Saturday, November 5. 2005SEINE HEILIGKEIT PAPST BENEDIKT XVI. AN DIE KATHOLISCHEN BISCHÖFE ÖSTERREICHS ZUR LAGE DER KIRCHE
Anläßlich des Besuches der katholischen Oberhirten der Österreichischen Bischofskonferenz ad Limina Apostolorum hielt der Heilige Vater Benedikt XVI. heute vormittag nach den Einzelaudienzen der vergangenen Tage eine programmatische Ansprache in Rom, die hiermit von der Internetseite des Heiligen Stuhles hereingenommen wird:
Sehr geehrter Herr Kardinal! Liebe Brüder im Bischofsamt! Der Besuch der Hirten der Kirche in Österreich an den Gräbern der heiligen Apostel Petrus und Paulus ist ein Fixpunkt und eine Zeit der Vergewisserung in der Ausübung dieses verantwortungsvollen Amtes. So heiße ich Euch, liebe Brüder, anläßlich Eures Ad-Limina-Besuches mit großer Freude hier im Apostolischen Palast willkommen. Eure Pilgerfahrt festigt Eure Bande mit dem Nachfolger Petri und läßt Euch zugleich die Gemeinschaft der Weltkirche an ihrem Zentrum neu erfahren. Gerade während der Ereignisse der letzten Monate haben wir die Lebendigkeit der Kirche in ihrer ganzen Frische und in ihrer weltumspannenden, missionarischen Energie von neuem erleben dürfen, insbesondere während des XX. Weltjugendtags im August dieses Jahres in Köln. Auch wenn nicht immer derselbe geistliche Schwung in der Kirche sichtbar ist, den Gott uns in diesen besonderen Stunden seiner Gnade erfahren ließ, wissen wir, daß die Verheißung unseres göttlichen Herrn und Meisters alle Zeiten und alle Räume umfaßt: "Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt" (Mt 28, 18). Und wir wissen, daß diese lebendige Gegenwart des auferstandenen Herrn in seiner Kirche gewährleistet und gleichsam aktualisiert wird durch die sakramentale Feier seines Opfers, durch die Kommunion, in der wir seinen heiligen Leib und sein Blut empfangen, und durch die stete, in der Anbetung gegebene Erfahrung seiner realen Gegenwart unter dem Schleier der heiligen Zeichen. Das soeben mit der Bischofssynode abgeschlossene "Jahr der Eucharistie" hat den Gläubigen vor Augen führen wollen, wo der eigentliche Quell des Lebens und der Sendung der Kirche liegt, und welcher der wahre Gipfel ist, dem alle unsere Bemühungen zustreben müssen, um die Menschen zu ihrem Erlöser zu führen und sie in ihm mit dem Dreifaltigen Gott zu versöhnen. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen gilt es nun, gelassen und zuversichtlich die Lage der österreichischen Diözesen gemeinsam zu analysieren, um die neuralgischen Punkte zu erkennen, an denen vornehmlich Euer Einsatz zum Heil und Nutzen der Herde gefordert ist, "in der Euch der Heilige Geist zu Bischöfen bestellt hat, damit Ihr als Hirten für die Kirche Gottes sorgt, die er sich durch das Blut seines eigenen Sohnes erworben hat" (Apg 20, 28). In der Gewißheit der Gegenwart des Herrn blicken wir mutig der Realität ins Auge, ohne daß jener gläubige Optimismus, von dem wir jederzeit getragen sein müssen, ein Hindernis dafür darstellen könnte, zur gebotenen Stunde die Dinge in aller Sachlichkeit und ohne Schönfärberei beim Namen zu nennen. Schmerzliche Tatsachen liegen da offen zutage: Der für Europa zur Zeit immer noch signifikante Säkularisierungsprozeß hat auch an den Toren des katholischen Österreich nicht haltgemacht. Die Identifikation mit der Lehre der Kirche schwindet bei vielen Gläubigen, und damit löst sich das Glaubenswissen auf, und die Ehrfurcht vor den Geboten Gottes nimmt ab. Über diese wenigen Anmerkungen hinaus muß ich hier, liebe Mitbrüder im Bischofsamt, nicht im einzelnen an die zahlreichen kritischen Bereiche des gesellschaftlichen Lebens im allgemeinen und der kirchlichen Situation im besonderen erinnern. Ich weiß, daß diese ständig Gegenstand Eurer wachen Hirtensorge sind. Ich teile Eure Sorgen um die Kirche in Eurem Land. Doch was können wir tun? Gibt es ein Heilmittel, das Gott für die Kirche in unserer Zeit bereithält, damit sie sich mutig den Herausforderungen stellen kann, denen sie auf ihrem Weg im dritten christlichen Jahrtausend begegnet? Zweifellos bedarf es einerseits des klaren, mutigen und begeisterten Bekenntnisses des Glaubens an Jesus Christus, der auch hier und heute in seiner Kirche lebt und in dem die ihrem Wesen nach auf Gott ausgerichtete menschliche Seele allein ihr Glück finden kann. Andererseits sind es die vielen kleinen und großen missionarischen Maßnahmen, die wir setzen müssen, um eine "Trendwende" herbeizuführen. Was das Bekenntnis des Glaubens anbelangt, so gehört dieses, wie Ihr wißt, zu den ersten Pflichten des Bischofs. "Ich habe mich der Pflicht nicht entzogen", sagt der heilige Paulus in Milet zu den Hirten der Kirche von Ephesus, "euch den ganzen Willen Gottes zu verkünden" (Apg 20, 27). Es ist wahr, daß wir Bischöfe mit Bedacht handeln müssen. Aber solche Umsicht darf uns nicht daran hindern, Gottes Wort in aller Klarheit darzulegen - auch jene Punkte, die man meist weniger gern hört oder die mit Sicherheit Reaktionen des Protestes, mitunter auch Spott und Hohn hervorrufen. Ihr, liebe Brüder im Hirtenamt, wißt es selbst am besten: es gibt Themen - im Bereich der Glaubenswahrheit und vor allem im Bereich der Sittenlehre - die in Euren Diözesen in Katechese und Verkündigung nicht ausreichend präsent sind, die manchmal, zum Beispiel in der pfarrlichen oder verbandlichen Jugendpastoral, gar nicht oder nicht eindeutig im Sinn der Kirche zur Sprache kommen. Das ist Gott sei Dank nicht überall der Fall. Aber vielleicht fürchten die mit der Verkündigung Beauftragten hier und da, die Menschen könnten sich abwenden, wenn klar gesprochen wird. Dabei lehrt die Erfahrung beinah überall, daß genau das Gegenteil wahr ist. Macht Euch keine Illusionen. Eine katholische Glaubensunterweisung, die verstümmelt angeboten wird, ist ein Widerspruch in sich und kann auf die Dauer nicht fruchtbar sein. Die Verkündigung des Reiches Gottes geht immer Hand in Hand mit der Forderung nach Umkehr und ebenso mit der Liebe, die Mut macht, die den Weg weist, die begreifen lehrt, daß mit Gottes Gnade auch das scheinbar Unmögliche möglich ist. Überlegt, in welcher Form nach und nach der Religionsunterricht, die Katechese auf den verschiedenen Ebenen und die Predigt in dieser Hinsicht verbessert, vertieft und sozusagen vervollständigt werden können. Nützt dabei bitte mit allem Eifer das Kompendium und den Katechismus der Katholischen Kirche selbst. Sorgt dafür, daß alle Priester und Katecheten dieses Werkzeug verwenden, daß es in den Pfarren, Verbänden und Bewegungen erklärt, in Glaubensrunden besprochen und in den Familien als wichtige Lektüre zur Hand genommen wird. Gebt in den Ungewißheiten dieser Zeit und Gesellschaft den Menschen die Gewißheit des unverkürzten Glaubens der Kirche. Die Klarheit und Schönheit des katholischen Glaubens sind es, die das Leben der Menschen auch heute hell machen! Dies wird besonders dann der Fall sein, wenn er von begeisterten und begeisternden Zeugen vorgelegt wird. Das klare, öffentliche, beherzte Zeugnis der Bischöfe, an dem sich alle Gläubigen und vornehmlich die Priester, denen Eure besondere Zuwendung gilt, orientieren können und das allen Mut gibt, den Glauben durch das eigene Verhalten zu bekräftigen, muß von vielen, oft scheinbar kleinen und nicht unbedingt publikumswirksamen Maßnahmen begleitet sein. Manches ist getan worden, um die missionarische Gesinnung der Christen in Euren Diözesen neu zu wecken. Ich denke in diesem Zusammenhang beispielsweise an die herausragende Stadtmission in Wien und natürlich an den Mitteleuropäischen Katholikentag, der ein großartiges Zeugnis des völkerverbindenden katholischen Glaubens vor der europäischen Öffentlichkeit war. Vieles muß noch getan werden, damit die Kirche in Österreich ihrem missionarischen Auftrag noch besser gerecht wird. In Wirklichkeit sind es oft die Maßnahmen der ordentlichen Leitungsgewalt wie zum Beispiel kluge und richtige Personalentscheidungen, die die Situation nachhaltig verbessern. Ob es um den Besuch der Sonntagsmesse geht oder um den Empfang des Bußsakramentes - wie oft sind das Beispiel und das ermunternde Wort von entscheidender Bedeutung! Es ist das Gebot der Liebe, das uns dazu drängt, dem Nächsten nicht bloß diesen oder jenen sozialen Dienst zu erweisen, sondern ihm zu helfen, das höchste Gut zu erlangen - die beständige Hinwendung zum lebendigen Gott, die Gemeinschaft mit Jesus Christus, die Entdeckung der eigenen Berufung zur Heiligkeit, die Offenheit für den Willen Gottes, die Freude eines Lebens, das in gewissem Sinn das Glück der Ewigkeit schon vorwegnimmt! Liebe Mitbrüder im Bischofsamt! Zahlreiche positive Gegebenheiten des kirchlichen Lebens - ich möchte hier nur beispielhaft die Übung und Wiederentdeckung der eucharistischen Anbetung in den Pfarren und die Treue vieler einzelner und Gemeinschaften zum Rosenkranzgebet nennen - und die weitgehend gute Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche zum Segen der Menschen prägen das Bild der Kirche Österreichs ebenso wie die Fülle der kulturellen Reichtümer der durch und durch christlichen Geschichte Eures von Gott so vielfach gesegneten Landes. An vielen Ansatzpunkten kann sich der Funke christlichen Eifers neu entzünden. Nützt alle diese Gaben, wo Ihr nur könnt, aber gebt Euch nicht mit einer äußerlichen Religiosität zufrieden. Gott genügt es nicht, daß sein Volk ihn mit den Lippen ehrt - er will unser Herz. Und er schenkt uns seine Gnade, wenn wir uns nicht selbst von Ihm entfernen oder gar trennen. Ich weiß sehr gut um Euer hingebungsvolles Mühen und um das so vieler Priester, Diakone, Ordensleute und Laien; und ich bin sicher, daß der Herr Eure Treue und Euren Eifer mit Seinem göttlichen Segen begleitet und lohnen wird. Die Magna Mater Austriæ, die gütige Gnadenmutter von Mariazell und hohe Schutzfrau Österreichs, deren Heiligtum mir so lieb geworden ist, kann Euch und den Gläubigen in Eurem Land die Kraft und Ausdauer erwirken, um das große Werk einer authentischen Erneuerung des Glaubenslebens in Eurer Heimat in Treue zu den universalkirchlichen Vorgaben mutig und vertrauensvoll fortzusetzen. Auf ihre Fürsprache erteile ich Euch allen für die Aufgaben Eures Hirtendienstes sowie auch allen Gläubigen in Österreich von Herzen den Apostolischen Segen. [ENDE DER PÄPSTLICHEN ANSPRACHE.] Und weil der Papst angesprochen hat, daß auch unangenehme Wahrheiten nicht verschwiegen werden sollen, möge hier noch ein aktuelles positives Beispiel der Ausübung der Lehramtes erwähnt sein. Seine Exzellenz, der hochwürdigste Diözesanbischof von St. Pölten, Dr. Dr. Klaus Küng, hatte nämlich noch am 31. Oktober 2005 zu den verwirrenden Meldungen in den Medien betreffend eine angebliche kirchliche Segnung der zivil geschlossenen Heirat zwischen Bundesminister Dr. Karl-Heinz Grasser und Fiona Swarovski auf dem Gebiet einer Pfarrei des Bistums St. Pölten Stellung genommen: Liebe Mitbrüder im Priesteramt! Aus Anlaß der zivilen Trauung von Finanzminister Grasser mit Frau Swarovski hat es im Zusammenhang mit einer kirchlichen Feier in der Pfarre Weissenkirchen Pressemeldungen gegeben, die eine gewisse Verwirrung hervorgerufen haben. Daher ist eine Klärung notwendig geworden. Zunächst möchte ich festhalten: es wurde bei diesem Anlaß keine heilige Messe gefeiert, es gab keine Ringsegnung, auch keinen speziellen Segen für das "Hochzeitspaar". Das zivil getraute Paar hat bei der kirchlichen Feier nicht wie bei einer kirchlichen Hochzeit auf besonderen Sitzen, sondern in der ersten Bankreihe Platz genommen. Es darf weiters als sicher angenommen werden: alle Beteiligten wußten, daß in Anbetracht der persönlichen Situation des Paares keine "kirchliche Segnung" möglich ist; eine solche wurde auch nicht angestrebt. Das Anliegen ist positiv, auch jenen, die sich in Bezug auf ihre familiären Verhältnisse in einer irregulären Situation befinden, das Bewußtsein zu stärken, daß sie zur Kirche gehören und in der Kirche willkommen sind. Sie können von ihr Begleitung und Beistand erhalten, falls sie es wünschen, auch wenn keine Trauung möglich ist, auch keine Zulassung zur Eucharistie, so lange nicht die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Die Erfahrung hat aber - auch im konkreten Anlaßfall - bestätigt, daß eine liturgische Feier für die "Hochzeitsgesellschaft" fast unvermeidlich zu Fehlinterpretationen Anlaß gibt, auch wenn die Feier noch so gut geplant und gemeint ist. Gerade deshalb wurde im Apostolischen Schreiben über die Aufgaben der christlichen Familien in der Welt von heute (Familiaris consortio) das Verbot ausgesprochen, "aus welchem Grund oder Vorwand auch immer, sei er auch pastoraler Natur, für Geschiedene, die sich wieder verheiraten, irgendwelche liturgischen Handlungen vorzunehmen" (FC 84). In der 2002 von der Glaubenskongregation für alle Diözesen Österreichs approbierten Orientierungshilfe für geschiedene und wiederverheiratete geschiedene Gläubige wird für solche Situationen der Rat erteilt: "Erlaubt ist privates Gebet für die einzelnen Partner, für ihren Glaubens- und Bekehrungsweg, für die Kinder usw. Man kann ihnen auch anraten, eine private Wallfahrt (ohne besonderen Gottesdienst) oder ähnliches zu unternehmen" (Orientierungshilfe, S. 10). Es ist mir bewußt, daß die konkreten Situationen manchmal für alle Beteiligten, auch für die Verwandten und den Priester schwierig und oft schmerzhaft sind. Ich übersende allen Pfarrern die oben erwähnte "Orientierungshilfe" und empfehle gleichzeitig einmal mehr die Lektüre des Apostolischen Rundschreibens Familiaris consortio, das die wesentlichen, auch heute gültigen Richtlinien enthält. Mit herzlichen Segensgrüßen, Diözesanbischof Dr. Dr. Klaus Küng [ENDE DES HIRTENWORTES.] Beten wir also besonders für den Papst und unsere Bischöfe, daß sie ihrer hohen Berufung bis zuletzt mit der Gnade der Beharrlichkeit entsprechen werden. Euer Padre Alex - Vizeoffizial Mag. Mag. Dr. Alexander Pytlik / http://www.padre.at Trackbacks
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