Monday, October 11. 2004ANMERKUNGEN ZU PASTORALEN HINWEISEN DER ERZBISCHÖFE CHRISTOPH KARDINAL SCHÖNBORN UND GERHARD LUDWIG MÜLLER
Die wissenschaftliche Fassung dieses Kurzkommentars ist bereits als PDF-Dokument unter dem Titel Anmerkungen zu neueren pastoralen Hinweisen der Diözesanbischöfe von Wien und Regensburg für wiederverheiratete geschiedene Gläubige abrufbar. Es werden dabei dogmatische, kanonistische, naturrechtliche bzw. rechtsphilosophische sowie pastorale Blickwinkel berücksichtigt.
1. Erfreulicherweise verwehrte sich der Wiener Kardinal-Erzbischof Univ.-Prof. Dr. Christoph Schönborn im ORF ("Offen gesagt" / Thema: "Findet die Kirche Wege aus der Krise?") am 10. Oktober 2004 sehr deutlich gegen den oft geäußerten Vorwurf, die mit dem Zölibat auferlegte Ehelosigkeit führe zu neurotischem Verhalten. Es gebe auch viele allein lebende Menschen, die nicht Priester seien. Hier zu sagen, diese seien alle neurotisch, sei "diskriminierend". Und nach dem Einwurf eines Diskussionsteilnehmers, daß Jesus Christus niemals gesagt habe, daß alle Priester ehelos sein müßten, meinte Kardinal Schönborn: "Jetzt sind wir zum 100. Mal bei der Zölibatsdiskussion. Wir werden in Österreich nicht einen Sonderweg abseits der Weltkirche gehen." Die Vertreter des sogenannten "Kirchenvolksbegehrens" in Österreich würden "Selbstfrustration praktizieren, in dem sie Themen behandeln, die Sache der Weltkirche sind". 2. Andererseits konnte man nicht klar erkennen, was Christoph Kardinal Schönborn mit anderen Worten gemeint haben könnte. Er kündigte nämlich eine Art Bewegung im Umgang mit den "wiederverheirateten Geschiedenen" an. Er habe "in einem sehr dramatischen Moment" - beim Begräbnis von Bundespräsident Dr. Thomas Klestil - dieses Thema schon angesprochen. Und er wolle diesen Weg weiter gehen. (Damals - am 10. Juli 2004 - sagte der Kardinal wörtlich: "Mit Betroffenheit sehen wir, wie groß heute die Sehnsucht nach dem Gelingen von Beziehungen, die Sehnsucht nach Geborgenheit in Ehe und Familie ist, und wie schwer dieses Gelingen geworden ist. Die Haltung der Kirche in dieser Frage hast Du respektiert, auch wenn es Dir nicht leicht fiel. Es fällt auch der Kirche nicht leicht, den Weg zwischen dem unbedingt notwendigen Schutz für Ehe und Familie einerseits und der ebenso notwendigen Barmherzigkeit mit dem menschlichen Scheitern und Neubeginnen anderseits zu finden. Vielleicht, lieber Freund, ist Dein Tod Anlaß, uns alle gemeinsam um beides zu bemühen, im Wissen, daß beides notwendig und daß beides nicht einfach ist.") Allerdings werde er dies nicht an die große Glocke hängen, "weil ich nicht wünsche, daß das ein großes Medienthema ist". Das sei eine pastorale Frage. 3. Genau darum geht es aber: ist dies nur eine pastorale Frage? Kardinal Schönborn hat vorerst zu wenig präzisiert, was er mit einem neuen Zugang zum Thema der "Wiederverheiratet-Geschiedenen" wirklich meint. Bereits im März 2003 war beispielsweise der Regensburger Diözesanbischof Univ.-Prof. Dr. Gerhard Ludwig Müller mit konkreten Vorschlägen in bestimmten seltenen Fällen an die Öffentlichkeit getreten. Um aber der Lehre der Katholischen Kirche treu zu bleiben, müssen von allen Amtsträgern folgende Punkte auch in jeglicher pastoralen Bemühung beachtet werden, sodaß sich die Frage stellt, ob Wortmeldungen wie jene genannten (abgesehen von der interpretierbaren Begräbnisansprache des Kardinals) wirklich einen Sinn machen: a) Es darf nicht einmal der Anschein erweckt werden, daß die (kirchliche) Rechtssicherheit und das Bemühen um gute und unauflösliche Ehen nicht mehr an erster Stelle stünden. Im verbindlichen Schreiben der Glaubenskongregation an die Bischöfe über den Kommunionempfang von wiederverheirateten geschiedenen Gläubigen vom 14. September 1994 wurde daher schon in der Nr. 3 als kritisches Anlaßbeispiel ausdrücklich der hypothetisierte Fall genannt, in welchem jemand von der Ungültigkeit seiner vorausgehenden Ehe überzeugt wäre, dies aber im äußeren Bereich angeblich nicht aufzeigen könnte. - Bei Ernstnahme nun so mancher aktuellerer Andeutungen und Vorschläge müßte trotzdem jeder Einzelfall genauestens geprüft werden: dies kann ein Nichtkanonist nicht, und dies ist eine Überforderung für den Durchschnittspfarrer. Hier werden im Grunde "Ausnahmesituationen" herbeigeredet, die erst nachgewiesen werden müßten. Es müßte daher gewährleistet bleiben, daß die Beurteilungskompetenz für solche Fälle wiederum dem einzig kompetenten Richter, nämlich dem Bischof vorzutragen sind bzw. seinen von ihm beauftragten Diözesanrichtern. Und selbst ein solcher Vorschlag wäre immer noch ein praktischer Angriff gegen die Unauflöslichkeit der Ehe mit all ihren Konsequenzen. Dann bemühte sich nämlich in Konsequenz kaum mehr jemand um die Ernstnahme kirchengerichtlicher Urteile, die in größten Mühen erarbeitet wurden, und wenn sie negativ wären (also das Eheband als gültig bestätigt würde), behauptete dann (potentiell) jeder, er hätte eine sogenannte "höchste moralische Gewißheit" vom gegenteiligen Zustand. Genau hier hat jedoch die Kongregation für die Glaubenslehre unter anderem im Jahr 1994 angesetzt. b) In bestimmten Theologenkreisen wird die nötige Gläubigkeit der Eheleute überbetont. Wenn diese jedoch nichts ausschließen, was die Naturehe beinhaltet - und selbst wenn sie nicht besonders mit der Kirche lebten - änderte dies gar nichts an der absoluten Unauflöslichkeit einer einmal gültig geschlossenen und vollzogenen Ehe zwischen getauften Christen. Nur weil allgemein die Unauflöslichkeit nicht mehr so ernstgenommen würde, hieße dies noch lange nicht, daß jemand für seine konkrete Ehe dies auch so sehen muß. Meist ist es ganz anders, daß nämlich die konkreten Eheleute für sich ganz klar denken: "Wir wollen immer beisammen bleiben." Allgemeine Ideologien müssen erst nachweislich den Willen derart bestimmt haben, daß ein aktiver Ausschluß der Unauflöslichkeit einer konkreten Ehe bestanden haben könnte. Das Maß der Gültigkeit einer sakramentalen Ehe ist also nicht irgendein charismatischer Tief-Glaube, sondern das normal vorbereitete JA-WORT freiwillig gekommener Menschen, die nichts Wesentliches und auch nicht die Kompetenz der Kirche und Gottes mit aktivem Willen ausschließen. Man merkt sehr stark, daß manche auch sehr geschätzte Theologen in diesem eherechtlichen und naturrechtlichen Bereich nicht wirklich ganz zu Hause zu sein scheinen. Doch auch Bischöfe sind verpflichtet, ihre Gedanken und Schlüsse in Konfrontation mit der gültigen und aus dem Dogma herausfließenden Rechtspraxis der Kirche zu setzen, an die der Papst praktisch jedes Jahr das Gericht der Römischen Rota ganz klar erinnert. Wer hier das irrtumsanfällige "private" forum internum zum plötzlichen und nicht mehr öffentlich kontrollierbaren Maßstab des Kommunionempfanges und konsequenterweise (!) sogar einer potentiellen Wiederheirat macht, der führt die Lehre der Kirche - auch wenn er noch das Gegenteil betont - offenbar doch ad absurdum. c) Es ist sehr interessant, daß die kleinen und großen Abweichungen von der gültigen und irrtumsfreien Glaubens- und Sittenlehre der Kirche mit all ihren Konsequenzen in der Praxis zumeist mit Bezug auf ein angeblich mögliches persönliches Gewissensurteil eines Katholiken (!) begründet werden, welcher den kirchlichen Spruch zwar hört (!), aber trotzdem nicht berücksichtigen möchte, so zum Beispiel mit dem im Recht so nicht beschriebenen Begriff einer "höchsten moralischen Gewißheit", während die kirchlichen Richter für ihr Ehenichtigkeitsurteil "lediglich" eine moralische Gewißheit benötigen. Es geht hier nicht um die Frage, wer was interpretiert, sondern es sind die Konsequenzen aus der Unauflöslichkeit der Ehe zu sehen, weil wir sonst das Wort Christi verraten würden. Das bequeme Sich-Ersparen-Wollen des kirchengerichtlichen Weges oder im Anschluß an einen gerichtlichen Weg das angeblich "höchste moralisch-gewisse" Besserwissen als mehrere Instanzen (vom Papst oder vom Bischof bestellter und ausgebildeter kirchlicher Richter), ist nicht tolerierbar. d) Wenn also ein Bischof schreibt: "Hier kann der Bischof und Priester, denen von Christus die Binde- und Lösegewalt innerhalb des Bußsakramentes anvertraut worden ist, die Erlaubnis zum Kommunionempfang verantworten", befindet er sich doch in direktem Gegensatz zum kirchlichen Lehramt, welches 1994 lediglich in Erinnerung gerufen hat, was weiter gültig sein muß: "Gläubige, die wie in der Ehe mit einer Person zusammenleben, die nicht ihre rechtmäßige Ehegattin oder ihr rechtmäßiger Ehegatte ist, dürfen nicht zur heiligen Kommunion hinzutreten. Im Falle, daß sie dies für möglich hielten, haben die Hirten und Beichtväter wegen der Schwere der Materie und der Forderungen des geistlichen Wohls der betreffenden Personen und des Allgemeinwohls der Kirche die ernste Pflicht, sie zu ermahnen, daß ein solches Gewissensurteil in offenem Gegensatz zur Lehre der Kirche steht. Sie müssen diese Lehre zudem allen ihnen anvertrauten Gläubigen in Erinnerung rufen (...) Die irrige Überzeugung von wiederverheirateten Geschiedenen, zum eucharistischen Tisch hinzutreten zu dürfen, setzt normalerweise voraus, daß dem persönlichen Gewissen die Macht zugeschrieben wird, in letzter Instanz auf der Grundlage der eigenen Überzeugung über das Bestehen oder Nichtbestehen der vorausgehenden Ehe und über den Wert der neuen Verbindung zu entscheiden. Eine solche Auffassung ist jedoch unzulässig (...) Das Gewissensurteil über die eigene eheliche Situation betrifft daher nicht nur die unmittelbare Beziehung zwischen Mensch und Gott, als ob man ohne die kirchliche Vermittlung, die auch die im Gewissen verbindlichen kanonischen Normen einschließt, auskommen könnte. Diesen wichtigen Aspekt nicht zu beachten, würde bedeuten, die Ehe faktisch als Wirklichkeit der Kirche, das heißt als Sakrament, zu leugnen (...) Während die Disziplin der Kirche die ausschließliche Kompetenz der Ehegerichte bezüglich der Prüfung der Gültigkeit der Ehe von Katholiken bekräftigt, bietet sie auch neue Wege, um die Ungültigkeit einer vorausgehenden Verbindung zu beweisen, und zwar mit dem Ziel, jede Abweichung der Wahrheit, die im prozessualen Weg nachweisbar ist, von der objektiven, vom rechten Gewissen erkannten Wahrheit so weit wie möglich auszuschließen. Das Befolgen des Urteils der Kirche und die Beobachtung der geltenden Disziplin bezüglich der Verbindlichkeit der für eine gültige Ehe unter Katholiken notwendigen kanonischen Form ist das, was dem geistlichen Wohl der betroffenen Gläubigen wahrhaft nützt." e) Auch wenn sich eine Partei am kirchengerichtlichen Verfahren nicht beteiligt, heißt dies noch lange nicht, daß eine tatsächliche Ungültigkeit nicht vom Gericht erkannt werden könnte. Wenn jemand wirklich im recht gebildeten und nicht irrenden Gewissen überzeugt ist, daß seine Ehe ungültig sein müßte, dann ist es normalerweise auch möglich, dorthin zu kommen. Jede Partei kann sich zudem einen Anwalt nehmen. Es geht hier nicht nur um Kirchen- oder Prozeßrecht, sondern es geht primär um Naturrecht, und dies ist nicht in unserer Disposition, wenn es um die Unauflöslichkeit geht. Nur dem Papst als Stellvertreter Gottes auf Erden sind abgesehen von der dogmatisch unantastbaren gültigen und vollzogenen Ehe zwischen Getauften besondere Fälle vorbehalten, die Ehe tatsächlich aufzulösen, was also über die Erkenntnis einer (jeweils immer bestandenen) Nichtigkeit seitens der als kompetent definierten Kirchengerichte hinausginge. Bei bischöflichen Äußerungen muß also letztlich auch darauf geachtet werden, nicht noch mehr jenen katholischen Pfarrern in den Rücken zu fallen, die sich in Treue dem Schutz der Unauflöslichkeit der Ehe verpflichtet haben und pastoral-liebevoll erklärt haben, warum der Kreuzweg des Nichtempfanges der Heiligen Kommunion bzw. der geistlichen Kommunion der bessere sei und es keine Alternativen geben könne, solange nicht die Bereitschaft zum keuschen Leben als Bruder und Schwester gegeben ist. 4. Abschließend ist es zweifellos passend und aktuell, den neu ernannten Diözesanbischof von St. Pölten, Dr. Dr. Klaus Küng, zu Wort kommen zu lassen. Er sagte dazu, daß die Probleme von Paaren, "die es eben nicht schaffen, nicht dadurch gelöst sind, daß ich ihnen die Kommunion gebe". Die Kirche müsse sich noch viel mehr der Ehevorbereitung und Ehebegleitung widmen und die Stabilität der Ehe fördern: "Entweder ist die Ehe unauflöslich oder nicht. Das ist nicht eine Frage, die ich so oder so beantworten kann, das ist eine Frage des Evangeliums. Diese Menschen sind deswegen nicht von der kirchlichen Gemeinschaft ausgeschlossen". Eine gute Diskussion und ein gutes Nachdenken wünscht Euch Euer Padre Alex - Dr. Alexander Pytlik P. S. Der Kommentar findet sich leicht gekürzt auch auf http://www.kath.net/detail.php?id=8658. Die wissenschaftliche Fassung ist bereits als PDF-Dokument unter dem Titel Anmerkungen zu neueren pastoralen Hinweisen der Diözesanbischöfe von Wien und Regensburg für wiederverheiratete geschiedene Gläubige abrufbar. Es werden dabei dogmatische, kanonistische, naturrechtliche bzw. rechtsphilosophische sowie pastorale Blickwinkel berücksichtigt. Außerdem gibt es eine weitere zitierfähige Fassung in der Monatsschrift Theologisches, 34. Jg., Nr. 10/11 (Oktober/November 2004) 583 - 600. Trackbacks
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