Thursday, December 6. 2007
Posted by Padre Alex / Dr. Alexander Pytlik
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Comment (1) Trackbacks (3) ADVENT: AUF HOFFNUNG HIN SIND WIR GERETTET. NEUE ENZYKLIKA SEINER HEILIGKEIT PAPST BENEDIKT XVI.
Am Festtag des heiligen Bischofs Nikolaus ist es eine große Freude, eine weitere Enzyklika Seiner Heiligkeit Papst Benedikt XVI. an die Bischöfe, an die Priester und Diakone, an die gottgeweihten Personen und an alle Christgläubigen, nämlich über die christliche Hoffnung - genannt nach ihren ersten beiden lateinischen Worten Spe salvi - übernehmen zu können. Die Adventzeit hat in besonderer Weise mit der theologischen Tugend der Hoffnung zu tun:
[BEGINN DER ENZYKLIKA] Einleitung 1. « SPE SALVI facti sumus » - auf Hoffnung hin sind wir gerettet, sagt Paulus den Römern und uns (Röm 8,24). Die "Erlösung", das Heil ist nach christlichem Glauben nicht einfach da. Erlösung ist uns in der Weise gegeben, daß uns Hoffnung geschenkt wurde, eine verläßliche Hoffnung, von der her wir unsere Gegenwart bewältigen können: Gegenwart, auch mühsame Gegenwart, kann gelebt und angenommen werden, wenn sie auf ein Ziel zuführt und wenn wir dieses Ziels gewiß sein können; wenn dies Ziel so groß ist, daß es die Anstrengung des Weges rechtfertigt. Nun drängt sich sogleich die Frage auf: Welcher Art ist denn diese Hoffnung, die es gestattet zu sagen, von ihr her und weil es sie gibt, seien wir erlöst? Und welcher Art Gewißheit gibt es da? Glaube ist Hoffnung 2. Bevor wir diesen unseren heutigen Fragen nachgehen, müssen wir noch etwas genauer auf das Zeugnis der Bibel über die Hoffnung hinhören. Hoffnung ist in der Tat ein Zentralwort des biblischen Glaubens; so sehr, daß die Wörter Glaube und Hoffnung an verschiedenen Stellen als austauschbar erscheinen. So verbindet der Brief an die Hebräer die "Fülle des Glaubens" (10,22) und "das unwandelbare Bekenntnis der Hoffnung" (10,23) ganz eng miteinander. Auch wenn der Erste Petrus-Brief die Christen dazu auffordert, jederzeit zur Antwort bereit zu sein über den Logos - den Sinn und Grund - ihrer Hoffnung (vgl. 3,15), ist "Hoffnung" gleichbedeutend mit "Glaube". Wie sehr die Beschenkung mit einer verläßlichen Hoffnung das Bewußtsein der frühen Christen bestimmte, zeigt sich auch, wo die christliche Existenz mit dem Leben vor dem Glauben oder der Situation der Anhänger anderer Religionen verglichen wird. Paulus erinnert die Epheser daran, wie sie vor ihrer Begegnung mit Christus "ohne Hoffnung und ohne Gott in der Welt" waren (Eph 2,12). Natürlich weiß er, daß sie Götter hatten, daß sie Religion hatten, aber ihre Götter waren fragwürdig geworden, und von ihren widersprüchlichen Mythen ging keine Hoffnung aus. Trotz der Götter waren sie "ohne Gott" und daher in einer dunklen Welt, vor einer dunklen Zukunft. "In nihil ab nihilo quam cito recidimus" (Wie schnell fallen wir vom Nichts ins Nichts zurück)1 heißt eine Grabschrift jener Zeit, in der das Bewußtsein unbeschönigt erscheint, auf das Paulus anspielt. Im gleichen Sinn sagt er zu den Thessalonichern: Ihr sollt nicht traurig sein "wie die anderen, die keine Hoffnung haben" (1 Thess 4,13). Auch hier erscheint es als das Unterscheidende der Christen, daß sie Zukunft haben: Nicht als ob sie im einzelnen wüßten, was ihnen bevorsteht; wohl aber wissen sie im ganzen, daß ihr Leben nicht ins Leere läuft. Erst wenn Zukunft als positive Realität gewiß ist, wird auch die Gegenwart lebbar. So können wir jetzt sagen: Christentum war nicht nur "gute Nachricht" - eine Mitteilung von bisher unbekannten Inhalten. Man würde in unserer Sprache sagen: Die christliche Botschaft war nicht nur "informativ", sondern "performativ" - das heißt: Das Evangelium ist nicht nur Mitteilung von Wißbarem; es ist Mitteilung, die Tatsachen wirkt und das Leben verändert. Die dunkle Tür der Zeit, der Zukunft, ist aufgesprengt. Wer Hoffnung hat, lebt anders; ihm ist ein neues Leben geschenkt worden. 3. Aber nun wird die Frage dringend: Worin besteht diese Hoffnung, die als Hoffnung "Erlösung" ist? Nun, der Kern der Antwort ist in der eben angeführten Stelle aus dem Epheser-Brief angegeben: Die Epheser waren vor der Begegnung mit Christus hoffnungslos, weil sie "ohne Gott in der Welt" waren. Gott kennenlernen - den wahren Gott, das bedeutet Hoffnung empfangen. Für uns, die wir seit je mit dem christlichen Gottesbegriff leben und ihm gegenüber abgestumpft sind, ist der Besitz der Hoffnung, der von der realen Begegnung mit diesem Gott ausgeht, kaum noch wahrnehmbar. Ein Beispiel einer Heiligen unserer Zeit mag ein wenig verdeutlichen, was es heißt, diesem Gott erstmals und wirklich zu begegnen. Ich denke an die von Papst Johannes Paul II. heiliggesprochene Afrikanerin Giuseppina Bakhita. Sie war ungefähr - das genaue Datum kannte sie nicht - 1869 in Darfur im Sudan geboren. Mit neun Jahren wurde sie von Sklavenhändlern entführt, blutig geschlagen und fünfmal auf den Sklavenmärkten des Sudan verkauft. Zuletzt war sie als Sklavin der Mutter und der Gattin eines Generals in Diensten und wurde dabei täglich bis aufs Blut gegeißelt, wovon ihr lebenslang 144 Narben verblieben. 1882 wurde sie schließlich von einem italienischen Händler für den italienischen Konsul Callisto Legnani gekauft, der angesichts des Vormarschs der Mahdisten nach Italien zurückkehrte. Hier lernte Bakhita schließlich nach so schrecklichen "Patronen", denen sie bisher unterstanden war, einen ganz anderen "Patron" kennen - "Paron" nannte sie in dem venezianischen Dialekt, den sie nun lernte, den lebendigen Gott, den Gott Jesu Christi. Bisher hatte sie nur Patrone gekannt, die sie verachteten und mißhandelten oder bestenfalls als nützliche Sklavin betrachteten. Aber nun hörte sie, daß es einen "Paron" über allen Patronen gibt, den Herrn aller Herren und daß dieser Herr gut ist, die Güte selbst. Sie erfuhr, daß dieser Herr auch sie kennt, auch sie geschaffen hat - ja, daß er sie liebt. Auch sie war geliebt, und zwar von dem obersten Paron, vor dem alle anderen Patrone auch nur selber armselige Diener sind. Sie war gekannt und geliebt und wurde erwartet. Ja, dieser Patron hatte selbst das Schicksal des Geschlagenwerdens auf sich genommen und wartete nun "zur Rechten des Vaters" auf sie. Nun hatte sie "Hoffnung" - nicht mehr bloß die kleine Hoffnung, weniger grausame Herren zu finden, sondern die große Hoffnung: Ich bin definitiv geliebt, und was immer mir geschieht - ich werde von dieser Liebe erwartet. Und so ist mein Leben gut. Durch diese Hoffnungserkenntnis war sie "erlöst", nun keine Sklavin mehr, sondern freies Kind Gottes. Sie verstand, was Paulus sagte, wenn er die Epheser daran erinnerte, daß sie vorher ohne Hoffnung und ohne Gott in der Welt gewesen waren - ohne Hoffnung, weil ohne Gott. So weigerte sie sich, als man sie wieder in den Sudan zurückbringen wollte; sie war nicht bereit, sich von ihrem "Paron" noch einmal trennen zu lassen. Am 9. Januar 1890 wurde sie getauft und gefirmt und empfing die erste heilige Kommunion aus der Hand des Patriarchen von Venedig. Am 8. Dezember 1896 legte sie in Verona die Gelübde der Canossa-Schwestern ab und hat von da an - neben ihren Arbeiten in der Sakristei und an der Klosterpforte - vor allem in verschiedenen Reisen in Italien zur Mission zu ermutigen versucht: Die Befreiung, die sie selbst durch die Begegnung mit dem Gott Jesu Christi empfangen hatte, die mußte sie weitergeben, die mußte auch anderen, möglichst vielen, geschenkt werden. Die Hoffnung, die ihr geworden war und sie "erlöst" hatte, durfte sie nicht für sich behalten; sie sollte zu vielen, zu allen kommen. Das Verständnis der Hoffnung des Glaubens im Neuen Testament und in der frühen Kirche 4. Kehren wir noch einmal in die frühe Kirche zurück, bevor wir uns der Frage stellen: Kann die Begegnung mit dem Gott, der uns in Christus sein Gesicht gezeigt und sein Herz aufgetan hat, auch für uns mehr als "informativ", nämlich "performativ" sein, das heißt das Leben umgestalten, so daß wir uns erlöst wissen durch die Hoffnung, die sie bedeutet. Es ist nicht schwer zu sehen, daß die Erfahrung der kleinen afrikanischen Sklavin Bakhita auch die Erfahrung vieler geschlagener und zum Sklavendienst verurteilter Menschen in der Zeit des werdenden Christentums gewesen ist. Das Christentum hatte keine sozialrevolutionäre Botschaft gebracht, etwa wie die, mit der Spartakus in blutigen Kämpfen gescheitert war. Jesus war nicht Spartakus, er war kein Befreiungskämpfer wie Barabbas oder Bar-Kochba. Was Jesus, der selbst am Kreuz gestorben war, gebracht hatte, war etwas ganz anderes: die Begegnung mit dem Herrn aller Herren, die Begegnung mit dem lebendigen Gott und so die Begegnung mit einer Hoffnung, die stärker war als die Leiden der Sklaverei und daher von innen her das Leben und die Welt umgestaltete. Was neu geworden war, wird am deutlichsten im Brief des heiligen Paulus an Philemon. Dies ist ein ganz persönlicher Brief, den Paulus im Gefängnis schreibt und dem davongelaufenen Sklaven Onesimus für seinen Herrn - eben Philemon - mitgibt. Ja, Paulus schickt den zu ihm geflohenen Sklaven an seinen Herrn zurück, nicht befehlend, sondern bittend: "Ich bitte dich sehr für mein Kind Onesimus, dem ich im Gefängnis zum Vater geworden bin [...] Ich schicke ihn zu dir zurück, das bedeutet mein eigenes Herz [...] Vielleicht wurde er nur deshalb eine Weile von dir getrennt, damit du ihn für ewig zurückerhältst, nicht mehr als Sklaven, sondern weit mehr: als geliebten Bruder" (Phlm 10 - 16). Die Menschen, die ihrem zivilen Status nach sich als Herren und Sklaven gegenüberstehen, sind als Glieder der einen Kirche einander Brüder und Schwestern geworden - so redeten sich die Christen an; sie waren durch die Taufe neu geboren, mit dem gleichen Geist getränkt und empfingen nebeneinander und miteinander den Leib des Herrn. Das änderte, auch wenn die äußeren Strukturen gleich blieben, von innen her die Gesellschaft. Wenn der Hebräer- Brief davon redet, daß die Christen hier keine bleibende Stadt haben, sondern die künftige suchen (vgl. Hebr 11,13 - 16; Phil 3,20), so ist dies alles andere als Vertröstung auf die Zukunft: Die gegenwärtige Gesellschaft wird von den Christen als uneigentliche Gesellschaft erkannt; sie gehören einer neuen Gesellschaft zu, zu der sie miteinander unterwegs sind und die in ihrer Wanderschaft antizipiert wird. 5. Wir müssen noch einen weiteren Gesichtspunkt hinzunehmen. Der Erste Korinther-Brief (1,18 - 31) zeigt uns, daß ein großer Teil der frühen Christen den niedrigen sozialen Schichten zugehörte und so gerade der Erfahrung der neuen Hoffnung zugänglich war, wie sie uns am Beispiel Bakhitas begegnet ist. Aber es hat doch auch von Anfang an Bekehrungen in aristokratischen und gebildeten Schichten gegeben. Denn gerade auch sie lebten "ohne Hoffnung und ohne Gott in der Welt". Der Mythos hatte seine Glaubwürdigkeit verloren; die römische Staatsreligion war zum bloßen Zeremoniell erstarrt, das gewissenhaft ausgeführt wurde, aber eben nur noch "politische Religion" war. Die philosophische Aufklärung hatte die Götter in den Bereich des Unwirklichen verwiesen. Das Göttliche wurde in verschiedenen Weisen in den kosmischen Mächten gesehen, aber einen Gott, zu dem man beten konnte, gab es nicht. Paulus schildert die wesentliche Problematik der damaligen Religion durchaus sachgerecht, wenn er dem "Leben gemäß Christus" ein Leben "unter der Herrschaft der Elemente des Kosmos" entgegenstellt (vgl. Kol 2,8). In diesem Zusammenhang kann ein Text des heiligen Gregor von Nazianz erhellend sein. Er sagt, daß in dem Augenblick, in dem die vom Stern geführten Magier den neuen König Christus anbeteten, das Ende der Astrologie gekommen war, da die Sterne jetzt die von Christus bestimmte Bahn laufen.2 In der Tat ist in dieser Szene das Weltbild von damals umgekehrt, das auf andere Weise auch heute wieder bestimmend ist. Nicht die Elemente des Kosmos, die Gesetze der Materie, herrschen letztlich über die Welt und über den Menschen, sondern ein persönlicher Gott herrscht über die Sterne, das heißt über das All; nicht die Gesetze der Materie und der Evolution sind die letzte Instanz, sondern Verstand, Wille, Liebe - eine Person. Und wenn wir diese Person kennen, sie uns kennt, dann ist wirklich die unerbittliche Macht der materiellen Ordnungen nicht mehr das Letzte; dann sind wir nicht Sklaven des Alls und seiner Gesetze, dann sind wir frei. Ein solches Bewußtsein hat die suchenden und lauteren Geister der Antike bestimmt. Der Himmel ist nicht leer. Das Leben ist nicht bloßes Produkt der Gesetze und des Zufalls der Materie, sondern in allem und zugleich über allem steht ein persönlicher Wille, steht Geist, der sich in Jesus als Liebe gezeigt hat.3 6. Die frühchristlichen Sarkophage stellen diese Erkenntnis bildlich dar - angesichts des Todes, vor dem die Frage nach dem, was Leben bedeutet, unausweichlich wird. Die Gestalt Christi wird auf den frühen Sarkophagen vor allem in zwei Bildern ausgelegt: der Philosoph und der Hirte. Unter Philosophie verstand man damals gemeinhin nicht eine schwierige akademische Disziplin, wie sie sich heute darstellt. Der Philosoph war vielmehr derjenige, der die wesentliche Kunst zu lehren wußte: die Kunst, auf rechte Weise ein Mensch zu sein - die Kunst zu leben und zu sterben. Den Menschen war freilich längst bewußt geworden, daß viele von denen, die als Philosophen, als Lehrer des Lebens herumliefen, nur Scharlatane waren, die sich mit ihren Worten Geld verdienten und über das wahre Leben gar nichts zu sagen hatten. Um so mehr suchte man nach dem wahren Philosophen, der wirklich den Weg zum Leben zeigen konnte. Ende des dritten Jahrhunderts begegnet uns erstmals in Rom auf einem Kindersarkophag im Zusammenhang der Auferweckung des Lazarus die Gestalt Christi als des wahren Philosophen, der in der einen Hand das Evangelium, in der anderen den Wanderstab des Philosophen hält. Mit diesem seinem Stab überwindet er den Tod; das Evangelium bringt die Wahrheit, nach der die Wanderphilosophen vergeblich gesucht hatten. In diesem Bild, das sich dann über lange Zeit in der Sarkophagkunst gehalten hat, wird anschaulich, was gebildete wie einfache Menschen in Christus fanden: Er sagt uns, wer der Mensch wirklich ist und was er tun muß, um wahrhaft ein Mensch zu sein. Er zeigt uns den Weg, und dieser Weg ist die Wahrheit. Er selbst ist beides und daher auch das Leben, nach dem wir alle Ausschau halten. Er zeigt auch den Weg über den Tod hinaus; erst wer das kann, ist ein wirklicher Meister des Lebens. Dies Gleiche wird im Bild des Hirten anschaulich. Wie beim Bild des Philosophen, so konnte die frühe Kirche auch bei der Gestalt des Hirten an bestehende Vorbilder römischer Kunst anknüpfen. Der Hirte war dort weitgehend Ausdruck des Traums vom heiteren und einfachen Leben, nach dem sich die Menschen in der Wirrnis der Großstadt sehnten. Nun wurde das Bild von einem neuen Hintergrund her gelesen, der ihm einen tieferen Inhalt gab: "Der Herr ist mein Hirte. Nichts wird mir fehlen. Muß ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir ..." (Ps 23 [22],1.4). Der wirkliche Hirt ist derjenige, der auch den Weg durch das Tal des Todes kennt; der auf der Straße der letzten Einsamkeit, in der niemand mich begleiten kann, mit mir geht und mich hindurchführt: Er hat sie selbst durchschritten, diese Straße; ist hinabgestiegen in das Reich des Todes, hat ihn besiegt und ist wiedergekommen, um uns nun zu begleiten und uns Gewißheit zu geben, daß es mit ihm zusammen einen Weg hindurch gibt. Dieses Bewußtsein, daß es den gibt, der auch im Tod mich begleitet und mit seinem "Stock und Stab mir Zuversicht" gibt, so daß ich "kein Unheil zu fürchten" brauche (Ps 23 [22],4) - dies war die neue "Hoffnung", die über dem Leben der Glaubenden aufging. 7. Wir müssen noch einmal zum Neuen Testament zurückkehren. Im 11. Kapitel des Hebräer-Briefes (Vers 1) findet sich eine Art Definition des Glaubens, die ihn eng mit der Hoffnung verwebt. Um das zentrale Wort dieses Satzes ist seit der Reformation ein Streit der Ausleger entstanden, in dem sich in jüngster Zeit wieder der Ausweg auf ein gemeinsames Verstehen hin zu öffnen scheint. Ich lasse dieses Zentralwort zunächst unübersetzt. Dann lautet der Satz: "Glaube ist Hypostase dessen, was man hofft; der Beweis von Dingen, die man nicht sieht." Für die Väter und für die Theologen des Mittelalters war klar, daß das griechische Wort hypostasis im Lateinischen mit substantia zu übersetzen war. So lautet denn auch die in der alten Kirche entstandene lateinische Übertragung des Textes: "Est autem fides sperendarum substantia rerum, argumentum non apparentium" - der Glaube ist die "Substanz" der Dinge, die man erhofft; Beweis für nicht Sichtbares. Thomas von Aquin4 erklärt das, indem er sich der Terminologie der philosophischen Tradition bedient, in der er steht, so: Der Glaube ist ein "habitus", das heißt eine dauernde Verfaßtheit des Geistes, durch die das ewige Leben in uns beginnt und der den Verstand dahin bringt, solchem beizustimmen, was er nicht sieht. Der Begriff der "Substanz" ist also dahin modifiziert, daß in uns durch den Glauben anfanghaft, im Keim könnten wir sagen - also der "Substanz" nach - das schon da ist, worauf wir hoffen: das ganze, das wirkliche Leben. Und eben darum, weil die Sache selbst schon da ist, schafft diese Gegenwart des Kommenden auch Gewißheit: Dies Kommende ist noch nicht in der äußeren Welt zu sehen (es "erscheint" nicht), aber dadurch, daß wir es in uns als beginnende und dynamische Wirklichkeit tragen, entsteht schon jetzt Einsicht. Luther, dem der Hebräer-Brief an sich nicht besonders sympathisch war, konnte mit dem Begriff "Substanz" im Zusammenhang seiner Sicht von Glauben nichts anfangen. Er hat daher das Wort Hypostase/Substanz nicht im objektiven Sinn (anwesende Realität in uns), sondern im subjektiven Sinn, als Ausdruck einer Haltung verstanden und dann natürlich auch das Wort argumentum als Haltung des Subjekts verstehen müssen. Diese Auslegung hat sich - jedenfalls in Deutschland - im 20. Jahrhundert auch in der katholischen Exegese durchgesetzt, so daß die von den Bischöfen gebilligte Einheitsübersetzung des Neuen Testaments schreibt: "Glaube aber ist: Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugtsein von dem, was man nicht sieht." Das ist an sich nicht falsch, entspricht aber nicht dem Sinn des Textes, denn das verwendete griechische Wort (elenchos) hat nicht die subjektive Bedeutung von "Überzeugung", sondern die objektive Wertigkeit von "Beweis". Darum ist die neuere evangelische Exegese mit Recht zu einer anderen Auffassung gelangt: "Es kann aber jetzt nicht mehr zweifelhaft sein, daß diese klassisch gewordene protestantische Auslegung unhaltbar ist".5 Der Glaube ist nicht nur ein persönliches Ausgreifen nach Kommendem, noch ganz und gar Ausständigem; er gibt uns etwas. Er gibt uns schon jetzt etwas von der erwarteten Wirklichkeit, und diese gegenwärtige Wirklichkeit ist es, die uns ein "Beweis" für das noch nicht zu Sehende wird. Er zieht Zukunft in Gegenwart herein, so daß sie nicht mehr das reine Noch- nicht ist. Daß es diese Zukunft gibt, ändert die Gegenwart; die Gegenwart wird vom Zukünftigen berührt, und so überschreitet sich Kommendes in Jetziges und Jetziges in Kommendes hinein. 8. Diese Auslegung wird noch verstärkt und auf die Praxis hin ausgeweitet, wenn wir den 34. Vers des 10. Kapitels im Hebräer-Brief ansehen, der in einem sprachlichen und inhaltlichen Zusammenhang mit dieser Definition des hoffenden Glaubens steht, sie vorbereitet. Der Verfasser spricht hier zu Gläubigen, die die Erfahrung der Verfolgung mitgemacht haben und sagt zu ihnen: "Ihr habt mit den Gefangenen gelitten und auch den Raub eures Vermögens (hyparchonton - Vg: bonorum; italienische Übersetzung: sostanza) freudig hingenommen, da ihr wußtet, daß ihr einen besseren Besitz (hyparxin - Vg: substantiam; italienisch: beni migliori) habt, der euch bleibt. Hyparchonta sind der Besitz, das, was beim irdischen Leben "Unterhalt", eben Basis, "Substanz" des Lebens ist, auf die man sich verläßt. Diese "Substanz", die gewöhnliche Lebenssicherung ist den Christen in der Verfolgung genommen worden. Sie ertrugen dies, weil sie diese materielle Substanz ohnedies als fragwürdig ansahen. Sie konnten sie lassen, weil sie nun eine bessere "Basis" ihrer Existenz gefunden hatten - eine, die bleibt und die einem niemand wegnehmen kann. Die Querverbindung zwischen diesen beiden Arten von "Substanz", von Unterhalt und materieller Basis hin zum Wort vom Glauben als "Basis", als "Substanz", die bleibt, ist nicht zu übersehen. Der Glaube gibt dem Leben eine neue Basis, einen neuen Grund, auf dem der Mensch steht, und damit wird der gewöhnliche Grund, eben die Verläßlichkeit des materiellen Einkommens relativiert. Es entsteht eine neue Freiheit gegenüber diesem nur scheinbar tragenden Lebensgrund, dessen normale Bedeutung damit natürlich nicht geleugnet ist. Diese neue Freiheit, das Wissen um die neue "Substanz" die uns geschenkt wurde, hat sich nicht nur im Martyrium gezeigt, in dem Menschen der Allmacht der Ideologie und ihrer politischen Organe widerstanden und so mit ihrem Tod die Welt erneuert haben. Sie hat sich vor allem in den großen Verzichten von den Mönchen des Altertums hin zu Franz von Assisi und zu den Menschen unserer Zeit gezeigt, die in den neuzeitlichen Ordensbewegungen für Christus alles gelassen haben, um Menschen den Glauben und die Liebe Christi zu bringen, um körperlich und seelisch leidenden Menschen beizustehen. Da hat sich die neue "Substanz" wirklich als "Substanz" bewährt, ist aus der Hoffnung dieser von Christus berührten Menschen Hoffnung für andere geworden, die im Dunkel und ohne Hoffnung lebten. Da hat sich gezeigt, daß dieses neue Leben wirklich "Substanz" hat und "Substanz" ist, die anderen Leben schafft. Für uns, die wir auf diese Gestalten hinschauen, ist dieses ihr Tun und Leben in der Tat ein "Beweis" daß das Kommende, die Verheißung Christi, nicht nur Erwartung, sondern wirkliche Gegenwart ist: daß er wirklich der "Philosoph" und der "Hirte" ist, der uns zeigt, was und wo Leben ist. 9. Um diese Betrachtung über die beiden Weisen von Substanz - hypostasis und hyparchonta - und die zwei Weisen des Lebens, die damit ausgedrückt sind, tiefer zu verstehen, müssen wir noch zwei zugehörige Wörter kurz bedenken, die sich im 10. Kapitel des Hebräer-Briefs finden. Es handelt sich um die Worte hypomone (10, 36) und hypostole (10, 39). Hypomone wird gewöhnlich mit "Geduld" übersetzt - Ausdauer, Standhalten. Dieses Wartenkönnen im geduldigen Ertragen der Prüfung ist notwendig für den Gläubigen, damit er "das verheißene Gut erlangt" (10, 36). In der frühjüdischen Frömmigkeit ist dieses Wort ausdrücklich für das Warten auf Gott verwendet worden, das für Israel charakteristisch ist: für dieses Aushalten bei Gott von der Gewißheit des Bundes her in einer Welt, die Gott widerspricht. Es bezeichnet so gelebte Hoffnung, Leben aus der Hoffnungsgewißheit heraus. Im Neuen Testament gewinnt dieses Warten auf Gott, dieses Stehen zu Gott eine neue Bedeutung: Gott hat sich in Christus gezeigt. Er hat uns schon die "Substanz" des Kommenden mitgeteilt, und so erhält das Warten auf Gott eine neue Gewißheit. Es ist Warten auf Kommendes von einer schon geschenkten Gegenwart her. Es ist Warten in der Gegenwart Christi, mit dem gegenwärtigen Christus auf das Ganzwerden seines Leibes, auf sein endgültiges Kommen hin. Mit Hypostole hingegen ist das Sich-Zurückziehen gemeint, das nicht wagt, offen und frei die vielleicht gefährliche Wahrheit zu sagen. Dieses Sich-Verstecken vor den Menschen aus dem Geist der Menschenfurcht heraus führt zum "Verderben" (Hebr 10, 39). "Gott hat uns nicht den Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit" - so charakterisiert demgegenüber der Zweite Timotheus-Brief (1, 7) mit einem schönen Wort die Grundhaltung des Christenmenschen. Ewiges Leben - was ist das? 10. Mit alledem haben wir über den Glauben und die Hoffnung des Neuen Testaments und der frühen Christenheit gesprochen, aber es ist doch immer auch sichtbar geworden, daß wir nicht von bloß Vergangenem reden, sondern daß dies alles mit dem Leben und Sterben des Menschen überhaupt, also auch mit uns hier und heute zu tun hat. Dennoch müssen wir nun ganz ausdrücklich fragen: Ist christlicher Glaube auch für uns heute Hoffnung, die unser Leben verwandelt und trägt? Ist er für uns "performativ" - eine Kunde, die das Leben selbst neu gestaltet, oder ist er nur noch "Information", die wir inzwischen beiseitegelegt haben und die uns durch neuere Informationen überholt erscheint? Auf der Suche nach einer Antwort möchte ich von der klassischen Form des Dialogs ausgehen, mit der das Taufritual die Aufnahme des Neugeborenen in die Gemeinschaft der Glaubenden und die Wiedergeburt in Christus eröffnete. Der Priester erfragte zunächst den von den Eltern gewählten Namen des Kindes und fragte dann weiter: Was begehrst du von der Kirche? Antwort: den Glauben. Und was gibt dir der Glaube? Das ewige Leben. Nach diesem Dialog suchten die Eltern für das Kind den Zugang zum Glauben, die Gemeinschaft mit den Glaubenden, weil sie im Glauben den Schlüssel sahen für "das ewige Leben". In der Tat, darum geht es heute wie einst bei der Taufe, beim Christwerden: nicht nur um einen Sozialisierungsakt in die Gemeinde hinein, nicht einfach um Aufnahme in die Kirche, sondern die Eltern erwarten sich für den Täufling mehr: daß ihm der Glaube, zu dem die Körperlichkeit der Kirche und ihrer Sakramente gehört, Leben schenkt - das ewige Leben. Glaube ist Substanz der Hoffnung. Aber da steht nun die Frage auf: Wollen wir das eigentlich -- ewig leben? Vielleicht wollen viele Menschen den Glauben heute einfach deshalb nicht, weil ihnen das ewige Leben nichts Erstrebenswertes zu sein scheint. Sie wollen gar nicht das ewige Leben, sondern dieses jetzige Leben, und der Glaube an das ewige Leben scheint dafür eher hinderlich zu sein. Ewig - endlos - weiterzuleben scheint eher Verdammnis als ein Geschenk zu sein. Gewiß, den Tod möchte man so weit hinausschieben wie nur irgend möglich. Aber immerfort und ohne Ende zu leben - das kann doch zuletzt nur langweilig und schließlich unerträglich sein. Genau das sagt zum Beispiel der Kirchenvater Ambrosius bei der Grabrede für seinen heimgegangenen Bruder Satyrus: "Der Tod gehörte zwar nicht zur Natur, aber er ist zu Natur geworden. Gott hat ihn nicht von Anfang an vorgesehen, sondern hat ihn als Heilmittel geschenkt [...] Der Übertretung wegen ist das Leben des Menschen von der täglichen Mühsal und von unerträglichem Jammer gezeichnet und so erbärmlich geworden. Ein Ende der Übel mußte gesetzt werden, damit der Tod wiederherstelle, was das Leben verloren hat. Unsterblichkeit wäre mehr Last als Gabe, wenn nicht die Gnade hineinleuchten würde".6 Vorher schon hatte Ambrosius gesagt: "Der Tod ist nicht zu beklagen, er ist Ursache für das Heil ...".7 11. Was immer der heilige Ambrosius mit diesen Worten genau sagen wollte - wahr ist, daß die Abschaffung des Todes oder auch sein praktisch unbegrenztes Hinausschieben die Erde und die Menschheit in einen unmöglichen Zustand versetzen und auch dem einzelnen selber keine Wohltat erweisen würde. Offenbar gibt es da einen Widerspruch in unserer Haltung, der auf eine innere Widersprüchlichkeit unserer Existenz selbst verweist. Einerseits wollen wir nicht sterben, will vor allem auch der andere, der uns gut ist, nicht, daß wir sterben. Aber andererseits möchten wir doch auch nicht endlos so weiterexistieren, und auch die Erde ist dafür nicht geschaffen. Was wollen wir also eigentlich? Diese Paradoxie unserer eigenen Haltung löst eine tiefere Frage aus: Was ist das eigentlich "Leben"? Und was bedeutet das eigentlich "Ewigkeit"? Es gibt Augenblicke, in denen wir plötzlich spüren: Ja, das wäre es eigentlich - das wahre "Leben" - so müßte es sein. Daneben ist das, was wir alltäglich "Leben" nennen, gar nicht wirklich Leben. Augustinus hat in seinem an Proba, eine reiche römische Witwe und Mutter dreier Konsuln, gerichteten großen Brief über das Gebet einmal gesagt: Eigentlich wollen wir doch nur eines - "das glückliche Leben", das Leben, das einfach Leben, einfach "Glück" ist. Um gar nichts anderes beten wir im letzten. Zu nichts anderem sind wir unterwegs - nur um das eine geht es. Aber Augustin sagt dann auch: Genau besehen wissen wir gar nicht, wonach wir uns eigentlich sehnen, was wir eigentlich möchten. Wir kennen es gar nicht; selbst solche Augenblicke, in denen wir es zu berühren meinen, erreichen es nicht wirklich. "Wir wissen nicht, was wir bitten sollen", wiederholt er ein Wort des heiligen Paulus (Röm 8, 26). Wir wissen nur: Das ist es nicht. Im Nichtwissen wissen wir doch, daß es sein muß. "Es gibt da, um es so auszudrücken, eine gewisse wissende Unwissenheit" (docta ignorantia), schreibt er. Wir wissen nicht, was wir wirklich möchten; wir kennen dieses "eigentliche Leben" nicht; und dennoch wissen wir, daß es etwas geben muß, das wir nicht kennen und auf das hin es uns drängt.8 12. Ich denke, daß Augustinus da sehr genau und immer noch gültig die wesentliche Situation des Menschen beschreibt, von der her all seine Widersprüche und seine Hoffnungen kommen. Wir möchten irgendwie das Leben selbst, das eigentliche, das dann auch nicht vom Tod berührt wird; aber zugleich kennen wir das nicht, wonach es uns drängt. Wir können nicht aufhören, uns danach auszustrecken, und wissen doch, daß alles das, was wir erfahren oder realisieren können, dies nicht ist, wonach wir verlangen. Dies Unbekannte ist die eigentliche "Hoffnung", die uns treibt, und ihr Unbekanntsein ist zugleich der Grund aller Verzweiflungen wie aller positiven und aller zerstörerischen Anläufe auf die richtige Welt, den richtigen Menschen zu. Das Wort "ewiges Leben" versucht, diesem unbekannt Bekannten einen Namen zu geben. Es ist notwendigerweise ein irritierendes, ein ungenügendes Wort. Denn bei "ewig" denken wir an Endlosigkeit, und die schreckt uns; bei Leben denken wir an das von uns erfahrene Leben, das wir lieben und nicht verlieren möchten, und das uns doch zugleich immer wieder mehr Mühsal als Erfüllung ist, so daß wir es einerseits wünschen und zugleich doch es nicht wollen. Wir können nur versuchen, aus der Zeitlichkeit, in der wir gefangen sind, herauszudenken und zu ahnen, daß Ewigkeit nicht eine immer weitergehende Abfolge von Kalendertagen ist, sondern etwas wie der erfüllte Augenblick, in dem uns das Ganze umfängt und wir das Ganze umfangen. Es wäre der Augenblick des Eintauchens in den Ozean der unendlichen Liebe, in dem es keine Zeit, kein Vor- und Nachher mehr gibt. Wir können nur versuchen zu denken, daß dieser Augenblick das Leben im vollen Sinn ist, immer neues Eintauchen in die Weite des Seins, indem wir einfach von der Freude überwältigt werden. So drückt es Jesus bei Johannes aus: "Ich werde euch wiedersehen, und euer Herz wird sich freuen, und eure Freude wird niemand von euch nehmen" (Joh 16,22). In dieser Richtung müssen wir denken, wenn wir verstehen wollen, worauf die christliche Hoffnung zielt; was wir vom Glauben erwarten, von unserem Mitsein mit Christus.9 Ist die christliche Hoffnung individualistisch? 13. Die Christen haben in ihrer Geschichte dieses nichtwissende Wissen in vorstellbare Gestalten zu übersetzen versucht und Bilder des "Himmels" entwickelt, die immer weit von dem entfernt bleiben, was wir eben nur negativ, im Nichtkennen kennen. All diese Gestaltungsversuche der Hoffnung haben viele Menschen die Jahrhunderte hindurch beschwingt, vom Glauben her zu leben und dafür auch ihre "hyparchonta", die materielle Substanz ihres Lebens fahren zu lassen. Der Hebräer-Brief hat in seinem 11. Kapitel eine Art Geschichte der Hoffenden und ihres Unterwegsseins skizziert, die von Abel bis in seine Gegenwart hineinreicht. In der Neuzeit hat sich eine immer heftigere Kritik an dieser Weise der Hoffnung entzündet: Sie sei purer Individualismus, der die Welt ihrem Elend überlasse und sich ins private ewige Heil geflüchtet habe. Henri de Lubac hat in der Einleitung zu seinem grundlegenden Werk "Catholicisme. Aspects sociaux du dogme" einige charakteristische Stimmen dieser Art gesammelt, von denen eine zitiert werden soll: "Habe ich die Freude gefunden? Nein... Meine Freude habe ich gefunden. Und das ist etwas furchtbar anderes... Die Freude Jesu kann persönlich sein. Sie kann einem Menschen allein gehören, und er ist gerettet. Er ist im Frieden..., für jetzt und für immer, aber er allein. Diese Einsamkeit in der Freude beunruhigt ihn nicht. Im Gegenteil: Er ist ja der Auserwählte! In seiner Seligkeit schreitet er durch Schlachten mit einer Rose in der Hand".10 14. Demgegenüber konnte Lubac von der ganzen Breite der Theologie der Väter her zeigen, daß das Heil immer als gemeinschaftliche Wirklichkeit angesehen wurde. Der Hebräer-Brief selbst spricht von einer "Stadt" (vgl. 11,10.16; 12,22; 13,14), also von einem gemeinschaftlichen Heil. Entsprechend wird die Sünde von den Vätern als Zerstörung der Einheit des Menschengeschlechtes, als Zersplitterung und Spaltung aufgefaßt. Babel, der Ort der Sprachverwirrung und Trennung, erscheint als Ausdruck dessen, was Sünde überhaupt ist. Und so erscheint "Erlösung" gerade als Wiederherstellung der Einheit, in der wir neu zusammenfinden in einem Einssein, das sich in der weltweiten Gemeinschaft der Gläubigen anbahnt. Wir brauchen hier nicht auf all diese Texte einzugehen, in denen der gemeinschaftliche Charakter der Hoffnung erscheint. Bleiben wir bei Augustins Brief an Proba, in dem er dies unbekannt Bekannte, das wir suchen, nun doch ein wenig zu umschreiben versucht. Sein Stichwort dafür hatte zunächst einfach gelautet "seliges (glückliches) Leben". Nun zitiert er Psalm 144 [143],15: "Selig ist das Volk, dessen Gott der Herr ist." Und er fährt fort: "Damit wir zu diesem Volk gehören und [...] zum immerwährenden Leben mit Gott kommen können, darum ist das Ziel der Gebote ,Liebe aus reinem Herzen, gutem Gewissen und ungeheucheltem Glauben (1 Tim 1,5)".11 Dieses wirkliche Leben, auf das wir immer irgendwie auszugreifen versuchen, ist an das Mitsein mit einem "Volk" gebunden und kann nur in diesem Wir für jeden einzelnen Ereignis werden. Es setzt gerade den Exodus aus dem Gefängnis des eigenen Ich voraus, weil nur in der Offenheit dieses universalen Subjekts sich auch der Blick auf den Quell der Freude, auf die Liebe selbst - auf Gott - eröffnet. 15. Diese auf Gemeinschaft hin orientierte Sicht des "seligen Lebens" zielt zwar über die gegenwärtige Welt hinaus, hat aber gerade so auch mit Weltgestaltung zu tun - in sehr unterschiedlichen Formen, je nach dem historischen Kontext und den Möglichkeiten, die er bot oder ausschloß. Zu Augustins Zeit, in der der Einbruch der neuen Völker den Zusammenhalt der Welt bedrohte, in dem eine gewisse Gewähr von Recht und von Leben in einer Rechtsgemeinschaft gegeben war, ging es darum, die wirklich tragfähigen Grundlagen dieser Lebens- und Friedensgemeinschaft zu stärken, um in der Veränderung der Welt überleben zu können. Nur ein eher zufälliger und in mancher Hinsicht exemplarischer Blick auf einen Augenblick des Mittelalters sei hier versucht. Dem allgemeinen Bewußtsein erschienen die Klöster als die Orte der Weltflucht ("contemptus mundi") und des Rückzugs aus der Weltverantwortung in die Suche nach dem privaten Heil. Bernhard von Clairvaux, der mit seinem Reformorden Scharen junger Menschen den Klöstern zugeführt hat, sah dies ganz anders. Für ihn haben die Mönche eine Aufgabe für die ganze Kirche und so auch für die Welt. Er hat in vielen Bildern die Verantwortung der Mönche für den ganzen Organismus der Kirche, ja, für die Menschheit herausgestellt; auf sie wendet er das Wort des Pseudo-Rufinus an: "Das Menschengeschlecht lebt von wenigen, denn würde es diese nicht geben, würde alle Welt zugrunde gehen...".12 Die Beschaulichen - contemplantes - müssen Landarbeiter - laborantes - werden, so sagt er uns. Der Adel der Arbeit, den das Christentum vom Judentum geerbt hat, war schon in den Ordensregeln Augustins und Benedikts hervorgetreten. Bernhard greift das von neuem auf. Die jungen Adeligen, die zu seinen Klöstern strömten, mußten sich zur Handarbeit bequemen. Bernhard sagt zwar ausdrücklich, daß auch das Kloster das Paradies nicht wiederherstellen könne, aber es müsse doch als eine Rodungsstätte praktischer und geistlicher Art das neue Paradies vorbereiten. Wildes Waldland wird fruchtbar - gerade da, wo zugleich die Bäume des Hochmuts gefällt, der Wildwuchs der Seelen gerodet und so das Erdreich bereitet wird, auf dem Brot für Leib und Seele gedeihen kann.13 Sehen wir nicht gerade angesichts der gegenwärtigen Geschichte wieder, daß da keine positive Weltgestaltung gedeihen kann, wo die Seelen verwildern? FORTSETZUNG DER ENZYKLIKA IM FORMAT DES ERSTEN (AM 8. MÄRZ 2004 BEGONNENEN UND AM 9. DEZEMBER 2007 DURCH EINE NEUE VERSION ABGELÖSTEN) BLOGBUCHES Sicherlich werden nicht wenige den tiefen Sinn der neuen päpstlichen Enzyklika über die christliche Hoffnung noch weit über die Adventzeit 2007 hinaus betrachten. Mögen wir gemeinsam bedächtigen Schrittes in Richtung Weihnacht gelangen, mögen wir viele Kirchen und Orte der Stille aufsuchen, die uns tiefer mit der geheimnisvollen Geburt des gottmenschlichen Erlöserkindes verbinden. Meinerseits lade alle Leser sehr herzlich zu den Heiligen Messen und Gottesdiensten in den beiden mir anvertrauten Kirchen in der Stadt D-85072 Eichstätt ein. Besonders verweise ich auf das Heilige Amt am kommenden 2. Adventsonntag, 9. Dezember 2007, in der ehemaligen Dominikanerkirche, der Kirche St. Peter und Paul, im Herzen von Eichstätt (Zugang über die Dominikanergasse), mit dem viele Gläubige um 11.15 Uhr die nunmehr regelmäßige Nutzung dieser Kirche für die außerordentliche lateinische Form des Römischen Ritus beginnen werden. Zudem verweise ich auf die Heilige Christmette am 24. Dezember 2007 um 24.00 Uhr bzw. am 25. Dezember 2007 um 00.00 Uhr in der Eichstätter Wallfahrtskirche St. Marien Buchenhüll (ordentliche Form des Römischen Ritus unter Verwendung der deutschen Hochsprache). So verbleibe ich Euer Padre Alex – Vizeoffizial Mag. Mag. Dr. Alexander Pytlik http://www.internetpfarre.de Comments
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ADVENT, ADVENT ein Lichtlein brennt - Gläubige und deren Psychodynamik
Interessant finde ich es, daß manche Moraltheologen Egoismus nicht erkennen - da wird studiert und studiert, und weise Gespräche werden geschnattert, aber der Hochmut des Menschen wird nicht erkannt. Da schreibt eine Frau voll selbstherrlichen Stolz in eben ihrer ach so christlichen Seite, sie würde es ablehnen, nur auf das Äußere eines Menschen zu sehen, und einige Zeilen darunter meint sie, sie würde bei ihrem Gegenüber vor allem auf Haare, Augen usw. achten. Natürlich geben diese dann öffentlich Maria als "ihre Heilige" an. Diese Frauen personifizieren sich gerne mit einer höher gestellten Weiblichkeit - Maria wird hier eigentlich als "Identifikationsfigur" mißbraucht, um deren feminine Wertigkeit zu steigern. Wenn Priester also solchem Egoismus keinen Riegel vorschieben und dagegen predigen, werden sie von katholischen Nichtkirchgängern verständlicherweise auch nicht ernst genommen. Auf einer Feier habe ich mich mit einem Herrn unterhalten über die Katholische Kirche, und der meinte, daß diese gläubigen Kirchgänger ja nur sich selbst lieben durch ihre Heiligenfiguren. Man sollte aber zumindest in der Adventzeit Maria eine objektive Verehrung entgegenbringen und keinesfalls die hochmütige Sünde begehen, diese nur deshalb zu verehren, weil man selbst weiblich ist. Christus hat sicher auch mehr Freude an einer objektiven Verehrung seiner Mutter, ohne neurotisches Kasperltheater von profilierungssüchtigen Egopathen auf infantilen Webseiten. Adventzeit ist eine Zeit, um das geistige Erbe Jesu an uns objektiv zu betrachten, den Sinn seiner Aussagen und seiner Taten realistisch zu analysieren und vor allem den Ego-Zeitgeist abzulehnen. Wer das nicht einsieht, hat Christus nicht verstanden. |
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In dem von der Fe-Medienverlags GmbH vertriebenen und von Paul Badde und Dr. Norbert Neuhaus herausgegebenen www.vatican-magazin.de (Chefredaktion: Guido Horst und Christina Badde) ist im Heft 1/2008 (S. 36 - 39) ein lehrreicher und aufschlußreicher Beitr
Tracked: Jan 20, 23:34
Vorbildhaft für alle Diözesanbischöfe und ihnen gleichgestellte Hirten der Katholischen Kirche, welche in den ihnen anvertrauten territorialen oder personalen Verantwortungsbereichen um Opfer sexuellen Mißbrauchs durch Priester oder kirchliche Mitarbeiter
Tracked: Apr 18, 23:11
Noch am Hochfest der heiligen Apostelfürsten Petrus und Paulus hatte Seine Heiligkeit Papst Franziskus das erste weltweite Rundschreiben an die Bischöfe, an die Priester und Diakone, an die gottgeweihten Personen und überhaupt an alle Christgläubigen unte
Tracked: Aug 22, 00:35