Kommentar zum Motu proprio
Omnium in mentem von Kurienerzbischof Francesco Coccopalmerio, Präsident des
Päpstlichen Rates für die Interpretation von Gesetzestexten (
in meiner Übersetzung, die auch von
kath.net übernommen wurde). Ich habe diesen Kommentar allerdings wegen der anfänglichen Unklarheit der gemeinten Katechismus-Nummern präzisiert, was am Fettdruck erkennbar ist (vgl. die Nummern 875 und 1581 und damit im Zusammenhang auch die Nummern 1569 und 1588, wobei es sich quellenmäßig und rechtsrelevant vor allem um die
Nummer 875 dreht):
Die Gründe zweier Änderungen
Das Motu proprio "
Omnium in mentem" enthält einige in den
Codex des kanonischen Rechtes einzubringende Änderungen, die seit einiger Zeit dem Studium der Dikasterien der römischen Kurie und der Bischofskonferenzen anheimgestellt waren. Die Veränderungen betreffen zwei unterschiedliche Sachbereiche, und zwar:
1. den Text der Canones, welche die Dienstfunktion der Diakone definieren, an den betreffenden Text des Katechismus der Katholischen Kirche (
Nr. 875, vgl. auch die Nummern 1569, 1581 und 1588) anzupassen; und
2. in drei sich auf die Eheschließung beziehenden Canones einen Einschub zu streichen, der sich in der Erfahrung als ungeeignet herausgestellt hat. In den fünf Artikeln, die das vorliegende Motu Proprio enthält, wird die neue Formulierung der veränderten Canones angegeben.
Die erste Veränderung betrifft den Text der Canones 1008 und 1009 des Codex des kanonischen Rechtes, die sich auf die geweihten Diener beziehen. Die erste Ausgabe des Katechismus der Katholischen Kirche bekundete im allgemeinen, daß
die Geweihten von Christus "die Sendung und die Vollmacht [heilige Gewalt], 'in der Person Christi des Hauptes' [in persona Christi Capitis] zu handeln" (Nr. 875), empfingen und (bei den Ausführungen zu den "
Wirkungen des Weihesakramentes") die Weihe dazu ermächtige, "
als Vertreter Christi, des Hauptes, in dessen dreifacher Funktion als Priester, Prophet und König zu handeln" (zweiter Teil der Nr. 1581). Später jedoch hielt es die Kongregation für die Glaubenslehre für notwendig - um die Ausdehnung der Vollmacht, "
in der Person Christi des Hauptes zu handeln", auf den Grad des Diakonates zu vermeiden - die Formulierung dieser Nr. 875 in der Editio typica auf folgende Weise abzuändern: "
Von Ihm (= Christus)
empfangen die Bischöfe und die Priester die Sendung und die Vollmacht, in der Person Christi des Hauptes zu handeln, die Diakone hingegen die Kraft, dem Volk Gottes in der 'Diakonie' der Liturgie, des Wortes und der Liebe zu dienen". Am 9. Oktober 1998 approbierte der Diener Gottes Johannes Paul II. diese Änderung und ordnete an, daß sich ihr auch die Canones des Codex des kanonischen Rechtes anpaßten.
Das Motu proprio “Omnium in mentem” ändert also den Text des can. 1008 CIC, der nicht mehr mit unterschiedslosem Bezug auf die drei Grade der Weihe kundtun wird, daß das Sakrament die Befähigung vermittle, in der Person Christi des Hauptes zu handeln, sondern der sich nun darauf beschränken wird, in allgemeinerer Form festzustellen, daß wer die heilige Weihe empfange, dazu bestimmt sei, dem Volk Gottes durch einen neuen und einzigartigen Titel zu dienen.
Die Unterscheidung, die diesbezüglich zwischen den drei Graden des Weihesakramentes besteht, wird nun im can. 1009 CIC mittels Hinzufügung eines dritten Paragraphen aufgenommen, in dem präzisiert wird, daß der in der Weihe des Episkopates oder des Presbyterates bestellte Diener die Sendung und die Vollmacht erhalte, in der Person Christi des Hauptes zu handeln, während die Diakone die Befähigung empfangen, dem Volk Gottes in der Diakonie der Liturgie, des Wortes und der Liebe zu dienen.
Es war hingegen nicht nötig, irgendeine Änderung in den korrespondierenden Canones 323 § 1, 325 und 743 des
Codex der katholischen Ostkirchen vorzunehmen, weil in diesen Normen die Formulierung "
in der Person Christi des Hauptes handeln" nicht verwendet wird.
Die andere Abänderung, welche das Motu proprio “Omnium in mentem” vorstellt, betrifft die Streichung der Klausel "
formaler Akt des Abfalles von der Katholischen Kirche" in den Canones 1086 § 1, 1117 und 1124 des Codex des kanonischen Rechtes, die nach einem langem Studium für unnötig und ungeeignet gehalten worden ist. Es handelt sich um einen Einschub, der nicht zur kirchenrechtlichen Überlieferung gehört und der auch nicht im Codex der katholischen Ostkirchen wiedergegeben ist. Mit diesem Einschub beabsichtigte man, eine Ausnahme zur allgemeinen Norm des can. 11 festzulegen, was die Verbindlichkeit der kirchlichen Gesetze betrifft, verbunden mit dem Vorsatz, die Ausübung des Rechtes auf die Hochzeit jenen Gläubigen zu erleichtern, die aufgrund ihrer Abwendung von der Kirche nur schwer das kanonische Gesetz erfüllen hätten können, welches zur Gültigkeit ihrer Ehe eine Form verlangt.
Die Interpretations- und Anwendungsschwierigkeiten der genannten Klausel sind jedoch in verschiedenen Bereichen aufgetreten. In diesem Sinne untersuchte schon der frühere Päpstliche Rat für die Interpretation von Gesetzestexten, ob die Streichung des zitierten Einschubes aus den drei Canones zweckmäßig sei. Die Frage wurde zuerst in der Vollversammlung des 3. Juni 1997 behandelt. Die Väter der Vollversammlung approbierten die Formulierung eines Zweifels und die darauf bezogene Antwort, um eventuell eine authentische Interpretation über die präzise rechtliche Bedeutung der genannten Klausel durchzuführen, aber sie hielten es für opportun, zuerst eine Konsultation der Bischofskonferenzen über die aus diesen Bestimmungen herrührenden positiven und negativen Erfahrungen vorzunehmen, damit vor einer Entscheidung alle Umstände bewertet werden könnten.
Die Konsultation der Bischofskonferenzen ist in den zwei Folgejahren geschehen, und dem Päpstlichen Rat sind etwa fünfzig begründete Antworten zugegangen, repräsentativ für die fünf Kontinente und eingeschlossen alle Länder mit einem numerisch relevanten Episkopat. An einigen Orten gab es diesbezüglich keine nennenswerten Erfahrungen; aus der Mehrheit jedoch ging der Bedarf einer Klärung über die präzise Bedeutung dieses Einschubs hervor, oder besser gesagt, mehrheitlich wünschte man seine vollständige Streichung. Damit verbunden wurden deckungsgleiche Begründungen, die aus der juridischen Erfahrung stammten: der Vorteil, in diesen Fällen keine andere Behandlung zur Verfügung zu haben als jene für die Fälle ziviler Verbindungen der Getauften, die keinerlei Formalakt des Abfalles vollziehen [
Anmerkung vom Herausgeber: es geht also darum, daß zwei "ausgetretene" katholische Ehepartner genauso ungültig verheiratet wären wie rein zivil "verheiratete" Katholiken, die nicht "ausgetreten" sind - eben dies ist kraft des Motu proprio bald wieder so]; die Notwendigkeit, mit Kohärenz die Identität von "Eheschließung-Sakrament" aufzuzeigen; das Risiko, Klandestinehen zu begünstigen; die weiteren Auswirkungen in den Ländern, wo die kanonische Eheschließung zivile Wirksamkeit besitze, und so weiter.
Die Resultate der Konsultation wurden dann einer neuen Vollversammlung des Päpstlichen Rates vorgelegt, die am 4. Juni 1999 stattfand und einhellig die Streichung des erwähnten Einschubs approbierte, und der Diener Gottes Johannes Paul II. bestätigte diese Entscheidung in der Audienz des 3. Juli 1999 und gab den Auftrag, den geeigneten normativen Text vorzubereiten.
In der Zwischenzeit wurde die Streichung dieses Einschubs betreffend die kirchenrechtliche Disziplin der Eheschließung mit einer völlig anderen Frage in Verbindung gebracht, die aber einer geeigneten Klärung bedurfte und ausschließlich einige mitteleuropäischen Länder betraf: es ging um die innerkirchliche Wirksamkeit der eventuellen Erklärung eines Katholiken vor einem zivilen Steuerbeamten, nicht zur Katholischen Kirche zu gehören und folglich nicht verpflichtet zu sein, die sogenannte Kirchensteuer (Religionssteuer) zu entrichten.
In diesem konkreten Zusammenhang und somit auf einer vom strikten Ehebereich (auf die sich der oben erwähnte Einschub in den drei Canones bezog) zu unterscheidenden Ebene wurde von Seiten des Päpstlichen Rates für die Interpretation von Gesetzestexten in Kollaboration mit der Kongregation für die Glaubenslehre ein Studium begonnen, um die wesentlichen Erfordernisse der Willensbekundung des Abfalles von der Katholischen Kirche zu präzisieren. Diese Bedingungen zu seiner Wirksamkeit sind im
Rundschreiben an die Präsidenten der Bischofskonferenzen angegeben worden, das der Päpstliche Rat für die Interpretation von Gesetzestexten mit Approbation des Heiligen Vaters Benedikt XVI. am
13. März 2006 übersandte (vgl.
Communicationes XXXVIII [2006], 170 - 184).
Auch wenn sie andere Zielsetzungen hatte als das vorliegende Motu proprio, trug die Publikation des Rundschreibens dazu bei, die Überzeugung betreffend die Opportunität der Streichung der oben zitierten Klausel in den Canones zur Eheschließung zu stärken. Genau das wird nun mit dem vorliegenden päpstlichen Dokument vollzogen. Der Text dieses Motu proprio ist von der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Interpretation von Gesetzestexten am 16. Juni 2009 studiert worden, wobei zu diesem Anlaß der Kardinalstaatssekretär den Vorsitz innehatte.
Die konkrete Relevanz der Änderung der Canones 1086 § 1, 1117 und 1124 des Codex betrifft daher den Ehebereich. Vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des Codex des kanonischen Rechtes im Jahre 1983 bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Motu proprio waren die Katholiken, die einen formalen Akt der Abwendung von der Katholischen Kirche gesetzt hätten, für die Gültigkeit der Eheschließung (can. 1117 CIC) nicht zur kanonischen Zelebrationsform verpflichtet, ebensowenig galt für sie das Hindernis, Nichtgetaufte zu heiraten (Religionsverschiedenheit, can. 1086 § 1 CIC) und ebensowenig betraf sie das Verbot, nicht-katholische Christen zu heiraten (can. 1124 CIC). Der in die drei Canones eingefügte erwähnte Einschub stellte eine Ausnahme kirchlichen Rechtes gegenüber einer anderen allgemeineren Norm des kirchlichen Rechtes dar, nach der alle in der Katholischen Kirche Getauften oder in ihr Aufgenommenen zur Einhaltung der kirchlichen Gesetze verpflichtet seien (can. 11 CIC).
Vom Inkrafttreten des neuen Motu proprio an wird daher der can. 11 des Codex des kanonischen Rechtes wieder volle Geltung gewinnen, was den Inhalt der nunmehr veränderten Canones betrifft, also auch in den Fällen, in denen eine formale Abwendung geschehen wäre. In Konsequenz wird man - um nach diesem Datum eventuelle unter Nichteinhaltung dieser Regeln eingegangene Verbindungen zu legalisieren - die für diese Fälle vom kanonischen Recht angebotenen ordentlichen Mittel in Anspruch nehmen, wann immer es möglich sei: Dispens vom Ehehindernis, Heilung und so weiter.
In Übereinstimmung mit dem, was vom can. 8 des Codex des kanonischen Rechtes festgelegt ist, wird das Motu proprio “
Omnium in mentem” formell mit der Veröffentlichung in den Acta Apostolicae Sedis promulgiert und wird Rechtskraft erlangen "
nach Ablauf von drei Monaten, von dem Tag an gerechnet, der auf der betreffenden Nummer der Acta Apostolicae Sedis angegeben ist".
[
ENDE MEINER ÜBERSETZUNG DES OFFIZIELLEN KOMMENTARS DES PRÄSIDENTEN DES PÄPSTLICHEN RATES FÜR GESETZESTEXTE.]
An dieser Stelle verweise ich zunächst noch auf verwandte Blogeinträge zur Thematik des sogenannten Kirchenaustritts (
1) (
2). Außerdem darf daran erinnert werden, daß die Frage der genaueren Klärung der Identität der drei Weihegrade und darin des Diakons nicht mehr neu ist. Denn die Nummer 875 des
Katechismus der Katholischen Kirche war bereits in seiner authentischen lateinischen Fassung vom 15. August 1997 so verändert, wie es Papst Johannes Paul II. kurze Zeit später auf Basis der Hinweise der Glaubenskongregation konsequenterweise auch für das lateinische Kirchenrecht verlangte und wie es jetzt Papst Benedikt XVI. in seinem Motu proprio
Omnium in mentem in Fortsetzung derselben Intention definitiv für das lateinische Kirchenrecht festlegt. Das
Kompendium des Katechismus mußte ja diesbezüglich nicht mehr adaptiert werden, weil es von Anbeginn in diesem Punkt die authentische Lehrentwicklung rezipierte. So verbleibe ich mit den besten Wünschen für die letzten Adventtage - vielleicht sehen wir uns ja im Marienwallfahrtsort St. Marien Buchenhüll in D-85072 Eichstätt um 24 Uhr zur traditionellen Christmette mit anschließender Agape. Euer Padre Alex - Vizeoffizial Dr. Alexander Pytlik
Seine Heiligkeit Papst Benedikt XVI. hat am 26. Oktober 2009 ein Motu proprio namens Omnium in mentem unterzeichnet, mit welchem einige Normen des lateinischen Codex des kanonischen Rechtes (1983) verändert werden. Der Heilige Stuhl gab heute die offiziel
Tracked: Dec 16, 23:13
Im Osservatore Romano ist am 27. Januar 2010 eine wichtige kanonistische Buchrezension unter dem Titel "Consenso coniugale e requisito della fede. Il matrimonio fra contratto e sacramento" ("Der Ehekonsens und das Erfordernis des Glaubens. Die Ehe zwische
Tracked: Feb 13, 02:31
Die katholischen Bischöfe Österreichs sind nun kirchenrechtlich Vorreiter geworden, so kann man es durchaus sagen, und sie setzen damit ein sehr klares Zeichen der Verbundenheit mit dem Heiligen Stuhl, sodaß sicherlich manche mit Spannung darauf warten, o
Tracked: Oct 05, 23:06
Erfreulicherweise sind im Amtsblatt der katholischen Bischofskonferenz Österreichs vom 15. Februar 2012 unter dem Punkt "II. Gesetze und Verordnungen" (S. 7 - 8) Richtlinien für das Begräbnis der Leiber von Verstorbenen, die aus der Kirche "ausgetreten" s
Tracked: Feb 29, 10:13