissen, was man konkret tun kann, ob man weiter gehen kann … Papst Franziskus: Da haben Sie mir ja ein ganzes Buch an Fragen gestellt! … Zum interreligiösen Dialog möchte ich etwas sagen, zur Islamophobie und zur Christianophobie: zu diesen drei Dingen. Zur Islamophobie: Es stimmt, dass diese Terrorakte nicht nur in dieser Zone, sondern auch in Afrika eine Reaktion auslösen, dass man sagt: "Wenn das der Islam ist, dann macht mich das ganz schön wütend!" Und viele Muslime fühlen sich dadurch angegriffen, sehr, sehr viele Muslime. "Nein, das sind wir nicht," sagen sie. "Der Koran ist ein Buch des Friedens, ein prophetisches Buch des Friedens. Das ist nicht der Islam." Ich verstehe das, und ich meine zumindest – ehrlich gesagt –, dass man nicht sagen darf, dass alle Muslime Terroristen sind: Das darf man nicht sagen. Genauso wie man nicht sagen darf, dass alle Christen Fundamentalisten sind. Denn auch unter uns haben wir sie; in allen Religionen gibt es diese Gruppierungen. Ich habe zum Präsidenten [Erdogan] gesagt: "Es wäre schön, wenn alle islamischen Führer – sei es auf dem Gebiet der Politik, der Religion oder der Wissenschaft – eine deutliche Sprache sprechen und diese Akte verurteilen würden, denn das wird dem Großteil des islamischen Volkes helfen, 'nein' zu sagen. Ja, wirklich: sie müssen es aus dem Mund ihrer Führer hören: von dem religiösen oder dem akademischen Führer, von vielen Intellektuellen und von der politischen Leitung." Das war meine Antwort. Denn wir alle brauchen eine weltweite Verurteilung, und die muss auch von den Muslimen kommen, die diese Identität haben, und die sagen müssen: "Das sind wir nicht. Das ist der Koran nicht." Das ist das erste. Christianophobie: Aber wirklich! Ich will hier gar keine beschönigenden Worte gebrauchen. Wir Christen werden aus dem Nahen Osten vertrieben. Manchmal, wie wir im Irak gesehen haben, in der Zone von Mosul, müssen die Christen fortgehen und alles zurücklassen, oder eine Steuer zahlen, die dann doch nichts nützt … Andere Male wieder werden wir sozusagen "mit weißen Handschuhen" fortgejagt. In einem Staat zum Beispiel lebt der Mann an einem Ort, und seine Frau an einem anderen … Aber nein, lasst den Mann kommen und bei seiner Frau leben. – Nein, nein: Die Frau soll gehen und das Haus frei lassen. Das passiert in verschiedenen Ländern. Es ist, als wollten sie, dass es keine Christen mehr gibt, nichts Christliches mehr bleibt. In jener Zone ist es das, was passiert. Es stimmt, das ist eine Folge des Terrorismus, im ersten Fall – aber wenn man es "diplomatisch" macht, "mit weißen Handschuhen", dann steckt da etwas ganz anderes dahinter, und das ist nicht gut! Drittens, der interreligiöse Dialog. Die schönste Unterhaltung in diesem Sinn war vielleicht die, die ich mit dem Präsidenten für Religionsangelegenheiten und seinen Mitarbeitern hatte. Schon als der neue Botschafter der Türkei [Seine Exzellenz Mehmet Paçacı] gekommen ist – vor anderthalb Monaten – , um mir sein Beglaubigungsschreiben zu überreichen, habe ich gesehen, dass er ein außergewöhnlicher Mann ist, ein Mann von tiefer Religiosität. Und der Präsident dieses Büros ist von derselben Schule. Und sie haben etwas sehr Schönes gesagt: "Derzeit sieht es so aus, als wäre der interreligiöse Dialog am Ende angelangt. Wir müssen einen Qualitätssprung machen, damit der interreligiöse Dialog sich nicht nur auf der Ebene bewegt: – Wie seht ihr das? ... Wir denken … usw. – Wir müssen einen Qualitätssprung machen! Wir brauchen einen Dialog zwischen religiösen Menschen verschiedener Herkunft." Wie schön ist das doch: Männer und Frauen, die andere Männer und Frauen treffen und ihre Erfahrungen austauschen: Man spricht nicht über die Theologie, man spricht von religiöser Erfahrung. Und das wäre ein schöner Schritt nach vorn, ja, das wäre sehr schön! Diese Begegnung hat mir sehr gut gefallen. Sie hatte Qualität! Um auf die ersten beiden Aspekte zurückzukommen, vor allem auf den der Islamophobie, müssen wir stets unterscheiden, was der Vorschlag einer Religion ist und welchen konkreten Gebrauch eine bestimmte Regierung von diesem Vorschlag macht. Vielleicht sagt sie: "Ich bin islamisch – ich bin jüdisch – ich bin christlich." Aber du regierst dein Land nicht als Muslim, als Jude oder als Christ. Dazwischen liegt ein Abgrund. Wir müssen hier unterscheiden, denn oft gebraucht man den Namen, aber die Realität ist nicht die der Religion. Ich weiß nicht, ob ich die Frage damit beantwortet habe … Yasemin Taskin: Danke, Heiliger Vater. Pater Lombardi: Sie haben sehr ausführlich beantwortet. Wenn nun Esma [Cakir] vortreten möchte, unsere zweite türkische Dame auf dieser Reise. Sie ist von der Nachrichtenagentur. Esma Cakir: Guten Abend, Heiliger Vater. Welche Bedeutung hatte der Moment des so innigen Gebetes, den Sie in der Moschee erlebten? War es für Sie eine Art und Weise, sich an Gott zu wenden? Gibt es etwas Besonderes, das Sie mit uns teilen möchten? Papst Franziskus: Ich bin als Pilger in die Türkei gekommen, nicht als Tourist. Und ich bin aus einem ganz bestimmten Anlass gekommen. Der Hauptgrund war das heutige Fest: Ich bin eigens gekommen, um es mit Patriarch Bartholomäus zu feiern, hatte also ein religiöses Motiv. Doch dann, als ich in die Moschee ging, konnte ich nicht auf einmal sagen: "So, und jetzt bin ich Tourist!" Nein, es war alles religiös. Und ich habe diese Grandiosität gesehen! Der Mufti erklärte mir alles ganz genau, mit großer Sanftmut, und auch mit Hilfe des Korans, wo von Maria und Johannes dem Täufer die Rede ist. Er erklärte mir alles … Und in dem Moment verspürte ich das Bedürfnis zu beten. Und ich sagte: "Wollen wir ein wenig beten?" – "Ja, ja", stimmte er mir zu. Und da habe ich gebetet: für die Türkei, für den Frieden, für den Mufti … für alle … für mich, weil ich es brauche … Ich habe gebetet, ja wirklich … Und ich habe vor allem für den Frieden gebetet. Ich habe gesagt: "Herr, lass uns aufhören mit dem Krieg…". Es war also ein Moment aufrichtigen Gebets. Pater Lombardi: Kommen wir nun zu dem Orthodoxen unserer Gruppe: Alexey Bukalov, einer unserer "Dienstältesten", der bei vielen Reisen dabei war. Er ist Russe, und er ist orthodox. Er hat darum gebeten, eine Frage stellen zu dürfen – immerhin handelt es sich ja hier um eine Reise, auf der die Beziehungen zu den Orthodoxen von grundlegender Bedeutung waren. Alexey Bukalov: Vielen Dank. Danke, Pater Lombardi. Heiliger Vater, ich danke Ihnen für alles, was Sie für die orthodoxe Welt tun, und möchte gerne wissen: Welche Perspektiven werden sich nach Ihrem Besuch und der außergewöhnlichen Begegnung mit dem Patriarchen von Konstantinopel für die Kontakte zum Patriarchat Moskau eröffnen? Danke. Papst Franziskus: Letzten Monat ist [Metropolit] Hilarion als Delegat von Patriarch Kyrill zur Synode gekommen. Er wollte mit mir sprechen, aber nicht als Synoden-Delegat, sondern als Präsident der Kommission für den katholisch-orthodoxen Dialog. Wir haben uns eine Weile unterhalten. Ich werde zuerst etwas über die Orthodoxie im Ganzen sagen und dann zu Moskau kommen. Ich glaube, dass wir mit der Orthodoxie in Bewegung sind. Sie haben die Sakramente, sie haben die apostolische Sukzession … wir sind auf dem Weg. Worauf müssen wir warten? Dass sich die Theologen einigen? Der Tag wird niemals kommen, das kann ich Ihnen sagen, da bin ich skeptisch. Sie arbeiten gut, die Theologen, aber ich kann mich an das erinnern, was Athenagoras zu Paul VI. gesagt haben soll: "Schicken wir diese ganzen Theologen doch einfach auf eine Insel, wo sie sich die Köpfe zerbrechen können, und wir machen hier inzwischen alleine weiter!" Ich hatte gemeint, das sei eine erfundene Geschichte, aber Bartholomäus hat mir versichert: "Nein, es stimmt. Genau das hat er gesagt!" Man kann nicht darauf warten: Die Einheit ist ein Weg; ein Weg, den wir gehen müssen, und wir müssen es gemeinsam tun. Das ist die geistliche Ökumene: gemeinsam beten, gemeinsam arbeiten. Es gibt so viele Werke der Nächstenliebe, so viel Arbeit … gemeinsam unterrichten … gemeinsam vorangehen. Das ist geistliche Ökumene. Dann gibt es noch die Ökumene des Blutes, wenn sie die Christen umbringen; wir haben viele Märtyrer … angefangen bei denen in Uganda, die vor fünfzig Jahren heilig gesprochen wurden: Sie waren zur Hälfte Anglikaner, zur Hälfte Katholiken; aber jene [die sie umgebracht haben] haben nicht gesagt: "Du bist Katholik … Du bist Anglikaner …" Nein: "Du bist Christ", und das Blut vermischt sich. Das ist die Ökumene des Blutes. Unsere Märtyrer rufen uns zu: "Wir sind eins! Wir haben bereits eine Einheit – im Geist und im Blut." Ich weiß nicht, ob ich hier schon die Anekdote von Hamburg erzählt habe; die vom Pfarrer aus Hamburg … Habe ich das? Als ich in Deutschland war, musste ich nach Hamburg, um eine Taufe zu spenden. Der Pfarrer dort arbeitete am Heiligsprechungsprozess für einen Priester, den die Nazis enthauptet hatten, weil er Kindern Katechismus-Unterricht gab. Und als er den Fall studierte, da entdeckte er auf einmal, dass hinter dem Priester in der Schlange ein lutherischer Pastor gestanden hatte, der aus demselben Grund wie der Priester aufs Schafott geschickt wurde. Das Blut der beiden vermischte sich ... Da ging der Pfarrer zum Bischof und sagte zu ihm : "Ich werde die Sache nicht für den Priester allein weiter vorantreiben: entweder beide oder keiner!" Das ist die Ökumene des Blutes, die uns sehr hilft, uns sehr viel sagt. Und ich denke, dass wir auf diesem Weg mutig vorangehen müssen. Ja, die Lehrstühle an den Universitäten gemeinsam teilen, das wird getan, aber wir müssen weitergehen, immer weiter ... Ich werde nun etwas sagen, das vielleicht nicht jeder verstehen mag, und doch … Die katholischen Ostkirchen haben ein Recht, zu existieren, das stimmt. Aber Uniatismus ist ein Wort aus einer anderen Zeit. Heute kann man nicht mehr so sprechen. Es muss ein anderer Weg gefunden werden. Und jetzt "landen" wir in Moskau. Ich habe Patriarch Kyrill zu verstehen gegeben – und er ist einverstanden –, dass der Wille zu einer Begegnung besteht. Ich habe ihm gesagt: "Ich komme dorthin, wo du willst. Ruf mich, und ich komme"; und dasselbe will auch er. Aber jetzt, mit dem Problem des Krieges, hat der Arme dort so viel um die Ohren, dass die Begegnung mit dem Papst zweitrangig geworden ist. Doch wir haben beide den Wunsch, einander zu begegnen und voranzukommen. Hilarion hat vorgeschlagen, in einer Studientagung der Kommission, in der er der Delegation der russisch-orthodoxen Kirche vorsteht, das Thema des Primats zu vertiefen. Denn wir müssen im Sinn der Bitte Johannes Pauls II. vorankommen: Helft mir, eine Form von Primat zu finden, mit der wir alle einverstanden sein können! Das ist alles, was ich dazu sagen kann. Alexey Bukalov: Danke, Heiliger Vater. Papst Franziskus: Ich danke Ihnen. Pater Lombardi: Vielen Dank. Jetzt ist Mimmo Muolo an der Reihe. Er gehört zur italienischen Gruppe, ist Journalist von "Avvenire". Mimmo Muolo: Guten Abend, Heiliger Vater. Papst Franziskus: Geht es dir gut? Mimmo Muolo: Ja, danke der Nachfrage, Heiliger Vater. Es ist mir eine Ehre, Ihnen im Namen der italienischen Journalisten die folgende Frage stellen zu dürfen. Heute Morgen, bei der Göttlichen Liturgie, haben Sie einen Satz gesagt, der mich beeindruckt hat: "Jedem von euch möchte ich versichern, dass die katholische Kirche, um das ersehnte Ziel der vollen Einheit zu erreichen, nicht beabsichtigt, irgendeine Forderung aufzuerlegen." Können Sie uns, falls möglich, diesen Satz genauer erklären und auch, ob es dabei um die Frage des Primats ging, die Sie vorhin angesprochen haben? Papst Franziskus: Das ist keine Forderung: Es ist eine Übereinkunft, weil auch sie es wollen. Es ist eine Übereinkunft, eine Form zu finden, die der Form der ersten Jahrhunderte mehr entspricht. Ich habe einmal etwas gelesen, das mir zu denken gegeben hat … Nebenbei gesagt: Das, was ich auf diesem Weg der Einheit als das Wesentlichste empfinde, habe ich in meiner gestrigen Predigt über den Heiligen Geist gesagt: Nur der Weg des Heiligen Geistes ist der richtige Weg. Er ist Überraschung. Er lässt uns erkennen, worauf es ankommt; er ist kreativ … Das Problem – das ist vielleicht eine Selbstkritik, aber es ist mehr oder weniger das, was ich bei den Generalkongregationen vor dem Konklave gesagt habe, – das Problem ist, dass die Kirche den Fehler, die sündige Gewohnheit hat, zu sehr auf sich selbst zu schauen, so als glaube sie, eigenes Licht zu haben. Doch Vorsicht: die Kirche hat kein eigenes Licht. Sie muss auf Jesus Christus schauen! Die Kirche, die ersten Väter, nannten sie "mysterium lunae", das Geheimnis des Mondes. Und warum? Weil sie Licht spendet, aber nicht ihr eigenes, sondern das, das von der Sonne kommt. Und wenn die Kirche zu sehr auf sich selbst schaut, dann kommt es zu Spaltungen. Und genau das ist nach dem ersten Jahrtausend passiert. Heute bei Tisch haben wir von dem Moment, von dem Ort – ich weiß nicht mehr, welchem – gesprochen, wo ein Kardinal dem Patriarchen die Exkommunikation des Papstes brachte: In jenem Moment hat die Kirche auf sich selbst geschaut! Sie hat nicht auf Jesus Christus geschaut. Und ich glaube, dass all diese Probleme, die es unter uns gibt, unter den Christen – wenigstens, was unsere katholische Kirche angeht – dann entstehen, wenn sie auf sich selbst schaut: wenn sie autoreferentiell wird. Bartholomäus hat heute ein Wort gebraucht, das nicht "autoreferentiell" war, ihm aber ziemlich ähnelte, sehr schön … ich kann mich jetzt nicht daran erinnern, aber es war schön, wirklich sehr schön [das Wort – ins Deutsche übersetzt – war "Introversion"]. Sie akzeptieren den Primat: In der Litanei haben sie heute für den "Hirten und Primas" gebetet. Wie haben sie gesagt? "Ποιμένα καί Πρόεδρον", "der den Vorsitz führt …". Sie erkennen ihn an, das haben sie heute gesagt, vor mir. Für die Form des Primats müssen wir aber ein bisschen weiter zurückgehen, uns vom ersten Jahrtausend inspirieren lassen. Ich sage nicht, dass sich die Kirche geirrt hat, nein. Sie ist ihren historischen Weg gegangen. Aber jetzt ist der historische Weg der Kirche der, zu dem der heilige Johannes Paul II. aufgerufen hat: Helft mir, im Licht des ersten Jahrtausends einen gemeinsamen Nenner zu finden. Hier liegt der Schlüssel. Wenn sie sich selbst bespiegelt, dann verzichtet die Kirche auf ihr Kirche-Sein und wird stattdessen zu einer "theologischen NGO" [= Nichtregierungsorganisation]. Pater Lombardi: Danke, Heiliger Vater. Erteilen wir nun unserer Freundin Hernández Velasco von "El Mundo" das Wort. Für sie ist es die letzte Reise, sie wird versetzt ... nach Paris. Irene Hernández Velasco: Danke, Heiliger Vater. Ich wollte Sie nach Ihrer gestrigen historischen Verneigung vor dem Patriarchen von Konstantinopel fragen. Vor allem würde ich gerne wissen, wie Sie mit den Kritiken von Seiten jener umzugehen gedenken, die für solche Gesten der Öffnung vielleicht kein Verständnis haben, vor allem in ultrakonservativen Kreisen; Menschen, die diese Ihre Gesten der Öffnung immer mit etwas Misstrauen betrachten … Papst Franziskus: Ich erlaube mir zu sagen, dass das nicht nur unser Problem ist: es ist auch ihr Problem [das der Orthodoxen]. Sie haben das Problem einiger Mönche, einiger Klöster, die diesen Weg eingeschlagen haben. Ein Problem beispielsweise, das seit der Zeit des seligen Papstes Paul VI. diskutiert wird, ist das Datum des Osterfestes. Und wir kommen nicht überein! Wenn wir es nämlich auf den ersten Mond nach dem 14. Nisan legen, dann riskieren wir, dass es auf ein immer späteres Datum fällt, und dann kann es uns – unseren Urenkeln – passieren, dass wir eines Tages im August Ostern feiern! Wir müssen es weiter versuchen … Der selige Paul VI. hat vorgeschlagen, sich auf ein fixes Datum, einen Sonntag im April, zu einigen. Aber Bartholomäus hat zum Beispiel in zwei Fällen Mut bewiesen – an einen kann ich mich erinnern, es gab aber auch noch einen anderen. In Finnland hat er zu der kleinen orthodoxen Gemeinde gesagt: "Feiert Ostern mit den Lutheranern, an ihrem Datum", damit es in einem Land mit christlicher Minderheit keine zwei Osterfeste gibt. Aber auch die Katholiken östlicher Tradition … Ich habe einmal bei Tisch in der Via della Scrofa – man bereitete gerade das Osterfest in der katholischen Kirche vor – einen solchen Katholiken sagen hören: "Aber nein, unser Christus steht einen Monat später von den Toten auf! Steht dein Christus heute auf?" – Darauf der andere: "Dein Christus ist mein Christus." Das Datum des Osterfestes ist wichtig. Es gibt da Widerstand, auf ihrer Seite, und auch auf der unsrigen. Und diese Gruppen der Konservativen … wir müssen sie respektvoll behandeln und dürfen nie müde werden zu erklären, Katechese zu betreiben, miteinander zu sprechen, ohne sie zu beleidigen, ohne sie anzuschwärzen, ohne über sie herzuziehen. Denn du darfst einen Menschen nicht zunichte machen, indem du sagst: "Das ist ein Konservativer." Nein. Er ist genauso ein Sohn Gottes wie ich. Aber komm, lass uns reden. Wenn er nicht reden will, dann ist das sein Problem, aber ich respektiere ihn. Geduld, Sanftmut und Dialog. Pater Lombardi: Danke, Heiliger Vater. Kommen wir nun zu Patricia Thomas von der AP, die ihre Frage im Namen des amerikanischen Journalistenpools stellt. Sie hat schon viele Papstreisen mitgemacht und repräsentiert das amerikanische Fernsehen. Patricia Thomas: Guten Tag. Erlauben Sie mir, Ich möchte eine Frage zur Bischofssynode stellen, wenn Sie erlauben ... Auf der Synode gab es eine gewisse Polemik um die Sprache; darüber, wie sich die Kirche gegenüber den Homosexuellen verhalten soll. Im ersten Dokument hieß es, dass man die Homosexuellen annehmen müsse, und es wurde sehr positiv von ihnen gesprochen. Stimmen Sie dieser Sprache zu? Papst Franziskus: Lassen Sie mich eines vorausschicken: Ich möchte, dass das Hauptthema Ihrer Artikel diese Reise ist! Aber ich werde antworten, keine Sorge. Aber dass mir das hier ja nicht ausgeschlachtet wird: die Leute sollen schließlich über diese Reise informiert werden! Aber ich werde dir antworten. Die Bischofssynode ist ein Weg, eine Wegstrecke. Das ist das erste. Zweitens: Die Synode ist kein Parlament. Sie ist ein geschützter Raum, damit der Heilige Geist sprechen kann. Jeden Tag gab es ein Briefing mit Pater Lombardi und anderen Synodenvätern, die berichteten, was an diesem Tag gesagt worden war. Manchmal waren es gegensätzliche Dinge. Dann, am Ende dieser Berichte, wurde ein Entwurf abgefasst, die erste relatio. Die wurde dann zum Arbeitsdokument für die Sprachgruppen, die es diskutiert haben. Sie machten ihre Vorschläge, und die wurden veröffentlicht, waren also allen Journalisten so zugänglich, wie auch die jeweilige Sprachgruppe – englisch, spanisch, französisch, italienisch – jeden Teil davon [von der ersten relatio] gesehen hatte. Darunter war auch der Teil, den Sie angesprochen haben. Danach ging das Ganze wieder an die Redaktionskommission zurück, und diese Kommission versuchte, alle Änderungen einzufügen. Der wesentliche Teil bleibt, aber alles muss gekürzt werden, alles, einfach alles. Und das, was an Wesentlichem geblieben ist, fließt dann in den Schlussbericht ein. Aber das ist noch nicht alles: Auch der ist ein provisorischer Text, denn er bildet nun die Lineamenta für die nächste Synode. Dieses Dokument ist an die Bischofskonferenzen geschickt worden, die es besprechen und ihre Verbesserungsvorschläge einreichen müssen. Dann schreitet man zur Abfassung eines neuen Instrumentum laboris, und die nächste Synode wird später ihr eigenes erstellen. Es ist ein langer Weg. Und das ist auch der Grund, warum man die Meinung einer Person oder eines Einwurfs nicht einfach isoliert nehmen kann. Wir müssen die Synode in ihrer Gesamtheit sehen. Ich bin auch nicht einverstanden damit – aber das ist meine Meinung, und ich will sie niemandem aufdrängen –, dass man sagt: "Heute hat dieser Synodenvater dies gesagt, heute hat dieser Synodenvater jenes gesagt." Nein, man soll sagen, was gesagt wurde, aber nicht, wer es gesagt hat, weil die Synode eben – ich sage es noch einmal – kein Parlament ist; die Synode ist ein geschützter kirchlicher Raum, und dieser Schutz besteht, damit der Heilige Geist am Werk sein kann. Das ist meine Antwort. Pater Lombardi: Danke, Heiliger Vater. Erteilen wir nun Antoine-Marie Izoard von der französischen Gruppe das Wort. Antoine-Marie Izoard: Heiliger Vater, zunächst einmal möchte ich sagen, dass die Familien Frankreichs, die Gläubigen, Sie voller Freude erwarten. Sie konnten heute nachmittag ein wenig Zeit mit den Flüchtlingen verbringen. Warum war es nicht möglich, im Rahmen dieser Reise ein Flüchtlingslager zu besuchen? Und könnten Sie uns vielleicht sagen, ob Sie sich mit dem Gedanken tragen, demnächst in den Irak zu reisen? Papst Franziskus: Ja. Ich wollte ein Flüchtlingslager besuchen, und Dr. Gasbarri hat alles genau kalkuliert, alles versucht. Aber dafür hätten wir einen Tag mehr gebraucht, und das war nicht möglich. Es war aus vielen Gründen nicht möglich, nicht nur aus Gründen persönlicher Art. So habe ich die Salesianer, die die Flüchtlingskinder betreuen, gebeten, sie mir zu bringen. Ich war also bei ihnen, bevor ich den erkrankten armenischen Erzbischof im Krankenhaus besuchen ging, und dann, am Schluss, ging es gleich weiter zum Flughafen. Ich habe mit ihnen gesprochen. Und an dieser Stelle möchte ich mich auch bei der türkischen Regierung bedanken, die großzügig ist, sehr großzügig! Ich habe vergessen, wie viele Flüchtlinge sie hier haben … Alberto Gasbarri: Fast eine Million, auf das ganze Land verteilt. Papst Franziskus: Eine Million! Habt ihr eine Vorstellung davon, was das heißt: eine Million Menschen, die zu dir kommen, und du musst dich um ihre Gesundheit, ihre Ernährung kümmern; ihnen ein Dach über dem Kopf, ein Bett geben … Das war wirklich großzügig. Ich möchte der Regierung öffentlich meinen Dank sagen. … Wie war noch einmal die andere Frage? ... Antoine-Marie Izoard: Der Irak. Papst Franziskus: Ja. In den Irak möchte ich reisen. Ich habe mit Patriarch Sako gesprochen, habe Kardinal Filoni geschickt, und im Moment ist es nicht möglich. Nicht nur, weil ich etwa nicht wollte. Wenn ich jetzt dorthin reisen würde, dann hätten die Autoritäten ein großes Problem, ein Sicherheitsproblem … Aber ich würde es sehr gerne tun, und ich will es. Danke. Pater Lombardi: Wir haben noch zwei Fragen, um den Kreis zu schließen, der vorgesehen ist. Thomas Jansen, für die deutsche Gruppe, und der Japaner Hiroshi Isida. Ich bitte Thomas, vorzutreten. Thomas Jansen: Heiliger Vater, vor ein paar Tagen haben Sie das Europaparlament in Straßburg besucht: Haben Sie mit Präsident Erdoğan auch über die Europäische Union und den Beitritt der Türkei gesprochen? Papst Franziskus: Nein, über dieses Thema haben wir mit Erdogan nicht gesprochen. Es ist merkwürdig: Wir haben über viele Dinge gesprochen, aber darüber nicht. Pater Lombardi: Jetzt sind Sie dran, Hiroshi Ishida: kommen wir also zu Asien. Hiroshi Ishida: Heiliger Vater, es freut mich, Ihnen in Vertretung der japanischen Journalisten meine Frage stellen zu dürfen. Diese Reise ist die letzte, auf der ich Sie begleiten kann – im Januar kehre ich nämlich nach Japan zurück. Aber es wird mir eine Freude sein, Sie nächstes Jahr mit den Gläubigen in Nagasaki zu erwarten. Ich möchte Ihnen also zum "Dritten Weltkrieg" und zu den Atomwaffen eine Frage stellen: Bei der Gedenkfeier im September in Redipuglia haben Sie gesagt, dass der Dritte Weltkrieg "in Etappen" wohl schon auf der ganzen Welt ausgetragen wird. Nächstes Jahr begehen wir den 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs und des tragischen Abwurfs der Atombombe auf Hiroshima und Nagasaki. Noch immer gibt es auf der Welt viele Atomwaffen. Was denken Sie über die Tragödie von Hiroshima und Nagasaki, und wie sollten wir Menschen Ihrer Meinung nach mit diesen Atomwaffen und der Bedrohung durch die Strahlungen umgehen? Danke. Papst Franziskus: Ich muss zwei Dinge sagen. Erstens: es ist meine persönliche Meinung, aber ich bin überzeugt davon, dass wir einen dritten Weltkrieg erleben, in Etappen, in Kapiteln, überall. Dahinter stecken Feindschaften, politische Fragen, wirtschaftliche Fragen – nicht nur, aber davon gibt es viele, um dieses System zu retten, das den Götzen Geld in den Mittelpunkt stellt, und nicht die menschliche Person – und kommerzielle Interessen. Der Handel mit Waffen ist etwas Schreckliches, er ist derzeit eines der blühendsten Geschäfte. Und darum glaube ich, dass dieses Phänomen zunimmt, weil Waffen in Umlauf gebracht werden. Ich denke an letztes Jahr im September, als gesagt wurde, dass Syrien chemische Waffen hätte. Ich glaube nicht, dass Syrien in der Lage wäre, chemische Waffen herzustellen. Wer hat sie ihnen verkauft? Vielleicht einige von denen, die sie dann dieses Besitzes bezichtigt haben? Ich weiß es nicht. Aber dieses Geschäft mit den Waffen ist mehr als mysteriös. Zweites. Die Atomenergie. Es stimmt, das Beispiel von Hiroshima und Nagasaki … Die Menschheit hat nichts dazugelernt, rein gar nichts. Was dieses Thema angeht, hat sie noch nicht einmal das Grundkonzept verstanden. Gott hat uns die Schöpfung gegeben, damit wir aus der ursprünglichen Zivilisationslosigkeit eine Zivilisation entstehen ließen. Wir können sie vorantreiben. Das hat der Mensch getan und ist dabei bis zur Atomenergie gelangt, die für vieles dienen kann, aber er benützt sie auch dazu, die Schöpfung, die Menschheit, zu zerstören. Und das wird zu einer zweiten Form von Zivilisationslosigkeit: Jene ursprüngliche Zivilisationslosigkeit, die der Mensch in Zivilisation verwandeln sollte, wird zu einer weiteren Zivilisationslosigkeit, der zweiten. Und diese ist – ich will nicht sagen, das Ende der Welt ‒, aber doch eine Zivilisationslosigkeit mit Endzeit-Charakter. Dann werden wir wieder ganz von vorn anfangen müssen, und es ist schrecklich zu sehen, wie eure beiden Städte wieder ganz von vorne anfangen mussten. Pater Lombardi: Kommen wir also zur letzten Frage, für die sich Frau Giansoldati von der italienischen Gruppe eingetragen hatte, und damit schließen wir dann. Franca Giansoldati: Heiliger Vater, Sie kehren nun aus der Türkei zurück. Ich habe nichts über die Armenier gehört. Nächstes Jahr begehen wir den hundertsten Jahrestag des Völkermords an den Armeniern, den die türkische Regierung noch immer leugnet. Ich wüsste gern, was Sie darüber denken. Und Sie haben vorhin auch über das Martyrium des Blutes gesprochen, was genau an das erinnert, was hier passiert ist und anderthalb Millionen Menschen das Leben kostete. Papst Franziskus: Danke. Ich bin heute ins armenische Krankenhaus gegangen, um den armenischen Erzbischof zu besuchen, der schon seit geraumer Zeit dort liegt, seit langer Zeit krank ist … So hatte ich auf dieser Reise heute Kontakte zu Armeniern. Die türkische Regierung hat ein Zeichen gesetzt: der damalige Premierminister Erdoğan hat an dem Tag, an dem sich dieser Gedenktag jährte, einen Brief geschrieben. Einen Brief, der manchen nicht deutlich genug war, meiner Meinung nach aber – egal, ob die Geste nun groß oder klein war – einer ausgestreckten Hand gleichkam. Und das ist immer positiv. Ich kann die Hand so oder nur so ausstrecken [Seine Heiligkeit zeigt die Geste mit der Hand] in Erwartung dessen, was der andere sagt, damit ich mich nicht blamiere. Und das, was der damalige Premierminister getan hat, ist positiv. Eine Sache, die mir sehr am Herzen liegt, ist die türkisch-armenische Grenze: Wenn man sie öffnen könnte, diese Grenze, das wäre schon eine schöne Sache! Ich weiß, dass es in dieser Zone geopolitische Probleme gibt, die die Öffnung dieser Grenze nicht gerade leicht machen. Doch wir müssen für die Aussöhnung der Völker beten. Ich weiß auch, dass man auf beiden Seiten gut gewillt ist – wie ich glaube –, und wir müssen dabei helfen, dass das auch wirklich geschieht. Für nächstes Jahr sind viele Gedenkfeiern dieses hundertsten Jahrestages vorgesehen, aber hoffen wir, dass man den Weg der kleinen Gesten einschlägt, der kleinen Schritte der Annäherung. Das möchte ich in diesem Moment dazu sagen. Danke. Pater Lombardi: Vielen Dank, Heiliger Vater. Danke für diese ausführliche Konferenz, die in einem so unbeschwerten Klima erfolgt ist und uns allen so viel Freude und Frieden beschert hat. Abschließend möchte ich Sie nur noch um ein paar Worte für KTO bitten – den französischen Kirchensender, der sein 15jähriges Bestehen feiert. Papst Franziskus: KTO … Einen herzlichen Gruß, einen herzlichen Gruß und meine besten Wünsche, dass ihr auch weiterhin dazu beitragen mögt, die Dinge zu verstehen, die auf der Welt geschehen. Alles Gute, der Herr segne euch! Ich danke Ihnen allen für Ihre Liebenswürdigkeit, und bitte, vergessen Sie nicht, für mich zu beten. Ich brauche das. Danke. Pater Lombardi: Danke, Heiliger Vater, wirklich vielen herzlichen Dank für dieses Geschenk. [ENDE DER PRESSEKONFERENZ MIT SEINER HEILIGKEIT PAPST FRANZISKUS BEIM FLUG VON DER TÜRKEI NACH ITALIEN.] Bevor der Heilige Vater dann in das vatikanische Hoheitsgebiet zurückgekehrt ist, kehrte er noch in die Basilika Santa Maria Maggiore ein, um der allerseligsten Jungfrau und Gottesmutter Maria als der Madonna Salus Populi Romani für den guten Ausgang seiner Apostolischen Reise in die Türkei zu danken. Und hier folgen noch die letzten Videos vom Besuch Seiner Heiligkeit Papst Franziskus in der Türkei: 1. Video mit der Zusammenfassung des Treffens Seiner Heiligkeit mit Flüchtlingen in der Heilig-Geist-Kathedrale von Istanbul am Nachmittag des 30. November 2014: 2. Video mit der Abschiedszeremonie für Papst Franziskus am Atatürk-Flughafen von Istanbul am selben 30. November 2014: 3. Video mit kurzen Ausschnitten der Pressekonferenz des Heiligen Vaters Franziskus auf dem Rückflug (30. November 2014): Bisher sind somit in meinem Blogbuch zur Apostolischen Reise Seiner Heiligkeit Papst Franziskus erschienen: 1. Franziskus-Türkei-Eintrag für den 28. 11. 2014: Anerkennung für humanitäre Flüchtlingspolitik und Besuch bei Atatürk 2. Franziskus-Türkei-Eintrag für denselben 28. 11. 2014: Ansprachen bei säkularer und religiöser Autorität (Diyanet) 3. Franziskus-Türkei-Eintrag für den 29. 11. 2014: Tag der türkischen Katholiken aller Riten in Istanbul mit ökumenischen und interreligiösen Schwerpunkten 4. Franziskus-Bartholomäus-Türkei-Eintrag für den 29./30. 11. 2014: Andreastag zur Vertiefung der Gemeinschaftlichkeit von Petrus und Andreas, d. h. von Franziskus und Bartholomaios, zwischen katholischer und orthodoxer Kirche 5. Franziskus-Türkei-Eintrag für den 30. 11. 2014 (siehe oben): Begegnung mit Flüchtlingen, Besuch beim erkrankten armenisch-apostolischen Patriarchen und Pressekonferenz auf dem Rückflug Im nächsten und letzten direkten Eintrag zur Apostolischen Reise Seiner Heiligkeit Papst Franziskus in die Türkei erfolgen noch eine kurze Einschätzung des Vorsitzenden der katholischen Türkischen Bischofskonferenz, Metropolit Erzbischof Dr. Dr. Ruggero Franceschini OFMCap, und der Rückblick des Papstes bei der Generalaudienz in Rom. In großer Freude über den derart gut gelungenen Besuch des Heiligen Vaters in der Türkei verbleibe ich mit herzlichen Adventgrüßen Euer Padre Alex - Dr. Alexander Pytlik |
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