Im immer wieder sehr lesenswerten Deutschen Ärzteblatt ist in der Ausgabe 30 vom 29. Juli 2005, Seite A-2079, unter den THEMEN DER ZEIT der Beitrag
Persistent vegetative state: Verdursten lassen oder sterben dürfen? von Matthis Synofzik enthalten. Trotz einer gewissen Ausgeglichenheit des Beitrages sind schwerwiegende Kritikpunkte anzubringen, die nicht zuletzt das Wohl der etwa 10000 Wachkoma-Patienten in Deutschland im Auge haben. Von daher sah ich mich verpflichtet, folgenden Leserbrief einzusenden:
M. Synofzik vom Institut für Ethik und Geschichte in der Medizin in Tübingen hat sich sehr kompetent der Frage angenähert, ob es gerechtfertigt ist, bei Wachkoma die Sondenernährung einzustellen. Die Grundfrage bleibt jedoch, ob eine gültige
Patientenverfügung in solchen Fällen jemals die sittliche Legitimation zur Entfernung der Ernährungssonde geben wird können. Vom Naturrecht her, auf das sich der verstorbene Papst Johannes Paul II. in seiner diesbezüglich richtungsweisenden
Ansprache an die Teilnehmer des Internationalen Fachkongresses zum Thema "Lebenserhaltende Behandlungen und vegetativer Zustand: wissenschaftliche Fortschritte und ethische Dilemmata" vom 20. März 2004 zweifellos bezog, scheint dies absolut ausgeschlossen:
"Der Kranke im vegetativen Zustand, der die Wiederherstellung oder das natürliche Ende erwartet, hat das Recht auf eine grundlegende ärztliche Betreuung (Versorgung mit Nahrung und Flüssigkeit, Hygiene, Wärme usw.) und auf die Vorsorge gegen Komplikationen, die mit der Bettlägrigkeit verbunden sind. Er hat auch das Recht auf einen gezielten rehabilitativen Eingriff und auf die Überwachung der klinischen Zeichen einer eventuellen Besserung. - Insbesondere möchte ich unterstreichen, daß die Verabreichung von Wasser und Nahrung, auch wenn sie auf künstlichen Wegen geschieht, immer ein natürliches Mittel der Lebenserhaltung und keine medizinische Handlung ist. Ihre Anwendung ist deshalb prinzipiell als normal und angemessen und damit als moralisch verpflichtend zu betrachten, in dem Maß, in dem und bis zu dem sie ihre eigene Zielsetzung erreicht, die im vorliegenden Fall darin besteht, dem Patienten Ernährung und Linderung der Leiden zu verschaffen. - Denn die Pflicht, dem Kranken in solchen Fällen die gebotenen normalen Behandlungen nicht vorzuenthalten, umfaßt auch die Versorgung mit Nahrung und Wasser (vgl. Päpstl. Rat für die Pastoral im Krankendienst, Charta für den Krankendienst, Nr. 120). Eine Wahrscheinlichkeitsrechnung, die auf den geringen Hoffnungen auf Besserung gründet, wenn der vegetative Zustand mehr als ein Jahr andauert, kann ethisch die Aussetzung oder Unterbrechung der Mindestbehandlungen des Patienten, einschließlich der Ernährung und Wasserverabreichung, nicht rechtfertigen. Denn der Tod durch Verhungern und Verdursten ist das einzig mögliche Resultat infolge ihrer Unterbrechung. In diesem Sinn wird er am Ende - wenn er bewußt und absichtlich herbeigeführt wird - zur tatsächlichen realen Euthanasie durch Unterlassung (...) Im übrigen ist der moralische Grundsatz bekannt, wonach auch der einfache Zweifel, ob man sich einer lebenden Person gegenüber befindet, schon dazu verpflichtet, diese voll zu respektieren und jede Handlung zu unterlassen, die auf ihren vorzeitigen Tod abzielt."
Tatsächlich erwähnt Synofzik völlig richtig, daß auch bei Terri Schiavo ein diagnostischer Irrtum nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden konnte und daß es keine letzte Sicherheit gibt, inwiefern noch bewußtes Erleben der Patientin möglich war. Widersprochen muß Synofzik jedoch darin werden, daß Ärzte den Patienten generell lediglich "nutzen" sollten. Ein bedenkliches Nützlichkeitsdenken spricht nämlich dann tatsächlich aus der unkritisch dargebotenen Wiedergabe einer angeblich immer stärkeren Auffassung, daß "
es sich bei der künstlichen Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr auch um eine medizinische Maßnahme handelt, die grundsätzlich legitimationsbedürftig ist." Die reduktive Nützlichkeitsethik sieht aber nicht mehr den objektiven Wert des menschlichen Lebens auch im sogenannten Wachkoma und öffnet sich schrittweise in Richtung aktiver Sterbehilfe. Dies gibt Synofzik faktisch zu, indem er festhält, daß die Wirksamkeit der Sondenernährung außer Frage steht, da sie im Fall von Schiavo über 15 Jahre hinweg einen ausreichenden Ernährungszustand und damit das Überleben der Patientin sicherstellte. Weder ein angesprochener gesellschaftlicher Konsens noch eine Präferenz des Betroffenen können daher jemals die moralische Legitimation zum Abbruch der Sondenernährung im PVS geben. Im übrigen scheint Synofzik zu verschweigen, daß Schiavo in der Tat im Sterbeprozeß niedrig dosiertes Morphium zur Sicherheit verabreicht bekam, um mögliches Leiden bei ihr auszuschließen.
Daher schließe ich mich der Meinung des über die Grenzen Italiens hinaus bekannten und medizinisch hochgebildeten Präsidenten des dortigen Bioethik-Komitees, Univ.-Prof. Dr. Francesco D'Agostino, vom 19. März 2005, zum Fall Schiavo an: "
Es ist eine schreckliche Entscheidung. Auch wenn diese Krankheitszustände mit niedriger Genesungswahrscheinlichkeit verbunden sind, gibt es da bioethisch nur eine einzige Pflicht: sich des Kranken pflegerisch anzunehmen. Die gesetzlichen Vertreter müßten die Personen im Wachkoma diesbezüglich rechtlich schützen. Im konkreten Fall kann man nicht von therapeutischem Übereifer sprechen: Terry braucht einfach Ernährung, und diese Ernährung ist weder eine komplizierte noch eine anspruchsvolle Technologie."
Mag. Mag. Dr. Alexander PYTLIK, Vizeoffizial am Bischöflichen Kirchengericht der Diözese Eichstätt, Gutachtertätigkeit und Forschungsschwerpunkt: Naturrecht und Bioethik, Luitpoldstraße 4, 85072 Eichstätt, Tel./Fax: 08421/908186 /
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P. S. Ein erweiterter Kommentar findet sich bei http://www.kath.net/detail.php?id=11169
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