Im Zusammenhang mit dem Blogeintrag über die Aufgabe der kirchlichen Hierarchie
bei der Vermögensverwaltung ist das auf
kath.net besprochene Werk des Churer Bischofsvikars für die
Moderatio Curiae und das Stiftungswesen von größtem Interesse: Martin Grichting,
Das Verfügungsrecht über das Kirchenvermögen auf den Ebenen von Diözese und Pfarrei, St. Ottilien 2007 ( =
Münchener Theologische Studien, Kanonistische Abteilung, Bd.62), ISBN 3-8306-7279-9. In den letzten Jahren hat vor allem die Schweiz Schlagzeilen mit innerkirchlichen Auseinandersetzungen über das Kirchenvermögen gemacht (vgl. z. B. den Fall Röschenz). Immer wieder kommt es dort zwischen der kirchlichen Hierarchie (Diözesanbischof, Ortspfarrer) und einer gewissemaßen "zweiten Hierarchie" ("Kirchgemeinden" und "Landeskirchen") zu Auseinandersetzungen darüber, wer über das Kirchenvermögen verfügen und somit die Sendung der Kirche maßgeblich bestimmt. In seiner Habilitationsschrift frägt Hw. Dr. iur. can. habil. Martin Grichting unter anderem, ob es auch in anderen Ländern und im Verlauf der Kirchengeschichte eine ähnliche "zweite Hierarchie" gegeben hat, die auf dem Verfügungsrecht über das Kirchengut beruhte und in Konkurrenz zur eigentlichen Hierarchie trat. Das überraschende Ergebnis der Arbeit zeigt, daß die Schweiz keineswegs einen Einzelfall darstellt. Das sogenannte "Eigenkirchenwesen" bedeutete in der Praxis bereits ab dem 5. Jahrhundert, daß die kirchliche Hierarchie durch die Besitzer von Kirchen - meist Laien - bedrängt wurde. Diese Kirchenbesitzer machten aufgrund ihrer Finanzmacht immer öfter geistliche Kompetenzen geltend und traten so in Konkurrenz zu den Bischöfen. Erst in einem mühsamen, bis ins Hochmittelalter dauernden Prozeß gelang es der Kirche schließlich, den Privatbesitz von Kirchen durch Laien zu unterbinden und in das Patronatsrecht überzuführen. Auch im Spätmittelalter kam es zu ähnlichen Ereignissen: die Kirche war nur unzureichend in der Lage, die Stiftungstätigkeit der Gläubigen in das kirchliche Recht zu integrieren. Die Folge war, daß staatliche Stellen (Städte, Gemeinden) in großer Zahl die Aufsicht über Stiftsmessen, Altäre und Kaplaneipfründen erlangten. Dadurch geriet ein großer Teil des Klerus in direkte materielle Abhängigkeit weltlicher Behörden - ein Umstand, der wohl wesentlich zur Verbreitung der Reformation beitrug.
Der Verfasser untersucht in der Folge die geschichtliche Entwicklung seit der Französischen Revolution in ausgewählten Ländern. So zeigt er, daß etwa in Österreich im 19. und 20. Jahrhundert von kirchenfeindlichen Kreisen drei Mal versucht wurde, Kirchengemeinden einzurichten, um durch den Aufbau einer "zweiten Hierarchie" die Kirche zu spalten und die Hierarchie zu schwächen (vgl. auch M. Liebmann,
Kirchenbeitrag/Kirchensteuer - Kultussteuer/Kultursteuer, in: ThPQ 156, 2008, 19 - 33). Auch die Kirchengemeinden in Deutschland wurden von Bismarck auf dem Höhepunkt des Kulturkampfs mit der erklärten Absicht geschaffen, die Laien von der Hierarchie zu emanzipieren und als gegenüber der Hierarchie selbständige Kraft innerhalb der Kirche zu etablieren. Erst die Einführung der Diözesankirchensteuer nach dem Zweiten Weltkrieg vermochte die Gefahr einer solchen "zweiten Hierarchie" zu bannen (vgl. inhaltlich auch G. Bier,
Der Kirchenaustritt - ein Akt des Schismas? In: ThPQ 156, 2008, 38 - 48). Dramatisch war auch die Entwicklung in Frankreich, wo der heilige Papst Pius X. unter Inkaufnahme materieller Opfern verbot, sogenannte "Kultusvereine" zu gründen. Diese Vereine hätten ebenfalls eine künstliche Spaltung der Kirche in Hierarchie und Laien bedeutet. Denn die Laien hätten in den "Kultusvereinen" unabhängig von der Hierarchie das Kirchenvermögen verwaltet und die Pfarrer besoldet. Überraschend ist auch der Befund, daß im Italien des 19. Jahrhunderts mehrfach ernsthafte Anläufe unternommen wurden, um "Pfarr-" bzw. "Diözesankongregationen" zu gründen. Diese hätten das Kirchenvermögen verwaltet und hätten damit ebenfalls eine parallele Hierarchie sowie eine unangemessene Demokratisierung der Kirche bedeutet. Zum Spannendsten gehört dann die Schilderung der Zustände in der Kirche der Vereinigten Staaten von Amerika im 18. und 19. Jahrhundert. Dort kam es aufgrund der Unmöglichkeit, im zivilen Recht Rechtsträger für das Kirchengut zu finden, zu Auseinandersetzungen, die dem gleichen, was man heute aus der Schweiz kennt. Hier wie dort waren die Laien nämlich notgedrungen die Verfügungsberechtigten über das Kirchenvermögen. Entsprechend dem Motto "
Wer zahlt, befiehlt" sprangen Laien denn auch höchst unschön mit den von ihnen entlohnten Priestern und Bischöfen um. In Philadelphia ereignete sich gar ein Parallelfall zu Röschenz, als die dortigen Laien - Eigentümer der Kathedrale - dem regierenden Bischof seine Kirche zusperrten und stattdessen jahrelang einen suspendierten Priester als Pfarrer beschäftigten und entlohnten. Ein in diesem Zusammenhang ergangener Brief von Papst Pius VII. aus dem Jahr 1822 dürfte heute noch seine Gültigkeit haben: darin wird der Grundsatz betont, daß die Bischöfe, welche die Kirche leiten, nicht von der Verfügung und der Aufsicht über das Kirchengut ausgeschlossen werden dürfen.
Genau das geschieht aber in der Schweiz, wie Bischofsvikar Dr. Grichting in seiner Darstellung der Geschichte dreier Kantone zeigt. So unterschiedlich die vermögensrechtliche Ausgangslage im protestantischen Bern, im gemischt-konfessionellen Aargau und im katholischen Luzern auch gewesen ist: in allen drei Fällen resultiert daraus heute eine regelrechte Gegenhierarchie ("Landeskirchen" und "Kirchgemeinden"), die über das Kirchenvermögen verfügt. Diese Konstellation hat zur Folge, daß der Diözesanbischof faktisch in die Rolle eines konstitutionellen Monarchen gerät, wie es der hochwürdigste Diözesanbischof von Basel, Kurt Koch, selbst treffend festgestellt hat. Der Autor legt im folgenden die kirchliche Rechtsentwicklung im 20. Jahrhundert dar, ausgehend vom Codex Iuris Canonici des Jahres 1917 (CIC 1917). Er untersucht dabei auch das II. Vatikanische Konzil und kommt zum Schluß, daß das XXI. Ökumenische Konzil zwar einzelne, in wirtschaftlichen Fragen erfahrene Laien zur Mitarbeit bei der Vermögensverwaltung eingeladen hat, diesen Bereich kirchlicher Tätigkeit jedoch keineswegs den Laien als ihnen eigenes Betätigungsfeld zugewiesen hat. Entsprechend hat denn auch der Codex Iuris Canonici des Jahres 1983 (CIC 1983) die Bischöfe und Pfarrer in bezug auf die Vermögensverwaltung wiederum als federführend vorgesehen. In abschließenden Thesen faßt der Autor seine aus der Rechtsgeschichte gewonnenen Erkenntnisse zusammen. So stellt der heute geltende can. 1279 § 1 CIC 1983 die Frucht bitterer geschichtlicher Erfahrungen dar, wenn er bestimmt, daß der Leiter einer juristischen Person zugleich auch deren Vermögensverwalter sein solle. Can. 1280 CIC betont demgegenüber, daß sich kirchliche Amtsträger in wirtschaftlichen Fragen von darin erfahrenen Laien haben beraten zu lassen. Nicht weniger bedeutsam erscheint schließlich can. 1282 CIC, welcher bestimmt, daß die kirchliche Vermögensverwaltung immer "im Namen der Kirche" - d. h. im Auftrag der Kirche - zu führen ist. Das Kirchenvermögen soll also nicht im eigenen Namen, im Namen des Staates oder der katholischen Staatsbürger oder im Namen der Laien, etc. - also nicht durch eine "zweite Hierarchie" - verwaltet werden. Werde dem Grundsatz von can. 1282 CIC nicht nachgekommen, sei in der Kirche stets der Same der Zwietracht gesät.
Der Kirche ist es letztlich immer wieder und fast überall gelungen, eine "zweite Hierarchie" abzuwehren oder diese mit der Zeit zu überwinden. Die Lage in der heutigen Schweiz stellt so betrachtet ein Relikt aus anderen Zeiten dar. Die für die Freiheit der Verkündigung bedenklichen Zustände können aber immerhin als Warnung dienen. Denn die dargelegten geschichtlichen Betrachtungen zeigen, daß eine zweite, auf dem Verfügungsrecht über das Kirchenvermögen fußende "Hierarchie" immer eine latente Gefahr für die Kirche darstellt. In Zukunft könnte diese Gefahr wieder real werden, etwa dann, wenn etablierte Kirchenfinanzierungssysteme ins Wanken geraten sollten. Vizeoffizial Grichtings Arbeit kommt so betrachtet – wie auf
kath.net folgerichtig geschlossen wird - zur rechten Zeit. Ob auf dem Gebiet des Finanzwesens, ob auf dem Gebiet der zu feiernden Liturgie und
aller Sakramente: ja auf allen Ebenen der Kirche Christi muß also die hierarchische Grundordnung im Sinne ihrer göttlichen Stiftung gewahrt werden, um völlig unnötige Kämpfe, Energieverschwendungen und sogar Spaltungen immer wieder zu vermeiden. Am heutigen Festtag des heiligen Märtyrers Valentin (Kalender für die außerordentliche Form des Römischen Ritus;
der Kalender für die ordentliche Form der lateinischen Liturgie sieht heute die Feier der heiligen Schutzpatrone Europas, des heiligen Mönches Cyrill und des heiligen Bischofs Methodius, vor) erinnere ich an meinen offenbar aktuell bleibenden Kommentar unter dem Titel "
Ja zur Liebe, nein zur Homophilie". Bemühen wir uns auf allen Ebenen um Authentizität, auch in der Liebe zu Gott und zueinander. Euer Padre Alex - Kirchenrektor Dr. Alexander Pytlik
Wie in der vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz im Januar 2008 herausgegebenen Arbeitshilfe Nr. 220 "Die Feier der Kindertaufe. Pastorale Einführung" nachlesbar, erinnern die Unterzeichner Karl Kardinal Lehmann, Christoph Kardinal Sch
Tracked: Mar 20, 12:07