Theresia von Avila - die rechte Deutung?
(18. Februar 2002)

Eberhard Wagner

Hier befinden Sie sich in der Gastsektion von Eberhard Wagner, bekannter Romanautor und Denker in Österreich. Sein Roman "Helena - das Gute ist, was bleibt", kann besonders zum Kauf empfohlen werden: ISBN 3-85165-360-2 im Passagenverlag Wien 2000.


Eberhard Wagner (Schrifsteller - Denker):
Ausgangsportal - Elektronische Nachricht

Ein herzlicher Dank ergeht an ihn für den folgenden Beitrag zur zusätzlichen Veröffentlichung auf www.padre.at:



Reaktion auf einen Eintrag im Gästebuch 2002 (Teil 1) über die heilige Theresia von Avila: Also so ganz kann ich Ihrem Beitrag - wiewohl als Dritter, Unbeteiligter - nicht beitreten! Zwar ist richtig, daß Moralist zu sein nicht der Weg der allumfassenden Wahrheit und Erkenntnisoffenheit ist - der Weg zu Gott, der uns im Erkennen an ihm teilhaben läßt, uns damit zu unserer wahren Würde führt. Aber so ganz darf man deshalb die Moral und das Bemühen nicht fortlassen. Schon gar bei Kindern, denen eine rationale Auseinandersetzung mit Verschiedenem noch nicht möglich ist und denen es als Erziehender - mit Liebe, die sich immer ans Gut (worin Sein sichtbar wird) wendet, dieses stärken will - ein Weg durch Grenzen (die Moralsätze als Natur beschreibend sind) doch gezeigt werden muß. Es ist natürlich bedauerlich, daß dabei sicher oft überzogen wurde und wird.

Ganz sicher geht es nicht ohne eigene Anstrengung! Jede Sünde beruht auf einem Irrtum, auf einer (im Habitus gar schon verfleischlichten, zur zweiten Natur gewordenen) Fehlannahme über ein Gut, und diese Neigung zum Irrtum (aus Ungehorsam sprich: Erkenntnisverweigerung) tragen wir sogar vererbt in uns. Und jeder Irrtum aber ist somit ein Weg weg von Gott - und so ist es auch jede Sünde. Der Weg zu Gott ist der Weg der Wahrheit: Denn Gott ist die Wahrheit. Und nur im Wahren, im Handeln im Guten und in seiner Gestalt des Schönen letztlich werden wir vor Gott kommen: nichts Unreines kommt ins Himmelreich. Wir müssen vollkommen werden, und das werden wir nicht im Dasitzen und Warten auf Gott, sondern indem wir zur Persönlichkeit werden. Und das heißt: Hinausschreiten, das Begegnende erkennen wollen und antworten, gerecht werden, ohne auf uns zu blicken. Das ist der Auftrag von Gott an uns, und es ist jener Auftrag, der uns (im Rahmen unserer Berufungen wie sie z. B. in den Anlagen sichtbar sind) als von ihm vorgesehener Weg zu ihm hin führt: wir müssen heilig werden. Dann werden wir Gott schauen. Auf Wunder oder ganz besondere Gnadenerweise aber - die es zweifellos auch gibt - zu warten, ist eine Ohrfeige für Gott, Vermessenheit, solange wir nicht taten, was wir konnten. Nicht sein für uns anzunehmender vorgesehener Weg eben, sonst wären es keine Wunder.

Theresias Weg nun ist deshalb so bewundernswert und von mir besonders geschätzt, weil sie diesen Weg der (analogen) Wahr-Werdung letztlich so herausbearbeitet hat. Bei aller Wertschätzung, die Sie für die heilige Theresia von Avila zu hegen pflegen, muß man doch hinweisen, daß Divergenzen darin jedoch zu bestehen scheinen, wie Sie meinen, daß die heilige Theresia zu ihren Aussagen gekommen sein mag und wie dies wirklich geschah. Da wird z. B. übersehen, daß sie (wie aus ihren Schriften hervorgeht) in vollem Umfang auf dem Boden der katholischen Theologie wie Philosophie stand. Somit fand die Gnade, die in der Schau - ein Zustand, der dem des Paradieses zu vergleichen ist und den wir wieder erwarten dürfen - einen reichen, fruchtbaren Boden tiefer Wahrhaftigkeit in der Tugend: Durch diese geht sie bis an jenen Punkt, wo einen nur noch Gott abholen kann, wo er sich niederneigt. Und damit wird auch verständlich, daß das von Theresia Geschaute nicht von dem abwich, was sie irdisch erkannt hatte, sondern es lediglich bei weitem übertraf. Um ersteres hatte sie sich zutiefst bemüht: In einem Kampf um Reinheit, Sündenlosigkeit eben, von einer immer stärkeren Liebe zur Wahrheit und damit Teilhabe an Gott befeuert.

Dazu ist es auch wichtig zu sehen, daß das, was ist, nur soweit ist als es am Sein teilhat. Alles Geschaffene erzählt somit von Gott, indem es als Analogie Gott in gewisser Weise darstellt - wodurch Erkennen zur Teilhabe an Gott wird. Was Erkenntnis aber behindert, ist ... Widernatürlichkeit, Nicht-Gottgedanken-Gemäßheit also, als die man Sünde vereinfacht darstellen könnte. Und deshalb ist sie wider Gott. Wer Gott also sucht, ohne die Wahrheit zu suchen und zu lieben, und ohne die Sünde als "Mißinterpretation" zu hassen, der wird ihn nicht finden. Und je mehr jemand die Wahrheit hat und fleischlich hält, umso mehr wird er eins mit Gott.

In uns selbst ist Gott somit eben auch als Analogie in oben geschilderter Weise zu finden - in jedem Fall, sonst gäbe es uns nicht. Da Erkennen als "werden wie" letztlich ein fleischlicher Vorgang ist, findet sich im Wahrhaftigen auch mehr und mehr Gott. Dieser aber wird nicht durch Reflexivität sichtbar, durch In-sich-Gekehrtheit also, sondern er ist es immanent in einer Beiwohnung, die umso weniger dem Bewußtsein vor Augen steht, je mehr diese Einwohnung zu unserer Natur geworden ist! Und insofern kann man dann auch von immerwährendem Gebet sprechen, wieweit eben mein Sein (agere sequitur esse - das Handeln folgt dem Sein) bereits durch Konformität mit der Wahrheit ein einziger Lobpreis vor Gott ist. Und dies heißt auch: der Weg zur Persönlichkeit durch Selbsüberschreitung, nicht durch -auslöschung..

Erlauben Sie mir in Fortführung dieser Gedanken auch ein wenig auf die im Gästebucheintrag genannte Homepage einzugehen, die ich überflogen habe: Denn natürlich wiederholt sich dort, was auch hier zu bemerken ist. Keinesfalls aber kann es - wie auf der Homepage über die heilige Theresia zu sehen - natürliche Erkenntnis geben, die der göttlichen Offenbarung widerspricht. Was Sie als Geheimnis darstellen, ist also nicht ein Geheimnis im eigentlichen Sinn, sondern bestenfalls "verwunderlich": Sie stellen es dar als etwas, wo "trotz" gewisser naturwissenschaftlicher Erkenntnisse, die der Offenbarung widersprechen (und die, das darf ich mir erlauben, keineswegs gesichterte naturwissenschaftliche Wahrheit sind, sondern z. B. im Falle der Evolution Postulate, die versuchen, Welterklärung ohne Gott zu liefern, die so nebenbei auch noch auf einem ganzen Berg von Irrtümern aufsitzen), daß Gott irgendwie (aber, erlauben Sie: nicht durch Ihre Worte nachvollziehbar) vorhanden oder erkennbar ist (oder: sein soll). Geheimnis heißt aber, daß etwas absolut in Einklang mit der Vernunft ist, aber nicht mehr weiter auflösbar - dazu bedürfte es schon der Schau. Geheimnis und Wunder sind zwei Paar Schuhe.

Nein, es kann nur eine Wahrheit geben. Und auf der Basis irrtumsfreier natürlicher Erkenntnis eben läßt sich die ungeheure Großartigkeit des Göttlichen erst ermessen, fordert diese großartige Vernünftigkeit, dem Glaubensinhalt (und seinen Verkündern) zuzustimmen. Einerseits, und andererseits ist ja Wissen keine Frage von "voraussetzungsloser Wissenschaft", die gibt es nämlich nicht, sondern eine Frage des Sinnhorizonts, vor dem die Fakten, die Tatsachen erst eingeordnet und damit zu Wissen werden können. Womit eine Offenbarung die natürliche Erkenntnis wiederum erleuchtet. Würde "wahr sein", was Sie als vorgebliche Wahrheit über die Schöpfung schreiben - ich würde zu glauben aufhören, ja aufhören MÜSSEN, denn Glaube wäre dann widervernünftig.

Noch ein Wort zur Mystik: Ich möchte eindringlich warnen, Mystik als quasi "Alternativweg" zu Gott - neben der Kirche, neben der katholischen Wahrheit und dem oft mühsamen Weg zur Tugend (als fleischliche Disposition aus Wahrheit zum Guten) zu sehen. Sie ist sicher keine Gefühlsschwärmerei oder -suche und auch ganz sicher nicht machbar. Und von einer Theresia von Avila sogar dann befürchtet worden. Sie bat meines Wissens sogar Gott (wie so viele andere Mystiker), ihr diese Schauen (an einem Höhepunkt menschlichen Erkennens, wie gesagt) wieder zu nehmen, aus Angst, der Erlebniseindruck könnte sie gefährden, diesem und nicht der Wahrheit zu folgen, womit die Täuschungsmöglichkeit durch den Teufel enorm groß wäre, denn wie das dann noch überprüfen? Weshalb sie ja auch (wie auch alle Mystiker) einen ganz normalen Beichtvater hatte (bzw. dann Johannes v. Kreuz als Weggefährten). Und im übrigen auch immer darnach verlangte, daß demjenigen, der diesen Weg geht, einer zugeteilt werde. Gerade Theresia befaßte sich eindringlich mit dem Wesen der Seele und ihrem langen, mühsamen Weg zu Gott ("Seelenburg") und wußte und "predigte" auch, daß am Ende des irdisch Möglichen an Wahrheit ... Gnade der mystischen Gottesschau MÖGLICH wird. Theresia war keine Moralistin, ja, sie war eine Fanatikerin der Wahrheit im Menschen, der der Sünde widerstreitet. Selbst in der zeitlichen Dauer ihres Weges dürfen wir uns gerade heute nicht täuschen: Wir befinden uns in einer zerfallenen Kultur, während Theresia noch in vielem auf eine kulturell-positive Prägung ihrer Persönlichkeit zurückgreifen konnte, die an sich schon mehr zur Wahrheit disponierte.

Dem, was Sie schreiben, hätte, mit Verlaub, Theresia von Avila NIEMALS zugestimmt.

Liebe Grüße - Eberhard Wagner


Padre Alex (Gastgeber):
Heimatseiten - Wissenschaft - Stellungnahmen

Sehr gerne nehme ich weitere seriöse Beiträge und Links entgegen. Entsprechende elektronische Nachrichten am besten per Mail oder ohne Mailprogramm per Formular an mich senden. Bei der Suche nach der Wahrheit in allen Bereichen wünsche ich alles Gute!