Wie bereits in diesem Blogbuch ausführlich beworben und angekündigt, referierte H. H. Professor Dr. Heinrich Reinhardt in Eichstätt über ein zentrales Thema der Philosophie. Der "
Initiativkreis katholischer Laien und Priester in der Diözese Eichstätt" und die katholische Wallfahrtspfarrei St. Marien Buchenhüll hatten eingeladen, und am 16. Dezember 2004 kam der in Freising geborene, in Chur (Schweiz) lehrende Priester und Philosoph Professor Dr. Heinrich Reinhardt nach Eichstätt, um an der Katholischen Universität einen Gastvortrag zu halten. Wie Kirchenrektor Dr. Alexander Pytlik in seiner kurzen Begrüßung klarstellte, ist Prof. Reinhardt in Eichstätt kein Unbekannter. Vor 30 Jahren hat er als wissenschaftlicher Assistent beim "
Handbuch der Dogmengeschichte" bereits hier gewirkt, und vor 6 Monaten ist er zurückgekehrt, um für die römisch-katholische Filialgemeinde St. Marien Buchenhüll eine vielbeachtete pastorale Intensivwoche zur Erneuerung und Vertiefung des katholischen Glaubens (Volksmission) zu halten.
In seiner Gastvorlesung ging Reinhardt zunächst auf die geistige "
Großwetterlage" ein, die sich nach dem Tod G. W. F. Hegel (1831) in Europa immer weiter ausgebreitet hatte: Unlust an den kühnen Abenteuern des Denkens, Rückzug auf die reinen Erfahrungswerte, ja beinahe Abschaffung der Philosophie durch sich selbst. Diese Gesamtsituation beschrieb Reinhardt als einen Sieg der Skepsis. Ein "
Sieg", der bis heute nachwirkt: sowohl traditionelle wie neuartige Versuche, das Wissen durch eine "
letzte" - d. h. durch eine nicht mehr weiter hinterfragbare - Begründung zu verankern, erscheinen wenig glaubwürdig. Das kann zunächst wie eine Befreiung von geistiger Bevormundung erscheinen. Der Nachteil dieser Lage: das gesamte Wissen wird unsicher, es hängt als bloße Hypothese in der Luft.
Reinhardt wies darauf hin, daß jede Behauptung insgeheim beansprucht, "
wahr" zu sein, d. h. unbedingte Geltung zu haben. Selbst die radikalsten Skeptiker und Gegner der philosophischen Systeme beanspruchen, recht zu haben. Daher ist jeder Mensch, der etwas behauptet, eigentlich Metaphysiker; denn er setzt irgendeinen absolut festen Grund seines Geltungsanspruchs voraus. Daher gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder ehrlich zu sein und zu sagen: ja, es gibt die "
letzten Erklärungen", weil es das Absolute gibt - oder das Absolute stillschweigend zu benutzen und es doch, unter dem Druck der Skepsis, zu leugnen.
In dieser widerspruchsvollen Situation hilft nach Ansicht des Redners nur eines: das Absolute und dessen grundlegende Beschreibung (= Metaphysik) eindeutig zu bejahen und Denkmodelle zu entwickeln oder zu verstehen, die von da aus das gesamte Wissen begründen. Ein geistiger Klimawechsel sei nötig - weg von der ständigen Skepsis hin zu einer neuen Offenheit für Metaphysik. Wenn es gelinge, wieder glaubwürdige metaphysische "
Letztbegründungen" zu liefern, könne sich die Philosophie aus ihrem Aschenputteldasein befreien und als Mitte aller Wissenschaft wieder voll ins Licht der Öffentlichkeit treten.
Nun gibt es aber im 20. Jahrhundert nicht sehr viele Ansätze, die damit einen konkreten Anfang machen. Nach den strengen Kriterien Heinrich Reinhardts sind es eigentlich nur zwei: das System des französischen Denkers Claude Bruaire (1932 - 1986) und das von Reinhardt selbst. Bruaire geht in seiner "
Logik der Existenz" besonders auf die Sehnsucht, die Freiheit und die Sprache ein. In ihrem Zusammenspiel sieht er das Absolute unwiderlegbar präsent. Reinhardt dagegen analysiert "
das Sprechen", das ständig stärkere Verstehen anstatt des Mißverstehens, das Zufallen des rechten Wortes im Fall der Kommunikationsstörung - und er sieht als Grund für das alles "
die Sprache an sich", das Absolute, das alles Sprechen ordnet, kanalisiert und inspiriert. Ob nun Metaphysik der Existenz oder Metaphysik der Sprache und des Sprechens - für beide Ansätze reklamiert Reinhardt, daß sie "
vollständige", "
wirklich metaphysische" Denkformen sind. Am Schluß seines Vortrags gab er der Hoffnung Ausdruck, es möchten doch in naher Zukunft viele ähnliche "
oder weit bessere" Denkansätze hervortreten.
An die trotz konkurrierender Veranstaltungen gut besuchte und - was man nicht immer sagen kann - spannende Vorlesung schloß sich eine niveauvolle Fachdiskussion an. Für Universität und Öffentlichkeit in Eichstätt war dieser Abend sicher ein Gewinn.
Für Euer Kommen und Weiterdenken dankt Euch Euer Padre Alex - Dr. Alexander Pytlik
http://www.padre.at