Mittwoch, 24. März 2010
HIRTENBRIEF: PAPST BENEDIKT HAT FÜR ... Geschrieben von Padre Alex / Dr. Alexander Pytlik
in Kirchenrecht, News Kommentare um
22:00
Kommentare (11) Trackbacks (16) HIRTENBRIEF: PAPST BENEDIKT HAT FÜR DIE OPFER DAS KIRCHENRECHT GERETTET
Seine Heiligkeit Papst Benedikt XVI. hat am 19. März 2010 für die Opfer sexuellen Mißbrauchs (und überhaupt) das Kirchenrecht (= das kanonische Recht: 1. für die lateinische Kirche, 2. für die katholischen Ostkirchen) gerettet.
Dies ist mein erster und aktueller Kommentar, warum der historisch einmalige Hirtenbrief des Heiligen Vaters Benedikt XVI. an die katholischen Iren ein eminent juridisches Schreiben und für die Zukunft der ganzen Kirche so wichtig ist. Voraussetzen muß ich, daß die Leser meines Kommentars nach dem Willen des Papstes wirklich den ganzen Hirtenbrief zur Förderung des Prozesses der Buße, der Heilung und der Erneuerung der Katholischen Kirche in Irland gelesen haben, weil ich mich im folgenden nur auf ganz wenige Aspekte beschränke. Meine These lautet: der Papst hat mit diesem pastoralen Schreiben vom 19. März 2010 auch das Kirchenrecht gerettet, und zwar in mehrfacher Hinsicht: 1. hat Benedikt XVI. ganz klar aufgezeigt, daß der normale und vollständige Einsatz des Kirchenrechtes in allen Diözesen und Ordensgemeinschaften Irlands auch nach seiner strafrechtlichen Seite die eingetretene abscheuliche Krise zumindest teilweise verhindert hätte. 2. hat Benedikt XVI. ganz klar aufgezeigt, daß dem geltenden Kirchenrecht weder das heute von den meisten Menschen natürlicherweise erwartete Prinzip der Transparenz sämtlicher Verfahrensvorgänge und Ergebnisse noch die volle Zusammenarbeit mit den staatlichen Behörden im Rahmen ihrer Kompetenz widerspricht oder je widersprochen hätte. Diesbezüglich ist neuerlich zu betonen, daß es von Seiten des damaligen Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre nachweislich keinerlei Vertuschungsanordnungen gegeben hat. (Vergleiche dazu auch die offiziellen Stellungnahmen zu diskutierten Fällen im Erzbistum München und im Erzbistum Milwaukee, letztere auch unterhalb dieses Blogeintrages als Kommentar von mir selbst.) 3. hat Benedikt XVI. lange darüber nachgedacht und nun seine Entscheidung bekanntgegeben, in einigen Diözesen und Ordensgemeinschaften das mit dem Amt des Papstes selbst direkt verknüpfte kirchenrechtliche Instrument der Apostolischen Visitation einzusetzen, um über das hinaus, was je ein Staat an strafrechtlicher Aufarbeitung anbieten könnte, sämtlichen Fragen der kirchlichen Disziplin auf dem Boden der unveränderlichen katholischen Sittenlehre vollständig auf den Grund zu gehen, Opfer und Opfergruppen intensiv anzuhören und im Falle des Falles noch schwerwiegende personale Konsequenzen folgen zu lassen. 4. hat Benedikt XVI. auch aufgezeigt, daß eine bestimmte Haltung des Antijuridismus nach dem XXI. Ökumenischen Konzil, also eine durchaus früher noch recht verbreitete Abwertung des Kirchenrechtes und somit – das schließe ich jetzt ebenso daraus – auch eine zu geringe Anzahl an kirchenrechtlich ausgebildeten Klerikern und Laien mit dazu beigetragen haben, fatale Inkonsequenzen im Führungsverhalten verschiedener Bischöfe und Amtsträger zuzulassen. Papst Benedikt XVI. hat somit die Ehre des in den letzten Wochen auch im deutschen Sprachraum mißdeuteten und fehlinterpretierten Rechtes der Kirche gerettet, wobei die vielen Diskussionen in den herkömmlichen Medien paradoxerweise sogar mit dazu beigetragen haben, den Sinn, die Kenntnis und die jeweiligen Kompetenzen (z. B. kirchlicher und staatlicher Gerichte) besser zu unterscheiden. Hätte sich vor ein paar Monaten nur ein Journalist dafür interessiert, daß beim Verbrechen des Kindesmißbrauchs von Seiten eines Klerikers auf Antrag eines zuständigen Bischofs die Verjährung durch die Kongregation für die Glaubenslehre ganz wegfallen kann und somit noch wesentlich länger eine kirchenstrafrechtliche Aufarbeitung möglich ist? War vor einigen Monaten allen klar, daß den Staat Straftaten gegen die Heiligkeit der Sakramente von Amts wegen eben nicht interessieren und somit die Kirche abgesehen von der auch durch ihr eigenes Recht immer wieder neu zu gewährleistenden umfassenden Gerechtigkeit dasselbe Kirchenrecht auch dafür benötigt? Bevor ich noch weitere Argumente zum gewählten Thema bringe, möchte ich bewußt ein paar Zitate aus dem Hirtenbrief bringen, um hervorzuheben, wie juridisch der Hirtenbrief des Papstes ist. Ich folge dabei meiner eigenen Übersetzung: - "Das vom II. Vatikanischen Konzil vorgelegte Erneuerungsprogramm wurde manchmal mißdeutet, und tatsächlich war es im Licht der tiefgehenden sozialen Veränderungen gar nicht leicht, zu wissen, wie man es am besten umsetzen sollte. Insbesondere gab es eine gutgemeinte, aber irrige Tendenz, strafrechtliche Vorgehensweisen bei kirchenrechtlich irregulären Zuständen zu vermeiden." - "Zweifelslos können wir zu den entscheidenden Faktoren hinzuzählen: (...) eine verfehlte Sorge um den Ruf der Kirche und zur Skandalvermeidung, welche die Auferlegung geltender kirchenrechtlicher Strafen und den Schutz der Würde jeder Person vereitelte." - "Während meines Pontifikates bat ich die Bischöfe, 'alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, damit sich derartiges nicht mehr wiederholt, zu gewährleisten, daß die Prinzipien der Gerechtigkeit vollkommen geachtet werden und, vor allem, den Opfern und all jenen Heilung zu bringen, die von diesen ungeheuerlichen Verbrechen betroffen sind.' (Ansprache von Papst Benedikt XVI. am 28. Oktober 2006)" - "An die Priester und Ordensleute, die Kinder mißbraucht haben (...) Ihr müßt Euch dafür vor dem allmächtigen Gott und vor rechtmäßig konstituierten Gerichten verantworten (...) Gleichzeitig verpflichtet uns Gottes Gerechtigkeit dazu, Rechenschaft für unsere Handlungen abzulegen und nichts zu vertuschen. Anerkennt offen Eure Schuld, unterwerft Euch den Forderungen der Gerechtigkeit, aber verliert nicht die Hoffnung auf die Barmherzigkeit Gottes." - "An die Priester und die Ordensleute (...) Wir alle leiden infolge der Sünden unserer Mitbrüder, die das heilig zu haltende Vertrauen verraten haben oder dabei versagt haben, mit Mißbrauchsvorwürfen gerecht und verantwortungsvoll umzugehen." - "An meine Brüder im Bischofsamt. Es kann nicht geleugnet werden, daß einige von Euch und Eurer Vorgänger bei der Anwendung der seit langem geltenden Normen des Kirchenrechts gegenüber dem Verbrechen des Kindesmißbrauchs zeitweise schwer versagt haben. Schwere Fehler wurden bei der Behandlung von Vorwürfen gemacht (...) Dies alles hat Eure Glaubwürdigkeit und Euer Wirkungsvermögen ernsthaft unterminiert (...) Abgesehen von der vollständigen Umsetzung der Normen des Kirchenrechts im Umgang mit Fällen von Kindesmißbrauch setzt bitte Eure Zusammenarbeit mit den zivilen Behörden in den Bereichen ihrer Kompetenz fort. Natürlich sollen die Ordensoberen es genauso halten (...) Es ist zwingend erforderlich, daß die Kindesschutzbestimmungen der Kirche in Irland kontinuierlich überprüft und aktualisiert werden und daß sie in Übereinstimmung mit dem Kirchenrecht vollständig und unbefangen angewendet werden. Nur entschiedenes Handeln, getragen von kompletter Aufrichtigkeit und Transparenz, wird den Respekt und den guten Willen der Iren gegenüber der Kirche wiederherstellen". - "Ich möchte Euch nun einige konkrete Initiativen empfehlen, um der Situation zu begegnen (...) Nachdem ich mich beraten habe lassen und der Frage im Gebet nachgegangen bin, beabsichtige ich nun außerdem, in einigen Diözesen Irlands sowie auch in Seminarien und Ordensgemeinschaften eine Apostolische Visitation anzuberaumen. Die Päpstliche Visitation versteht sich als Hilfe für die örtliche Teilkirche in ihrem Weg der Erneuerung und wird in Kooperation mit den kompetenten Ämtern der Römischen Kurie und mit der Irischen Bischofskonferenz festgelegt werden. Die Einzelheiten werden zu gegebener Zeit bekannt gegeben." Es gab ja schon einzelne Stimmen außerhalb der Kirche, daß dieser Hirtenbrief doch sicherlich nur der momentanen Abwehr der Situation diene und keine langfristigen Veränderungen oder Auswirkungen hätte. Doch dem muß ich entschieden widersprechen. Zwar ist der Brief nur an die Katholische Kirche in Irland gerichtet, doch die soeben angedeuteten und dargelegten Prinzipien sind für alle Verantwortlichen weltweit bindend. Und im konkreten Falle Irlands muß noch betont werden: da die Entsendung eines Apostolischen Visitators als eines direkten Stellvertreters des Papstes mit bestimmten Vollmachten für eine ganze Diözese historisch eine Seltenheit ist und wir bereits Beispiele haben, wie umfassend Untersuchungen im Rahmen einer solchen Visitation sein können, wird sich der Hirtenbrief schon alleine dadurch als äußerst wirksam und praktisch sehr relevant erweisen. Durch das kirchenrechtliche Institut der Päpstlichen Visitation besteht die große Chance einer weiteren direkten Aufarbeitung am Ort selbst unter Einbeziehung "von außen" kommender Amtspersonen. Basis des Visitationsvorganges wird so wie 2004 in Österreich (Bistum St. Pölten und sein Priesterseminar) zweifellos ein umfassender Dialogvorgang sein müssen, im Rahmen dessen wirklich alle gehört werden. Wenn daher manche Opfervertretungen das Hirtenschreiben des Papstes als nicht ausreichend kritisiert haben, so dürfen dieselben jedoch nicht übersehen, welche Chancen gerade durch diese wichtige Entscheidung des Papstes zur Anberaumung solcher Apostolischen Visitationen bestehen. Wenn sie dann noch die vom 2004 eingesetzten Päpstlichen Visitator Diözesanbischof Dr. Dr. Klaus Küng in Übereinstimmung mit dem Heiligen Stuhl exemplarisch vorgegebene sachliche und umfassende Informationspolitik gegenüber der "Außenwelt" im Sinne des Prinzips der Transparenz genau betrachten, müßte die Hoffnung auf weitere echte Konsequenzen stark ansteigen. Darüber hinaus wird auch mit diesem österreichischen Beispiel klar, daß die Kirche sämtlichen sittlichen Fragen nachgeht, um auch die Heiligkeit des Amtes sicherzustellen, wohingegen der Staat grundsätzlich nicht daran interessiert ist, ob der kirchliche Amtsträger auch das lebt, was er verkündet. Somit zeigt die Anberaumung der Visitationen durch den Papst seinen konsequenten Willen, der Kirche in Irland bei ihrer Erneuerung umfassend zu helfen. Und so sei es mir erlaubt, beispielhaft mit einer der vielen öffentlichen Stellungnahmen des damals vom Diener Gottes Johannes Paul II. ernannten Päpstlichen Visitators Klaus Küng, nämlich vom 12. August 2004, zu schließen: "Aufgrund der Vorfälle ist ein völliger Neuanfang notwendig. Wir brauchen Priesterpersönlichkeiten, die belastbar und gesund sind. Gerade in der Situation der heutigen Gesellschaft sind die Anforderungen, denen sich der Priester in der Aufgabe der Verkündigung und der Seelsorge stellen muß, sehr hoch. Je bedrängender der Priestermangel wird, desto ausgeglichener, aufrichtiger und tugendhafter müssen jene sein, die Priester werden. Vor allem Vorbilder von Menschen sind nötig, die selbst tatkräftig zupacken, wo es nötig ist. Sie brauchen eine klare Ausrichtung an Christus, aber auch 'Erdung' (...) Bei allem Verständnis für die Probleme der betroffenen Personen hat Bischof Krenn im Einverständnis mit dem Heiligen Stuhl einen herzhaften Entschluß gefaßt: Das Priesterseminar der Diözese St. Pölten wird mit sofortiger Wirkung für geschlossen erklärt. Es soll ein echter Neuanfang ermöglicht werden. Alle bisherigen und zukünftigen Priesteramtskandidaten werden sich auch zu ihrem eigenen Schutz unter Zuhilfenahme erfahrener Seelsorger und soweit erforderlich renommierter Fachkräfte einem Aufnahmeverfahren unterziehen. Manche, die für das Priesteramt sicher nicht geeignet scheinen, werden Hilfe empfangen, um sich beruflich neu zu orientieren; wenn gewünscht, wird ärztlicher und seelsorglicher Beistand angeboten. Jene, die die nötigen Voraussetzungen mitbringen, werden als Priesteramtskandidaten der Diözese St. Pölten weiterstudieren. Es ist für die Diözese St. Pölten und für die Kirche in ganz Österreich eine schmerzhafte Stunde. Ich bin aber davon überzeugt, daß diese Stunde zum Guten gereichen wird." Und so möge es auch für Irland sein, das wünsche ich ihnen von ganzem Herzen am Vorabend des Hochfestes Mariae Verkündigung! Euer Padre Alex - Vizeoffizial Dr. Alexander Pytlik Samstag, 13. März 2010
SEXUELLER MISSBRAUCH VATIKAN: ... Geschrieben von Padre Alex / Dr. Alexander Pytlik
in Kirchenrecht, News Kommentare um
13:00
Kommentare (2) Trackbacks (9) SEXUELLER MISSBRAUCH VATIKAN: TOPINTERVIEW MIT KIRCHENANWALT SCICLUNA
Eines der wichtigsten Interviews in der aktuellen Debatte um sexuellen Mißbrauch Unter-18-Jähriger durch katholische Kleriker ist heute ausdrücklich vom Heiligen Stuhl empfohlen und verbreitet worden. Es handelt sich um das Gespräch der katholischen Tageszeitung Avvenire mit dem Kirchenanwalt (Promotor iustitiae) Monsignore Charles J. Scicluna. Um es besser zu verstehen, könnte man sagen, er ist einer der wichtigsten "Staatsanwälte" Roms, allerdings mit der Kompetenz, im Rahmen des Apostolischen Gerichtshofes der römischen Kongregation für die Glaubenslehre tätig zu werden und zu sein. Durch dieses Interview wird all das an bereits geschehenen Richtigstellungen gegen die Vorwürfe verschiedener Hinsicht in bezug auf das katholische Kirchenrecht verstärkt und präzisiert. Wer mich kennt, weiß, daß es mir immer um Sachlichkeit geht. Denn diese Sachlichkeit kann sämtliche Instrumentalisierungen unterbinden und immer nur dem dienen, um was es geht: um die volle Wahrheit und um die Option für die Opfer bzw. die Prävention weiterer Mißbrauchsfälle. Der römische Kirchenanwalt bestätigt für die gesamte Welt einen Schwerpunkt an homosexuellem Hintergrund bei den eingegangenen Fällen, das heißt präzise mit ephebophilen Tendenzen. Diese nüchternen Zahlen zeigen ein weiteres Mal, wie wichtig die treue Befolgung der römischen Instruktion zur Verhinderung der Weihe von Personen ist, die tiefsitzende homosexuelle Tendenzen aufweisen:
[DEUTSCHE ÜBERSETZUNG DES INTERVIEWS VON RADIO VATIKAN mit kleinen Korrekturen] Monsignore Charles J. Scicluna ist der "Anwalt der Gerechtigkeit" der Kongregation für die Glaubenslehre. In der Praxis handelt es sich um den "Staatsanwalt" des Tribunals des früheren "Heiligen Offiziums", der die Aufgabe hat, sogenannte "delicta graviora" (schwerwiegendere Straftaten) zu untersuchen, also Vergehen, die die katholische Kirche als die absolut schwerwiegendsten einstuft: das sind die Vergehen gegen die Heiligkeit der Eucharistie, Vergehen gegen die Heiligkeit des Bußsakraments und der Verstoß gegen das sechste Gebot ("Du sollst nichts Unkeusches tun") durch einen Kleriker mit einem Jugendlichen unter 18 Jahren. Vergehen, für die ein Motu proprio von 2001 mit dem Titel "Sacramentorum sanctitatis tutela" der Kongregation für die Glaubenslehre die Kompetenz zugesprochen hat. Und Monsignore Scicluna, ein Malteser mit liebenswürdig-freundlichen Umgangsformen, steht im Ruf, die ihm übertragene Aufgabe mit der größten Genauigkeit anzugehen – ohne Ansehen der Person. Monsignore, Sie gelten als gnadenlos; dabei wird der Katholischen Kirche systematisch vorgehalten, mit den so genannten "pädophilen Priestern" zu entgegenkommend zu sein. Es mag sein, daß in der Vergangenheit einige Bischöfe – vielleicht auch aus dem irregeleiteten Wunsch heraus, die Institution zu verteidigen – in der Praxis zu nachsichtig mit diesen überaus traurigen Phänomenen umgegangen sind. Ich sage: in der Praxis, denn auf der prinzipiellen Ebene war die Verurteilung dieser Art Vergehen immer schon unerschütterlich und unmißverständlich. Um beim vergangenen Jahrhundert zu bleiben, sei nur einmal an die mittlerweile berühmte Instruktion "Crimen Sollicitationis" von 1922 erinnert ... Aber war die nicht von 1962? Nein, die erste Fassung geht auf das Pontifikat von Pius XI. zurück. Dann hat das "Heilige Offizium" in der Zeit des seligen Johannes XXIII. eine neue Fassung für die Konzilsväter erstellt, aber nur in zweitausend Ausgaben, die für eine Verteilung nicht ausreichten, sodaß diese Verteilung sine die (= unbefristet) aufgeschoben wurde. Da ging es immerhin um prozedurale Normen, die in Fällen einer Verführung eines oder einer Beichtenden durch den Beichtvater zu befolgen waren, und um weitere sehr schwerwiegende Vergehen sexueller Art wie sexueller Mißbrauch von Minderjährigen ... Normen, die allerdings das Geheimhalten empfahlen ... Eine schlechte Übersetzung dieses Textes ins Englische hat den Eindruck erweckt, als ob der Heilige Stuhl die Geheimhaltung durchsetzen wollte, um die Tatsachen zu vertuschen. Aber so war es nicht. Das Ermittlungsgeheimnis diente dazu, den guten Ruf aller beteiligten Personen zu schützen, vor allem den guten Ruf der Opfer selbst, und dann auch den der angeklagten Kleriker, die – wie ein jeder – das Recht auf die Unschuldsvermutung bis zum Beweis des Gegenteils haben. Die Kirche liebt keine Spektakel-Justiz. Das Regelwerk über sexuellen Mißbrauch ist nie als Verbot verstanden worden, eine Anzeige bei den zivilen Behörden zu erstatten. Ein solches Dokument wird allerdings immer wieder erwähnt, um dem jetzigen Papst vorzuwerfen, er sei – in seiner Amtszeit als Präfekt des früheren "Heiligen Offiziums“ – objektiv der Verantwortliche für eine Politik des Vertuschens der Tatsachen durch den Heiligen Stuhl gewesen ... Das ist ein falscher und verleumderischer Vorwurf. Im Hinblick darauf erlaube ich mir, auf einige Tatsachen hinzuweisen. Zwischen 1975 und 1985 ist meines Wissens kein einziger Hinweis auf Fälle von Pädophilie bei Klerikern zur Kenntnis unserer Kongregation gelangt. Doch gab es nach dem Erlaß des Codex des Kirchenrechts (Codex Iuris Canonici = CIC) von 1983 eine Phase der Unsicherheit über die genaue Liste der "delicta graviora" (schwerwiegenderen Straftaten), die der Kompetenz dieses Dikasteriums vorbehalten sind. Erst mit dem Motu proprio von 2001 ist das Vergehen der Pädophilie wieder in unsere exklusive Kompetenz zurückgekehrt. Und von diesem Moment an hat Kardinal Ratzinger Weisheit und Festigkeit beim Umgang mit diesen Fällen gezeigt. Mehr noch: er hat auch großen Mut gezeigt, als er einige sehr schwierige und heikle Fälle sine acceptione personarum (= ohne Ansehen der Person) angegangen ist. Dem jetzigen Papst also Vertuschung vorzuwerfen, ist, wie gesagt, falsch und verleumderisch. Was passiert, wenn ein Priester eines delictum gravius (schwerwiegenderen Straftat) beschuldigt wird? Wenn die Anklage glaubwürdig ist, hat der Bischof die Pflicht, sowohl die Zuverlässigkeit des Vorwurfs als auch ihren eigentlichen Inhalt zu untersuchen. Und wenn das Ergebnis dieser Voruntersuchung glaubwürdig ist, hat er keine Gewalt mehr, über die Materie zu befinden, und muß den Fall unserer Kongregation mitteilen, wo er vom disziplinarischen Büro behandelt wird. Wer gehört zu diesem Büro? Außer mir selbst, der ich als einer der Vorgesetzten des Dikasteriums auch andere Fragen behandle, gibt es einen Büroleiter, Pater Pedro Miguel Funes Diaz, sieben Geistliche und einen Strafrechtler – einen Laien –, die diese Verfahren bearbeiten. Andere Offiziale der Kongregation leisten jeweils einen wertvollen Beitrag je nach den Notwendigkeiten von Sprache und Kompetenz. Diesem Büro ist vorgeworfen worden, wenig und langsam zu arbeiten ... Das sind ungerechte Einschätzungen. 2003 und 2004 gab es eine Lawine von Fällen, mit der unsere Schreibtische überschüttet wurden. Viele davon kamen aus den USA und betrafen die Vergangenheit. In den letzten Jahren hat sich das Phänomen Gott sei Dank doch weitgehend reduziert. Und daher versuchen wir jetzt, die neuen Fälle in Echtzeit zu behandeln. Wieviele davon haben Sie und Ihre Mitarbeiter bis jetzt behandelt? Insgesamt haben wir in diesen letzten neun Jahren (2001 bis 2010) Anzeigen beurteilt, die etwa 3000 Fälle von Diözesanpriestern und Ordenspriestern betrafen und die sich auf Vergehen bezogen, die in den letzten fünfzig Jahren begangen worden sind. Also 3000 Fälle von pädophilen Priestern? So kann man das korrekterweise nicht sagen. Wir können sagen, daß es sich grosso modo in sechzig Prozent dieser Fälle vor allem um Akte von Ephebophilie handelt, das heißt: Akte, die mit dem sexuellen Hingezogensein zu Heranwachsenden desselben Geschlechts zusammenhängen. Weitere dreißig Prozent beziehen sich auf "heterosexuelle" Beziehungen, und zehn Prozent sind tatsächlich Akte der Pädophilie, also bestimmt durch das sexuelle Hingezogensein zu Kindern im vorpubertären Alter. Die Fälle von Priestern, die der Pädophilie im strengen Sinn des Wortes beschuldigt werden, sind also etwa dreihundert binnen neun Jahren. Das sind – um Gottes willen! – immer noch zu viele Fälle, aber man sollte doch anerkennen, das das Phänomen nicht so verbreitet ist, wie einige glauben machen wollen. Also 3000 Beschuldigte. Wie vielen wurde der Prozeß gemacht, wie viele verurteilt? Man kann in etwa sagen, daß es in zwanzig Prozent der Fälle einen richtigen Prozeß gegeben hat, ob straf- oder verwaltungsrechtlich, und normalerweise ist er im Herkunftsbistum – immer unter unserer Aufsicht – durchgeführt worden und nur in sehr seltenen Fällen hier in Rom. Wir halten das auch deswegen so, damit der iter (Prozeßweg) schneller ablaufen kann. Doch hat es in sechzig Prozent der Fälle vor allem wegen des fortgeschrittenen Alters der Beschuldigten keinen Prozeß gegeben; allerdings wurden gegen sie Verwaltungs- und Disziplinarmaßnahmen ergriffen wie etwa die Auflage, keine Heiligen Messen mit den Gläubigen mehr zu feiern, keine Beichte mehr zu hören, ein zurückgezogenes Leben des Gebets zu führen. Man sollte noch einmal betonen, daß es sich in diesen Fällen, unter denen auch einige besonders eklatante sind, mit denen sich die Medien beschäftigt haben, nicht um Freisprüche handelt. Zwar hat es keine formale Verurteilung gegeben, aber wenn jemand zu Schweigen und Gebet verpflichtet wird, dann gibt es dafür schon einen guten Grund … Da sind aber noch zwanzig Prozent weitere Fälle … Sagen wir: in zehn Prozent der Fälle, nämlich den besonders schwerwiegenden und bei denen erdrückende Beweise vorliegen, hat der Heilige Vater die schmerzliche Verantwortung auf sich genommen, ein Dekret über den Rückzug aus dem Klerikerstand zu autorisieren. Eine äußerst schwerwiegende Maßnahme, die auf dem Verwaltungsweg getroffen wird, aber unvermeidlich. In den übrigen zehn Prozent der Fälle waren es dann die beschuldigten Kleriker selbst, die um Dispens von den Pflichten gebeten haben, die sich aus dem Priesteramt ergeben. Was auch prompt angenommen wurde. Zu diesen letztgenannten Fällen gehören die Priester, die im Besitz von kinderpornographischem Material gefunden wurden und die dafür von der zivilen Autorität verurteilt worden sind. Woher kommen diese dreihundert Fälle? Vor allem aus den USA, die in den Jahren 2003 - 2004 etwa achtzig Prozent aller Fälle stellten. Für 2009 ist der US-Anteil auf ca. 25 Prozent der 223 neuen Fälle, die aus aller Welt gemeldet wurden, gesunken. In den letzten Jahren (2007 - 2009) lag tatsächlich der jährliche Durchschnitt von Fällen, die der Kongregation aus aller Welt gemeldet wurden, bei 250 Fällen. Viele Länder zeigen uns nur einen oder zwei Fälle an. Es wächst also die Vielfalt und die Zahl der Herkunftsländer von Fällen, aber das Phänomen ist ziemlich reduziert. Man muß ja daran erinnern, daß die Gesamtzahl von Diözesanpriestern und Ordenspriestern weltweit bei 400000 liegt. Dieser statistische Wert entspricht nicht dem Eindruck, der entsteht, wenn diese traurigen Fälle die ersten Seiten der Zeitungen füllen. Und aus Italien? Bislang scheint das Phänomen keine dramatischen Ausmaße zu haben, auch wenn mich doch beunruhigt, daß ich auf der Halbinsel noch eine gewisse Kultur des Schweigens zu sehr verbreitet finde. Die Italienische Bischofskonferenz (CEI) bietet einen hervorragenden technisch-juristischen Beratungsdienst für die Bischöfe, die solche Fälle zu behandeln haben. Ich stelle mit großer Befriedigung ein immer stärkeres Engagement von Seiten der italienischen Bischöfe fest, Klarheit in den Fällen, auf die man sie hinweist, zu schaffen. Sie sagten eben, daß es in etwa zwanzig Prozent der ca. 3000 Fälle, die Sie in den letzten neun Jahren untersucht haben, zu richtiggehenden Prozessen kam. Endeten die alle mit der Verurteilung der Beschuldigten? Viele der mittlerweile berühmten Prozesse endeten mit einer Verurteilung des Beschuldigten. Aber es gab auch einige, in denen der Priester für unschuldig erklärt wurde oder in denen die Vorwürfe nicht für hinreichend bewiesen angesehen wurden. In allen Fällen aber wird nicht nur Schuld oder Unschuld des angeklagten Klerikers untersucht, sondern auch eine Einschätzung vorgenommen, inwieweit er für die Ausübung eines Amtes in der Öffentlichkeit geeignet ist oder nicht … Ein häufiger Vorwurf an die kirchlichen Autoritäten ist der, daß sie nicht die Vergehen der Pädophilie, von denen sie Kenntnis bekommen, den zivilen Behörden anzeigen. In einigen Ländern mit angelsächsischer Kultur, aber auch in Frankreich sind die Bischöfe dazu verpflichtet, wenn sie außerhalb des sakramentalen Beichtgeheimnisses Kenntnis von Vergehen ihrer Priester erhalten, diese den Justizbehörden anzuzeigen. Es handelt sich um eine Verpflichtung, die alles andere als leicht fällt, denn diese Bischöfe sind dazu gezwungen, etwas zu tun, was man damit vergleichen könnte, daß Eltern ihren eigenen Sohn anzeigen. Dennoch geben wir in diesen Fällen die Vorgabe, das Gesetz zu respektieren. Und was ist in den Fällen, in denen die Bischöfe nicht diese gesetzliche Verpflichtung haben? In diesen Fällen erlegen wir es den Bischöfen nicht auf, ihre eigenen Priester anzuzeigen, aber wir ermuntern sie, sich an die Opfer zu wenden und sie einzuladen, diese Priester, deren Opfer sie geworden sind, anzuzeigen. Außerdem raten wir ihnen dazu, diesen Opfern jeden nur möglichen geistlichen und sonstigen Beistand zu leisten. In einem Fall vor nicht langer Zeit, der einen von einem italienischen Zivilgericht verurteilten Priester betrifft, war es tatsächlich diese Kongregation, die den Anzeigenden vorschlug, als diese sich wegen eines kanonischen Prozesses an uns wandten, sich doch im Interesse der Opfer und um andere Vergehen zu verhindern auch an die zivilen Autoritäten zu wenden. Eine letzte Frage: Ist für die delicta graviora (schwerwiegenderen Straftaten) eine Verjährung vorgesehen? Da rühren Sie an einen – aus meiner Sicht – schmerzhaften Punkt. In der Vergangenheit, das heißt vor 1889, war die Verjährung der Straftat eine Einrichtung, die es im Kirchenrecht nicht gab. Und für die schwerwiegendsten Vergehen wurde erst mit dem Motu proprio von 2001 eine [höhere] Verjährungsfrist von zehn Jahren eingeführt. Aufgrund dieser Normen beginnt die Zehn-Jahres-Frist in Fällen von sexuellem Mißbrauch erst mit dem Tag, an dem der bis dahin Minderjährige das 18. Lebensjahr vollendet. Reicht das denn aus? Die Praxis zeigt, daß eine Zehn-Jahres-Frist dieser Typologie von Fällen nicht angemessen ist und daß es wünschenswert wäre, zum früheren System zurückzukehren, nach dem es für die delicta graviora (schwerwiegenderen Straftaten) keine Verjährung gibt. Immerhin hat der Diener Gottes Johannes Paul II. am 7. November 2002 diesem Dikasterium die Vollmacht gegeben, im Einzelfall auf begründete Anfrage der einzelnen Bischöfe hin diese Verjährungsfrist nicht zu beachten. Und die entsprechende Ausnahmeregelung wird normalerweise auch gewährt. [ENDE DER VON RADIO VATIKAN ÜBERNOMMENEN ÜBERSETZUNG: rv/avvenire 13.03.2010 sk] Für morgen wünsche ich allen einen gesegneten 4. Fastensonntag LAETARE in der Vorfreude auf das Osterfest der wahren Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus. Beten wir für Seine Heiligkeit Papst Benedikt XVI. und nützen wir diese Fastenzeit zur Beförderung des eigenen Seelenheiles und des Seelenheiles aller uns Anvertrauten! Euer Padre Alex - Vizeoffizial Dr. Alexander Pytlik Dienstag, 2. März 2010
KIRCHENRECHT DOKUMENTE SEXUELLER ... Geschrieben von Padre Alex / Dr. Alexander Pytlik
in Kirchenrecht, News Kommentare um
07:30
Kommentare (4) Trackbacks (15) KIRCHENRECHT DOKUMENTE SEXUELLER MISSBRAUCH: KRITIK AN RÖMISCHER GEHEIMHALTUNG IST VERFEHLT
ACHTUNG: DER UNTEN IM II. PUNKT ANGEGEBENE GESETZESTEXT WURDE PER 21. MAI 2010 DURCH DEN VATIKAN SELBST AKTUALISIERT - DIE NUNMEHR GELTENDEN UND VOLLSTÄNDIG PUBLIZIERTEN NORMEN ZUM SCHUTZ DER HEILIGEN SAKRAMENTE UND GEGEN SEXUELLEN MISSBRAUCH HABE ICH IM BLOGEINTRAG VOM 15. JULI 2010 VERFÜGBAR GEMACHT!
In den letzten Wochen sind angesichts der endgültig im deutschen Sprachraum angekommenen Debatten und versuchten Analysen zum Bereich des sexuellen Mißbrauchs innerhalb der Katholischen Kirche durch verschiedene Kleriker oder Mitarbeiter immer wieder die Schlagworte "Geheimdokumente" und "Geheimhaltung" im Sinne angeblicher Opferunterdrückung herumgegeistert, was die vom Heiligen Stuhl her verpflichtende Behandlung konkreter Vorwürfe betraf und betrifft. Zugleich wurden vor allem dem regierenden Papst eben solche Geheimhaltungsbefehle bzw. sogar die Anordnung zur systematischen Vertuschung in die Schuhe geschoben, weil er 2001 angeblich ein solches römisches Dokument unterschrieben hätte. Daß ein solcher Vorwurf nicht zutrifft und nur bei Unkenntnis des katholischen Kirchenrechtes bzw. bei mangelndem Willen, sich die besagten nicht wirklich geheimen Dokumente genau anzusehen, geäußert werden kann, soll im vorliegenden Blogeintrag aufgezeigt werden. Erschreckend ist es für mich, daß sogar Akademiker wie Uta Ranke-Heinemann oder Hans Küng auf eben solche unsinnige Vorwürfe aufspringen bzw. offensichtlich auf nachweislich falsche Dokumentationen (auch BBC ist keine Garantie für die Richtigkeit von Vorwürfen, die dort in einer Dokumentation vom 1. November 2006 geäußert worden waren) hereinfallen. In Wirklichkeit ist schon vom natürlichen Recht her das grundsätzliche Bewahren eines Untersuchungsgeheimnisses für jedes rechtliche Verfahren und das darin agierende Personal eine Selbstverständlichkeit, was jedoch Opfer eines Mißbrauchs bei ihren Publikationen und Schritten (insbesondere zur Erlangung eines finanziellen Schadensersatzes auch noch nach strafrechtlicher Verjährung) gar nicht behindert. In den geltenden Leitlinien zum Vorgehen bei sexuellem Mißbrauch Minderjähriger durch Geistliche im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz heißt es im Punkt 6.: "Bestätigt die Voruntersuchung den Verdacht sexuellen Mißbrauchs, wird der Apostolische Stuhl befaßt. Gemäß dem Motuproprio über den Schutz der Heiligkeit der Sakramente (Sacramentorum sanctitatis tutela, [Übersetzung sogleich unterhalb!]) vom 30. April 2001 wird der Diözesanbischof nach Abschluß der Voruntersuchung diesen Fall dem Apostolischen Stuhl zuleiten." Das genannte Apostolisches Schreiben als Motu Proprio über den Schutz der Heiligkeit der Sakramente vom Diener Gottes Johannes Paul II. ist - wie an der Verlinkung im Vorabsatz leicht ersichtlich wird - auf der Internetseite des Vatikan öffentlich abrufbar, wenn auch in lateinischer Sprache. Ebenso ist es mit dem Brief des damaligen Joseph Kardinal Ratzinger vom 18. Mai 2001 an alle regierenden katholischen Bischöfe und Ordinarien, der die neuen Normen ausführlich vorstellt. Die nachfolgenden deutschen Übersetzungen der beiden über die Vatikanseite abrufbaren lateinischen Dokumente übernehme ich zum Teil von Univ.-Prof. Dr. Richard Puza und Dr. Stefan Ihli J.C.L. (Nomokanon - Staatskirchenrecht im Web), wobei ich alles mit dem lateinischen Original überprüft und durchkorrigiert habe und deren im lateinischen Text vorhandene Anmerkungen zusätzlich eingebaut und somit auch ins Deutsche gebracht habe, während ich die eigentlichen Normen zum Vorgehen in solchen Fällen über die hervorragende kirchenrechtliche Quellenseite von Prof. Ulrich Rhode SJ und somit primär vom National Catholic Reporter aus dem Englischen übernommen und sogleich ins Deutsche gebracht habe (ohne Gewähr betreffend die Präzision, die nur bei der Übersetzung aus dem Lateinischen erreicht werden kann), was ohne Zweifel auch den oben genannten Professoren Küng und Ranke-Heinemann erreichbar gewesen wäre. Außerdem habe ich auch jene rechtliche Aktualisierung zu einer weiteren Straftat betreffend das Bußsakrament in die neuen Normen hineinübersetzt (Fettdruck), was ursprünglich über ein Opus Bono Sacerdotii in englischer Sprache erreichbar war. Daß die folgenden in der Katholischen Kirche universal geltenden Bestimmungen vor allem kirchliches Strafrecht (auch zur Prävention) betreffen, versteht sich von selbst. Der von Opferseite aus auch kirchenrechtlich leicht einklagbare Schadensersatz wird natürlich direkt im allgemeinen Recht, nämlich in den geltenden Codices sichergestellt. Hier also die deutschen Texte der in einigen Interviews und Internetdiskussionen vielzitierten, aber offenbar weithin unbekannten römischen Dokumente aus dem Jahr 2001 (soferne der authentische lateinische Text virtuell greifbar war, wird er nach dem deutschen Absatz immer zur Kontrolle in kleinerer Schrift dargeboten): I. DOKUMENT VOM 30. APRIL 2001: APOSTOLISCHES SCHREIBEN «SACRAMENTORUM SANCTITATIS TUTELA» (SCHUTZ DER HEILIGKEIT DER SAKRAMENTE), GEGEBEN ALS MOTU PROPRIO, WELCHES DIE NORMEN BEZÜGLICH DER SCHWERWIEGENDEREN STRAFTATEN, DIE DER KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE VORBEHALTEN SIND, PROMULGIERT (vgl. AAS vol. XCIII = 93 [2001] n. 11, 737 - 739) IOANNES PAULUS PP. II Der Schutz der Heiligkeit der Sakramente, insbesondere der Allerheiligsten Eucharistie und der Buße, sowie die Sorge um die Einhaltung des sechsten Gebotes des Dekalogs durch die zur Nachfolge des Herrn Berufenen erfordern, daß die Kirche in der Ausrichtung auf das Heil der Seelen, "das in ihr [der Kirche] immer das oberste Gesetz sein muß" (Codex Iuris Canonici, can. 1752), aus ihrer pastoralen Sorge heraus einschreitet, um den Gefahren eines Verstoßes dagegen vorzubeugen. Sacramentorum sanctitatis tutela, SS.mae Eucharistiae maxime et Paenitentiae, necnon fidelium in sortem Domini vocatorum praeservatio in observantia sexti Decalogi praecepti, postulant ut ad salutem animarum procurandam, «quae in Ecclesia suprema semper lex esse debet» (Codex Iuris Canonici, can. 1752), ipsa Ecclesia sua pastorali sollicitudine interveniat ad praecavenda violationis pericula. Schon von unseren Vorgängern wurde die Heiligkeit der Sakramente, insbesondere des Bußsakramentes, durch entsprechende Apostolische Konstitutionen bedacht, so wie von Papst Benedikt XIV. durch die am 1. Juni 1741 erschienene Konstitution Sacramentum Poenitentiae (Anm. 1 = Papst Benedikt XIV., Konstitution Sacramentum Poenitentiae, 1. Juni 1741, in Codex Iuris Canonici, Pii X Pontificis Maximi iussu digestus, Benedicti Papae XV auctoritate promulgatus, Documenta, Documentum V, in AAS 9 [1917] Pars II, 505 - 508). Und die Canones des im Jahre 1917 promulgierten Codex Iuris Canonici - mit ihren Quellen - in denen kirchenrechtliche Strafbestimmungen gegen Straftaten dieser Art festgelegt worden waren, verfolgten denselben Zweck.(Anm. 2 = Vgl. Codex Iuris Canonici 1917, cann. 817, 2316, 2320, 2322, 2368 § 1, 2369 § 1.) Iam inde a Praedecessoribus nostris per opportunas Apostolicas Constitutiones sanctitati sacramentorum, praesertim Paenitentiae, provisum est, sicut Benedicti Papae XIV Constitutione Sacramentum Poenitentiae, die 1 mensis iunii anno 1741, edita;(1 = Benedictus PP. XIV, Constitutio Sacramentum Poenitentiae, 1 iunii 1741, in Codex Iuris Canonici, Pii X Pontificis Maximi iussu digestus, Benedicti Papae XV auctoritate promulgatus, Documenta, Documentum V, in AAS 9 [1917] Pars II, 505-508) itemque canones Codicis Iuris Canonici anno 1917 promulgati, cum eorum fontibus, quibus sanctiones canonicae contra huius speciei delicta statutae fuerant, eundem scopum persequebantur.(2 = Cfr. Codex Iuris Canonici anno 1917 promulgatus, cann. 817, 2316, 2320, 2322, 2368 § 1, 2369 § 1.) Um diese und damit zusammenhängende Straftaten zu verhindern, hat in neuerer Zeit die Höchste Heilige Kongregation des Heiligen Offiziums durch die allen Patriarchen, Erzbischöfen, Bischöfen und anderen Ortsordinarien, "auch des orientalischen Ritus", am 16. März 1962 zugestellte Instruktion mit den Anfangsworten Crimen sollicitationis die Vorgehensweise in ebendiesen Straffällen festgelegt, wobei ihr ja in diesen Fällen die richterliche Zuständigkeit sowohl auf dem Verwaltungsweg als auch auf dem Prozeßweg exklusiv übertragen war. Dabei ist zu bedenken, daß diese Instruktion Gesetzeskraft hatte, weil der Papst nach can. 247 § 1 des Codex Iuris Canonici 1917 der Kongregation des Heiligen Offiziums vorstand und die Instruktion in seinem eigenen Auftrag herauskam, wobei der damalige Kardinal nur als Sekretär fungierte. Recentiore tempore ut ab his et conexis delictis praecaveatur, Suprema Sacra Congregatio Sancti Officii per Instructionem, incipientem a verbis Crimen sollicitationis, ad omnes Patriarchas, Archiepiscopos, Episcopos aliosque locorum Ordinarios «etiam Ritus Orientalis» directam die 16 mensis martii anno 1962, modum procedendi hisce in causis statuit, quippe quae in ipsis iudicialis competentia, sive per viam administrativam, sive per viam processualem, exclusive tributa erat. In mente retinendum est quod huiusmodi Instructio vim legis habebat, cum Summus Pontifex, ad normam can. 247 § 1 Codicis Iuris Canonici anno 1917 promulgati, praeerat Sancti Officii Congregationi et de sua ipsius auctoritate Instructio procedebat, Cardinale pro tempore existente tantum Secretarii munere fungente. Papst Paul Vl. seligen Angedenkens bestätigte ihre richterliche und administrative Zuständigkeit beim Vorgehen "gemäß ihrer verbesserten und approbierten Vorschriften" durch die Apostolische Konstitution über die Römische Kurie Regimini Ecclesiae Universae, die am 15. August 1967 erschien.(Anm. 3 = Vgl. Papst Paul VI., Apostolische Konstitution Regimini Ecclesiae universae über die Römische Kurie, 15. August 1967, Nr. 36, in AAS 59 [1967] 898.) Felicis recordationis Summus Pontifex Paulus Papa VI competentiam iudicialem et administrativam in procedendo «secundum suas emendatas et probatas normas» confirmavit per Constitutionem Apostolicam de Romana Curia Regimini Ecclesiae Universae, die 15 mensis augusti anno 1967 editam.(3 = Cfr. Paulus PP. VI, Constitutio Apostolica Regimini Ecclesiae universae, De Romana Curia, 15 augusti 1967, n. 36, in AAS 59 [1967] 898.) Schließlich haben Wir kraft Unserer Autorität, die Wir innehaben, in der am 28. Juni 1988 promulgierten Apostolischen Konstitution Pastor bonus ausdrücklich festgelegt: "Sie [die Kongregation für die Glaubenslehre] urteilt über Straftaten gegen den Glauben und über schwerwiegendere Straftaten gegen die Sitten und solche, die bei der Feier der Sakramente begangen wurden, wenn diese ihr angezeigt wurden, und, wo es angebracht ist, wird sie nach Maßgabe des allgemeinen oder des besonderen Rechts kanonische Strafen feststellen oder verhängen."(Anm. 4 = Papst Johannes Paul II., Apostolische Konstitution Pastor bonus über die Römische Kurie, 28. Juni 1988, Art. 52, in AAS 80 [1988] 874.) Damit wurde die gerichtliche Zuständigkeit derselben Kongregation für die Glaubenslehre als eines Apostolischen Gerichtshofes im weiteren bestätigt und definiert. Denique, Nostra qua pollemus auctoritate, in Constitutione Apostolica Pastor bonus, die 28 mensis iunii anno 1988 promulgata, expresse statuimus: «Delicta contra fidem necnon graviora delicta tum contra mores tum in sacramentorum celebratione commissa, quae ipsi delata fuerint, [Congregatio pro Doctrina Fidei] cognoscit atque, ubi opus fuerit, ad canonicas sanctiones declarandas aut irrogandas ad normam iuris, sive communis sive proprii, procedit»,(4 = Ioannes Paulus PP. II, Constitutio Apostolica Pastor bonus, De Romana Curia, 28 iunii 1988, art. 52, in AAS 80 [1988] 874) ulterius confirmando et determinando iudicialem eiusdem Congregationis pro Doctrina Fidei competentiam tamquam Tribunalis Apostolici. Nachdem Wir die Ordnung für die Lehrüberprüfung approbiert hatten(Anm. 5 = Kongregation für die Glaubenslehre, Agendi ratio in doctrinarum examine, 29. Juni 1997, in AAS 89 [1997] 830 - 835), war es notwendig, sowohl die "schwerwiegenderen Straftaten gegen die Sitten und solche, die bei der Feier der Sakramente begangen wurden" und für welche ausschließlich die Kongregation für die Glaubenslehre zuständig bleibt, als auch die besonderen Prozeßvorschriften "zur Feststellung oder Verhängung kanonischer Strafen" klarer zu definieren. Approbata a Nobis Agendi ratione in doctrinarum examine,(5 = Congregatio pro Doctrina Fidei, Agendi ratio in doctrinarum examine, 29 iunii 1997, in AAS 89 [1997] 830 - 835) necesse quidem erat pressius definire sive «graviora delicta tum contra mores tum in sacramentorum celebratione commissa», pro quibus competentia Congregationis pro Doctrina Fidei exclusiva manet, sive etiam normas processuales speciales «ad canonicas sanctiones declarandas aut irrogandas». Mit diesem Unserem als Motu Proprio gegebenen Apostolischen Schreiben führen Wir das nun aus und promulgieren damit die Normen bezüglich schwerwiegenderer Straftaten, die der Kongregation für die Glaubenslehre vorbehalten sind; sie teilen sich in zwei Bereiche, von denen der erste die inhaltlichen (substantiellen) Vorschriften, der zweite jedoch die Prozeßvorschriften enthält. Wir vertrauen sie allen an, die sie angehen, damit sie diese eifrig und treu befolgen. Dieselben Normen erhalten am selben Tag ihrer Promulgation Gesetzeskraft. Hisce Nostris Litteris Apostolicis Motu Proprio datis hoc opus perfecimus ideoque per eas promulgamus Normas de gravioribus delictis Congregationi pro Doctrina Fidei reservatis, in duas partes distinctas, quarum prima continet Normas substantiales, secunda vero Normas processuales, mandando omnibus quorum interest ut studiose et fideliter servent. Ipsae Normae vim legis exserunt eadem die qua promulgatae sunt. Gegenteilige Verfügungen, auch wenn sie eigens zu erwähnen wären, stehen dem nicht entgegen. Contrariis quibuscumque, etiam speciali mentione dignis, non obstantibus. Gegeben zu Rom bei Sankt Peter, am 30. April, am Gedenktag des heiligen Papstes Pius V., im Jahr 2001, im 23. Jahr Unseres Pontifikates. Datum Romae, apud Sanctum Petrum, die XXX mensis Aprilis, in memoria Sancti Pii V Papae, anno MMI, Pontificatus Nostri vicesimo tertio. IOANNES PAULUS PP. II [ACHTUNG: DER FOLGENDE GESETZESTEXT WURDE PER 21. MAI 2010 DURCH DEN HEILIGEN STUHL SELBST AKTUALISIERT - DIE NUNMEHR GELTENDEN UND VOLLSTÄNDIG PUBLIZIERTEN NORMEN ZUM SCHUTZ DER HEILIGEN SAKRAMENTE UND GEGEN SEXUELLEN MISSBRAUCH HABE ICH IM BLOGEINTRAG VOM 15. JULI 2010 VERFÜGBAR GEMACHT!] II. DOKUMENT VOM SELBEN 30. APRIL 2001: "NORMAE DE GRAVIORIBUS DELICTIS CONGREGATIONI PRO DOCTRINA FIDEI RESERVATIS", ALSO DIE KONKRETEN NORMEN BEZÜGLICH DER SCHWERWIEGENDEREN STRAFTATEN, DIE DER KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE VORBEHALTEN SIND (ohne Gewähr, weil nur aus dem Englischen übersetzt [vgl. eben zur Rechtssicherheit das Update des Vatikan vom 21. Mai 2010] - die Anmerkungen setzen sich chronologisch fort) TEIL EINS: INHALTLICHE (SUBSTANTIELLE) NORMEN Art. 1 §1. Die Kongregation für die Glaubenslehre untersucht gemäß der Norm des Art. 52 der Apostolischen Konstitution Pastor Bonus (Anm. 6: PAPST JOHANNES PAUL II., Apostolische Konstitution über die Römische Kurie Pastor Bonus, 28. Juni 1988, Art. 52, in AAS 80 [1988] 874: "Sie urteilt über Straftaten gegen den Glauben und über schwerwiegendere Straftaten gegen die Sitten und solche, die bei der Feier der Sakramente begangen wurden, wenn diese ihr angezeigt wurden, und, wo es angebracht ist, wird sie nach Maßgabe des allgemeinen oder des besonderen Rechts kanonische Strafen feststellen oder verhängen.") die schwerwiegenderen Straftaten, die sowohl gegen die Sitten als auch bei der Feier der Sakramente begangen wurden, und wo es angebracht ist, wird sie nach Maßgabe des allgemeinen oder des besonderen Rechts kanonische Strafen feststellen oder verhängen, unter gebührender Berücksichtigung der Kompetenz der Apostolischen Pönitentiarie (Anm. 7: PAPST JOHANNES PAUL II., Apostolische Konstitution über die Römische Kurie Pastor Bonus, 28. Juni 1988, Art. 118, in AAS 80 [1988] 890: "Für das Forum internum, sei es sakramental, sei es nicht sakramental, gewährt sie Absolutionen, Dispensen, Umwandlungen, Heilungen, Verzeihungen und andere Gnadenerweise.") und unter Einhaltung der Ordnung für die Lehrüberprüfung. (Anm. 8: KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE, Agendi ratio in doctrinarum examine, 29. Juni 1997, in AAS 89 [1997] 830 - 835.) §2. Die Kongregation für die Glaubenslehre untersucht die in § 1 genannten Straftaten gemäß den nachfolgenden Normen. Art. 2 §1. Die Straftaten gegen die Heiligkeit des Allerheiligsten Eucharistischen Opfers und Sakramentes, die der Untersuchung durch die Kongregation für die Glaubenslehre vorbehalten sind, beinhalten: 1˚ die Entwendung oder Zurückbehaltung der konsekrierten Spezies in sakrilegischer Absicht oder das Wegwerfen der konsekrierten Spezies (Anm. 9: PÄPSTLICHER RAT FÜR DIE INTERPRETATION VON GESETZESTEXTEN, Antwort auf einen vorgelegten Zweifel, 4. Juni 1999, in AAS 91 [1999] 918: "D. Ob das Verb 'abicere' im can. 1367 CIC und can. 1442 CCEO nur verstanden werden soll als Handlung des Wegwerfens oder nicht. R. Negative et ad mentem. Gemeint ist, daß jede freiwillige und schwerwiegend herabwürdigende Handlung gegen die Heilige Spezies im Verb 'abicere' enthalten ist.), wovon im can. 1367 des Codex Iuris Canonici (Anm. 10: Codex Iuris Canonici, can. 1367: "Wer die eucharistischen Gestalten wegwirft oder in sakrilegischer Absicht entwendet oder zurückbehält, zieht sich die dem Apostolischen Stuhl vorbehaltene Exkommunikation als Tatstrafe zu; ein Kleriker kann außerdem mit einer weiteren Strafe belegt werden, die Entlassung aus dem Klerikerstand nicht ausgenommen.") und im can. 1442 des Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium (Anm. 11: Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, can. 1442: "Wer die Göttliche Eucharistie weggeworfen oder zu einem sakrilegischen Zweck entwendet oder zurückbehalten hat, soll mit der großen Exkommunikation bestraft werden und, wenn er Kleriker ist, auch mit anderen Strafen, die Entlassung aus dem Klerikerstand nicht ausgeschlossen.") gesprochen wird. 2˚ den Versuch einer Feier des Eucharistischen Opfers, von dem can. 1378 § 2 n.1 des Codex Iuris Canonici (Anm. 12: Codex Iuris Canonici, can. 1378 § 2: "Die Tatstrafe des Interdikts oder, falls es sich um einen Kleriker handelt, der Suspension, zieht sich zu: 1˚ wer ohne Priesterweihe das Eucharistische Opfer zu feiern versucht …") handelt, oder die Vortäuschung desselben, wovon can.1379 des Codex Iuris Canonici (Anm. 13: Codex Iuris Canonici, can. 1379: "Wer außer in den Fällen von can. 1378 eine Sakramentenspendung vortäuscht, soll mit einer gerechten Strafe belegt werden.") und can.1443 des Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium (Anm. 14: Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, can. 1443: "Wer die Feier der Göttlichen Liturgie oder anderer Sakramente vorgetäuscht hat, soll mit einer angemessenen Strafe belegt werden, die große Exkommunikation nicht ausgeschlossen".) sprechen; 3˚ die verbotene Konzelebration des Eucharistischen Opfers gemäß can. 908 des Codex Iuris Canonici (Anm. 15: Codex Iuris Canonici, can. 908: "Katholischen Priestern ist es verboten, zusammen mit Priestern oder Amtsträgern von Kirchen oder kirchlichen Gemeinschaften, die nicht in der vollen Gemeinschaft mit der Katholischen Kirche stehen, die Eucharistie zu konzelebrieren.") und gemäß can. 702 des Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium (Anm. 16: Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, can. 702: "Den katholischen Priestern ist es verboten, die Göttliche Liturgie zusammen mit nichtkatholischen Priestern oder Amtsträgern zu feiern."), wovon can. 1365 des Codex Iuris Canonici (Anm. 17: Codex Iuris Canonici, can. 1365: "Wer sich verbotener Gottesdienstgemeinschaft schuldig macht, soll mit einer gerechten Strafe belegt werden.") und can. 1440 des Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium (Anm. 18: Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, can. 1440: "Wer die Rechtsnormen über die Gottesdienstgemeinschaft verletzt, kann mit einer angemessenen Strafe belegt werden.") handeln, d. h. mit Amtsträgern kirchlicher Gemeinschaften, die keine Apostolische Sukzession besitzen oder die sakramentale Würde der Priesterweihe nicht anerkennen. §2. Ebenso ist der Kongregation für die Glaubenslehre die Straftat vorbehalten, welche in der mit sakrilegischem Zweck durchgeführten Konsekration einer der beiden Gestalten ohne die andere innerhalb der Eucharistiefeier oder auch beider Gestalten außerhalb der Eucharistiefeier besteht. (Anm. 19: Codex Iuris Canonici, can. 927: "Auch im äußersten Notfall ist es streng verboten, die eine Gestalt ohne die andere oder auch beide Gestalten außerhalb der Feier der Eucharistie zu konsekrieren.") Wer diese Straftat begangen hat, soll gemäß der Schwere des Vergehens bestraft werden, die Entlassung oder Amtsenthebung nicht ausgeschlossen. Art. 3 Die Straftaten gegen die Heiligkeit des Sakramentes der Buße, welche der Kongregation für die Glaubenslehre vorbehalten sind, beinhalten: 1˚ die Lossprechung des Mitbeteiligten bei einer Sünde gegen das sechste Gebot des Dekalogs, wovon can. 1378 § 1 des Codex Iuris Canonici (Anm. 20: Codex Iuris Canonici, can. 1378 § 1: "Ein Priester, der gegen die Vorschrift des can. 977 handelt, zieht sich die dem Apostolischen Stuhl vorbehaltene Exkommunikation als Tatstrafe zu.") und can. 1457 des Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium (Anm. 21: Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, can. 1457: "Ein Priester, der den Mitbeteiligten bei einer Sünde gegen die Keuschheit losgesprochen hat, soll mit der großen Exkommunikation bestraft werden, unbeschadet des can. 728 § 1 n. 2.") handeln; 2˚ die Verführung zu einer Sünde gegen das sechste Gebot des Dekalogs bei der Anhörung oder bei Gelegenheit oder unter dem Vorwand der Beichte, wovon can. 1387 des Codex Iuris Canonici (Anm. 22: Codex Iuris Canonici, can. 1387: "Ein Priester, der bei der Spendung des Bußsakramentes oder bei Gelegenheit oder unter dem Vorwand der Beichte einen Pönitenten zu einer Sünde gegen das sechste Gebot des Dekalogs zu verführen versucht, soll, je nach Schwere der Straftat, mit Suspension, mit Verboten, mit Entzug von Rechten und, in schwereren Fällen, mit der Entlassung aus dem Klerikerstand bestraft werden.") und can. 1458 des Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium (Anm. 23: Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, can. 1458: "Ein Priester, der bei der Anhörung der Beichte oder bei Gelegenheit oder unter dem Vorwand der Beichte einen Pönitenten zur Sünde gegen die Keuschheit verführt hat, soll mit einer angemessenen Strafe belegt werden, die Entlassung aus dem Klerikerstand nicht ausgeschlossen") handeln, wenn diese darauf abzielt, mit dem Beichtvater selbst zu sündigen. 3˚ eine direkte und indirekte Verletzung des Beichtgeheimnisses, wovon can. 1388 § 1 des Codex Iuris Canonici (Anm. 24: Codex Iuris Canonici, can. 1388 § 1: "Ein Beichtvater, der das Beichtgeheimnis direkt verletzt, zieht sich die dem Apostolischen Stuhl vorbehaltene Exkommunikation als Tatstrafe zu; verletzt er es aber nur indirekt, so soll er je nach Schwere der Straftat bestraft werden.") und can.1456 §1 des Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium (Anm. 25: Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, can. 1456 § 1: "Ein Beichtvater, der das Beichtgeheimnis direkt verletzt hat, soll mit der großen Exkommunikation bestraft werden, unbeschadet des can. 728 § 1 n. 1; wenn er aber das Beichtgeheimnis auf andere Weise gebrochen hat, soll er mit einer angemessenen Strafe belegt werden.") handeln. 4º die durch jegliches technische Hilfsmittel vorgenommene Aufnahme oder die Ausstrahlung dessen, was in der sakramentalen Beichte vom Beichtvater oder vom Pönitenten gesagt wurde, durch Medien der sozialen Kommunikation (Anm. 25 [b]: KONGREGATON FÜR DIE GLAUBENSLEHRE, Decretum de sacramenti Paenitentiae dignitate tuenda [über die Exkommunikation dessen, der Beichtinhalte verbreitet], 23. September 1988; AAS 80 [1988] 1367, und Communicationes 21 [1989] 112). Art. 4 §1. Die Zuständigkeit der Kongregation für die Glaubenslehre erstreckt sich auch auf die Straftat gegen das sechste Gebot des Dekalogs, die von einem Kleriker mit einem Minderjährigen im Alter von weniger als 18 Jahren begangen wurde. §2. Wer die in § 1 benannte Straftat begangen hat, soll gemäß der Schwere der strafbaren Handlung bestraft werden, die Entlassung oder Amtsenthebung nicht ausgeschlossen. Art. 5 §1. Eine Strafklage für Straftaten, die der Kongregation für die Glaubenslehre vorbehalten sind, erlischt durch Verjährung in einem Zeitraum von zehn Jahren. (Anm. 26: Codex Iuris Canonici, can 1362 § 1: "Eine Strafklage verjährt in drei Jahren, außer es handelt sich um: 1˚ Straftaten, die der Glaubenskongregation vorbehalten sind …"; vgl. Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, can. 1152 § 2: "Eine Strafklage erlischt durch Verjährung in einem Zeitraum von drei Jahren, außer es handelt sich: 1° um Straftaten, die dem Apostolischen Stuhl vorbehalten sind ...") §2. Die Verjährung läuft gemäß der Vorschrift des can. 1362 § 2 des Codex Iuris Canonici (Anm. 27: Codex Iuris Canonici, can. 1362 § 2: "Die Verjährung beginnt mit dem Tag, an dem die Straftat begangen worden ist, oder, wenn es sich um eine fortdauernde oder eine gewohnheitsmäßige Straftat handelt, mit dem Tag, an dem sie aufgehört hat.") und des can. 1152 § 3 des Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium. (Anm. 28: Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, can. 1152 § 3: "Die Verjährung läuft von dem Tag an, an dem die Straftat begangen wurde, oder, wenn es sich um eine fortdauernde oder gewohnheitsmäßige Straftat handelt, von dem Tag an, an dem sie aufgehört hat.") Bei der im Art. 4 § 1 benannten Straftat beginnt der Lauf der Verjährung erst von dem Tag, an dem der Minderjährige das Alter von 18 Jahren erreicht hat. TEIL ZWEI: PROZESSNORMEN Titel I Die Bestellung und Kompetenz des Gerichtshofes Art. 6 §1. Die Kongregation für die Glaubenslehre ist das höchste Apostolische Gericht für die lateinische Kirche und auch für die katholischen Ostkirchen, was die Untersuchung der in den Vorartikeln definierten Straftaten betrifft. §2. Dieses höchste Gericht untersucht auch andere Straftaten, derer die beklagte Partei von Seiten des Kirchenanwaltes aufgrund des Zusammenhanges von Personen und einer Mittäterschaft beschuldigt wird. §3. Die innerhalb der Grenzen seiner eigenen Kompetenz erstellten Urteile dieses höchsten Gerichtes bedürfen nicht der Approbation durch den Papst. Art. 7 §1. Die Richter dieses höchsten Gerichts sind von Rechts wegen die Väter der Kongregation für die Glaubenslehre. §2. Der Präfekt der Kongregation steht dem Kollegium der Väter als erster unter Gleichen vor, und wenn das Amt des Präfekten vakant oder der Präfekt selbst verhindert ist, übernimmt der Sekretär der Kongregation seine Aufgaben. §3. Es liegt in der Verantwortung des Präfekten der Kongregation, hauptamtliche [stabiles] oder delegierte [deputatos] Richter zu ernennen. Art. 8 Es ist notwendig, daß ernannte Richter Priester sind, welche sich in reifem Alter befinden, ein Doktorat im Kirchenrecht besitzen, sich durch gute Sitten, Klugheit und Kompetenz im Recht auszeichnen. Sie können auch ernannt werden, wenn sie gleichzeitig eine richterliche oder konsultative Funktion bei einem anderen Dikasterium der Römischen Kurie ausüben. Art. 9 Um eine Anklage vorzulegen oder aufrechtzuerhalten, muß ein Kirchenanwalt bestellt werden, der Priester sein muß, ein Doktorat im Kirchenrecht besitzt und sich durch gute Sitten, Klugheit und Kompetenz im Recht auszeichnet. Dieser kann sein Amt in allen Graden des Verfahrens ausüben. Art. 10 Für die Tätigkeit des Notars oder Kanzlers werden Priester berufen, entweder Offiziale dieser Kongregation oder auswärtige. Art. 11 Ein Priester, der im Besitz eines Doktorates im Kirchenrecht und vom vorsitzenden Richter des Kollegiums die Approbation erhält, fungiert in der Rolle des Anwalts oder Prokurators. Art. 12 In den anderen kirchlichen Gerichten können in den Fällen, welche von den vorliegenden Normen betroffen sind, gültig nur Priester die Aufgaben des Richters, Kirchenanwalts, Notars und Anwalts übernehmen. Art. 13 Sooft der Ordinarius oder der Hierarch wenigstens eine wahrscheinliche Kenntnis [notitiam saltem verisimilem] einer vorbehaltenen Straftat hat, muß er dies der Kongregation für die Glaubenslehre mitteilen, sobald die Vorerhebung durchgeführt wurde. Die Kongregation wird - soferne sie den Fall nicht aufgrund besonderer Umstände an sich zieht - dem Ordinarius oder dem Hierarchen den Auftrag erteilen, zu einem Abschluß zu kommen, jedoch unter gebührender Beachtung des Rechts auf Berufung gegen ein Urteil der ersten Instanz beim höchsten Gericht derselben Kongregation. Art. 14 Wenn der Kongregation ein Fall ohne vorgenommene Vorerhebung direkt vermeldet wird, werden die dem Prozeß vorausgehenden Schritte, die nach allgemeinem Recht dem Ordinarius oder dem Hierarchen zufallen, von der Kongregation selbst durchgeführt. Art. 15 Unter gebührender Beachtung des Rechtes des Ordinarius, das aufzuerlegen, was im can. 1722 des Codex Iuris Canonici (Anm. 29: Codex Iuris Canonici, can. 1722: "Zur Vermeidung von Ärgernissen, zum Schutz der Freiheit der Zeugen und zur Sicherung des Laufs der Gerechtigkeit kann der Ordinarius nach Anhören des Kirchenanwaltes und Vorladung des Angeklagten bei jedem Stand des Prozesses den Angeklagten vom geistlichen Dienst oder von einem kirchlichen Amt und Auftrag ausschließen, ihm den Aufenthalt an einem bestimmten Ort oder in einem Gebiet auferlegen oder untersagen oder ihm auch die öffentliche Teilnahme an der heiligen Eucharistie verbieten; alle diese Maßnahmen sind bei Wegfall des Grundes aufzuheben, und sie sind von Rechts wegen mit der Beendigung des Strafprozesses hinfällig.") oder im can. 1473 des Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium (Anm. 30: Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, can. 1473: "Um Ärgernisse zu vermeiden, die Freiheit der Zeugen zu schützen und den Lauf der Gerechtigkeit zu sichern, kann der Hierarch nach Anhörung des Kirchenanwalts und nach Ladung des Angeklagten in jedem beliebigen Stand und in jeder Instanz des Strafprozesses den Angeklagten von der Ausübung der heiligen Weihe, eines Amtes, Dienstes oder einer anderen Aufgabe ausschließen, ihm den Aufenthalt an einem bestimmten Ort oder in einem Gebiet auferlegen oder verbieten, oder auch den öffentlichen Empfang der Göttlichen Eucharistie untersagen; alles dies muß mit Wegfall des Grundes widerrufen werden und entfällt von Rechts wegen mit Beendigung des Strafprozesses.") benannt wird, hat der vorsitzende Richter des Gerichtshofes für diesen Turnus auf Antrag des Kirchenanwalts dieselbe Vollmacht, und zwar unter denselben in den Canones definierten Bedingungen. Art. 16 Das höchste Gericht der Kongregation für die Glaubenslehre urteilt in zweiter Instanz: 1˚ über Fälle, die in erster Instanz von untergeordneten Gerichten entschieden wurden; 2˚ über Fälle, die vom selben höchsten Apostolischen Gerichtshof in erster Instanz entschieden wurden. Titel II Die Verfahrensordnung Art. 17 Die der Kongregation für die Glaubenslehre vorbehaltenen schwerwiegenderen Straftaten dürfen nur in einem Gerichtsprozeß verfolgt werden. Art. 18 Der Präfekt hat einen Turnus von drei oder fünf Richtern zu bestellen, welche den Fall untersuchen. Art. 19 Wenn der Kirchenanwalt in der Instanz der Berufung eine wesentlich anders geartete Anklage vorbringt, kann sie das höchste Gericht zulassen und darüber in erster Instanz urteilen. Art. 20 §1. In den Fällen, welche die im Art. 3 benannten Straftaten betreffen, darf der Gerichtshof den Namen des Klägers weder dem Beschuldigten noch seinem Anwalt mitteilen, ausgenommen der Kläger stimmt ausdrücklich zu. §2. Derselbe Gerichtshof muß die besondere Bedeutung der Frage betreffend die Glaubwürdigkeit des Klägers berücksichtigen. §3. Nichts desto trotz muß immer darauf geachtet werden, daß jegliche Gefahr der Verletzung des Beichtgeheimnisses gänzlich abgewendet werde. Art. 21 Wenn sich eine Zwischenfrage stellt, hat sie das Kollegium durch Dekret auf schnellstem Wege [expeditissime - vgl. can. 1629 n. 5 CIC und can. 1310 n. 5 CCEO] zu entscheiden. Art. 22 §1. Unter gebührender Beachtung des Berufungsrechtes bei diesem höchsten Gericht müssen alle Akten des Falles ex officio möglichst bald der Kongregation für die Glaubenslehre übermittelt werden, sobald vor einem anderen Gericht eine Instanz in irgendeiner Weise beendet wurde. §2. Das Recht der Urteilsanfechtung steht dem Kirchenanwalt der Kongregation von dem Tag an zu, an dem das Urteil der ersten Instanz demselben Kirchenanwalt bekanntgemacht wird. Art. 23 Eine res iudicata (Rechtskraft) tritt ein: 1˚ wenn ein Urteil in der zweiten Instanz ergangen ist; 2˚ wenn nicht innerhalb eines Monats Berufung gegen ein Urteil eingelegt wurde; 3˚ wenn im Grad der Berufung die Instanz aufgegeben oder auf sie verzichtet wird; 4˚ wenn ein Urteil in Übereinstimmung mit der Vorschrift des Art. 16 ergangen ist. Art. 24 §1. Die Gerichtskosten sind zu erledigen, wie es das Urteil festgelegt hat. §2. Wenn die beklagte Partei die Kosten nicht übernehmen kann, sind sie vom Ordinarius oder vom Hierarchen des Falles zu tragen. Art. 25 §1. Fälle dieser Art unterliegen dem päpstlichen Geheimnis. (Anm. 31: STAATSSEKRETARIAT, Reskript von der Audienz des Heiligen Vaters "Il 4 febbraio 1992”, durch das die Allgemeine Ordnung der Römischen Kurie in Kraft gesetzt wird, 30. April 1999; "Regolamento Generale della Curia Romana", 30. April 1999, Art. 36 § 2, in AAS 91 [1999] 646: "Mit besonderer Sorgfalt muß das päpstliche Geheimnis beachtet werden, nach der Vorschrift der Instruktion Secreta continere vom 4. Februar 1974.” PÄPSTLICHES STAATSSEKRETARIAT, Reskript von einer Audienz, die Instruktion Secreta continere betreffend das päpstliche Geheimnis, 4. Februar 1974, in AAS 66 [1974] 89 - 92: "Art. 1. Unter das päpstliche Geheimnis fallen: … 4. Außergerichtliche Anklagen, die betreffend Straftaten gegen den Glauben und gegen die Sitten eingegangen sind, und Anklagen, die gegen das Sakrament der Buße begangene Straftaten beinhalten. Gleichermaßen der Prozeß und die Entscheidung, welche diese Anklagen betreffen, wobei immer das Recht dessen zu wahren ist, der bei den Behörden angezeigt wurde, von der Anzeige zu erfahren, wenn solches Wissen für seine eigene Verteidigung notwendig ist. Aber es ist nur dann zulässig, den Namen des Anzeigenden bekanntzumachen, wenn die Behörden es als opportun ansehen, daß der Beschuldigte und der Anzeigende persönlich zusammentreffen; …" [Seite 90]) §2. Wer immer das Geheimnis verletzt hat, sei es ex dolo oder durch grobe Fahrlässigkeit, und dem Beschuldigten oder den Zeugen irgendeinen Schaden zufügt, soll auf Antrag der betroffenen Partei vom höheren Turnus oder auch ex officio mit einer angemessenen Strafe belegt werden. Art. 26 In diesen Fällen müssen gemeinsam mit den vorliegenden Bestimmungen dieser Normen, an die alle Gerichte der lateinischen Kirche und der katholischen Ostkirchen gebunden sind, auch die Canones des jeweiligen Gesetzbuches beachtet werden, welche die Straftaten und die Strafen sowie auch den Strafprozeß betreffen. III. DOKUMENT VOM 18. MAI 2001: DER AN ALLE BISCHÖFE UND ANDEREN ORDINARIEN UND HIERARCHEN - WELCHE ES ANGEHT - DER GANZEN KATHOLISCHEN KIRCHE ÜBERSANDTE BRIEF ("AD EXSEQUENDAM ECCLESIASTICAM LEGEM") "DE DELICTIS GRAVIORIBUS eidem Congregationi pro Doctrina Fidei reservatis": ÜBER DIE SCHWERWIEGENDEREN STRAFTATEN, DIE DER KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE VORBEHALTEN SIND (= INFORMATION ZU DEN BEIDEN VORHER ÜBERSETZTEN DOKUMENTEN AN ALLE REGIERENDEN ORDINARIEN, vgl. AAS vol. XCIII = 93 [2001] 785 - 788) KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE Zur Ausführung des Kirchengesetzes, das in Artikel 52 der Apostolischen Konstitution über die Römische Kurie besagt: "Sie [die Kongregation für die Glaubenslehre] urteilt über Straftaten gegen den Glauben und über schwerwiegendere Straftaten gegen die Sitten und solche, die bei der Feier der Sakramente begangen wurden, wenn diese ihr angezeigt wurden, und, wo es angebracht ist, wird sie nach Maßgabe des allgemeinen oder des besonderen Rechts kanonische Strafen feststellen oder verhängen.",(Anm. 1 = Papst Johannes Paul II., Apostolische Konstitution über die Römische Kurie Pastor bonus, 28. Juni 1988, Art. 52, in AAS 80 [1988] 874), war es zunächst notwendig, die Vorgehensweise bei Straftaten gegen den Glauben festzulegen. Dies geschah unter der Titulierung Ordnung für die Lehrüberprüfung durch die von Papst Johannes Paul II. gebilligten Vorschriften, wobei gleichzeitig deren Artikel 28 und 29 in forma specifica approbiert wurden.(Anm. 2 = Kongregation für die Glaubenslehre, Ordnung für die Lehrüberprüfung, 29. Juni 1997, in AAS 89 [1997] 830 - 835.) Ad exsequendam ecclesiasticam legem, quae in articulo 52 Constitutionis Apostolicae de Romana Curia enuntiat: «Delicta contra fidem necnon graviora delicta tum contra mores tum in sacramentorum celebratione commissa, quae ipsi delata fuerint, [Congregatio pro Doctrina Fidei] cognoscit atque, ubi opus fuerit, ad canonicas sanctiones declarandas aut irrogandas ad normam iuris, sive communis sive proprii, procedit»,(1 = Ioannes Paulus PP. II, Constitutio Apostolica Pastor bonus, De Romana Curia, 28 iunii 1988, art. 52, in AAS 80 [1988] 874.) necesse erat in primis definire procedendi modum de delictis contra fidem: quod peractum fuit per normas, quarum inscriptio est Agendi ratio in doctrinarum examine, a Summo Pontifice Ioanne Paulo PP. II ratas atque confirmatas, simul articulis 28 - 29 in forma specifica approbatis.(2 = Congregatio pro Doctrina Fidei, Agendi ratio in doctrinarum examine, 29 iunii 1997, in AAS 89 [1997] 830 - 835.) Fast im selben Zeitraum beschäftigte sich die Kongregation für die Glaubenslehre mittels einer dazu eingerichteten Kommission eingehend mit den strafrechtlichen Canones sowohl des CIC als auch des CCEO, um "die schwerwiegenderen Straftaten gegen die Sittlichkeit und bei der Feier der Sakramente" festzulegen, und um auch besondere Verfahrensnormen "zur Erklärung und Verhängung von Kirchenstrafen" auszuarbeiten, weil die bis dahin geltende, von der höchsten Heiligen Kongregation des Heiligen Offiziums am 16. März 1962 herausgegebene Instruktion Crimen sollicitationis(Anm. 3 = Höchste Heilige Kongregation des Heiligen Offiziums, Instruktion Crimen sollicitationis, An alle Patriarchen, Erzbischöfe, Bischöfe und andere Ortsordinarien, "auch des orientalischen Ritus": über die Vorgehensweise in Fällen der Sollizitation [= sexueller Verführung durch Priester im Zuge der Beichte], 16. März 1962, Typis Polyglottis Vaticanis 1962) anhand der inzwischen promulgierten neuen kirchlichen Gesetzbücher überprüft werden mußte. Eodem fere tempore Congregatio pro Doctrina Fidei per Commissionem ad hoc ipsum institutam operam dabat diligenti canonum de delictis studio, sive Codicis Iuris Canonici, sive Codicis Canonum Ecclesiarum Orientalium, ad determinanda «graviora delicta tum contra mores tum in sacramentorum celebratione», ad perficiendas quoque normas processuales speciales «ad canonicas sanctiones declarandas aut irrogandas», quia Instructio Crimen sollicitationis hucusque vigens, a Suprema Sacra Congregatione Sancti Officii edita die 16 mensis martii anno 1962,[3 = Suprema Sacra Congregatio Sancti Officii, Instructio Crimen sollicitationis, Ad omnes Patriarchas, Archiepiscopos, Episcopos aliosque locorum Ordinarios «etiam Ritus Orientalis»: De modo procedendi in causis sollicitationis, 16 martii 1962, Typis Polyglottis Vaticanis MCMLXII.] recognoscenda erat novis Codicibus canonicis promulgatis. Nach sorgfältiger Erwägung der Voten und nach entsprechenden Beratungen gelangte die Arbeit der Kommission endlich zum Abschluß. Die Väter der Kongregation für die Glaubenslehre prüften sie ebenfalls sehr genau und unterbreiteten die Schlußfolgerungen zur Festlegung der schwerwiegenderen Straftaten und zur Vorgehensweise bei der Erklärung und Verhängung von Strafen unter Beibehaltung der diesbezüglichen exklusiven Zuständigkeit derselben Kongregation als eines Apostolischen Gerichtshofes dem Papst. Dies alles wurde vom Papst durch das als Motu Proprio gegebene Apostolische Schreiben approbiert, bestätigt und promulgiert, dessen Anfangsworte Sacramentorum sanctitatis tutela [siehe oben das I. DOKUMENT] lauten. Attente perpensis votis et factis opportunis consultationibus, Commissionis opus tandem ad finem pervenit; Congregationis pro Doctrina Fidei Patres accuratius idem examinarunt, Summo Pontifici subiciendo conclusiones circa determinationem graviorum delictorum et modum procedendi ad sanctiones declarandas aut irrogandas, firma manente eiusdem Congregationis Apostolici Tribunalis exclusiva in hoc competentia. Quae omnia ab ipso Summo Pontifice adprobata, confirmata et promulgata sunt per Litteras Apostolicas Motu Proprio datas, quarum initium sumit a verbis Sacramentorum sanctitatis tutela. Die der Glaubenskongregation vorbehaltenen schwerwiegenderen Straftaten, sei es bei der Feier der Sakramente, sei es gegen die Sitten, sind: Graviora delicta tum in sacramentorum celebratione tum contra mores, Congregationi pro Doctrina Fidei reservata, sunt: - Straftaten gegen die Heiligkeit des hochheiligen Eucharistischen Opfers und Sakramentes, nämlich: 1° die Entwendung oder Zurückbehaltung der konsekrierten Spezies in sakrilegischer Absicht oder das Wegwerfen der konsekrierten Spezies(Anm. 4 = Vgl. Codex Iuris Canonici, can. 1367; Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, can. 1442. Vgl. auch Päpstlicher Rat für die Interpretation von Gesetzestexten, Antwort auf einen vorgelegten Zweifel, 4. Juni 1999); 2° der Versuch einer Feier des Eucharistischen Opfers oder die Vortäuschung derselben(Anm. 5 = Vgl. Codex Iuris Canonici, can. 1378 § 2 n. 1 und 1379; Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, can. 1443); 3° die verbotene Konzelebration des Eucharistischen Opfers gemeinsam mit Amtsträgern kirchlicher Gemeinschaften, die keine Apostolische Sukzession besitzen oder die sakramentale Würde der Priesterweihe nicht anerkennen(Anm. 6 = Vgl. Codex Iuris Canonici, can. 908 und 1365; Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, can. 702 und 1440); 4° die in sakrilegischer Absicht durchgeführte Konsekration einer der beiden Gestalten ohne die andere bei der Eucharistiefeier oder auch beider Gestalten außerhalb der Eucharistiefeier(Anm. 7 = Vgl. Codex Iuris Canonici, can. 927). – Delicta contra sanctitatem augustissimi Eucharistiae Sacrificii et sacramenti, videlicet: 1° abductio vel retentio in sacrilegum finem, aut abiectio consecratarum specierum(4 = Cf. Codex Iuris Canonici, can. 1367; Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, can. 1442. Cf. et Pontificium Consilium De Legum Textibus Interpretandis, Responsio ad propositum dubium, 4 iunii 1999); 2° attentatio liturgicae eucharistici Sacrificii actionis vel eiusdem simulatio(5 = Cf. Codex Iuris Canonici, can. 1378 § 2 n. 1 et 1379; Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, can. 1443.) 3° vetita eucharistici Sacrificii concelebratio una cum ministris communitatum ecclesialium, qui successionem apostolicam non habent nec agnoscunt ordinationis sacerdotalis sacramentalem dignitatem(6 = Cf. Codex Iuris Canonici, can. 908 et 1365; Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, can. 702 et 1440); 4° consecratio in sacrilegum finem alterius materiae sine altera in eucharistica celebratione, aut etiam utriusque extra eucharisticam celebrationem(7 = Cf. Codex Iuris Canonici, can. 927). - Straftaten gegen die Heiligkeit des Bußsakramentes, nämlich: 1° die Lossprechung des Mitbeteiligten bei einer Sünde gegen das sechste Gebot des Dekalogs(Anm. 8 = Vgl. Codex Iuris Canonici, can. 1378 § 1; Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, can. 1457); 2° die Verführung zu einer Sünde gegen das sechste Gebot des Dekalogs bei der Anhörung oder bei Gelegenheit oder unter dem Vorwand der Beichte, wenn diese darauf abzielt, mit dem Beichtvater selbst zu sündigen(Anm. 9 = Vgl. Codex Iuris Canonici, can. 1387; Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, can. 1458); 3° die direkte Verletzung des Beichtgeheimnisses(Anm. 10 = Vgl. Codex Iuris Canonici, can. 1388 § 1; Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, can. 1456 § 1). – Delicta contra sanctitatem sacramenti Paenitentiae, videlicet: 1° absolutio complicis in peccato contra sextum Decalogi praeceptum(8 = Cf. Codex Iuris Canonici, can. 1378 § 1; Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, can. 1457); 2° sollicitatio in actu vel occasione vel praetextu confessionis ad peccatum contra sextum Decalogi praeceptum, si ad peccandum cum ipso confessario dirigitur(9 = Cf. Codex Iuris Canonici, can. 1387; Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, can. 1458); 3° violatio directa sigilli sacramentalis(10 = Cf. Codex Iuris Canonici, can. 1388 § 1; Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, can. 1456 § 1). - Straftat gegen die Sitten, nämlich: die von einem Kleriker mit einem Minderjährigen im Alter von weniger als 18 Jahren begangene Straftat gegen das sechste Gebot des Dekalogs. – Delictum contra mores, videlicet: delictum contra sextum Decalogi praeceptum cum minore infra aetatem duodeviginti annorum a clerico commissum. Nur diese oben in ihrer Umschreibung angegebenen Straftaten sind der Kongregation für die Glaubenslehre als Apostolischem Gerichtshof vorbehalten. Haec tantum, quae supra indicantur delicta cum sua definitione, Congregationis pro Doctrina Fidei Tribunali Apostolico reservantur. Sooft der Ordinarius oder der Hierarch wenigstens eine wahrscheinliche Kenntnis einer vorbehaltenen Straftat hat, muß er dies der Kongregation für die Glaubenslehre mitteilen, sobald die Vorerhebung durchgeführt wurde. Die Kongregation wird - soferne sie den Fall nicht aufgrund besonderer Umstände an sich zieht - dem Ordinarius oder dem Hierarchen entsprechende Weisungen übermitteln, durch sein eigenes Gericht alles weitere durchzuführen. Das Berufungsrecht gegen das Urteil der ersten Instanz, sowohl von Seiten des Angeklagten bzw. seines Anwalts als auch von Seiten des Kirchenanwalts, besteht gültig ausschließlich beim Höchsten Gericht derselben Kongregation. Quoties Ordinarius vel Hierarcha notitiam saltem verisimilem habeat de delicto reservato, investigatione praevia peracta, eam significet Congregationi pro Doctrina Fidei quae, nisi ob peculiaria rerum adiuncta causam sibi advocet, Ordinarium vel Hierarcham per proprium Tribunal ad ulteriora procedere iubet opportunas normas tradendo; ius appellandi contra sententiam primi gradus, sive ex parte rei vel eius Patroni sive ex parte Promotoris Iustitiae, valide unice manet tantummodo ad Supremum Tribunal eiusdem Congregationis. Zu beachten ist, daß eine Strafklage für Straftaten, die der Kongregation für die Glaubenslehre vorbehalten sind, durch Verjährung in einem Zeitraum von zehn Jahren erlischt.(Anm. 11 = Vgl. Codex Iuris Canonici, can. 1362 § 1 n. 1; Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, can. 1152 § 2 n. 1.) Die Verjährung läuft nach dem universalen allgemeinen Recht(Anm. 12 = Vgl. Codex Iuris Canonici, can. 1362 § 2; Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, can. 1152 § 3); aber bei der von einem Kleriker begangenen Straftat mit einem Minderjährigen beginnt der Lauf der Verjährung erst von dem Tag, an dem der Minderjährige das Alter von 18 Jahren erreicht hat. Notandum est actionem criminalem de delictis Congregationi pro Doctrina Fidei reservatis praescriptione extingui decennio.(11 = Cf. Codex Iuris Canonici, can. 1362 § 1 n. 1; Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, can. 1152 § 2 n. 1.) Praescriptio decurrit ad normam iuris universalis et communis(12 = Cf. Codex Iuris Canonici, can. 1362 § 2; Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, can. 1152 § 3); in delicto autem cum minore a clerico patrato praescriptio decurrere incipit a die quo minor duodevicesimum aetatis annum explevit. An den bei den Ordinarien bzw. Hierarchen errichteten Gerichtshöfen dürfen für diese Fälle nur Priester die Ämter des Richters, des Kirchenanwaltes, des Notars und des Anwalts gültig ausüben. Sobald eine Instanz vor Gericht wie auch immer beendet ist, sind die gesamten Akten des Falles ex officio möglichst bald an die Kongregation für die Glaubenslehre zu übermitteln. In Tribunalibus apud Ordinarios vel Hierarchas constitutis, hisce pro causis munera Iudicis, Promotoris Iustitiae, Notarii atque Patroni tantummodo sacerdotes valide explere possunt. Instantia in Tribunali quovis modo finita, omnia acta causae ad Congregationem pro Doctrina Fidei ex officio quam primum transmittantur. Alle Gerichte der lateinischen Kirche und der katholischen Ostkirchen sind verpflichtet, die Canones ihres jeweiligen Gesetzbuches zu den Straftaten und Strafen sowie zum Strafverfahren einzuhalten gemeinsam mit den Spezialbestimmungen, die von der Kongregation für die Glaubenslehre für jeden Einzelfall mit dem Auftrag der vollständigen Durchführung übermittelt werden. Tribunalia omnia Ecclesiae Latinae et Ecclesiarum Orientalium Catholicarum tenentur canones de delictis et poenis necnon de processu poenali utriusque Codicis respective observare una cum normis specialibus a Congregatione pro Doctrina Fidei pro singulo casu tradendis et omnino ad exsecutionem mandandis. Fälle dieser Art unterliegen dem päpstlichen Geheimnis. Huiusmodi causae secreto pontificio subiectae sunt. Mit diesem Brief, der im Auftrag des Papstes an alle Bischöfe der Katholischen Kirche, an die höheren Oberen der klerikalen Institute geweihten Lebens päpstlichen Rechtes und der klerikalen Gesellschaften apostolischen Lebens päpstlichen Rechtes und an andere Ordinarien und Hierarchen, die es angeht, gesandt wird, ist der Herzenswunsch verbunden, daß nicht nur schwerwiegendere Straftaten gänzlich verhindert werden, sondern daß von den Ordinarien und Hierarchen die engagierte Seelsorge vor allem zur Heiligung der Kleriker und Gläubigen ausgeübt werde, auch durch das Vorsehen notwendiger Sanktionen. Per hanc Epistulam, de mandato Summi Pontificis omnibus Ecclesiae Catholicae Episcopis, Superioribus Generalibus institutorum religiosorum clericalium iuris pontificii et societatum vitae apostolicae clericalium iuris pontificii aliisque Ordinariis et Hierarchis interesse habentibus missam, in votis est ut non solum graviora delicta omnino vitentur, sed praesertim ad clericorum et fidelium sanctitatem etiam per necessarias sanctiones procurandam sollicita pastoralis cura ab Ordinariis et Hierarchis habeatur. Rom, vom Sitz der Kongregation für die Glaubenslehre, 18. Mai 2001. + Joseph Kardinal Ratzinger, Präfekt + Tarcisio Bertone S. D. B., emeritierter Erzbischof von Vercelli, Sekretär Romae, e sede Congregationis pro Doctrina Fidei, die 18 maii 2001. + JOSEPHUS Card. RATZINGER Praefectus + Tharsicius BERTONE, S.D.B. archiep. em. Vercellensis a Secretis [ENDE DER DEUTSCHSPRACHIGEN DOKUMENTATION DER NICHT GEHEIMEN RÖMISCHEN DOKUMENTE AUS DEM JAHRE 2001.] Zu beachten ist noch, daß der Diener Gottes Johannes Paul II. in einer Audienz für den Sekretär der Kongregation für die Glaubenslehre am 7. November 2002 dieselbe Kongregation ermächtigt hat, auf begründeten Antrag eines Bischofs im Einzelfall von der Verjährungsfrist zu dispensieren, was in der bisherigen medialen Berichterstattung ebenso vollständig übersehen wurde, womit nämlich eindeutig eine Option für die Opfer gegeben ist. Außerdem ist klar, daß sich die Normen zum Schutz des Bußsakramentes nicht nur auf Minderjährige beziehen. Und da wir nun abgesehen von der vollständigen deutschen Übersetzung (vielleicht gelingt dies ein anderes Mal) des immer wieder mißverstandenen und im Zuge falscher Vorwürfe ebenso völlig zu Unrecht angegebenen, einwandfreien und deshalb auch in den übersetzten Bestimmungen angeführten früheren römischen Dokumentes Crimen sollicitationis aus dem Jahre 1922 bzw. 1962 die aktuelle Gesetzeslage überblicken können, wird jedem unvoreingenommenen Beobachter klar, daß einige sogenannte Reformgruppen irren und daß auch insbesondere Uta Ranke-Heinemann mit ihrem Märchen der "Geheimschreiben" irrt. Vom katholischen Kirchenrecht her ist überhaupt keine Vertuschung ausgegangen, und es gab niemals einen römischen Befehl zu einer systematischen Vertuschung, sondern in Wirklichkeit ist sowohl das funktionierende Strafrecht als auch das Schadensersatzrecht der Kirche völlig klar und müßte lediglich (auch präventiv) mehr bekannt gemacht und noch mehr eingesetzt werden. Das Das Interview mit Frau Prof. Dr. Uta Ranke-Heinemann im FOCUS Magazin vom 18. Februar 2010 bedarf somit einiger Richtigstellungen: 1. Mit Sicherheit haben Seine Heiligkeit Papst Benedikt XVI. und die katholischen Bischöfe Irlands in Rom der Menschheit vor vielen Tagen keine "Komödie vorgespielt". Der Papst selbst hatte bereits 2008 bei seinen Pastoralbesuchen in den USA und in Australien seine höchste Sensibilität betreffend die Opfer innerkirchlichen klerikalen sexuellen Mißbrauchs gezeigt, historische Treffen mit Opfern wahrgenommen und die hohe Verantwortung der einzelnen katholischen Bischöfe herausgestellt. Beide Besuche hatten die Glaubwürdigkeit der Katholischen Kirche und des Nachfolgers des heiligen Petrus weltweit eindeutig gestärkt. Außerdem gab Papst Benedikt XVI. am 15. April 2008 auf dem Weg in die USA das klare Motto aus: "Es ist wichtiger, gute Priester zu haben als viele Priester." 2. So sehr die vertuschende Versetzungspolitik der letzten Jahrzehnte innerhalb von katholischen Bistümern und Ordensgemeinschaften zutiefst kritikwürdig ist, so sehr muß aber bei der Herausstellung angeblicher Ursachen auch Sachlichkeit eingefordert werden. Wenn Frau Dr. Ranke-Heinemann von "zwei Geheimschreiben" spricht, dürften diese römischen Schreiben ja gar nicht bekannt oder gar im Internet abrufbar sein. In Wirklichkeit ist das von Frau Heinemann dem jetzigen Papst in die Schuhe geschobene "Geheimschreiben" (2001) auf der Seite des Heiligen Stuhles abrufbar und liegt in diesem Blogeintrag oberhalb in vollständiger deutscher Übersetzung mit allen anderen relevanten Dokumenten vor. Wenn sie dann in kirchenrechtlicher Unkenntnis mit diesem "Geheimschreiben" dem regierenden Papst eine "Mitschuld an diesen Skandalen" unterstellt, hat sie übersehen, daß der Diener Gottes Johannes Paul II. und der damalige Joseph Kardinal Ratzinger in Wirklichkeit durch die zentrale Meldepflicht (unter anderem für Sexualdelikte bei Unter-18-Jährigen) das kirchliche Recht konkret gegen eine diözesane Vertuschung verbesserten und auch die Verjährung nachweislich erhöhten, von der sogar dispensiert werden kann. Die von Ranke-Heinemann angesprochene "ausschließliche Kompetenz des Vatikans" ist daher in diesem kirchenrechtlichen Kontext zu verstehen und behindert die staatliche Justiz überhaupt nicht. Diese bösartige Unterstellung kommt aus einer schweren Ebenenverwechslung, die auch übersieht, daß nicht etwaige Geheimgesetze oder das Kirchenrecht als solches an den bisher aufgeflogenen Vertuschungen schuld waren und sind - ganz im Gegenteil - sondern eine bestimmte Kultur des Wegschauens, die gar nicht (nur) durch neue Gesetze geheilt werden könnte. Zum dauernd wiederholten Märchen einer angeblich systematischen Vertuschungsanordnung durch das überholte Dokument Crimen sollicitationis (unter anderem zum Spezialfall der Verführung gegen das 6. Gebot im Rahmen der Beichte) aus dem Jahre 1962, auf das Ranke-Heinemann absurderweise auch noch hereingefallen ist, hat der Nachrichtendienst kath.net angesichts der damaligen US-Diskussionen bereits vor mehr als sechs Jahren sachlich richtig zusammengefaßt, wie unsinnig und falsch nämlich auf das Dokument selbst bezogene Vertuschungsvorwürfe gegen die Kirche waren und sind. Auch verweise ich gerade im Zusammenhang mit dem früheren Dokument Crimen sollicitationis auf den oben übersetzten geltenden Artikel 20 der Normen, in dem nachweislich der Kläger (das Opfer) namentlich geschützt wird. 3. Die im Interview geäußerte persönliche Enttäuschung von Frau Prof. Dr. Ranke-Heinemann zu bewerten, steht mir nicht zu. Ich meine jedoch, daß sie die helfende Stellung des auf das Heil der Seelen und die Gerechtigkeit bezogenen katholischen Kirchenrechtes nicht erkannt hat oder nicht erkennen will. Aus diesem Grunde empfehle ich ihr an erster Stelle die Lektüre des neu erschienenen Buches "Zerrbilder" (Rheine, 2010) von Markus Anstead, der als reales Opfer klerikalen sexuellen Mißbrauchs über die Katholische Kirche selbst in Deutschland zu einem Schadensersatz gelangt ist und der durch seine Geschichte auch aufzeigt, wie oft offenbar sexueller Mißbrauch Minderjähriger leider einen homosexuellen Hintergrund bei den klerikalen Tätern hat und somit nicht eine Liberalisierung, sondern vielmehr die vollständige Beachtung der römischen Instruktion über die Kriterien zur Berufungsklärung von Personen mit homosexuellen Tendenzen im Hinblick auf ihre (Nicht-)Zulassung für das Priesterseminar und zu den heiligen Weihen (vom 4. November 2005) mit von zukunftsweisender Bedeutung zur langfristig erfolgreichen Eindämmung weiterer Mißbrauchsfälle in der ganzen Kirche sein wird. Dies zeigen auch mehrere Radiosendungen, in denen die mißbrauchsrelevante Problematik gelebter Homosexualität im Klerus angemessen und offen thematisiert wurde. Auch für diese und andere Fälle gibt es bereits zusätzliche Sondervollmachten eines weiteren päpstlichen Dikasteriums, nämlich der Kongregation für den Klerus, welche darüber hinaus helfen sollen, bei sehr schweren Fällen langwierige kirchliche Gerichtsverfahren durch kürzere Verwaltungsstrafverfahren zu ersetzen, unter Wahrung des natürlichen Verteidigungsrechtes. Ebenso kann die Kongregation für die Glaubenslehre vom normalerweise per Artikel 17 (siehe oben) vorgeschriebenen kirchlichen Gerichtsweg in schweren und klaren Fällen dispensieren, wenn diese vom zuständigen Ordinarius auf dem Verwaltungswege behandelt werden sollen, wobei er vor dem Dekret zur Entlassung aus dem Klerikerstand nochmals die Kongregation für die Glaubenslehre anzugehen hat (Audienz des Kardinalpräfekten der Kongregation beim Papst am 7. Februar 2003). Ebenso kann die Kongregation für die Glaubenslehre vom vorgeschriebenen Gerichtsweg dispensieren, wenn nach Entscheid des Partikularkongresses der Kongregation für die Glaubenslehre ein eben solcher schwerer und klarer Fall für eine Entlassung aus dem Klerikerstand ex officio dem Papst direkt vorgelegt werden soll (vgl. zu allen diesen Spezialfragen den sehr übersichtlichen Beitrag von Prof. Alfred E. Hierold, Pädophilie und Ephebophilie: Rechtsschutz für Opfer und Beschuldigte, 171 - 179, in: L. Müller u. a. (Hrsg.), "Strafrecht" in einer Kirche der Liebe. Notwendigkeit oder Widerspruch? Berlin 2006.) Nunmehr stehen viele Katholiken und Menschen in Irland und Europa in hoffnungsvoller Erwartung des päpstlichen Hirtenbriefes an die katholischen Christen in Irland, der Mitte März 2010 erscheinen soll. In einem offenen Brief an den Heiligen Vater Benedikt XVI. haben Marie Collins, Maeve Lewis und Andrew Madden als Opfer sexuellen Mißbrauchs stellvertretend für alle Überlebenden ihre hohe Erwartungshaltung nach der Publikation des sogenannten Murphy-Reports der Kommission zur Untersuchung sexuellen Mißbrauchs in der Erzdiözese Dublin geäußert: "Many who have suffered throughout their lives from the impact of sexual abuse by priests in childhood now realise, having read the Report, that their pain and suffering could have been avoided if senior churchmen and the civil authorities had acted properly in response to complaints received from earlier victims.The core finding of the Murphy Report was that the sexual abuse of children by priests was covered up by the Archdiocese of Dublin and other Church authorities over much of the period 1975 – 2004. Furthermore it found that the Dublin Archdiocese’s pre-occupations in dealing with cases of child sexual abuse, at least until the mid 1990s, were the maintenance of secrecy, the avoidance of scandal, the protection of the reputation of the Church, and the perseveration of its assets. All other considerations, including the welfare of children and justice for victims, were subordinated to these priorities. This finding was rightly accepted by the Irish Catholic Bishops in their December 2009 statement where they said that they were shamed by the extent to which child sexual abuse was covered up in the Archdiocese of Dublin. They also said that they recognised that this indicated a culture that was widespread in the Church. We also now request that other bishops throughout Ireland who engaged in this culture of cover up in their own dioceses should resign from their positions instead of waiting to see the extent to which they are criticised in any future Reports should the Commission of investigation be expanded to include their dioceses. The lives of thousands of Irish people have been devastated by sexual abuse by priests. We ask you to write, not only to Irish Catholics, but to all people of Ireland, accepting fully the harm that has been caused by the acts of omission and commission of the Catholic Church and its priests and bishops in Ireland." Ich bin überzeugt, daß Seine Heiligkeit Papst Benedikt XVI. nach der Ladung der katholischen Bischöfe Irlands nach Rom die richtigen Maßnahmen und darauf basierend auch effektive zukunftsweisende Worte finden wird. Im Gebet verbunden! Euer Padre Alex - Dr. iur. can. Alexander Pytlik |
KalenderSucheÜbersicht / Kontakt / LinksJüngere Einträge
KategorienBlog abonnieren |