Thursday, February 25. 2010
Posted by Padre Alex / Dr. Alexander Pytlik
in Kirchenrecht, News Kommentare
Comments (0) Trackbacks (2) SEXUELLER MISSBRAUCH UND HEIMKINDER: KATHOLISCHE BISCHÖFE UND BISCHOFSKONFERENZ FÜR RADIKALE OPTION PRO AUFKLÄRUNG
Diesmal stand die Frühjahrsvollversammlung der Katholischen Bischofskonferenz Deutschlands unter besonderer Beachtung aufgrund der Problematik innerkirchlichen klerikalen sexuellen Mißbrauchs Minderjähriger. Aus diesem Grund sei an dieser Stelle betont, daß der gesamte Pressebericht des hochwürdigsten Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, wertvolle und berichtenswürdige Thematiken enthält, die durch den letztlich unausweichlichen Themenschwerpunkt medial in den Hintergrund treten. So waren beispielsweise der Studientag "Die alternde Gesellschaft als Herausforderung für die Kirche", die Standortbestimmung und die Perspektiven der Berufungspastoral im laufenden Jahr des Priesters, der Dialog zwischen den Kirchen und der Europäischen Union, die katholische Theologie an den Hochschulen oder der Bericht über das internationale Bischofstreffen im Heiligen Land von großer Bedeutung. An neunter Stelle (von zehn Punkten) rangiert die Caritas mit dem wichtigen Kapitel "Ehemalige Heimkinder – Sachstand nach der Veröffentlichung des Zwischenberichts". Um aufzuzeigen, wie offensiv die katholischen Bischöfe Deutschlands auch schwierige Fragen aufgreifen, sei dieser Punkt zunächst vollständig zitiert (Hervorhebungen und Verlinkungen stammen in allen nachfolgenden Passagen von mir):
"Die Vollversammlung hat sich mit dem Zwischenbericht des 'Runden Tisches Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren' befaßt. Der Zwischenbericht stellt eine Verständigung aller Mitglieder des Runden Tisches Heimerziehung – einschließlich der Betroffenen – auf gemeinsame Einschätzungen zu einer tragfähigen Bewertung der Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren dar. Er stellt eine Verantwortungsgemeinschaft für das Schicksal ehemaliger Heimkinder in der damaligen Zeit heraus: es habe für jedes Heimkind zu jeder Zeit eine formal zuständige, verantwortliche Person beziehungsweise Institution gegeben. Die Tragik der damaligen Heimerziehung ist als das Ergebnis zahlreicher Faktoren beschrieben, die von fragwürdigen Anlässen für eine Heimeinweisung über eine auf Führung, Kontrolle und Bestrafung basierende Erziehung bis hin zur mangelnden Aufsicht über die Heime reichten. Die Bischöfe drücken ihr tiefes Bedauern über die Beteiligung katholischer Einrichtungen an dieser negativen Seite der Heimerziehung aus. Die Vollversammlung hat sich über vielfältige Initiativen im Bereich der Katholischen Kirche mit dem Ziel der Entstigmatisierung und Rehabilitierung der Betroffenen informiert. Neben Bemühungen durch einzelne Träger und auf diözesaner Ebene ist besonders die im Januar 2010 frei geschaltete Service-Hotline für ehemalige Heimkinder aus katholischen Einrichtungen zu nennen. Die bundesweite Hotline bietet die Möglichkeit, sich zu persönlichen Fragen und Problemen in Bezug auf die eigenen Erfahrungen und Erlebnisse in Heimen in Trägerschaft der Katholischen Kirche in den 50er und 60er Jahren zu informieren und Beratung in Anspruch zu nehmen. Seit Schaltung der Hotline vor sechs Wochen hat es 243 telefonische Beratungsgespräche gegeben, die in der Regel zwischen 30 und 90 Minuten dauern. Zumeist suchen die Anrufer Ansprechpartner, um ihre Erlebnisse aufzuarbeiten. Mehrfach wurden auch Therapieplätze vermittelt. Zudem bitten Anrufer darum, kirchliche Akten über ihren Heimaufenthalt einsehen zu können." Daran wird erkennbar, daß noch ein langer Weg mit allen Konsequenzen zu gehen ist. Unter den zehn Punkten des genannten Presseberichtes des Vorsitzenden der Bischofskonferenz ist als dritter Punkt "Sexueller Mißbrauch an Minderjährigen" benannt, wobei es heißt: "Die in den vergangenen Wochen bekannt gewordenen Fälle sexuellen Mißbrauchs haben uns tief erschüttert. Die Deutsche Bischofskonferenz hat durch verschiedene öffentliche Äußerungen umgehend reagiert. In meinem Eröffnungsstatement am Montag habe ich in aller Deutlichkeit gesagt, daß sexueller Mißbrauch an Minderjährigen ein abscheuliches Verbrechen ist. Im Raum der Kirche wiegt der Mißbrauch besonders schwer, weil es ein besonderes Vertrauen von Kindern und Jugendlichen in den Priester gibt. In den Beratungen der Vollversammlung ist unterstrichen worden: es darf keinen Mißbrauch geben, schon gar nicht im Raum der Kirche. Wir Bischöfe bitten um Entschuldigung für das erlittene Unrecht. Während der Vollversammlung haben wir uns mit Experten beraten. Unter den Gästen war Prof. Dr. Norbert Leygraf. Er ist als forensischer Psychiater international anerkannt. Er hat aus psychiatrischer Sicht zur gegenwärtigen Debatte gesprochen. Bischof Dr. Felix Genn hat das Thema aus Sicht der Persönlichkeitsstärkung und der Prüfung der psychosexuellen Reife von Priesteramtskandidaten beleuchtet. Der Leiter der Schulstiftung des Erzbistums Freiburg, Dietfried Scherer, hat die Bischöfe über seine Erfahrungen im Bereich der Prävention unterrichtet. Dr. Manfred Lütz, Psychiater am Alexianer-Krankenhaus in Köln, berät die Deutsche Bischofskonferenz bereits seit längerem in Fragen des sexuellen Mißbrauchs. Wir sind zur lückenlosen Aufklärung dieses schweren Unrechts entschlossen. Die Öffentlichkeit und vor allem ihre Verantwortungsträger bitte ich um fairen Umgang mit uns. Die falschen Behauptungen der Bundesjustizministerin am Montag dieser Woche in den ARD-Tagesthemen waren schwere Vorwürfe gegen uns. Die Ministerin hat die Rechtstreue der Katholischen Kirche in Zweifel gezogen. Das wiegt im Rechtsstaat ganz besonders schwer. Deshalb habe ich eine Frist gesetzt. Wir stehen in Kontakt mit dem Ministerbüro. Die Bundesministerin hat heute brieflich reagiert. Ich begrüße die Entwicklung hin auf Verständigung und gehe von einem baldigen Gespräch aus. Wie in jedem Jahr nach der Vollversammlung werde ich demnächst zu Gesprächen nach Rom fahren. Bei meinem Besuch des Papstes will ich die Thematik des sexuellen Mißbrauchs ansprechen. Wir haben das Thema sexueller Mißbrauch an Minderjährigen ausführlich diskutiert. Ich bin dankbar, daß wir zum Abschluß der Vollversammlung in Freiburg eine gemeinsame Erklärung verfaßt haben, die das weitere Vorgehen beschreibt. Diese Erklärung möchte ich Ihnen jetzt vortragen". Die nun folgende Zusatzerklärung der Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz aus Anlaß der Aufdeckung von Fällen sexuellen Mißbrauchs an Minderjährigen im kirchlichen Bereich hat den folgenden wegweisenden Wortlaut: "Enthüllungen sexuellen Mißbrauchs Minderjähriger durch Geistliche und Mitarbeiter der Kirche erschüttern uns in diesen Tagen. Wir Bischöfe stellen uns unserer Verantwortung. Wir verurteilen die Verbrechen, die Ordensleute sowie Priester und Mitarbeiter unserer Bistümer begangen haben. Beschämt und schockiert bitten wir alle um Entschuldigung und Vergebung, die Opfer dieser abscheulichen Taten geworden sind. 1. Die Wahrheit aufdecken Wer sich an Kindern oder Jugendlichen sexuell vergeht, fügt ihnen oft lebenslang quälende Wunden zu. Lehrer und Erzieher verraten dabei aufs Tiefste das Vertrauen junger Menschen. Sie verletzen ihre Intimsphäre, statt sie zu schützen. Wenn der Täter ein Priester ist, wiegt dieses Vergehen besonders schwer. Es steht im Widerspruch zum geistlichen Amt, weil dann der Priester die besondere Nähe ausnutzt, die Menschen mit einem Seelsorger verbindet. Wir deutschen Bischöfe sind betroffen über jeden Fall sexuellen Mißbrauchs durch Geistliche und andere Mitarbeiter. Wir wollen eine ehrliche Aufklärung, frei von falscher Rücksichtnahme, auch wenn uns Vorfälle gemeldet werden, die schon lange zurückliegen. Die Opfer haben ein Recht darauf. 2. Die Leitlinien auswerten Wir stehen nicht am Anfang der Auseinandersetzung mit solchen Verfehlungen, auch wenn wir ihr Ausmaß bislang unterschätzt haben. Vor acht Jahren haben wir die 'Leitlinien zum Vorgehen bei sexuellem Mißbrauch Minderjähriger durch Geistliche im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz' (26. 09. 2002) erarbeitet. Sie gelten in allen Bistümern. Der Zusammenschluß der deutschen Ordensoberen hat sie übernommen. Sie verhindern Vertuschung und Verschleierung. Die Leitlinien sagen den Opfern und ihren Angehörigen eine menschliche, therapeutische und seelsorgliche Hilfe zu, die individuell angepaßt ist. In jedem Bistum gibt es Ansprechpartner, an die man sich im Verdachtsfall oder mit Fragen wenden kann. Wir werden klären, wie ihre Auswahl noch verbessert werden kann und ob ihre Arbeit durch weitere Personen und Ombudsleute ergänzt werden soll. Besondere Bedeutung hat für uns auch die frühzeitige Einschaltung der Staatsanwaltschaften. Wir unterstützen die Behörden aktiv bei ihrer Arbeit. Wir haben einige Verantwortliche im Personalbereich unserer Bistümer gebeten, mit der Unterstützung unabhängiger externer Berater die Leitlinien und ihre Umsetzung zu überprüfen. Wir erwarten bis zum Sommer weiterführende Vorschläge. 3. Die Prävention stärken Die Vergangenheit verlangt Aufklärung und den Schutz gegen den Rückfall von Tätern. Deshalb holen wir vor der Entscheidung über die berufliche Zukunft eines Täters die Stellungnahme anerkannter Spezialgutachter ein und werden diese Begutachtung zur Pflicht machen. Die Zukunft verlangt weitere Schritte zur umfassenden Prävention. Wir fordern die Gemeinden und besonders die Verantwortlichen in unseren Schulen und der Jugendarbeit auf, eine Kultur des aufmerksamen Hinschauens zu pflegen. Wir unterstützen eine Pädagogik, die der Stärkung der Persönlichkeit jedes einzelnen Kindes und Jugendlichen verpflichtet ist. Die Forderung nach Prävention betrifft alle Bereiche der Gesellschaft, wo Kinder und Jugendliche zu Erwachsenen ein Verhältnis besonderen Vertrauens unterhalten und zugleich von ihnen abhängig sind. In Deutschland gibt es viele Initiativen der Zivilgesellschaft und Einrichtungen des Staates gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen. Sie helfen dabei, Aufklärung und Prävention zu stärken. Wir wollen von ihnen lernen und zeitnah das Gespräch suchen, um klarer zu erkennen, was der Kirche zur Prävention sexuellen Mißbrauchs in ihrem eigenen Bereich möglich und abverlangt ist. Wir Bischöfe führen auch Gespräche mit Opfern. Wir werden tun, was wir zu tun im Stande sind, damit die Wunden heilen können und keine neuen zugefügt werden. Der Zölibat der Priester ist, wie uns Fachleute bestätigen, nicht schuld am Verbrechen sexuellen Mißbrauchs. Ein zölibatäres Leben kann aber nur versprechen, wer dazu die nötige menschliche und emotionale Reife hat. Zur Prävention gehört eine entsprechend sorgfältige Ausbildung der künftigen Priester. Deshalb geben wir einen Bericht in Auftrag, ob wir den Weihekandidaten im Hinblick auf die Eignung zum Zölibat noch bessere Hilfen zur Stärkung der psychosexuellen Reife anbieten können. Wir prüfen zudem, welche weiterführenden Formen der Unterstützung unserer Priester es in diesem Bereich gibt. Auch unsere pastoralen und pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen entsprechend geeignet sein und begleitet werden. 4. Verantwortung verorten Der Bischof von Trier, Dr. Stephan Ackermann, ist ab sofort besonderer Beauftragter der Bischofskonferenz für alle Fragen im Zusammenhang des sexuellen Mißbrauchs Minderjähriger im kirchlichen Bereich. Ihn unterstützt ein Büro, das wir im Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz einrichten. Es wird die Zusammenarbeit zwischen den Bistümern und mit den Orden in allen relevanten Fragen ausbauen und für die Verbindung mit den zivilgesellschaftlichen Initiativen und staatlichen Aktivitäten sorgen. Wir starten zudem eine bundesweite Hotline zur Information in Fragen des sexuellen Mißbrauchs Minderjähriger im kirchlichen Bereich. Wir deutschen Bischöfe danken allen, die in diesen Wochen dabei helfen, Unrecht und Leid im Zusammenhang sexuellen Mißbrauchs Minderjähriger im kirchlichen Bereich aufzuklären und aufzuarbeiten. Wir bitten zugleich um die Unterstützung durch den Sachverstand derer, die außerhalb der Kirche aktiv sind. Die allermeisten Geistlichen verrichten ihren Dienst mit Hingabe und großer Glaubwürdigkeit. Wir danken ihnen und allen anderen Mitarbeitern, besonders in den katholischen Schulen und in der Jugendarbeit, für ihren großen Einsatz, den sie auch in diesen schwierigen Wochen unbeirrt erbringen. Die Fastenzeit gibt uns in besonderer Weise die Gelegenheit zu Gewissenserforschung und Umkehr, damit unser Lebenszeugnis glaubwürdig ist." In der Tat haben sich die katholischen Bischöfe Deutschlands sehr vieles vorgenommen und den einzig möglichen Weg vorgezeichnet. Ich bin mit diesen Ergebnissen äußerst zufrieden, und ich hoffe, daß nunmehr sämtliche Opfer sexuellen Mißbrauchs mit ihren Vorwürfen ausnahmslos bis an die obersten Stellen kommen und aufmerksames Gehör finden dürfen. Die Einrichtung des dauernden Büros, welches den hochwürdigsten Diözesanbischof von Trier, Dr. Stephan Ackermann, unterstützen wird, halte ich für großartig und in aller Zukunft unersetzlich. Schon heute sage ich Diözesanbischof Ackermann ein persönliches herzliches Vergelt's Gott, daß er diesen schwierigen Dienst übernommen hat. Mit herzlichem Gruß, Euer Padre Alex - Vizeoffizial Dr. Alexander Pytlik |
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