Der Wiener Kardinal-Erzbischof Univ.-Prof. Dr. Christoph Schönborn hat sich heute abend über die
Abtreibungsmöglichkeit in der Wiener "Lugner City" entsetzt gezeigt. In einer
kath.net vorliegenden Vorabmeldung der österreichischen Kronen-Zeitung sagt der Kardinal: "
Das Leben darf nicht verlugnern. Die Vernichtung von Leben darf nicht banalisiert und wie eine Einkaufstour gewertet werden." Außerdem erklärte Seine Eminenz, daß bereits er vor einiger Zeit mit Baumeister Richard Lugner geredet und diesen gebeten hätte, den Vertrag mit einer Abtreibungsklinik nicht zu unterzeichnen. Diese Information lag mir selbst zum Zeitpunkt der erbetenen kirchenrechtlichen Stellungnahme zum gesamten Fall noch nicht vor.
Mittlerweile ist mein Kommentar unter dem Titel "
Kein Katholik darf Beihilfe zur Abtreibung leisten" zur Diskussion über eine eventuelle Exkommunikation des Wiener Baumeisters im deutschen Sprachraum viel gelesen und auch zitiert worden. Wer im Internet www.lugner.at anklickt, eine Domain, die unter Angabe des Personennamens "Richard Lugner" auf eine "Lugner Einkaufszentrum GmbH" in Wien registriert ist, wird bereits auf der Titelseite auf die "Lugner City" verwiesen und mit einer Zusatzwerbung auf eine Autogrammstunde mit einer von Baumeister Richard Lugner für den Opernball eingeladenen Dame, welche selbstverständlich in der "Lugner City" abgehalten werden soll. Im Impressum der Internetplattform firmieren schließlich eine "Lugner Familien Privatstiftung" und die "Hausinhabung Lugner". Offenbar war es diese Stiftung, die der Baumeister ansprach, als er - gegen die
Bemerkungen des Salzburger Weihbischofs
Dr. Andreas Laun gerichtet -
feststellte, lediglich im Namen einer Stiftung, der die "Lugner City" gehöre, Mietverträge auszuhandeln.
Wir können also davon ausgehen, daß Baumeister Richard Lugner namens der von ihm genannten Stiftung einen Mietvertrag mit einem sogenannten "Zentrum für Sexualmedizin" für das Einkaufszentrum "Lugner City" ausgehandelt hat. Auch dieses Zentrum (Geschäftsführung: Brigitte Moshammer-Peter, Ärztlicher Leiter: Dr. Wolfgang Grin) präsentiert sich im Internet: "
Im Rahmen des Ärztezentrums in der Lugnercity hat unser Zentrum für Sie diskret und gut erreichbar geöffnet." Unter dem Titel "
Damit kennen wir uns aus" werden u. a. eine ungewollte Schwangerschaft und die oft
frühabtreibende und verharmlost benannte "Notfall
verhütung" ("
Pille danach" und "
Spirale danach") angegeben. Die Internetseite spricht die
Frühabtreibung sogar offen an: "
... oder verhindern die Einnistung einer befruchteten Eizelle in der Gebärmutterschleimhaut." Und es stimmt wirklich: im Gebäude der "Lugner City" kann von nun an in einzelnen Fällen
Abtreibungsmord praktiziert werden, denn "
falls Sie sich in Ihrer individuellen Lebenssituation dafür entscheiden, dann können Sie bis zum Ende des 3. Monats bei uns einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen (...) Sie entscheiden, ob Sie eine 'örtliche Betäubung' oder eine 'Vollnarkose' vorziehen. Stehen keine medizinischen Gründe dagegen, wird der Eingriff ihrem Wunsch entsprechend durchgeführt."
Wurde jedoch in der "Lugner City" bereits einmal abgetrieben? Denn das wäre der kirchenrechtliche Straftatbestand. Und in welcher Weise ist Richard Lugner an der Willensbildung der angesprochenen Stiftung beteiligt? Falls in entscheidender Weise: war dem Baumeister zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bewußt (oder eben nicht), daß bestimmte Bedienstete der sexualmedizinischen Einrichtung "nötigenfalls" auch den
Abtreibungsmord gegen Bezahlung durchführen würden? Und war ihm zu diesem Zeitpunkt außerdem bewußt (oder eben nicht), daß sich jeder Katholik nicht nur vor Gott schwer schuldig macht, wenn er eine für Fötustötung(en) nicht wegzudenkende Ursache setzt, sondern daß sich lateinische Katholiken durch ein bewußtes derartiges Handeln normalerweise auch die schwerste Kirchenstrafe, nämlich die Exkommunikation, zuziehen?
Von diesen Fragen hängt wesentlich ab, wer sich nun im konkreten Fall und ob sich dabei auch Richard Lugner durch den Vertragsabschluß und die erste dadurch ermöglichte Abtreibung automatisch exkommuniziert hat, wobei festzuhalten ist, daß die automatische Exkommunikation als solche nicht einen Ausschluß aus der Kirche bedeutet, sondern nach dem zu konsultierenden
Kirchenrecht des lateinischen Ritus weitgehende Rechtseinschränkungen beinhaltet. Ein durch solchen mitwirkenden Vertragsabschluß exkommunizierter Katholik bliebe Katholik, wenn auch als öffentlicher Sünder. Und wenn
Weihbischof Laun nicht nur mit seiner Haltung für das menschliche Leben von der Empfängnis an recht hat, sondern auch mit seiner speziellen Straf-Einschätzung, dann würden für Lugner und viele andere jene Wirkungen eingetreten sein, die ich in dem kurzen Beitrag "
Die Verbote und Konsequenzen der noch nicht festgestellten Exkommunikation latae sententiae, vor allem auf Basis des can. 1331 § 1" zusammengefaßt habe.
Es ist ein Verdienst des Salzburger Weihbischofs, durch eine Konkretisierung für eine neue Diskussion über den täglich still und heimlich vorgenommenen
Abtreibungsmord unschuldigster ungeborener Kinder gesorgt und so auf eine Ursache der zunehmenden Kinderlosigkeit in Österreich und Europa verwiesen zu haben. Wichtig ist dabei auch, daß im Falle eines Nichteintritts einer bestimmten Kirchenstrafe noch kein Freispruch im moralischen Sinne vorliegt. Schwere Sünde bleibt schwere Sünde, auch ohne exkommuniziert zu sein. Spätestens durch die Demonstrationen und Informationen
unersetzbarer Lebensrechtsgruppen weiß auch Richard Lugner (wieder), daß die Katholische Kirche niemals auch nur einen einzigen Abtreibungsfall im vorhinein oder im nachhinein rechtfertigen und stillschweigend hinnehmen kann. Wer Katholik ist und bleiben will, muß sich die Lehre des verstorbenen Dieners Gottes Johannes Paul II. zu eigen machen, daß Glaube und Leben zusammengehen sollen. Diese
Harmonie von Glaube und Leben wird zerbrochen, wenn einer sagt, er sei Katholik, aber gleichzeitig nichts dagegen tut, daß in seinem Verantwortungsbereich Fötustötungen ein Ende nehmen.
Richard Lugner ist rein menschlich gesehen verständlicherweise sehr verärgert, aber jetzt müßte er sich ohne Rücksicht auf Emotionen - er gibt ja an, Katholik sein und bleiben zu wollen - sofort die Vollmacht seiner Stiftung geben lassen, dem "Zentrum für Sexualmedizin" in der "Lugner City" die Auflage zu erteilen, daß ausnahmslos keine
Abtreibungen (mehr) vorgenommen und keine frühabtreibenden "
Verhütungsmittel" propagiert würden. Andernfalls müßte Lugner die Vollmacht erhalten, den Mietvertrag mit sofortmöglicher Wirkung zu kündigen. Hier kann Lugner beweisen, daß ihm Gott und die Kirche wichtiger sind als ein niemals neutral zu beurteilender Profit. Sollte Lugner trotz realpolitischer Möglichkeiten jedoch gar nicht handeln, wäre es
am zuständigen Ordinarius, eine verbindliche Erklärung für solche Fälle abzugeben und eine eingetretene Exkommunikation festzustellen oder diese spruchmäßig zu erlassen, sodaß allgemeine Rechtssicherheit betreffend ein wichtiges Exempel herrscht und auch in Hinkunft glasklar ist, daß die Kirche niemals aufhören darf, Anwalt der wehrlosesten Glieder unserer Gesellschaft zu sein, nämlich der Ungeborenen.
Wenn Lugner aber diese Macht fehlt - angesichts des Aushandeln des Mietvertrages ist dies aber wohl zu bezweifeln - sollte er es mit Bedauern öffentlich feststellen. Mag es auch diskutabel sein, ob ein vom Ort her nicht zuständiger katholischer Bischof eine Exkommunikation gewissermaßen ausspricht, doch als Christ sollte Richard Lugner nicht den zivilen Klagsweg suchen, sondern den Weihbischof zu einem ehrlichen Dialog unter vier Augen einladen. (
Anmerkung vom Verfasser: mittlerweile hat Lugner seine
Klagsdrohung zurückgezogen und möchte
Weihbischof Laun zu einer Wallfahrt nach Mariazell einladen.) Mit einem Wort: jetzt kann Richard Lugner wenigstens in der Abtreibungsfrage beweisen, daß er wirklich Katholik sein will und so auch bei einigen in skandalöser Weise passiven und abtreibungstolerierenden Politikern ein schlechtes Gewissen verursachen. Und: so viel kostenlose (Negativ-)Werbung für die "Lugner City" gibt es auch nicht jeden Tag ...
Hoffen wir, daß aus dieser Diskussion etwas Gutes erwachse, nämlich eine bessere Bewußtseinsbildung breitester Schichten der Bevölkerung. Der Protest gegen das zur Einkaufstour verniedlichte Töten der Ungeborenen darf nicht aufhören und sollte die Gewissen vieler Politiker und Geschäftsleute wachrütteln. Dafür beten wir in der früher mit dem heutigen Sonntag eingeläuteten Vorfastenzeit. Euer
Padre Alex - Vizeoffizial Mag. Mag. Dr. Alexander Pytlik
www.padre.at