Friday, March 18. 2011
Posted by Padre Alex / Dr. Alexander Pytlik
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Comments (0) Trackback (1) MENSCHENRECHTE: KRUZIFIXE IN STAATLICHEN SCHULEN SIND KEINE KONVENTIONSVERLETZUNG
Heute hat der Heilige Stuhl durch den Direktor des Pressesaales, P. Federico Lombardi SJ, eine Erklärung zum Urteil der Großen Kammer des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes herausgegeben, die ich aus der italienischen Sprache ins Deutsche übersetze:
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte über die verpflichtende Anbringung des Kreuzes in den Klassenzimmern der öffentlichen Schulen Italiens wird von Seiten des Heiligen Stuhles mit Genugtuung aufgenommen. Es handelt sich in der Tat um ein sehr gewichtiges Urteil, welches Geschichte macht, wie das Ergebnis zeigt, zu dem die Große Kammer am Ende einer eingehenden Prüfung der Fragestellung gelangt ist. Die Große Kammer hat tatsächlich unter allen Gesichtspunkten ein Urteil der ersten Instanz gekippt, was von einer Kammer des Gerichtshofes einhellig gefällt worden war und nicht nur den Rekurs des angeklagten italienischen Staates nach sich gezogen hatte, sondern auch die Unterstützung desselben durch zahlreiche andere europäische Staaten - in einem bisher noch nicht geschehenen Maß - sowie die Beteiligung nicht weniger Nichtregierungsorganisationen als Ausdruck eines ausgedehnten Empfindens der Bevölkerungen. Es wird also auf einer äußerst maßgebenden und internationalen rechtlichen Ebene anerkannt, daß die Kultur der Menschenrechte nicht in einen Gegensatz zu den religiösen Fundamenten der europäischen Zivilisation gebracht werden dürfe, zu der das Christentum einen wesentlichen Beitrag geleistet hat. Außerdem wird anerkannt, daß es sich vom Prinzip der Subsidiarität her geziemt, jedem Land einen Ermessensspielraum zu garantieren, was den Wert der religiösen Symbole in der eigenen kulturellen Geschichte und nationalen Identität und was den Ort ihrer Darstellung betrifft (wie dies zudem in diesen Tagen auch von höchstgerichtlichen Urteilen einiger europäischer Länder bekräftigt worden ist). Wäre es umgekehrt, würde man hingegen paradoxerweise im Namen der Religionsfreiheit dazu tendieren, eben diese Freiheit zu begrenzen oder sogar zu verweigern, um die religiösen Symbole am Ende jeglichen Ausdruckes im öffentlichen Raum zu berauben. Und indem man so handelte, würde man die Freiheit selbst verletzen, sodaß die spezifischen und legitimen Identitäten verdunkelt würden. Der Gerichtshof sagt also, daß die Darstellung des Gekreuzigten nicht Indoktrinierung ist, sondern Ausdruck der kulturellen Identität der Länder christlicher Tradition. Das neue Urteil der Großen Kammer wird auch deshalb willkommen geheißen, weil es wirksam dazu beiträgt, das Vertrauen in den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte von Seiten eines großen Teiles der Europäer wiederherzustellen, die von der entscheidenden Rolle der christlichen Werte in ihrer eigenen Geschichte, aber auch für das europäische Einigungswerk und seine Kultur des Rechts und der Freiheit überzeugt und sich dessen bewußt sind. [ENDE MEINER ÜBERSETZUNG.] Um diese Erklärung des Heiligen Stuhles (eines jedem Staat gleichgestellten Völkerrechtssubjektes) besser zu verstehen, übernehme ich auch gleich die heutige offizielle Presseaussendung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes (dieser bezieht sich auf den Europarat und nicht nur auf die Länder der Europäischen Union) in ihrer deutschsprachigen Version zum "Grand Chamber judgment Lautsi v. Italy" (Nr. 234, Pressemitteilung des Kanzlers): KRUZIFIXE IN KLASSENZIMMERN STAATLICHER SCHULEN IN ITALIEN: GERICHTSHOF STELLT KEINE KONVENTIONSVERLETZUNG FEST In seinem heute verkündeten Urteil der Großen Kammer im Fall Lautsi und andere gegen Italien (Beschwerde-Nr. 30814/06), das rechtskräftig ist (Anm. 1 = Urteile der Großen Kammer sind endgültig [Artikel 44 der Konvention]. Rechtskräftige Urteile werden dem Ministerkomitee des Europarats übermittelt, das die Umsetzung der Urteile überwacht. Weitere Informationen zum Verfahren der Umsetzung finden sich hier), stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit einer Mehrheit (fünfzehn zu zwei Stimmen) fest, daß keine Verletzung von Artikel 2 Protokoll Nr. 1 (Recht auf Bildung) der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vorlag. Der Fall betraf die in Klassenzimmern staatlicher Schulen in Italien angebrachten Kruzifixe, die von den Beschwerdeführern als Verstoß gegen die Verpflichtung des Staates gerügt wurden, bei Ausübung der von ihm auf dem Gebiet der Erziehung und des Unterrichts übernommenen Aufgaben das Recht der Eltern zu achten, die Erziehung ihrer Kinder entsprechend ihren eigenen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen sicherzustellen. Diese Pressemitteilung liegt auch auf Englisch, Französisch und Italienisch vor. Zusammenfassung des Sachverhalts Die Beschwerdeführer, Soile Lautsi, geboren 1957, und ihre 1988 und 1990 geborenen Söhne, Dataico und Sami Albertin, sind italienische Staatsangehörige und leben in Italien. (Anm. 2 = In ihrer 2006 eingelegten Beschwerde gab Frau Lautsi an, im Namen ihrer damals minderjährigen Söhne zu handeln. Die inzwischen volljährigen Söhne haben ihre Einwilligung erklärt, selbst als Beschwerdeführer aufzutreten.) Die Söhne besuchten im Schuljahr 2001/02 das Istituto comprensivo statale Vittorino da Feltre, eine staatliche Schule in Abano Terme, in deren Klassenzimmern Kruzifixe angebracht waren. Bei einer Versammlung des Schulbeirats am 22. April 2002 sprach Frau Lautsis Ehemann die Präsenz religiöser Symbole, insbesondere von Kruzifixen, in den Klassenzimmern an und fragte, ob diese entfernt werden könnten. Nachdem der Schulbeirat entschieden hatte, die Symbole in den Klassenzimmern zu belassen, legte Frau Lautsi am 23. Juli 2002 Klage beim Verwaltungsgericht Venetien ein und machte einen Verstoß gegen das Gebot staatlicher Neutralität in Religionsfragen geltend. Der Minister für Unterricht, Universitäten und Forschung erließ im Oktober 2002 eine Vorschrift, nach der die Schulverwaltungen die Präsenz eines Kruzifixes in den Klassenzimmern sicherzustellen hatten. Am 30. Oktober 2003 trat der Minister dem von Frau Lautsi angestrengten Verfahren als Partei bei und vertrat, daß ihre Beschwerde unbegründet sei, da die Präsenz von Kruzifixen in Klassenzimmern staatlicher Schulen sich auf zwei Königliche Dekrete von 1924 und 1928 stütze. (Anm. 3 = Artikel 118 Königliches Dekret Nr. 965 vom 30. April 1924 [interne Vorschriften der Mittelschulen] und Artikel 119 Königliches Dekret Nr. 1297 vom 26. April 1928 [Annahme der allgemeinen Vorschriften für den Grundschulunterricht].) Das Verfassungsgericht erklärte die Vorlage des Verwaltungsgerichts zur Frage der Verfassungsmäßigkeit 2004 für unzulässig, da die anwendbaren Bestimmungen der beiden Königlichen Dekrete keinen Gesetzesrang hätten, sondern es sich lediglich um Verordnungen handele, die nicht Gegenstand einer Verfassungsmäßigkeitsprüfung sein könnten. Das Verwaltungsgericht wies die Klage Frau Lautsis am 17. März 2005 mit der Begründung ab, daß die fraglichen Dekrete noch immer in Kraft seien und Kruzifixe in Klassenzimmern staatlicher Schulen keinen Verstoß gegen das Gebot staatlicher Neutralität in Religionsfragen darstellten, „das zum Rechtserbe Europas und der westlichen Demokratien gehört.“ Insbesondere vertrat das Gericht die Auffassung, das Kruzifix sei Symbol des Christentums im allgemeinen, nicht nur des Katholizismus, so daß es auch auf andere Glaubensbekenntnisse verweise. Weiterhin handele es sich um ein historisch-kulturelles Symbol, das einen „identitätsstiftenden Charakter“ für das italienische Volk habe, und um ein Symbol für das der italienischen Verfassung zugrundeliegende Wertesystem. Der von Frau Lautsi angerufene Staatsrat (das oberste Verwaltungsgericht) bestätigte mit Urteil vom 13. April 2006, daß die Präsenz von Kruzifixen in Klassenzimmern staatlicher Schulen eine Rechtsgrundlage in den Dekreten von 1924 und 1928 habe und, angesichts der dem Kruzifix beizumessenden Bedeutung, mit dem Gebot staatlicher Neutralität in Religionsfragen vereinbar sei. Insofern als es Werte symbolisiere, die die italienische Kultur kennzeichneten – Toleranz, Bekräftigung der Rechte des Einzelnen, die Autonomie des moralischen Gewissens gegenüber der Autorität, Solidarität, die Ablehnung jeglicher Diskriminierung – könne das Kruzifix in Klassenzimmern selbst aus einem „säkularen“ Blickwinkel eine wichtige erzieherische Funktion erfüllen. Beschwerde, Verfahren und Zusammensetzung des Gerichtshofs Unter Berufung auf Artikel 2 Protokoll Nr. 1 (Recht auf Bildung) und Artikel 9 (Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit) beklagten sich die Beschwerdeführer über die Kruzifixe in den Klassenzimmern der staatlichen Schule, die Frau Lautsis Söhne besucht hatten. Unter Berufung auf Artikel 14 (Diskriminierungsverbot), machten sie geltend, daß sie aufgrund dessen als Nichtkatholiken eine diskriminierende Ungleichbehandlung im Vergleich zu katholischen Eltern und deren Kindern erfahren hatten. Die Beschwerde wurde am 27. Juli 2006 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingelegt. In seinem Kammerurteil vom 3. November 2009 stellte der Gerichtshof eine Verletzung von Artikel 2 Protokoll Nr. 1 (Recht auf Bildung) in Verbindung mit Artikel 9 (Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit) fest. Am 28. Januar 2010 beantragte die italienische Regierung die Verweisung der Rechtssache an die Große Kammer gemäß Artikel 43 EMRK (Verweisung an die Große Kammer); und am 1. März 2010 nahm der Ausschuß der Großen Kammer den Antrag an. Am 30. Juni 2010 fand eine mündliche Verhandlung vor der Großen Kammer statt. Gemäß Artikel 36 § 2 EMRK und Artikel 44 § 2 Verfahrensordnung des Gerichtshofs erhielten die folgenden Personen, Organisationen und Regierungen die Erlaubnis, schriftliche Stellungnahmen abzugeben: (Anm. 4 = Stellungnahmen der Drittparteien: siehe §§ 47 bis 56 des Urteils.) - 33 Mitglieder des Europäischen Parlaments gemeinsam; - die Nichtregierungsorganisationen Greek Helsinki Monitor (Anm. 5 = Bereits Drittpartei vor der Kammer); Associazone nazionale del libero Pensiero; European Centre for Law and Justice; Eurojuris; gemeinsam: commission internationale de juristes, Interights und Human Rights Watch; gemeinsam: Zentralkomitee der deutschen Katholiken, Semaines sociales de France und Associazioni cristiane Lavoratori italiani; - die Regierungen Armeniens, Bulgariens, Griechenlands, Litauens, Maltas, Monacos, Rumäniens, Rußlands, San Marinos und Zyperns. Die Regierungen Armeniens, Bulgariens, Griechenlands, Litauens, Maltas, Rußlands, San Marinos und Zyperns erhielten zudem die Erlaubnis, gemeinsam an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Das Urteil wurde von der Großen Kammer mit siebzehn Richtern gefällt, die sich wie folgt zusammensetzte: Jean-Paul Costa (Frankreich), Präsident, Christos Rozakis (Griechenland), Nicolas Bratza (Großbritannien), Peer Lorenzen (Dänemark), Josep Casadevall (Andorra), Giovanni Bonello (Malta), Nina Vajić (Kroatien), Rait Maruste (Estland), Anatoly Kovler (Rußland), Sverre Erik Jebens (Norwegen), Päivi Hirvelä (Finnland), Giorgio Malinverni (Schweiz), George Nicolaou (Zypern), Ann Power (Irland), Zdravka Kalaydjieva (Bulgarien), Mihai Poalelungi (Moldawien), Guido Raimondi (Italien), Richter, sowie Erik Fribergh, Kanzler des Gerichtshofs. Entscheidung des Gerichtshofs Artikel 2 Protokoll Nr. 1 In seiner Rechtsprechung (Anm. 6 = Urteile Kjeldsen, Busk Madsen und Pedersen gegen Dänemark vom 7. Dezember 1976 [§ 50], Valsamis gegen Griechenland vom 18. Dezember 1996 [§ 27], Hasan und Eylem Zengin gegen die Türkei vom 9. Oktober 2007 [§ 49] und Folgero und andere gegen Norwegen, Urteil der Großen Kammer vom 29. Juni 2007 [§ 84]) hat der Gerichtshof unterstrichen, daß die Pflicht der Mitgliedstaaten des Europarats, die religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen der Eltern zu achten, nicht nur den Gegenstand und die Art und Weise des Unterrichts betrifft, sondern auch „bei Ausübung“ der Gesamtheit der „Aufgaben“, die die Staaten auf dem Gebiet der Erziehung und des Unterrichts übernehmen, zum Tragen kommt. Dies schließt die Gestaltung der schulischen Umgebung ein, sofern diese nach nationalem Recht eine staatliche Aufgabe ist. Die Entscheidung, ob Kruzifixe in Klassenzimmern staatlicher Schulen angebracht sein sollen, gehört zu den Aufgaben, die der italienische Staat übernimmt und fällt folglich in den Anwendungsbereich von Artikel 2 Protokoll Nr. 1. Daraus ergibt sich auf diesem Gebiet eine staatliche Verpflichtung, das Recht der Eltern zu achten, die Erziehung ihrer Kinder entsprechend ihren eigenen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen sicherzustellen. Der Gerichtshof war der Auffassung, daß sich nicht beweisen läßt, ob ein Kruzifix an der Wand eines Klassenzimmers einen Einfluß auf die Schüler hat, auch wenn es in erster Linie als religiöses Symbol zu betrachten ist. Zwar war es nachvollziehbar, daß Frau Lautsi die Kruzifixe in den Klassenräumen ihrer Kinder als staatliche Mißachtung ihres Rechts sah, deren Unterricht entsprechend ihren eigenen weltanschaulichen Überzeugungen sicherzustellen; diese subjektive Wahrnehmung reichte aber nicht aus, um eine Verletzung von Artikel 2 Protokoll Nr. 1 zu begründen. Die italienische Regierung vertrat die Auffassung, daß das Kruzifix in Klassenzimmern staatlicher Schulen heute eine Tradition darstelle, auf deren Bewahrung sie Wert lege. Das Kruzifix symbolisiere über die religiöse Bedeutung hinaus die Werte und Prinzipien, die die westliche Demokratie und Zivilisation begründeten. Seine Präsenz in den Klassenzimmern sei dadurch zu rechtfertigen. Im Hinblick auf den ersten Gesichtspunkt unterstrich der Gerichtshof, daß die Entscheidung, eine Tradition zu bewahren, zwar im Prinzip in den Beurteilungsspielraum der Mitgliedstaaten des Europarats fällt, der Verweis auf eine Tradition die Staaten aber nicht von ihrer Verpflichtung entbinden kann, die Konventionsrechte zu achten. Im Hinblick auf den zweiten Gesichtspunkt stellte der Gerichtshof fest, daß der italienische Staatsrat und der Kassationsgerichtshof zur Bedeutung des Kruzifixes voneinander abweichende Auffassungen vertraten und das italienische Verfassungsgericht sich zu dieser Frage nicht geäußert hat; dem Gerichtshof stand es nicht zu, in einem Streit zwischen nationalen Gerichten Position zu beziehen. Schließlich genießen Staaten einen Beurteilungsspielraum, wenn es darum geht, ihre Aufgaben auf dem Gebiet der Erziehung und des Unterrichts mit der Achtung des Rechts der Eltern zu vereinbaren, diesen Unterricht entsprechend ihren religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen sicherzustellen. Der Gerichtshof hat daher im Prinzip die Entscheidungen der Staaten auf diesem Gebiet zu respektieren, einschließlich des Stellenwerts, den sie der Religion beimessen, sofern diese Entscheidungen zu keiner Form der Indoktrinierung führen. Die Entscheidung, Kruzifixe in Klassenzimmern anzubringen, fällt folglich in den Beurteilungsspielraum des Staates, zumal es in der Frage der Präsenz religiöser Symbole in staatlichen Schulen unter den Mitgliedstaaten des Europarats keine Übereinstimmung gibt. (Anm. 7 = siehe §§ 26 bis 28 des Urteils.) Der Beurteilungsspielraum der Staaten geht allerdings Hand in Hand mit der Kontrolle durch den Gerichtshof, dem es obliegt, sicherzustellen, daß Entscheidungen auf diesem Gebiet nicht zu einer Indoktrinierung führen. In diesem Zusammenhang stellte der Gerichtshof fest, daß die gesetzliche Regelung in Italien, die das Anbringen von Kruzifixen in Klassenzimmern vorschreibt, der Mehrheitsreligion eine dominante Sichtbarkeit in der schulischen Umgebung gibt. Der Gerichtshof war aber der Auffassung, daß dies nicht ausreicht, um von einem staatlichen Indoktrinierungsprozeß zu sprechen und um einen Verstoß gegen Artikel 2 Protokoll Nr. 1 zu begründen. Der Gerichtshof verwies auf seine Rechtsprechung (Anm. 8 = Folgero und andere gegen Norwegen, Urteil der Großen Kammer vom 29. Juni 2007; Kammerurteil Hasan und Eylem Zengin gegen die Türkei vom 9. Oktober 2007), nach der die Tatsache, daß einer Religion angesichts ihrer dominanten Bedeutung in der Geschichte eines Landes im Lehrplan mehr Raum gegeben wird als anderen Religionen, für sich genommen noch keine Indoktrinierung darstellt. Er hob hervor, daß ein an der Wand angebrachtes Kruzifix ein seinem Wesen nach passives Symbol ist, dessen Einfluß auf die Schüler nicht mit einem didaktischen Vortrag oder mit der Teilnahme an religiösen Aktivitäten verglichen werden kann. Der Gerichtshof war weiter der Auffassung, daß die Wirkung der höheren Sichtbarkeit, die das Kruzifix dem Christentum in der schulischen Umgebung gibt, angesichts folgender Gesichtspunkte noch relativiert werden muß: Die Präsenz des Kruzifixes steht nicht im Zusammenhang mit einem verpflichtenden christlichen Religionsunterricht; die schulische Umgebung ist laut der italienischen Regierung offen für andere Religionen (so sei das Tragen von Symbolen und Kleidung mit religiöser Konnotation Schülern nicht verboten, die Praktiken von Nichtmehrheitsreligionen würden berücksichtigt, freiwilliger Religionsunterricht in allen anerkannten Konfessionen sei möglich, das Ende des Ramadan werde häufig in Schulen gefeiert); nichts weist darauf hin, daß die Behörden sich gegenüber Schülern intolerant verhalten, die anderen Konfessionen angehören, die nicht religiös sind oder Weltanschauungen vertreten, die nicht mit einer Konfession in Verbindung stehen. Schließlich behaupten die Beschwerdeführer nicht, daß das Kruzifix in den Klassenzimmern eine Unterrichtspraxis mit missionarischer Tendenz gefördert oder daß ein Lehrer von Frau Lautsis Kindern in tendenziöser Weise auf dessen Präsenz Bezug genommen hätte. Im Übrigen blieb Frau Lautsis elterliches Recht, ihre Kinder aufzuklären, sie zu beraten und sie im Sinne ihrer eigenen weltanschaulichen Überzeugungen anzuleiten, unberührt. Der Gerichtshof kam folglich zu dem Schluß, daß sich die Entscheidung der Behörden, die Kruzifixe in den Klassenzimmern der von Frau Lautsis Söhnen besuchten staatlichen Schule zu belassen, in den Grenzen des Beurteilungsspielraums hielt, den der italienische Staat im Zusammenhang mit seiner Verpflichtung, in der Ausübung seiner Aufgaben auf dem Gebiet der Erziehung und des Unterrichts das Recht der Eltern zu achten, diesen Unterricht entsprechend ihren religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen sicherzustellen, genießt. Somit lag keine Verletzung von Artikel 2 Protokoll Nr. 1 vor. Der Gerichtshof befand außerdem, daß sich im Hinblick auf Artikel 9 keine anderen Fragen stellten. Im Hinblick auf Frau Lautsis Söhne kam der Gerichtshof zu demselben Schluß. Artikel 14 In seinem Kammerurteil hatte der Gerichtshof befunden, daß es angesichts seiner Feststellung einer Verletzung von Artikel 2 Protokoll Nr. 1 in Verbindung mit Artikel 9 keinen Anlaß gab, die Beschwerde unter Berufung auf Artikel 14 separat zu prüfen. Die Große Kammer erinnerte daran, daß Artikel 14 nur in Bezug auf die anderen Bestimmungen der Konvention und ihrer Protokolle gilt. Selbst unter der Annahme, daß die Beschwerdeführer sich auch darüber beklagen wollten, in ihren Rechten gemäß Artikel 9 und Artikel 2 Protokoll Nr. 1 diskriminiert worden zu sein, sah der Gerichtshof darin keine andere Frage als diejenigen, die er bereits im Anwendungsbereich von Artikel 2 Protokoll Nr. 1 untersucht hatte. Es gab folglich keinen Anlaß, diesen Teil der Beschwerde zu prüfen. Separate Meinungen Die Richter Bonello, Power und Rozakis äußerten jeweils eine zustimmende Meinung. Richter Malinverni äußerte eine abweichende Meinung, der sich Richterin Kalaydjieva anschloß. Die separaten Meinungen sind dem Urteil beigefügt. Das Urteil liegt auf Englisch und Französisch vor. Diese Pressemitteilung ist von der Kanzlei erstellt und für den Gerichtshof nicht bindend. Entscheidungen, Urteile und weitere Informationen stehen auf seiner Website zur Verfügung. Um die Pressemitteilungen des Gerichtshofs zu erhalten, abonnieren Sie bitte die RSS feeds. Pressekontakte: echrpress@echr.coe.int Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wurde 1959 in Straßburg von den Mitgliedstaaten des Europarats errichtet, um die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention von 1950 sicherzustellen. [ENDE DER ÜBERNAHME DER PRESSEMITTEILUNG DES ECHR.] Und so wünsche ich allen Lesern und Leserinnen in der Freude über dieses Urteil am Vorabend des 19. März ein gesegnetes Hochfest des heiligen Joseph! Euer Padre Alex - Vizeoffizial Dr. Alexander Pytlik |
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Pünktlich zum morgigen 70. Geburtstag Seiner Exzellenz, des hochwürdigsten Herrn Diözesanbischofs em. und Militärordinarius em. Dr. Walter Mixa, hat Abonnenten des MM-Verlages (Aachen) und auch andere das Heft der Neurscheinungen zum Frühling 2011 erreich
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