Monday, September 18. 2006
Posted by Padre Alex / Dr. Alexander Pytlik
in Aktuelle Predigt, Katholische Lehre, News Kommentare
Comments (0) Trackback (1) DER PAPST MEINTE ES SEHR GUT: NICHT VERNUNFTGEMÄSS HANDELN WIDERSPRICHT DEM WESEN GOTTES
Der Besuch Seiner Heiligkeit Papst Benedikt XVI. im Freistaat Bayern hat für viele mitfeiernde Gläubige und für unzählige suchende Zeitgenossen Bestärkung im Guten und neue Sinnhorizonte für das eigene und das gesamte soziale Leben eröffnet. Meiner Meinung nach war das aufgewendete Geld für den Papstbesuch daher gut angelegt. Programmatisch verkündete der Heilige Vater beim Hochamt in München (Sonntag, 10. September 2006): "Dann und wann aber sagt ein afrikanischer Bischof: 'Wenn ich in Deutschland soziale Projekte vorlege, finde ich sofort offene Türen. Aber wenn ich mit einem Evangelisierungsprojekt komme, stoße ich eher auf Zurückhaltung.' Offenbar herrscht da bei manchen die Meinung, die sozialen Projekte müsse man mit höchster Dringlichkeit voranbringen; die Dinge mit Gott oder gar mit dem katholischen Glauben, die seien doch eher partikulär und nicht so vordringlich. Und doch ist es gerade die Erfahrung dieser Bischöfe, daß die Evangelisierung vorausgehen muß; daß der Gott Jesu Christi bekannt, geglaubt, geliebt werden, die Herzen umkehren muß, damit auch die sozialen Dinge vorangehen; damit Versöhnung werde; damit zum Beispiel Aids wirklich von den tiefen Ursachen her bekämpft und die Kranken mit der nötigen Zuwendung und Liebe gepflegt werden können.
Das Soziale und das Evangelium sind einfach nicht zu trennen. Wo wir den Menschen nur Kenntnisse bringen, Fertigkeiten, technisches Können und Gerät, bringen wir zu wenig. Dann treten die Techniken der Gewalt ganz schnell in den Vordergrund und die Fähigkeit zum Zerstören, zum Töten wird zur obersten Fähigkeit, zur Fähigkeit um Macht zu erlangen, die dann irgendwann einmal das Recht bringen soll und es doch nicht bringen kann: man geht so nur immer weiter fort von der Versöhnung, vom gemeinsamen Einsatz für Gerechtigkeit und Liebe. Die Maßstäbe, nach denen Technik in den Dienst des Rechts und der Liebe tritt, gehen dann verloren, und auf diese Maßstäbe kommt alles an: Maßstäbe, die nicht nur Theorien sind, sondern das Herz erleuchten und so den Verstand und das Tun auf den rechten Weg bringen. Die Völker Afrikas und Asiens bewundern zwar die technischen Leistungen des Westens und unsere Wissenschaft, aber sie erschrecken vor einer Art von Vernünftigkeit, die Gott total aus dem Blickfeld des Menschen ausgrenzt und dies für die höchste Art von Vernunft ansieht, die man auch ihren Kulturen beibringen will. Nicht im christlichen Glauben sehen sie die eigentliche Bedrohung ihrer Identität, sondern in der Verachtung Gottes und in dem Zynismus, der die Verspottung des Heiligen als Freiheitsrecht ansieht und Nutzen für zukünftige Erfolge der Forschung zum letzten Maßstab erhebt. Liebe Freunde! Dieser Zynismus ist nicht die Art von Toleranz und kultureller Offenheit, auf die die Völker warten und die wir alle wünschen. Die Toleranz, die wir dringend brauchen, schließt die Ehrfurcht vor Gott ein - die Ehrfurcht vor dem, was dem anderen heilig ist. Diese Ehrfurcht vor dem Heiligen der anderen setzt aber wiederum voraus, daß wir selbst die Ehrfurcht vor Gott wieder lernen. Diese Ehrfurcht kann in der westlichen Welt nur dann regeneriert werden, wenn der Glaube an Gott wieder wächst, wenn Gott für uns und in uns wieder gegenwärtig wird. Wir drängen unseren Glauben niemandem auf: diese Art von Proselytismus ist dem Christlichen zuwider. Der Glaube kann nur in Freiheit geschehen. Aber die Freiheit der Menschen rufen wir an, sich für Gott aufzutun; Ihn zu suchen; Ihm Gehör zu schenken. Wir, die wir hier sind, bitten den Herrn von ganzem Herzen, daß Er wieder sein Ephata zu uns sagt; daß Er unsere Schwerhörigkeit für Gott, für Sein Wirken und Sein Wort heilt, und uns sehend und hörend macht. Wir bitten Ihn, daß Er uns hilft, wieder das Wort des Gebetes zu finden, indem Er uns in der Liturgie einlädt; dessen ABC Er uns im Vaterunser gelehrt hat. Die Welt braucht Gott. Wir brauchen Gott. Welchen Gott brauchen wir? In der ersten Lesung sagt der Prophet zu einem unterdrückten Volk: Die Rache Gottes wird kommen. Wir können uns gut ausdenken, wie die Menschen sich das vorgestellt haben. Aber der Prophet selber sagt dann, worin diese Rache besteht: nämlich in der heilenden Güte Gottes. Die endgültige Auslegung des Prophetenwortes finden wir in dem, der für uns am Kreuz gestorben ist - in Jesus, dem menschgewordenen Sohn Gottes, der uns hier so eindringlich anschaut." Es kann also keinen Zweifel daran geben, daß der regierende Papst "die Ehrfurcht vor dem, was dem anderen heilig ist", während seines ganzen Wirkens auch als Papst immer beachtet hat und immer beachten wollte. Trotzdem entfachte kurz nach der Beendigung seines gelungenen Pastoralbesuches ein Streit darüber, warum Seine Heiligkeit Benedikt XVI. in einer auf der Internetseite des Heiligen Stuhles in mehreren Sprachen abrufbaren wissenschaftlichen Vorlesung auf dem Boden der Universität Regensburg (12. September 2006) den byzantinischen Kaiser Manuel II. Palaeologos mit einer schroffen Frage und Antwort betreffend Mohammed zitiert hat. Es ist derzeit davon auszugehen, daß der Heilige Vater offenbar wirklich gedacht hatte, die meisten Journalisten und die Weltöffentlichkeit würden verstehen, daß in einer wissenschaftlichen Vorlesung Zitate historischer Persönlichkeiten und Quellen ohne jeden ideologischen Hintergedanken gebracht werden können, um dann einem Thema wie dem selbst erwählten nachgehen zu können: Glaube, Vernunft und Universität. Erinnerungen und Reflexionen. Doch dies war offenbar eine Fehlkalkulation, und es kann jetzt nur die Aufgabe sein, dem Anliegen der gesamten Vorlesung des Heiligen Vaters gerecht zu werden, da die eine einzige Textstelle isolierende Kritik daran ungerecht erscheint. Welcher Frage wollte denn der Papst eigentlich mit seiner Vorlesung nachgehen? Wollte er einen Religionsgründer oder eine ganze Religionsgemeinschaft beleidigen oder zurücksetzen? Nein, ganz bestimmt nicht, aber es wurde in den meisten Gesellschaften mit islamischen Gläubigen so verstanden bzw. so transportiert. Und in der Tat: das vom Papst selbst als schroff umschriebene Zitat des byzantinischen Kaisers hätte ausfallen können, ohne den Duktus und das Ergebnis der Vorlesung zu stören. Denn in Wirklichkeit ging es dem Papst um etwas zutiefst Menschliches und für die Menschlichkeit und wahre Religiosität Entscheidendes: welche Rolle spielt die menschliche Vernunft im Zusammenhang mit dem Glauben an Gott, wie muß Vernunft eigentlich definiert werden? Der Titel der Vorlesung lautete daher, um es zu wiederholen: Glaube, Vernunft und Universität. Erinnerungen und Reflexionen. Dieser ganz kleine Ausschnitt aus der Vorlesung möge dem Leser einen Einblick in das eigentlich Thema der päpstlichen Vorlesung geben: "Der Kaiser begründet ... eingehend, warum Glaubensverbreitung durch Gewalt widersinnig ist. Sie steht im Widerspruch zum Wesen Gottes und zum Wesen der Seele ... Der entscheidende Satz in dieser Argumentation gegen Bekehrung durch Gewalt lautet: Nicht vernunftgemäß handeln ist dem Wesen Gottes zuwider. Der Herausgeber Theodore Khoury kommentiert dazu: Für den Kaiser als einen in griechischer Philosophie aufgewachsenen Byzantiner ist dieser Satz evident. Für die moslemische Lehre hingegen ist Gott absolut transzendent. Sein Wille ist an keine unserer Kategorien gebunden und sei es die der Vernünftigkeit. Khoury zitiert dazu eine Arbeit des bekannten französischen Islamologen R. Arnaldez, der darauf hinweist, daß Ibn Hazn so weit gehe zu erklären, daß Gott auch nicht durch Sein eigenes Wort gehalten sei und daß nichts Ihn dazu verpflichte, uns die Wahrheit zu offenbaren. Wenn Er es wollte, müsse der Mensch auch Götzendienst treiben. An dieser Stelle tut sich ein Scheideweg im Verständnis Gottes und so in der konkreten Verwirklichung von Religion auf, der uns heute ganz unmittelbar herausfordert. Ist es nur griechisch zu glauben, daß vernunftwidrig zu handeln dem Wesen Gottes zuwider ist, oder gilt das immer und in sich selbst? Ich denke, daß an dieser Stelle der tiefe Einklang zwischen dem, was im besten Sinn griechisch ist, und dem auf der Bibel gründenden Gottesglauben sichtbar wird. Den ersten Vers der Genesis, den ersten Vers der Heiligen Schrift überhaupt abwandelnd, hat Johannes den Prolog seines Evangeliums mit dem Wort eröffnet: Im Anfang war der Logos. Dies ist genau das Wort, das der Kaiser gebraucht: Gott handelt mit Logos. Logos ist Vernunft und Wort zugleich - eine Vernunft, die schöpferisch ist und sich mitteilen kann, aber eben als Vernunft. Johannes hat uns damit das abschließende Wort des biblischen Gottesbegriffs geschenkt, in dem alle die oft mühsamen und verschlungenen Wege des biblischen Glaubens an ihr Ziel kommen und ihre Synthese finden. Im Anfang war der Logos, und der Logos ist Gott, so sagt uns der Evangelist. Das Zusammentreffen der biblischen Botschaft und des griechischen Denkens war kein Zufall. Die Vision des heiligen Paulus, dem sich die Wege in Asien verschlossen und der nächtens in einem Gesicht einen Mazedonier sah und ihn rufen hörte: Komm herüber und hilf uns (Apg 16,6 - 10) - diese Vision darf als Verdichtung des von innen her nötigen Aufeinanderzugehens zwischen biblischem Glauben und griechischem Fragen gedeutet werden. Dabei war dieses Zugehen längst im Gang. Schon der geheimnisvolle Gottesname vom brennenden Dornbusch, der diesen Gott aus den Göttern mit den vielen Namen herausnimmt und von ihm einfach das "Ich bin", das Dasein aussagt, ist eine Bestreitung des Mythos, zu der der sokratische Versuch, den Mythos zu überwinden und zu übersteigen, in einer inneren Analogie steht. Der am Dornbusch begonnene Prozeß kommt im Innern des Alten Testaments zu einer neuen Reife während des Exils, wo nun der landlos und kultlos gewordene Gott Israels sich als den Gott des Himmels und der Erde verkündet und sich mit einer einfachen, das Dornbusch-Wort weiterführenden Formel vorstellt: "Ich bin's." Mit diesem neuen Erkennen Gottes geht eine Art von Aufklärung Hand in Hand, die sich im Spott über die Götter drastisch ausdrückt, die nur Machwerke der Menschen seien (vgl. Ps 115). So geht der biblische Glaube in der hellenistischen Epoche bei aller Schärfe des Gegensatzes zu den hellenistischen Herrschern, die die Angleichung an die griechische Lebensweise und ihren Götterkult erzwingen wollten, dem Besten des griechischen Denkens von innen her entgegen zu einer gegenseitigen Berührung, wie sie sich dann besonders in der späten Weisheits-Literatur vollzogen hat. Heute wissen wir, daß die in Alexandrien entstandene griechische Übersetzung des Alten Testaments - die Septuaginta - mehr als eine bloße (vielleicht sogar wenig positiv zu beurteilende) Übersetzung des hebräischen Textes, nämlich ein selbständiger Textzeuge und ein eigener wichtiger Schritt der Offenbarungsgeschichte ist, in dem sich diese Begegnung auf eine Weise realisiert hat, die für die Entstehung des Christentums und seine Verbreitung entscheidende Bedeutung gewann. Zutiefst geht es dabei um die Begegnung zwischen Glaube und Vernunft, zwischen rechter Aufklärung und Religion. Manuel II. hat wirklich aus dem inneren Wesen des christlichen Glaubens heraus und zugleich aus dem Wesen des Griechischen, das sich mit dem Glauben verschmolzen hatte, sagen können: Nicht "mit dem Logos" handeln, ist dem Wesen Gottes zuwider. Hier ist der Redlichkeit halber anzumerken, daß sich im Spätmittelalter Tendenzen der Theologie entwickelt haben, die diese Synthese von Griechischem und Christlichem aufsprengen. Gegenüber dem sogenannten augustinischen und thomistischen Intellektualismus beginnt bei Duns Scotus eine Position des Voluntarismus, die schließlich in den weiteren Entwicklungen dahinführte zu sagen, wir kennten von Gott nur seine Voluntas ordinata. Jenseits davon gebe es die Freiheit Gottes, kraft derer er auch das Gegenteil von allem, was er getan hat, hätte machen und tun können ... Demgegenüber hat der kirchliche Glaube immer daran festgehalten, daß es zwischen Gott und uns, zwischen seinem ewigen Schöpfergeist und unserer geschaffenen Vernunft eine wirkliche Analogie gibt, in der zwar - wie das Vierte Laterankonzil 1215 sagt - die Unähnlichkeiten unendlich größer sind als die Ähnlichkeiten, aber eben doch die Analogie und ihre Sprache nicht aufgehoben werden. Gott wird nicht göttlicher dadurch, daß wir ihn in einen reinen und undurchschaubaren Voluntarismus entrücken, sondern der wahrhaft göttliche Gott ist der Gott, der sich als Logos gezeigt und als Logos liebend für uns gehandelt hat. Gewiß, die Liebe "übersteigt", wie Paulus sagt, die Erkenntnis und vermag daher mehr wahrzunehmen als das bloße Denken (vgl. Eph 3,19), aber sie bleibt doch Liebe des Gottes-Logos, weshalb christlicher Gottesdienst ... im Einklang mit dem ewigen Wort und mit unserer Vernunft steht (vgl. Röm 12,1). Dieses hier angedeutete innere Zugehen aufeinander, das sich zwischen biblischem Glauben und griechischem philosophischem Fragen vollzogen hat, ist ein nicht nur religionsgeschichtlich, sondern weltgeschichtlich entscheidender Vorgang, der uns auch heute in die Pflicht nimmt. Wenn man diese Begegnung sieht, ist es nicht verwunderlich, daß das Christentum trotz seines Ursprungs und wichtiger Entfaltungen im Orient schließlich seine geschichtlich entscheidende Prägung in Europa gefunden hat. Wir können auch umgekehrt sagen: Diese Begegnung, zu der dann noch das Erbe Roms hinzutritt, hat Europa geschaffen und bleibt die Grundlage dessen, was man mit Recht Europa nennen kann (...) Angesichts der Begegnung mit der Vielheit der Kulturen sagt man heute gern, die Synthese mit dem Griechentum, die sich in der alten Kirche vollzogen habe, sei eine erste Inkulturation des Christlichen gewesen, auf die man die anderen Kulturen nicht festlegen dürfe. Ihr Recht müsse es sein, hinter diese Inkulturation zurückzugehen auf die einfache Botschaft des Neuen Testaments, um sie in ihren Räumen jeweils neu zu inkulturieren. Diese These ist nicht einfach falsch, aber doch vergröbert und ungenau. Denn das Neue Testament ist griechisch geschrieben und trägt in sich selber die Berührung mit dem griechischen Geist, die in der vorangegangenen Entwicklung des Alten Testaments gereift war. Gewiß gibt es Schichten im Werdeprozeß der alten Kirche, die nicht in alle Kulturen eingehen müssen. Aber die Grundentscheidungen, die eben den Zusammenhang des Glaubens mit dem Suchen der menschlichen Vernunft betreffen, die gehören zu diesem Glauben selbst und sind seine ihm gemäße Entfaltung (...) Das Ethos der Wissenschaftlichkeit ... ist im übrigen Wille zum Gehorsam gegenüber der Wahrheit und insofern Ausdruck einer Grundhaltung, die zu den wesentlichen Entscheiden des Christlichen gehört. Nicht Rücknahme, nicht negative Kritik ist gemeint, sondern um Ausweitung unseres Vernunftbegriffs und -gebrauchs geht es. Denn bei aller Freude über die neuen Möglichkeiten des Menschen sehen wir auch die Bedrohungen, die aus diesen Möglichkeiten aufsteigen, und müssen uns fragen, wie wir ihrer Herr werden können. Wir können es nur, wenn Vernunft und Glaube auf neue Weise zueinanderfinden; wenn wir die selbstverfügte Beschränkung der Vernunft auf das im Experiment Falsifizierbare überwinden und der Vernunft ihre ganze Weite wieder eröffnen. In diesem Sinn gehört Theologie nicht nur als historische und humanwissenschaftliche Disziplin, sondern als eigentliche Theologie, als Frage nach der Vernunft des Glaubens an die Universität und in ihren weiten Dialog der Wissenschaften hinein. Nur so werden wir auch zum wirklichen Dialog der Kulturen und Religionen fähig, dessen wir so dringend bedürfen. In der westlichen Welt herrscht weithin die Meinung, allein die positivistische Vernunft und die ihr zugehörigen Formen der Philosophie seien universal. Aber von den tief religiösen Kulturen der Welt wird gerade dieser Ausschluß des Göttlichen aus der Universalität der Vernunft als Verstoß gegen ihre innersten Überzeugungen angesehen. Eine Vernunft, die dem Göttlichen gegenüber taub ist und Religion in den Bereich der Subkulturen abdrängt, ist unfähig zum Dialog der Kulturen. Für die Philosophie und in anderer Weise für die Theologie ist das Hören auf die großen Erfahrungen und Einsichten der religiösen Traditionen der Menschheit, besonders aber des christlichen Glaubens, eine Erkenntnisquelle, der sich zu verweigern eine unzulässige Verengung unseres Hörens und Antwortens wäre. Mir kommt da ein Wort des Sokrates an Phaidon in den Sinn. In den vorangehenden Gesprächen hatte man viele falsche philosophische Meinungen berührt, und nun sagt Sokrates: Es wäre wohl zu verstehen, wenn einer aus Ärger über so viel Falsches sein übriges Leben lang alle Reden über das Sein haßte und schmähte. Aber auf diese Weise würde er der Wahrheit des Seienden verlustig gehen und einen sehr großen Schaden erleiden. Der Westen ist seit langem von dieser Abneigung gegen die grundlegenden Fragen seiner Vernunft bedroht und könnte damit einen großen Schaden erleiden. Mut zur Weite der Vernunft, nicht Absage an ihre Größe - das ist das Programm, mit dem eine dem biblischen Glauben verpflichtete Theologie in den Disput der Gegenwart eintritt. "Nicht vernunftgemäß, nicht mit dem Logos handeln ist dem Wesen Gottes zuwider", hat Manuel II. von seinem christlichen Gottesbild her zu seinem persischen Gesprächspartner gesagt. In diesen großen Logos, in diese Weite der Vernunft laden wir beim Dialog der Kulturen unsere Gesprächspartner ein. Sie selber immer wieder zu finden, ist die große Aufgabe der Universität." Deshalb hat nicht nur der neu ernannte Leiter des vatikanischen Pressesaals, Hw. Pater Federico Lombardi SJ, die überzogene Kritik an dieser wissenschaftlichen Vorlesung zurückgewiesen und damit einer falschen Instrumentalisierung im Sinne einer plötzlichen Beendigung eines von der Weltkirche angebotenen interreligiösen Dialoges vorgebaut, sondern auch der neu ernannte Staatssekretär des Heiligen Stuhles, Tarcisio Kardinal Bertone, hat als persönlicher Vertrauter des Papstes und von Amts wegen eine Erklärung vorgelegt, die ganz dem entspricht, was der Heilige Vater Benedikt XVI. denkt (und am gestrigen Sonntag persönlich unterstrichen hat), wenn es um den angebotenen Dialog mit Vertretern des Islam geht, die bei ihren Äußerungen auf von wem auch immer provozierten Gebrauch von Gewalt verzichten. Abgesehen davon ist die kritische Frage jedoch sicherlich gestattet, ob der Papst großangelegte Interviews und wissenschaftliche Vorlesungen halten muß. Die Sendung des Heiligen Stuhles besteht nach dem Willen des jetzt regierenden Papstes weiterhin darin, in den großen Konfliktherden dieser Welt eine höchstmögliche Objektivität und Neutralität an den Tag zu legen, um so der Vermittlung des Friedens und der freien Erkenntnismöglichkeit der religiösen Wahrheit am besten zu dienen. Die deutsche Übersetzung der entscheidenden Erklärung des vatikanischen Staatssekretärs wird von der Seite des Heiligen Stuhles übernommen: "Angesichts der Reaktionen von muslimischer Seite hinsichtlich einiger Abschnitte der Ansprache des Heiligen Vaters Benedikt XVI. in der Universität Regensburg möchte ich zu den Klarstellungen und Präzisierungen, die der Direktor des Presseamtes des Heiligen Stuhls bereits gegeben hat, das Folgende hinzufügen: - Die Haltung des Papstes zum Islam ist eindeutig jene, die vom Konzilsdokument Nostra Aetate zum Ausdruck gebracht wurde: »Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslim, die den alleinigen Gott anbeten, den lebendigen und in sich seienden, den Schöpfer Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat. Sie mühen sich, auch seinen verborgenen Ratschlüssen sich mit ganzer Seele zu unterwerfen, so wie Abraham sich Gott unterworfen hat, auf den der islamische Glaube sich gerne beruft. Jesus, den sie allerdings nicht als Gott anerkennen, verehren sie doch als Propheten, und sie ehren seine jungfräuliche Mutter Maria, die sie bisweilen auch in Frömmigkeit anrufen. Überdies erwarten sie den Tag des Gerichtes, an dem Gott alle Menschen auferweckt und ihnen vergilt. Deshalb legen sie Wert auf sittliche Lebenshaltung und verehren Gott besonders durch Gebet, Almosen und Fasten« (Nr. 3). - Die Option des Papstes für den interreligiösen und interkulturellen Dialog ist ebenso eindeutig. Bei der Begegnung mit Vertretern einiger muslimischer Gemeinden in Köln sagte er am 20. August 2005, dieser Dialog zwischen Christen und Muslimen dürfe »nicht auf eine Saisonentscheidung reduziert werden«, und fügte hinzu: »Die Lektionen der Vergangenheit müssen uns davor bewahren, die gleichen Fehler zu wiederholen. Wir wollen Wege der Versöhnung suchen und lernen, so zu leben, daß jeder die Identität des anderen respektiert« (in O.R. dt., Nr. 35, 2. 9. 2005, S. 11). - Was das von ihm in der Ansprache in Regensburg wiedergegebene Urteil des byzantinischen Kaisers Manuel II. Palaeologos betrifft, so war und ist es keineswegs die Absicht des Heiligen Vaters, sich dieses Urteil zu eigen zu machen, sondern er hat es lediglich dazu verwendet, um – in einem akademischen Kontext und gemäß dem, was aus einer vollständigen und aufmerksamen Lektüre des Textes hervorgeht – einige Gedankengänge zum Thema der Beziehung zwischen Religion und Gewalt im allgemeinen darzulegen, mit der Schlußfolgerung einer deutlichen und radikalen Ablehnung der religiösen Motivierung der Gewalt, von welcher Seite auch immer sie ausgeht. Es ist in diesem Zusammenhang angebracht, an das zu erinnern, was Benedikt XVI. selbst in seiner Botschaft zum 20. Jahrestag des interreligiösen Gebetstreffens für den Frieden in Assisi, das auf Wunsch seines geliebten Vorgängers Johannes Paul II. im Oktober 1986 stattfand, kürzlich geschrieben hat, nämlich daß »Gewaltakte nicht der Religion als solcher zuzuschreiben sind, sondern vielmehr der kulturellen Begrenzung, mit der sie gelebt wird und sich im Laufe der Zeit entwickelt … In der Tat gibt es in allen großen religiösen Traditionen Zeugnisse jener engen Verbindung, die zwischen der Beziehung zu Gott und der Ethik der Liebe besteht«. - Der Heilige Vater bedauert daher zutiefst, daß einige Abschnitte seiner Ansprache verletzend geklungen haben könnten für die Empfindungen der muslimischen Gläubigen und sie in einer Weise ausgelegt wurden, die ganz und gar nicht seinen Absichten entspricht. Zudem hat er angesichts der tiefen Religiosität der muslimischen Gläubigen die säkularisierte westliche Kultur ermahnt, die »Verachtung Gottes und den Zynismus, der die Verspottung des Heiligen als Freiheitsrecht ansieht«, zu vermeiden (vgl. Predigt von Papst Benedikt XVI. auf dem Gelände der »Neuen Messe« am 10. 9. 2006; in O.R. dt., Nr. 37, 15. 9. 2006, S. 10). - Indem er seine Achtung und seine Wertschätzung für diejenigen, die sich zum Islam bekennen, noch einmal betont, wünscht er, daß es ihnen erleichtert werde, seine Worte in ihrem richtigen Sinne zu verstehen, damit dieser nicht einfache Augenblick rasch überwunden werde und das Zeugnis für den »alleinigen Gott, den lebendigen und in sich seienden, den Schöpfer Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat«, sowie die Zusammenarbeit gestärkt werde, um »gemeinsam einzutreten für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen« (Nostra Aetate, 3)." So lasset uns gemeinsam für die Behebung ungewollter Mißverständnisse wirken und beten. Auch menschlich ungewollte Provokationen können manchmal eine neue Chance zum Dialog und zu neuen Fragestellungen und somit zu neuer Erkenntnis über den Zustand der Welt auch in religiöser Hinsicht bedeuten. Beten wir besonders für einen wirkungsvollen und erfolgreichen Besuch Seiner Heiligkeit Papst Benedikt XVI. in der Türkei vom 28. bis 30. November 2006! Euer Padre Alex - Dr. Alexander Pytlik www.padre.at |
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In konsequenter Fortsetzung des besonders vom seligen Papst Johannes Paul II. verstärkten Weges der Katholischen Kirche auf dem existentiell wichtigen und friedensentscheidenden Gebiet des interreligiösen Dialoges (vgl. aber auch Benedikt XVI. als Assisi-
Tracked: Aug 22, 01:15